JudikaturJustiz6Ob224/13d

6Ob224/13d – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. April 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr.

Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der D***** KG, als Rechtsnachfolgerin der D***** S.A.S. *****, mit dem Sitz in *****, Italien, über den Revisionsrekurs des U***** I*****, als geschäftsführender Komplementär der D***** S.A.S. *****, vertreten durch Dr. Josef Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. Oktober 2013, GZ 6 R 156/13y 5, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 27. August 2013, GZ 24 Fr 5075/13d 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die D***** S.A.S. ***** ist eine Societá in accomandita semplice, eine Personengesellschaft nach italienischem Recht. Sie ist beim Unternehmensregisteramt bei der Kammer für Handel Industrie Handwerk und Landwirtschaft ( Ufficio del Registro delle Imprese presso Camera di Commercio Industria Artigianato e Agricultura ) von Neapel mit dem Sitz in *****, eingetragen und hat die Steuernummer ***** und die Registernummer bei der italienischen Handelskammer (REA) *****. Der Gesellschafter U***** I***** haftet unbeschränkt, die I*****verwaltung KG (FN *****) haftet nur mit ihrem Geschäftsanteil.

Die Gesellschafter der D***** S.A.S. ***** beschlossen am 11. 4. 2013 die Verlegung des Gesellschaftssitzes von „*****“ nach „***** (Österreich)“. Sie änderten den den Gesellschaftssitz regelnden Art 2 des Gesellschaftsvertrags und gaben in ihrem Beschluss vom 11. 4. 2013 die aktualisierte Fassung des Gesellschaftsvertrags unter Berücksichtigung dieser Änderung sowie eines ebenfalls vereinbarten Verkaufs eines Geschäftsanteils des U***** l***** an der D***** S.A.S. ***** an die I*****verwaltung KG wieder. Art 3 des Gesellschaftsvertrags nimmt erkennbar auf italienische Gesetze Bezug.

Der vorgelegte italienische Registerauszug enthält unter der Überschrift „Status Aktivität“ die Eintragung: „Unternehmen inaktiv“ und unter der Überschrift „Aufschiebende Bedingungen“ folgende Eintragung: „Mit notarieller Urkunde des Notars A***** vom 11. 4. 2013 wurde der Gesellschaftssitz verlegt nach ***** (Österreich).“

Am 5. 8. 2013 beantragte U***** I***** als geschäftsführender Komplementär der D***** S.A.S. *****, infolge Sitzverlegung der Gesellschaft die Eintragung der D***** KG als Rechtsnachfolgerin der D***** S.A.S. ***** mit dem Sitz in der Gemeinde K***** und der Geschäftsanschrift ***** sowie die weiteren in den §§ 3, 4 FBG vorgesehenen Eintragungen in das Firmenbuch. Er bringt vor, die Liegenschaft *****, stehe in seinem sowie im Eigentum der D'***** KG. Die Verlegung des Geschäftssitzes erfolge im Zusammenhang mit einer Verlegung sämtlicher Aktivitäten nach Österreich. Es sei nicht nur seine Wohnsitznahme in Österreich, sondern auch eine Konzentration sämtlicher Gesellschaften in *****, geplant. Er beabsichtige, nachhaltig auf unbestimmte Zeit im österreichischen Immobilienmarkt zu investieren. Der Gesellschaftssitz in *****, verfüge über Büroräume und Einrichtung. Die Entscheidungen der Unternehmensleitung sollten hier effektiv umgesetzt werden. Die Gesellschaft werde somit ihre wirtschaftliche Tätigkeit mittels fester Einrichtung an ihrem Satzungs und Verwaltungssitz in Österreich ausüben. Die Funktionsweise der D***** S.A.S. ***** solle in der Folge nach österreichischem Recht geregelt werden. Die Gesellschaft verlege daher sowohl ihren Satzungs als auch ihren Verwaltungssitz von Italien nach Österreich unter Wechsel des anwendbaren Rechts und Umwandlung in die KG. Die Satzung sei mit Beschluss vom 11. 4. 2013 den formellen und materiellen Mindestanforderungen des österreichischen Rechts angepasst worden. Die beabsichtigte Fassung des Gesellschaftsvertrags nach Durchführung der Sitzverlegung sehe deshalb in Art 2 den Geschäftssitz in ***** mit der Geschäftsanschrift *****, sowie die entsprechende Änderung der Firma in D***** KG vor. Der Gesellschafterbeschluss vom 11. 4. 2013 sei dem Unternehmensregister Neapel am 8. 5. 2013 mit dem Hinweis überreicht worden, dass die Gesellschaft beabsichtige, sich dem österreichischen Recht zu unterwerfen. Das Unternehmensregister Neapel habe die Zulässigkeit der Satzungsänderung nach italienischem Recht festgestellt und werde die Sitzverlegung eintragen, sobald diese im österreichischen Firmenbuch eingetragen sei. Die Gesellschaft beschäftige keine Arbeitnehmer. Verfahren wegen Auflösung, Liquidation, Zahlungsunfähigkeit, vorläufiger Zahlungseinstellung oder ähnliche Verfahren seien nicht eröffnet worden. Das Unternehmensregister Neapel bescheinige der Gesellschaft, dass die Interessen der Gläubiger und sonstigen Forderungsberechtigten einschließlich der öffentlich rechtlichen Körperschaften angemessen geschützt seien und dem Wegzug aus Italien keine zwingenden rechtlichen Gründe entgegenstehen.

