JudikaturJustiz6Ob245/15w

6Ob245/15w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Michaela Jahn, Rechtsanwältin, 2230 Gänserndorf, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen R***** P*****, gegen die beklagte Partei Dr. L***** B*****, wegen 5.160 EUR sA (Revisionsinteresse 3.876,77 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. September 2015, GZ 3 R 8/15s 24, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 21. November 2014, GZ 5 Cg 90/14d 19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte war Kurator der Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen R***** P*****. In dieser Funktion wickelte er unter anderem dessen Trafikunternehmen ab, führte zwei arbeitsgerichtliche Verfahren und stellte schließlich einen Antrag auf Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses. Für seine Leistungen begehrte er 6.000 EUR als Masseforderung. Dieser Betrag wurde von der klagenden Masseverwalterin zunächst in voller Höhe überwiesen. In der Folge forderte die Masseverwalterin allerdings den größten Teil davon wieder zurück, weil es sich dabei richtigerweise nicht um eine Masseforderung, sondern nur um eine Insolvenzforderung gehandelt habe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Belohnung des Verlassenschaftskurators für eine Tätigkeit, die der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse gedient habe und im Konkurs der Verlassenschaft vom Masseverwalter übernommen und verwertet werden könne, sei insoweit als Masseforderung gemäß § 46 Abs 1 Z 2 IO anzusehen, als sich die Masse dadurch Honorar für die Masseverwalterin erspare. Im vorliegenden Fall sei seit dem 20. 4. 2009 bekannt gewesen, dass der Nachlass überschuldet sei. Der Beklagte hätte daraufhin den Konkursantrag stellen müssen. Sämtliche Tätigkeiten, die danach erfolgt seien, hätte die Masseverwalterin verrichtet. Deren Entlohnungsanspruch hätte sich dadurch nicht erhöht.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es lediglich 3.876,77 EUR sA zusprach und das Mehrbegehren von 1.283,23 EUR sA abwies. Die Belohnung des Verlassenschaftskurators sei nur insoweit als Masseforderung zu behandeln, als sich die Masse das ansonsten für die gleiche Tätigkeit dem Masseverwalter zu leistende Honorar erspart habe. Der Entlohnungsanspruch der klagenden Masseverwalterin hätte sich nicht erhöht, wenn diese weitere Leistungen vorgenommen hätte. Allerdings seien anwaltliche Leistungen, die der Masseverwalter als Rechtsanwalt im Zuge seiner Verwaltung erbringe, nicht mit der Pauschalentlohnung abgegolten. Daher stünde dem Beklagten Ersatz für seine anwaltliche Tätigkeit nach dem RATG zu.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, dass keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob § 47 Abs 2 letzter Satz IO der Rückforderung einer vom Masseverwalter geleisteten Zahlung entgegenstehe, die dieser zur vollständigen Tilgung einer von ihm unrichtig als Masseforderung beurteilten Konkursforderung getätigt habe.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Die Masseforderungen sind in § 46 IO abschließend aufgezählt; eine Erweiterung durch Analogie ist ausgeschlossen (RIS Justiz RS0077987 [T1]). Die Auslagen für die Tätigkeit eines Verlassenschaftskurators sind im Verlassenschaftskonkurs dann als Masseforderung nach § 46 Abs 1 Z 2 IO einzustufen, wenn diese der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse dienten, weil sich die Masse dann in diesem Umfang ein Honorar für den Masseverwalter ersparte (RIS Justiz RS0013042). Das Abhandlungsgericht ist nur für die Bestimmung der Höhe der Gebühren des Verlassenschaftskurators zuständig, während über die Frage, wie die vom Abhandlungsgericht rechtskräftig bestimmten Kosten des vorangegangenen Verlassenschaftsverfahrens aus der Konkursmasse zu berichtigen sind, ausschließlich das Konkursgericht zu entscheiden hat (RIS Justiz RS0013042 [T1]).

2. Zutreffend wies schon das Berufungsgericht darauf hin, dass die klagende Masseverwalterin, die lediglich die gesetzliche Mindestentlohnung angesprochen hat, auch dann keine höhere Belohnung erhalten hätte, wenn sie zusätzlich weitere Tätigkeiten vorgenommen hätte. Anderes gilt nur für die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden anwaltlichen Vertretungsleistungen. Anwaltliche Leistungen, die der Masseverwalter als Rechtsanwalt im Zuge seiner Verwaltung erbringt, sind nämlich nicht mit der Pauschalentlohnung abgegolten ( Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 82 KO Rz 9 mwN).

