JudikaturJustiz6Ob20/07w

6Ob20/07w – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers DI Dr. Artur D*****, vertreten durch Dr. Robert Briem Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der D***** AG, *****, die Gesellschaft vertreten durch Dr. Christian Konzett Rechtsanwalt GmbH in Bludenz, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Oktober 2006, GZ 3 R 86/06f 101, womit über Rekurs des Antragstellers der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 10. Juli 2006, FN *****, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er die Abweisung der Anträge auf Verfügungen des Firmenbuchgerichts und Eintragungen in das Firmenbuch bekämpft, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Aktionär der D***** Holding AG (künftig: Gesellschaft) mit dem Sitz in W***** und an deren Grundkapital mit 10 % beteiligt. In der 16. ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft vom 21. 11. 2005 wurden Univ. Prof. Dr. Fredmund M*****, Dr. Günther T***** und Peter G***** gegen die Stimme des Antragstellers für die höchstzulässige Dauer wieder zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft gewählt. Diese Aufsichtsratsmitglieder waren zum Zeitpunkt der Wiederwahl und sind Mitglieder des Verwaltungsrats der R***** AG, einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts und seit 2001 Tochterunternehmen der Gesellschaft.

Mit seinem am 3. 4. 2006 eingebrachten Antrag begehrte der Antragsteller

a) gemäß § 89 Abs 1 AktG die Bestellung von drei namentlich angeführten Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft;

in eventu

b) gemäß §§ 87 Abs 5 AktG die am 21. 11. 2005 wieder gewählten drei Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft abzuberufen und drei namentlich genannte andere Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats zu bestellen.

Die Mitgliedschaft der drei - im Zeitpunkt der Antragstellung einzigen - Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft im Verwaltungsrat des Tochterunternehmens der Gesellschaft verstoße gegen das Verbot des § 90 Abs 1 AktG idF des GesRÄG 2005. Mit Inkrafttreten dieser Bestimmung am 1. 1. 2006 hätten die drei ihre Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Gesellschaft verloren, weshalb die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch das Gericht erforderlich sei. Für den Fall, dass der Funktionsverlust nicht automatisch eingetreten sei, seien diese Personen als Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft vom Gericht abzuberufen, liege doch wegen des Verstoßes der Doppelfunktion dieser Personen in der Gesellschaft und in deren Tochterunternehmen gegen § 90 Abs 1 AktG ein wichtiger Grund für die Abberufung vor.

Das Erstgericht wies die Anträge ab.

In seinem dagegen erhobenen Rekurs beantragte der Antragsteller, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass

a) die Löschung des Univ. Prof. Dr. Fredmund M*****, Peter G***** und Dr. Günther T***** als Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft im Firmenbuch verfügt und durchgeführt werde;

b) in eventu zu lit a, dass dem Erstgericht aufgetragen wird, diese drei Personen als Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft im Firmenbuch zu löschen;