Die D***** KG berufe sich auf die Niederlassungsfreiheit und die Zulässigkeit der begehrten Eintragung im Hinblick auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. 7. 2012, C 378/10 Vale , und vom 16. 12. 2008, C 210/06 Cartesio .

Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, für die Beurteilung der Auswirkungen der Sitzverlegung auf die Existenz des Rechtsträgers seien, falls Österreich bei Verlegung des Satzungssitzes als Zuzugsstaat betroffen sei, beide berührte Rechtsordnungen heranzuziehen. Die Rechtspersönlichkeit bestehe dann fort, wenn dies beide Rechtsordnungen vorsähen. Österreichische Regelungen, wonach infolge einer Sitzverlegung eine inländische KG Rechtsnachfolgerin einer italienischen S.A.S. sein könne, sowie dazu, welche Rechtswirkungen sich an eine derartige Sitzverlegung knüpfen, lägen nicht vor. Dies gelte auch für das Bestehen entsprechender italienischer Rechtsvorschriften.

Die Eintragung der „aufschiebenden Bedingung“ in das italienische Handelsregister unter Anführung von Neapel als Sitz der Gesellschaft reiche nicht als Nachweis, dass der Wegzug der Gesellschaft aus Italien ohne Liquidation zulässig sei. Die Eintragung der Kommanditgesellschaft in Österreich könne daher nur nach Neugründung erfolgen. Das Europäische Gemeinschaftsrecht ermögliche keine identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes nationaler Gesellschaftsformen von einem Mitgliedstaat in einen anderen. Der Antragsteller lasse bei seiner Bezugnahme auf Judikatur des EuGH unberücksichtigt, dass formwechselnde Umwandlungen in Österreich nur in spezifischen Konstellationen zulässig seien (§§ 239 ff AktG, §§ 61, 61e VAG, § 27a SpG) und Umwandlungen nach dem UmwG immer von einer Kapitalgesellschaft als Ausgangsrechtsträgerin ausgingen. Vorschriften, die eine (formwechselnde oder übertragende) Umwandlung von Personengesellschaften als Ausgangsrechtsträgerinnen ermöglichten, bestünden nicht.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Selbst wenn eine identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes einer italienischen S.A.S. nach Österreich zulässig wäre, so ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH und der Lehre, dass es sich hiebei um eine rechtliche Umstrukturierungsmaßnahme handle, da mit ihr die Umwandlung in eine ausländische Rechtsform einhergehe. Die Abweisung des Eintragungsbegehrens sei schon im Hinblick darauf zu Recht erfolgt, dass die Satzungsänderung vom 11. 4. 2013 nur den Verkauf eines Teils des Geschäftsanteils des U***** I***** an der D***** S.A.S. ***** an die I***** Vermögensverwaltung KG und die Sitzverlegung der D***** S.A.S ***** nach Österreich zum Gegenstand hatte. Die Gesellschafter bezögen sich in Art 3 des Gesellschaftsvertrags erkennbar auf italienische Rechtsvorschriften, bezeichneten die Gesellschaft im gesamten Vertragstext unverändert als D'***** S.A.S ***** und brächten an keiner Stelle des Gesellschaftsvertrags zum Ausdruck, dass sie eine Umwandlung der S.A.S in die Gesellschaftsform der österreichischen Kommanditge-sellschaft vornehmen und sich somit dem österreichischen Recht unterwerfen wollten. Eine Verbesserungsmöglichkeit habe nicht eingeräumt werden müssen, weil feststehe, dass die betreffenden Urkunden nicht nur nicht beigelegt worden seien, sondern überhaupt erst errichtet werden müssten.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zu Fragen der Verlegung des Sitzes einer ausländischen Personengesellschaft nach Österreich vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Unter „grenzüberschreitender Satzungssitz-verlegung“ ist ein Vorgang zu verstehen, der durch einen Wechsel des anwendbaren Gesellschaftsrechts in einem geordneten Verfahren gekennzeichnet ist, in dessen Zuge es insbesondere zu einer Löschung der Gesellschaft im Register des Wegzugsstaats und zu einer Neueintragung der Gesellschaft im Register des Zuzugsstaats kommt und bei dem insgesamt die Identität der Gesellschaft vergleichbar einer formwechselnden Umwandlung im nationalen Recht gewahrt bleibt, was insbesondere bedeutet, dass es zu keiner Übertragung des Gesellschaftsvermögens kommt und die Mitgliedschaftsrechte wenn auch regelmäßig mit verändertem Gehalt aufrecht bleiben ( Eckert in Kalss , Verschmelzung Spaltung Umwandlung 2 , EU VerschG Vor § 1 Rz 51).