3. Die beklagte Partei stützt sich im Wesentlichen auf ein angebliches Anerkenntnis des Masseverwalters. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Ein förmliches Verfahren zur Anmeldung und bindenden Feststellung von Masseforderungen sieht die Insolvenzordnung anders als für Insolvenzforderungen nicht vor. Voraussetzung für ein privatrechtliches konstitutives Anerkenntnis wäre aber, dass die Parteien beabsichtigten, eine vom bestehenden Schuldverhältnis grundsätzlich selbständige Verpflichtung zu begründen (RIS Justiz RS0032496 [T1]). Ein konstitutives Anerkenntnis ist außerdem nur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streits oder Zweifels über den Bestand einer Forderung möglich (RIS Justiz RS0032896 [T4]). Dass derartige Zweifel oder ein Streit vorgelegen hätten, hat der Beklagte aber nicht vorgebracht. In der bloßen Überweisung von 6.000 EUR liegt noch kein Anerkenntnis, würde es doch andernfalls nicht Bereicherungsansprüche nach § 1431 ABGB geben.

4.1. Verfehlt ist auch die weitere Argumentation des Beklagten, § 47 Abs 2 IO stehe einer Rückforderung entgegen. Nach § 47 Abs 2 IO, welcher eine Rangordnung der Masseforderungen normiert, sind innerhalb gleicher Gruppen die Masseforderungen verhältnismäßig zu befriedigen. Geleistete Zahlungen können nicht zurückgefordert werden.

4.2. Diese Bestimmung regelt jedoch nur die Vorgangsweise bei Masseunzulänglichkeit, trifft aber keine Aussage darüber, ob eine bestimmte Forderung als Masseforderung einzustufen ist oder nicht. Vielmehr bezieht sich der letzte Satz des § 47 Abs 2 IO nach seiner systematischen Stellung ersichtlich nur auf die Verletzung der Rangordnung des § 47 Abs 2 IO im Fall der Masseunzulänglichkeit ( Engelhart in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 47 KO Rz 28 ff mwN). Nicht geschützt ist der Konkursgläubiger, der durch einen Masseverwalter irrtümlich die Zahlung einer Konkursforderung erhalten hat. Der Rückforderungsanspruch wegen Bereicherung richtet sich gemäß § 1431 ABGB auf die Differenz zwischen Zahlung und voraussichtlicher Konkursquote, für den Fall, dass es zu keiner Quotenverteilung kommt oder der Gläubiger keine Konkursforderung angemeldet hat, auf den gesamten Zahlungsbetrag ( Engelhart aaO § 47 KO Rz 30 mwN). Damit entspricht der vorliegende Sachverhalt aber genau der im Schrifttum einhellig beurteilten Konstellation.

4.3. Auch aus den in der Revision zitierten Entscheidungen 3 Ob 92/12v, 3 Ob 69/87 SZ 60/201 und 3 Ob 19/91 ist für den Rechtsstandpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen: Die erste Entscheidung befasst sich für den Fall der Masseunzulänglichkeit mit dem Verhältnis der Ansprüche von Alt und Neumassegläubigern; auch die anderen beiden Entscheidungen gehen davon aus, dass es sich bei den dort gegenständlichen Forderungen überhaupt um Masseforderungen handelt. Die weiters zitierte Entscheidung 4 Ob 55/99p besagt, dass nur die Kosten für eine „einfache Bestattung“ Masseforderungen sind; das diese übersteigende Maß könne nicht zum Schaden der übrigen Gläubiger vorrangig befriedigt werden.

4.4. Ist aber ganz unzweifelhaft, dass der zu beurteilende Sachverhalt jener Norm nicht entspricht, die eine Partei angewendet wissen will, und legt diese Partei auch nicht (nachvollziehbar) dar, aus welchem Grund vernünftigerweise eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift in Betracht kommen könnte, liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn höchstgerichtliche Entscheidungen zur betreffenden Vorschrift fehlen (RIS Justiz RS0042656 [T20]).

5. Zusammenfassend bringt der Beklagte daher keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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