JudikaturJustiz6Ob235/23m

6Ob235/23m – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E*, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Dornbirn , wider die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in Wien, wegen 63.777,33 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2023, GZ 4 R 51/23h 101, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der bloße Umstand, dass zu lösende Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten mögen, bewirkt entgegen der Ansicht der Revision nicht ohne Weiteres deren Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816).

[2] 2. Mit den in der Revision aufgeworfenen Fragen der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei – mit dem vorliegenden Modell vergleichbaren – Veranlagungs- und Finanzierungskonzepten (die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern vorsehen) hat sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals befasst.

[3] Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist die Kenntnis der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells. Dann ist dem Geschädigten der Primärschaden in Gestalt der nicht seinem Willen entsprechenden Zusammensetzung seines Vermögens (iS eines sogenannten „realen Schadens“) bekannt. Entscheidend ist also, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept entgegen den Zusicherungen nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist (RS0034951 [T38]; RS0087615 [T9, T10, T11]; RS0097976 [T8, T9]).

[4] Die spezifischen Gefahren, die diese Risikoträchtigkeit bedingen (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers), stehen dabei nach der Interessenlage des durchschnittlichen Anlegers in einem derart engen Zusammenhang, dass die unterbliebene oder fehlerhafte Aufklärung über einzelne Teilaspekte verjährungsrechtlich jeweils als unselbständiger Bestandteil eines einheitlichen Beratungsfehlers zu qualifizieren ist (jüngst 7 Ob 15/23s [Rz 4]; siehe auch schon 7 Ob 56/15h; 8 Ob 46/18z [Untauglichkeit als sicheres Pensionsvorsorgemodell ist nur ein Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells, die mit der den Zusagen gegenläufigen Entwicklung zutage trat]; 1 Ob 153/18h; 3 Ob 82/18g; 7 Ob 56/20s).

[5] Die Klägerin, die bis zuletzt die Feststellung der Haftung „aus dem Finanzkonstrukt vom 18. 2. 2002“ begehrte und damit selbst ein Gesamtkonzept zugrundelegte, kann nicht schlüssig erklären, warum verjährungsrechtlich von selbständig zu betrachtenden Teilkomponenten auszugehen sein sollte.

[6] 3. Zu welchem Zeitpunkt der Anleger konkret Kenntnis vom Primärschaden erlangte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0113916 [T1]).

[7] Im vorliegenden Fall musste der Klägerin der Primärschaden in der Form, dass die Zusammensetzung ihres Vermögens nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht ihrem Willen entspricht (vgl 7 Ob 15/23s [Rz 5]), bereits spätestens Ende des Jahres 2010 und damit mehr als drei Jahre vor Einbringung der Feststellungsklage bekannt sein. Ab Juni 2010 war sie mündlich und schriftlich von der Beklagten über die Gefahren aus ihren Fremdwährungsfinanzierungen, insbesondere über das Zins- und Börserisiko, (erneut) hingewiesen und zudem auch von der Performance des Tilgungsträgers und der/den bereits bestehende(n) Deckungslücke(n) informiert worden. Sie verzichtete aber – auch nach der Mitteilung, dass die aktuelle Wertentwicklung vom ursprünglich geplanten Ansparziel „erheblich abweicht“ und eine vollständige Kreditabdeckung nicht möglich sein werde – aufgrund der von ihrem Sohn angestellten eigenen Berechnungen (die keine Deckungslücke ergaben) auf die ihr nahegelegten Sonderzahlungen zur Schmälerung der Tilgungslücke.

[8] Die Ansicht der Vorinstanzen, die Klägerin habe damals erkennen müssen, dass das Gesamtkonzept (dessen „Plan“ nicht von der Beklagten, sondern vom Berater der Klägerin erstellt worden war) nicht ihren Vorstellungen entsprochen habe, folgt der Rechtsprechung und bedarf daher keiner Korrektur.

Rechtssätze
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