1.2. Im Europäischen Gemeinschaftsrecht gibt es bislang keine Regelung zur grenzüberschreitenden Verlegung des Satzungssitzes von Gesellschaften ohne Erfordernis einer Liquidation und Neugründung. Eine geplante Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung wurde nicht realisiert ( Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 1/23; Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB 2 § 13 Rz 20; Krafka , MünchKommHGB 3 § 13h Rz 19; Ratka/Wolfbauer , ZfRV 2009/10; Schopper/Skarics , NZ 2012, 321 [331]; Habersack/Verse , Europäisches Gesellschaftsrecht 4 Rz 30). Nach dem Inhalt der geplanten Sitzverlegungsrichtlinie sollte die Verlegung des Satzungssitzes bei gleichzeitigem Statutenwechsel (und Rechtsformwechsel) ermöglicht werden ( Burgstaller/Pilgerstorfer aaO mwN).

1.3. Im Hinblick auf das Fehlen einer ausdrücklichen unionsrechtlichen Regelung bezeichnen Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 1/23, Zulässigkeit und Rechtsfolgen der rechtsformwechselnden Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft ohne Erfordernis einer Liquidation und Neugründung als nach wie vor unklar.

2.1. In der Entscheidung vom 16. 12. 2008, C 210/06 ( Cartesio ) hatte der EuGH den Fall einer in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft nach ungarischem Recht gegründeten Gesellschaft zu beurteilen, die beim Handelsregistergericht beantragt hatte, die Verlegung ihres Sitzes nach Italien zu bestätigen und die Sitzangabe im Handelsregister entsprechend zu ändern. Der Antrag war mit der Begründung abgelehnt worden, dass eine in Ungarn gegründete Gesellschaft nach geltendem ungarischen Recht ihren Sitz nicht unter Beibehaltung des ungarischen Personalstatuts ins Ausland verlegen könne.

2.2. Der EuGH entschied in diesem Vorabentscheidungsverfahren, dass die Art 43 EG und 48 EG beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrecht 5 , dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die es einer nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft verwehren, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihre Eigenschaft als Gesellschaft des nationalen Rechts des Mitgliedstaats, nach dessen Recht sie gegründet wurde, zu behalten.

2.3. Dabei führte der EuGH in den Rz 115 120 seiner Entscheidung wörtlich aus:

„(115) Die Kommission trägt jedoch vor, das vom Gerichtshof in Rdn 23 des Urteils Daily Mail and General Trust festgestellte Fehlen einer entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Regelung sei durch Gemeinschaftsvorschriften über die Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat ausgeglichen worden, die in Verordnungen wie den Verordnungen Nr 2137/85 und 2157/2001 über die EWIV bzw die Europäische Gesellschaft oder der Verordnung (EG) Nr 1435/2003 des Rates vom 22. 7. 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl L 207, S 1) sowie in den nach diesen Verordnungen erlassenen ungarischen Rechtsvorschriften enthalten seien.

(116) Diese Regeln könnten, ja müssten entsprechende Anwendung auf die grenzüberschreitende Verlegung des wahren Sitzes einer nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft finden.

(117) Hierzu ist festzustellen, dass diese auf der Grundlage von Art 308 EG erlassenen Verordnungen zwar tatsächlich eine Regelung enthalten, wonach die mit ihnen eingeführten neuen Rechtsformen ihren satzungsmäßigen Sitz und damit auch ihren wahren Sitz, die nämlich in demselben Mitgliedstaat gelegen sein müssen, in einen anderen Mitgliedstaat verlegen können, ohne dass dies zur Auflösung der ursprünglichen juristischen Person und zur Schaffung einer neuen juristischen Person führt, dass eine solche Verlegung aber dennoch zwangsläufig die Änderung des auf die betreffende Einheit anwendbaren nationalen Rechts mit sich bringt.

(118) Dies ergibt sich zB für eine Europäische Gesellschaft aus den Art 7 bis 9 Abs 1 Buchst c Z ii der Verordnung Nr 2157/2001.

(119) Im vorliegenden Fall möchte Cartesio jedoch nur ihren wahren Sitz von Ungarn nach Italien verlegen und zugleich eine Gesellschaft ungarischen Rechts bleiben, also ohne dass sich das anwendbare nationale Recht änderte.