c) in eventu zu lit a und lit b, dass diese drei Personen mit sofortiger Wirkung als Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft abberufen werden und deren Löschung als Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft im Firmenbuch verfügt und durchgeführt wird.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte - mit näherer Begründung - aus, der Gesetzgeber verwende die Ausdrücke „gesetzlicher Vertreter" eines Tochterunternehmens in § 86 Abs 2 Z 2 AktG nF und „Vorstandsmitglieder" eines Tochterunternehmens in § 90 Abs 1 AktG nF synonym. Erfasst seien auch ausländische Tochterunternehmen. Die Position der drei Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft im Verwaltungsrat der schweizerischen Tochtergesellschaft könne nicht bloß mit jener eines Aufsichtsrats in einer österreichischen Aktiengesellschaft gleichgesetzt werden. Die - näher dargestellten - Geschäftsführungs und Vertretungsbefugnisse der drei Mitglieder des Verwaltungsrats rechtfertigten es, sie als gesetzliche Vertreter des Tochterunternehmens zu qualifizieren. Die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft sei gemäß § 86 Abs 2 Z 2 AktG nF mit der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht vereinbar. Daraus sei aber für den Antragsteller nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung sei nämlich erst am 1. 1. 2006 in Kraft getreten und gemäß § 262 Z 10 AktG nF nur auf nach diesem Zeitpunkt gewählte oder entsandte Aufsichtsratsmitglieder anzuwenden. Zum Zeitpunkt der Wiederwahl am 21. 11. 2005 sei das Bestellungshindernis daher nicht vorgelegen. Der Auffassung des Antragstellers, dass ungeachtet der rechtsgültigen Wiederbestellung der Aufsichtsratsmitglieder ihre Doppelfunktion als Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft und gesetzliche Vertreter des Tochterunternehmens unvereinbar im Sinn des ebenfalls am 1. 1. 2006 in Kraft getretenen § 90 Abs 1 AktG nF sei, der als Dauer Verbotstatbestand auch während der Funktionsperiode nachträglich hervorkommende Unvereinbarkeiten sanktioniere und automatisch zum Wegfall der Aufsichtsratsmandate führe, könne sich das Rekursgericht nicht anschließen. Sowohl § 86 Abs 2 Z 2 AktG nF als auch § 90 Abs 1 AktG nF stellten auf den Bestellungsakt ab. Der Umstand, dass in der Übergangsbestimmung des § 262 Abs 10 AktG nF für § 90 Abs 1 AktG nF keine dem § 86 Abs 2 Z 2 AktG nF gleichlautende Bestimmung enthalten sei, deute eher auf ein Redaktionsversehen hin als auf eine Absicht des Gesetzgebers, bis 31. 12. 2005 erfolgte rechtswirksame Bestellungen von Aufsichtsratsmitgliedern ab 1. 1. 2006 mit den Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 90 Abs 1 AktG nF zu sanktionieren. Der Gesetzgeber habe mit § 86 Abs 2 Z 2 AktG nF den hier vorliegenden Fall der Wahl von gesetzlichen Vertretern eines Tochterunternehmens in den Aufsichtsrat des Mutterunternehmens und mit der Bestimmung des § 90 Abs 1 AktG nF den nicht verfahrensgegenständlichen Fall der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds der Muttergesellschaft zum Vorstandsmitglied der Tochter im Auge gehabt und nicht die Schaffung eines Dauer Verbotstatbestands. Die am 1. 1. 2006 in Kraft getretene Unvereinbarkeitsbestimmung des § 90 Abs 1 AktG habe weder zum Verlust der Aufsichtsratsfunktion der drei Personen im Mutterunternehmen geführt noch stelle sie einen wichtigen Grund im Sinn des § 87 Abs 5 AktG idF des GesRÄG 2005 dar.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den zu lösenden Rechtsfragen der Anwendbarkeit der Bestimmungen der § 86 Abs 2 Z 2 und § 90 Abs 1 AktG idF des GesRÄG 2005 auf ausländische Tochterunternehmen einer inländischen Aktiengesellschaft, der Auslegung des Begriffs „Vorstandsmitglied" in § 90 Abs 1 AktG in Bezug auf den Verwaltungsrat einer schweizerischen Aktiengesellschaft sowie der Auslegung und Anwendbarkeit der Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 90 Abs 1 AktG auf vor dem 1. 1. 2006 rechtswirksam bestellte Aufsichtsratsmitglieder Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Gesellschaft beantwortete Revisionsrekurs des Antragstellers ist nur teilweise zulässig, in diesem Umfang aber nicht berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz kein firmenbuchrechtliches Eintragungsverfahren, mit dem sich das FBG befasst, in Gang gesetzt wurde (vgl G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG § 15 FBG Rz 3 ff). Vielmehr handelt es sich bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 89 Abs 1 AktG) und der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 87 Abs 5 AktG) um gemäß § 14 AktG im Außerstreitverfahren zu erledigende gesellschaftsrechtliche Angelegenheiten ( Geist in Jabornegg/Strasser , AktG 4 § 14 Rz 15; Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG 4 §§ 87 - 89 Rz 31; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss , KommAktG § 14 Rz 14; ErläutRV 927 BlgNR 22. GP 8 zu § 87 Abs 5 AktG).

2. Die nur Tatsachen betreffende Neuerungserlaubnis des § 49 AußStrG umfasst nicht auch die Möglichkeit zur Stellung neuer Sachanträge im Rekursverfahren (RIS Justiz RS0006796). Die im Rekursantrag über den Eventualrechtsmittelantrag auf Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder hinaus gestellten, Eintragungen in das Firmenbuch betreffenden Anträge sind demnach unbeachtlich.

3. Nach ständiger, auf der Entscheidung 2 Ob 549/50 (= SZ 23/239) basierender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Aktionär einer Aktiengesellschaft nicht zum Rekurs gegen Verfügungen des Firmenbuchgerichts berechtigt, die über einen vom Vorstand der Aktiengesellschaft gestellten Antrag ergehen (RIS Justiz RS0006911). Diese Rechtsprechung gründet vor allem darauf, dass die Aktionäre ihre Rechte gemäß § 102 AktG - wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt - in der Hauptversammlung ausüben (2 Ob 549/50); zu diesen Befugnissen gehören aber Rechte im Zusammenhang mit Firmenbucheintragungen nicht; Aktionären kommt keine firmenbuchrechtliche Rechtssphäre zu (6 Ob 80/07v mwN; Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG 4 § 102 Rz 6). Der Revisionsrekurswerber ist daher nicht zur Erhebung eines Revisionsrekurses gegen die Abweisung seiner Eintragungen in das Firmenbuch betreffenden Anträge durch das Rekursgericht legitimiert.

4. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung der begehrten Firmenbucheintragungen/ -verfügungen richtet, ist er aus diesen Gründen unzulässig.

5. Der verbleibende Eventualrechtsmittelantrag auf Abberufung der drei Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 87 Abs 5 AktG idF des GesRÄG 2005 ist nicht berechtigt:

6. Gemäß dem durch das GesRÄG 2005 angefügten Abs 5 des § 87 AktG hat das Gericht auf Antrag einer Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn hiefür ein wichtiger Grund vorliegt. Diese Bestimmung bezieht sich schon nach der Gesetzessystematik auf von der Hauptversammlung gewählte Aufsichtsratsmitglieder. In Bezug auf in den Aufsichtsrat entsandte Mitglieder sah und sieht § 88 Abs 4 Satz 2 AktG eine Abberufung durch das Gericht auf Antrag einer Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, vor, wenn in der Person des entsandten Mitglieds ein wichtiger Grund vorliegt. Die Abberufungsentscheidung des Gerichts ist rechtsgestaltend. Erst mit der Rechtskraft dieser Entscheidung ist die Aufsichtsratsmitgliedschaft des Betreffenden erloschen ( Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG 4 §§ 87 bis 89 Rz 68).

Voraussetzung für eine gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds (§