JudikaturJustiz6Ob202/16y

6Ob202/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Scheucher Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2016, GZ 16 R 65/16w 19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist das Berufungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB abgewichen. Dass es zur Herstellung dieses Rechtfertigungsgrundes nur auf die Geheimhaltungsabsicht des Mitteilenden ankommen soll, wird in der Senatsentscheidung 6 Ob 165/01k nicht vertreten. Auch nach diesem Judikat ist entscheidend, ob und aus welchen Gründen der Mitteilende rechnete und rechnen durfte, dass seine Mitteilungen vertraulich behandelt werden (RIS Justiz RS0032413 [T2]). Eine Tatsachenmitteilung wird auch dann öffentlich verbreitet, wenn sie nur einer einzigen Person zugeht, aber keine Gewähr dafür besteht, dass der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln werde (RIS Justiz RS0032413). Aus der Entscheidung 6 Ob 184/04h, die einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betraf, ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass es bei der Zustellung an Organe und leitende Angestellte einer Gesellschaft im Hinblick auf das Briefgeheimnis und die den Organen obliegende Sorgfaltspflicht gegenüber ihrem Unternehmen insoweit der Setzung eines besonderen Vertraulichkeitsvermerks auf dem Poststück nicht bedarf.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht auch mit der Entscheidung 6 Ob 2235/96m im Einklang, wonach es für die Vertraulichkeit einer Mitteilung nicht ausreicht, dass der Absender auf der Mitteilung den Vermerk „vertraulich“ angebracht hatte. Nur aus weiteren (nicht festgestellten) Umständen hätte sich ergeben können, dass der dortige Beklagte berechtigterweise darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Mitteilungsempfänger dem Vermerk auch entsprechen werde.

Das neben der Vertraulichkeit der Mitteilung zur Verwirklichung des Rechtfertigungsgrundes erforderliche „berechtigte Interesse“ an der Mitteilung ist gegeben, wenn die Mitteilung für die persönlichen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse von Bedeutung ist oder ein öffentliches Interesse vorliegt (RIS Justiz RS0031992; RS0031988). Ob ein berechtigtes Interesse des Mitteilenden oder des Erklärungsempfängers vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RIS Justiz RS0117060 [T1]). Auf ein eigenes berechtigtes Interesse der Mitteilungsempfängerin beruft sich der Beklagte in der Revision nicht.

Tatsachen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind. Für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Sinn und Bedeutungsgehalt einer beanstandeten Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis bei ungezwungener Auslegung verstanden wird. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung und die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung sind Rechtsfragen (6 Ob 238/15s mwN). Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS Justiz RS0031883 [T28]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Äußerungen des Beklagten als Beleidigungen im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB zu qualifizieren sind, ist nicht korrekturbedürftig.

Rechtssätze
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