(120) Eine entsprechende Anwendung der von der Kommission angeführten Gemeinschaftsvorschriften, selbst wenn sie im Fall der grenzüberschreitenden Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats geboten sein sollte, kann daher in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens jedenfalls nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen.“

2.4. Die Entscheidung des EuGH im Fall Cartesio betraf zwar keine Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes, sondern des tatsächlichen Verwaltungssitzes ( Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann , UGB 2 § 13 Rz 23). Der EuGH deutete allerdings an, dass die Sitzverlegung unter gleichzeitiger „Umwandlung“ in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaats nicht beschränkt werden dürfe, wenn nicht zwingende Gründe des Allgemeininteresses dagegen sprächen. Der EuGH verwendet im Übrigen nicht den Begriff „Satzungssitz“ oder „Verwaltungssitz“, sondern stellt ganz allgemein darauf ab, dass „eine Gesellschaft ... verlegt“ werde ( Bayer/Schmidt , Grenzüberschreitende Sitzverlegung und grenzüberschreitende Restrukturierungen nach MoMiG, Cartesio und Trabrennbahn Europäischer Rahmen, deutsche lex lata und rechtspolitische Desiderata, ZHR 173 [2009] 735, 755). Wurzel dieser terminologischen Ungenauigkeit der Entscheidung Cartesio dürfte die ungarische Originalfassung sein ( Bayer/Schmidt aaO).

3.1 In der Entscheidung des EUGH vom 12. 7. 2012, C 378/10 ( Vale ) war eine nach italienischem Recht gegründete GmbH zu beurteilen, die im italienischen Handelsregister im Hinblick auf ihre Absicht, ihren Sitz und ihre Tätigkeit nach Ungarn zu verlegen und ihre Tätigkeit in Italien einzustellen, gelöscht worden war. Da die ursprünglich in Italien nach italienischem Recht gegründete Gesellschaft beschlossen hatte, ihren Sitz nach Ungarn zu verlegen und dort nach ungarischem Recht tätig zu werden, hatten der Geschäftsführer der Vale Costruzioni und eine weitere natürliche Person in Italien den Gesellschaftsvertrag der Vale Épitési Kft (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ungarischen Rechts) geschlossen, um ihre Eintragung in das ungarische Handelsregister zu erwirken.

3.2. Der Vertreter der Vale Épitési hatte beim ungarischen Handelsregistergericht die Eintragung der Gesellschaft nach ungarischem Recht beantragt und die Vale Costruzioni als Rechtsvorgängerin angegeben. Der Zurückweisungsbeschluss des Gerichts erster Instanz war mit der Begründung bestätigt worden, dass eine in Italien gegründete und eingetragene Gesellschaft aufgrund der in Ungarn geltenden Rechtsvorschriften für Gesellschaften ihren Gesellschaftssitz nicht nach Ungarn verlegen und sich nicht in der beantragten Form eintragen lassen könne. Eine nicht ungarische Gesellschaft könne nicht als Rechtsvorgängerin eingetragen werden.

3.3. Der EuGH sprach im über Antrag des ungarischen Obersten Gerichtshofs eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren aus, dass die Art 49 AEUV und Art 54 AEUV im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen seien, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt sei, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die wie alle Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehrten es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat, bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als „Rechtsvorgängerin“ zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen sei, und sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen (Rz 62).

3.4. Wörtlich führte der EuGH aus:

„(23) Mit den ersten beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft nicht zulässt .

...

(27) Nach ständiger Rechtsprechung existiert zwar eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften, die für ihre Gründung und ihre Funktionsweise maßgebend sind (vgl Urteile vom 27. 9. 1988, Daily Mail and General Trust, C 81/87, Slg 1988, 5483, Randnr 19, und Cartesio, Randnr 104).

...

(31) Wie sich nämlich aus der in Randnr 27 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, unterliegt eine solche Gesellschaft [gemeint: eine aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehende Gesellschaft] zwangsläufig allein dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats, das die erforderliche Anknüpfung wie auch die Gründung und die Funktionsweise der Gesellschaft regelt.

...

(33) Aus alledem ist zu schließen, dass eine nationale Regelung, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft nicht erlaubt, in den Anwendungsbereich der Art 49 AEUV und 54 AEUV fällt.

...

(38) Hierzu ist zunächst festzustellen, dass eine unterschiedliche Behandlung, die davon abhängt, ob es sich um eine grenzüberschreitende oder eine innerstaatliche Umwandlung handelt, nicht mit dem Fehlen von Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts gerechtfertigt werden kann. Auch wenn solche Vorschriften zur Erleichterung grenzüberschreitender Umwandlungen gewiss hilfreich wären, kann ihre Existenz doch keine Vorbedingung für die Umsetzung der in den Art 49 AEUV und 54 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit sein (...).

...

(41) Daher ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass die Art 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

(42) Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art 49 AEUV und 54 AEUV in Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung dahin auszulegen sind, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Im Einzelnen möchte es wissen, ob der Aufnahmemitgliedstaat bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Angabe des 'Rechtsvorgängers', dessen Eintragung im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, verweigern darf und ob und, wenn ja, in welchem Umfang er den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft Rechnung tragen muss.

(43) Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass das abgeleitete Unionsrecht derzeit keine speziellen Vorschriften für grenzüberschreitende Umwandlungen enthält, so dass die einen solchen Vorgang ermöglichenden Bestimmungen nur im nationalen Recht zu finden sein können, und zwar im Recht des Herkunftsmitgliedstaats, dem die Gesellschaft unterliegt, die eine Umwandlung vornehmen möchte, und im Recht des Aufnahmemitgliedstaats, dem die Gesellschaft nach der Umwandlung unterliegen wird.

(44) Die Vornahme einer grenzüberschreitenden Umwandlung erfordert nämlich, wie aus Randnr 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen auf diesen rechtlichen Vorgang.

(45) Zweitens lassen sich zwar aus den Art 49 AEUV und 54 AEUV keine genauen Regeln ableiten, die an die Stelle der nationalen Vorschriften treten könnten, doch ist deren Anwendung nicht jeder Kontrolle anhand der genannten Artikel entzogen.

...

(51) Eine grenzüberschreitende Umwandlung führt nämlich im Aufnahmemitgliedstaat unstreitig zur Gründung einer Gesellschaft nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft existiert aber nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften, die für ihre Gründung und ihre Funktionsweise maßgebend sind (...).“

4. Das Oberlandesgericht Innsbruck (3 R 93/08p) hat unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit, die auch für EWR Gesellschaften aus nicht EU Mitgliedstaaten gelte, die Auffassung vertreten, dass einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung (mit Statutenwechsel) einer OEG von Österreich in das Fürstentum Liechtenstein aus firmenbuchrechtlicher Sicht grundsätzlich keine Hindernisse entgegenstünden (vgl auch Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann , UBG 2 Art 13 Rz 23).

5.1. Nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH im Fall Cartesio vertraten Ratka/Wolfbauer (Daily Mail: „I am not dead yet!“, ZfRV 2009/10, 57 ff [62 f]) die Meinung, die Möglichkeit der Hereinumwandlung folge schon aus der Niederlassungsfreiheit. Zwar müsse Österreich als Wegzugsstaat nach dieser Entscheidung eine isolierte Satzungssitzverlegung (ohne gleichzeitige Verwaltungssitzverlegung) österreichischer Gesellschaften ins Ausland nicht gestatten. Aus der Entscheidung ergebe sich aber, dass der Wegzugsstaat die grenzüberschreitende Verwaltungs und Satzungssitzverlegung mit gleichzeitiger Umwandlung in eine Rechtsform des Zuzugsstaats zulassen müsse, wenn auch der Zuzugsstaat diese Umwandlung zulasse.

5.2. Eckert (Sitzverlegung von Gesellschaften nach der Cartesio Entscheidung des EuGH, GesRZ 2009, 139 f [153 f]) betont, dass die zuzugswillige Gesellschaft derjenigen Rechtsform, die sie in Österreich annehmen wolle, strukturell äquivalent sein müsse (zur Frage der Äquivalenz von Gesellschaften vgl schon Adensamer/Eckert , Das Kollisionsrecht der grenzüberschreitenden Verschmelzung GeS 2007, 95 [97]). Die Gesellschaft solle ja vor und nach der Sitzverlegung die gleiche „Identität“ haben, dh, es solle zu keiner Vermögensübertragung kommen und die Mitgliedschaftsrechte sollten fortgeführt werden. Die Palette der in eine inländische Kapitalgesellschaft überführbaren Rechtsträger sei dabei anhand der Möglichkeiten abzustecken, die das österreichische Recht für die formändernde Umwandlung bereitstelle. Danach sei es möglich, eine GmbH in eine AG oder umgekehrt umzuwandeln. Die Umwandlung einer Personen in eine Kapitalgesellschaft (und umgekehrt) sei aber de lege lata nicht ohne Vermögensübertragung möglich. Der Zuzug einer ausländischen Personengesellschaft in der Weise, dass die Gesellschaft die Form einer inländischen Kapitalgesellschaft annehme, sei daher ausgeschlossen. Gleiches gelte für ausländische Stiftungen und Anstalten. Die Importsitzverlegung müsse generell ausgeschlossen sein, wenn die ausländische Rechtsform überhaupt kein inländisches Äquivalent habe. Die Gesellschaft müsse alle sachrechtlichen Anforderungen an das Entstehen einer inländischen Gesellschaft erfüllen. Dazu gehöre in erster Linie die Anpassung ihrer Satzung in Form und Inhalt an österreichisches Recht. Die Satzungsänderung selbst richte sich demgegenüber noch nach ausländischem Recht.

5.3. Nach Eckert (in Kalss , Verschmelzung Spaltung Umwandlung² Rz 53) ist im Einklang mit der Grundaussage der Cartesio Entscheidung der Zuzugsstaat in der Definition der Anknüpfungskriterien frei, die eine Gesellschaft erfüllen müsse, um als seinem Recht unterliegende Gesellschaft behandelt zu werden. Für das österreichische Recht bedeute dies, dass die Gesellschaft einen inländischen Verwaltungssitz haben und sich den materiellen Anforderungen des Zuzugsrechts (Satzungsgestaltung, Kapitalausstattung usw) anpassen müsse. Trage sie dem Rechnung, wäre eine Verweigerung der S atzungssitzverlegung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Sowohl die Verlegung einer österreichischen Gesellschaft in einen EU/EWR Staat (Exportsitzverlegung) als auch die Verlegung einer ausländischen Gesellschaft aus dem EU/EWR Raum nach Österreich (Importsitzverlegung) sei grundsätzlich zulässig.

5.4. Eckert (Internationales Gesellschaftsrecht, 655) führt zur Anpassung an das inländische Recht aus, der Verlegungsbeschluss habe den Gesellschaftsvertrag so anzupassen, dass er den inhaltlichen Anforderungen des österreichischen Rechts gerecht wird. Dies bedinge neben der Verlegung des Satzungssitzes in das Inland die Abfassung der Satzung in deutscher Sprache, die Einhaltung der Anforderungen an den Mindestinhalt gemäß § 4 GmbHG, §§ 16 f AktG sowie die Beseitigung sämtlicher Bestimmungen, die gegen zwingendes österreichisches Recht verstoßen.

5.5. Lutter/Bayer/Schmidt (Europäisches Unternehmens und Kapitalmarktrecht 5 Rz 64) betonen, soferne eine nationale Rechtsform Zielrechtsträger eines nationalen Formwechsels sein könne, müsse auch ein „rechtsformkongruenter“ transnationaler Formwechsel zugelassen werden (zB AG in plc oder GmbH in Ltd). Denn auch wenn auf nationaler Ebene logischerweise keine entsprechenden Regelungen existierten (Verfahrensregeln für den Formwechsel einer plc in eine plc wären geradezu abstrus!), läge in der Verweigerung entsprechender transnationaler Formwechsel eine speziell mit Blick auf das Telos der Niederlassungsfreiheit und den effet utile des Unionsrechts unzulässige Diskriminierung; wenn die Mitgliedstaaten rechtsforminkongruente transnationale Formwechsel zulassen müssen, so müsse dies a maiore ad minus auch für rechtsformkongruente transnationale Formwechsel gelten.

5.6. Habersack/Verse (Europäisches Gesell-schaftsrecht Rz 21) gehen davon aus, dass ein Mitgliedstaat, der für seine nationalen Rechtsformen einen identitätswahrenden Formwechsel ermöglicht, diesen auch in grenzüberschreitenden Konstellationen zulassen müsse.

5.7. Nach dem Vorliegen der Entscheidung des EuGH im Fall Vale vertraten Schopper/Skarics, (Grenzüberschreitende Umwandlungen nach der Entscheidung des EuGH in der Rs C VALE, NZ 2012/123, 321 ff) die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten grenzüberschreitende Umwandlungen von Gesellschaften zulassen müssten, wenn innerstaatlich die Möglichkeit einer Umwandlung bestehe (NZ 2012, 323). Weil (und soweit) die Umwandlung zur Gründung einer neuen Gesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaats führe, könnten bzw müssten die nationalen Umwandlungs und Gründungsvorschriften des Zuzugsstaats auf solche Vorgänge (analog) angewendet werden. Es seien an grenzüberschreitende Umwandlungen die gleichen Anforderungen zu stellen wie an äquivalente innerstaatliche Umwandlungen (NZ 2012, 325). Aus den §§ 239 ff AktG ergäbe sich daher, dass sich eine ausländische AG bzw deren Äquivalent in eine österreichische GmbH umwandeln könne. Dies gelte auch für den Weg von der GmbH zur AG gemäß §§ 245 ff AktG. Es seien aber auch rechtsformkongruente Umwandlungen zuzulassen, die im nationalen Recht natürlich nicht vorgesehen seien. Der Entscheidung Vale sei nämlich das Bestreben einer italienischen Srl zugrunde gelegen, sich in ihr ungarisches Äquivalent eine Kft umzuwandeln. Dies gelte jedoch nur insoweit, als die betroffene Gesellschaftsform Zielrechtsträger einer nationalen Umwandlung sein könne. Folglich müssten in Österreich (zumindest) rechtsformkongruente grenzüberschreitende Umwandlungen ausländischer Aktiengesellschaften sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung (bzw deren Äquivalente) zugelassen werden . Fraglich sei, ob auch österreichische Personengesellschaften Zielrechtsträger einer grenzüberschreitenden Umwandlung sein können. Auf nationaler Ebene könne sich eine österreichische Kapitalgesellschaft nach dem UmwG auf eine Personengesellschaft umwandeln. Jedoch regle das Umwandlungsgesetz nur die genannten übertragenden Umwandlungen, bei denen der ursprüngliche Rechtsträger erlösche. Fielen nun auch die übertragenden grenzüberschreitenden Umwandlungen in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit, so würde diese konkret das Diskriminierungsverbot einer österreichischen Praxis, welche derartige Umwandlungen grenzüberschreitend unterbinde, im inländischen Kontext aber zulasse, entgegenstehen. Es müsse daher ausländischen Kapitalgesellschaften die Möglichkeit einer übertragenden Umwandlung auf eine österreichische Personengesellschaft iSd §§ 2, 5 UmwG eingeräumt werden (NZ 2012, 328 f). Schopper/Skarics verweisen schließlich darauf, dass im Falle einer Hereinumwandlung nach Österreich noch nach ausländischem Recht eine Satzungsänderung erfolgen müsse, sodass die Satzung den formellen sowie materiellen Mindestanforderungen des österreichischen Rechts entspreche (NZ 2012, 329).

5.8. Nach Bayer/Schmidt (Das Vale Urteil des EuGH: Die endgültige Bestätigung der Niederlassungsfreiheit als „Formwechselfreiheit“, ZIP 2012, 1481 [1488 ff]), sind die Mitgliedstaaten nach dem Äquivalenzgrundsatz zwar nicht verpflichtet, grenzüberschreitende Vorgänge günstiger als innerstaatliche zu behandeln; die Modalitäten für grenzüberschreitende Vorgänge dürften aber jedenfalls nicht ungünstiger sein, als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln. Der EuGH habe es nicht nur als zulässig, sondern vielmehr letztlich sogar als notwendig erachtet, dass der Aufnahmemitgliedstaat die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Formwechsel, welche die Gründung und Funktionsweise der Gesellschaft regeln, anwende. Für den EuGH ergebe sich dies konsequenterweise schon daraus, dass der grenzüberschreitende Formwechsel im Aufnahmemitgliedstaat zur Gründung einer Gesellschaft nach dem Recht dieses Mitgliedstaats führe und nationale Gesellschaften nach der „Geschöpftheorie“ überhaupt nur vermöge der nationalen Rechtsvorschriften, die für ihre Gründung und Funktionsweise maßgebend sind, existieren. Obgleich vom EuGH nicht konkret angesprochen, dürften zu den Formwechselgründungs und funktionsregeln aber auch die innerstaatlichen Regelungen zu den zulässigen Formwechselkombinationen gehören. Daher müsse jeder Mitgliedstaat grundsätzlich auch bei grenzüberschreitenden Formwechseln nur diejenigen Rechtsformkombinationen gestatten, die er auch bei innerstaatlichen Formwechseln zulasse. Sofern allerdings eine nationale Rechtsform Zielrechtsträger eines nationalen Formwechsels sein könne, müsse auch ein „rechtsformkongruenter“ transnationaler Formwechsel zugelassen werden, also zB AG in plc oder GmbH in Ltd. Der EuGH habe dies in der Entscheidung Vale zwar nicht ausdrücklich, aber immerhin implizit bestätigt, weil es in dieser Entscheidung um einen „rechtsformkongruenten“ Formwechsel von der italienischen Srl (der italienischen „Parallelform“ zur GmbH) in eine ungarische Kft (der ungarischen „Parallelform“ zur GmbH) gegangen sei.

6. Der Oberste Gerichtshof schließt sich den dargestellten Auffassungen an. Zusammenfassend können Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen EWR Vertragsstaats gegründet wurden, sich in eine österreichische Gesellschaft identitätswahrend umwandeln, wenn zugleich der Verwaltungssitz nach Österreich verlegt wird, die Gesellschaft sämtliche Voraussetzungen erfüllt, die nach dem Recht des Wegzugsstaats für eine solche Umwandlung bestehen und die Gesellschaft die Anforderungen an eine österreichische Gesellschaft (insbesondere in Bezug auf Satzung, Kapitalausstattung, Organbesetzung) erfüllt ( Eckert , GesRZ 2009, 139 [154]; zur Satzungsänderung noch nach ausländischem Recht auch Schopper/Skarics , NZ 2012, 321 [329]).

7.1. Schon letzteres Erfordernis ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag einer OG oder KG kann zwar nach österreichischem Recht formfrei, und zwar auch mündlich oder sogar konkludent geschlossen werden ( U . Torggler in Straube , UGB 4 § 105 Rz 10 und 80 mwN). U . Torggler (aaO) weist jedoch darauf hin, dass sich die Formbedürftigkeit aus Gründen ergeben kann, die außerhalb des OG-Rechts liegen. Zwar muss auch in einer Konstellation wie der vorliegenden der neue (österreichische) Gesellschaftsvertrag nicht unbedingt schriftlich abgeschlossen werden. Der Abschluss eines derartigen Gesellschaftsvertrags muss aber konkret behauptet und sofern das Firmenbuchgericht dies im Rahmen seiner umfassenden Prüfungspflicht verlangt auch bescheinigt werden. Der allein vorgelegte Gesellschafterbeschluss vom 11. 4. 2013 genügt diesem Erfordernis jedenfalls nicht. Darin wird vielmehr, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten (§ 510 Abs 3 ZPO), lediglich die Absicht geäußert, dass der Sitz nach Österreich verlegt werden soll. Sonst enthält die Urkunde nur die Veräußerung eines Teils des Geschäftsanteils des U***** I***** an der D***** S.A.S. *****. Die Gesellschafter beziehen sich in Art 3 des Gesellschaftsvertrags evident auf italienische Rechtsvorschriften; außerdem ist die Gesellschaft durchgehend unverändert als „D***** S.A.S. *****“ bezeichnet. Dem Gesellschaftsvertrag ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass die Gesellschafter bereits mit diesem Vertrag die Umwandlung in eine österreichische Kommanditgesellschaft (nicht bloß ankündigten, sondern) vornehmen wollten.

7.2. Auch das diesbezügliche Vorbringen ist wie gleichfalls die Vorinstanzen zutreffend erkannten widersprüchlich. Einerseits ist davon die Rede, dass die Satzung hiemit den Mindestanforderungen des österreichischen Rechts angepasst worden sei, andererseits, dass die Funktionsweise der D***** S.A.S. ***** in der Folge nach österreichischem Recht geregelt werden solle und dass die beabsichtigte Fassung des Gesellschaftsvertrags nach Durchführung der Sitzverlegung den Geschäftssitz in ***** sowie die entsprechende Änderung der Firma in „D***** KG“ vorsehe. Der Gesellschafterbeschluss vom 11. 4. 2013 sei dem Unternehmensregister Neapel mit dem Hinweis überreicht worden, dass die Gesellschaft beabsichtigte , sich dem österreichischen Recht zu unterwerfen. Dass die behauptete Satzungsanpassung sowie Firmenänderung bereits erfolgt sei, ist der vorgelegten Urkunde vom 11. 4. 2013 in keiner Weise zu entnehmen.

7.3. Dass ein Verbesserungsversuch iSd § 17 FBG zu unterbleiben hat, wenn erst zu errichtende und damit nicht ganz leicht zu beschaffende Urkunden beigelegt werden müssten, entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung (6 Ob 18/07a; G . Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , Firmenbuchgesetz § 17 FBG Rz 22).

8.1. Weitere Voraussetzung der Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft nach Österreich ist nach dem Gesagten, dass die Herkunftsrechtsordnung eine derartige Sitzverlegung ohne Liquidation zulässt. Nach § 4 Abs 1 IPRG ist zwar das fremde Recht grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln (vgl nur Verschraegen in Rummel , ABGB³ § 4 IPRG Rz 1). Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 226/09t bereits ausgesprochen, dass die Parteien im Firmenbuchverfahren in Ansehung der Ermittlung ausländischen Rechts eine verstärkte Mitwirkungspflicht trifft. Soweit daher im vorliegenden Fall italienisches Recht maßgeblich ist, ist es Sache der Einschreiterin, diesbezügliche Nachweise dem Firmenbuchgericht vorzulegen.

8.2. Nach Auffassung der Vorinstanzen ist nicht nachgewiesen, dass nach italienischem Recht in der vorliegenden Konstellation eine Satzungssitzverlegung ohne Liquidation möglich ist. Die Eintragung der „aufschiebenden Bedingung“ in das italienische Handelsregister unter Anführung von Neapel als Sitz der Gesellschaft reiche allein nicht als Nachweis, dass der Wegzug der Gesellschaft aus Italien ohne Liquidation zulässig ist. Dieser Rechtsansicht tritt der Revisionsrekurs nicht entgegen.

9.1. Ergänzend ist schließlich auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen: Die Übersetzung der vorgelegten Urkunden und deren Beglaubigung stammen offenbar vom Vertreter der Einschreiterin. Nach § 355 ZPO gelten die Befangenheits und Ausschlussgründe für den Richter in gleicher Weise auch für den Sachverständigen. Diese Bestimmung ist aufgrund der Verweisungsbestimmung des § 35 AußStrG auch im Außerstreitverfahren anzuwenden ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 31 Rz 3; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 31 Rz 80).

9.2. Demgegenüber besteht für Dolmetscher keine vergleichbare Bestimmung. Der Berufs und Ehrenkodex des österreichischen Verbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher sieht in Punkt I.1. lediglich vor, dass der Dolmetscher seinen Beruf „nach bestem Wissen und Gewissen unvoreingenommen und unparteiisch“ auszuüben hat.

9.3. Auch die Regelung über die Beglaubigung in § 190 AußStrG enthält keine entsprechende Bestimmung. Damit schließt das Gesetz nicht kategorisch aus, dass ein Parteienvertreter in einem Verfahren von ihm selbst übersetzte und beglaubigte Urkunden vorlegte. Ob eine derartige Übersetzung eine ausreichende Grundlage für die im jeweiligen Verfahren zu treffenden Feststellungen sind, haben die Tatsacheninstanzen im Rahmen der ihnen obliegenden Beweiswürdigung jeweils im konkreten Einzelfall zu beurteilen.

10. Zusammenfassend erweist sich die angefochtene Entscheidung als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.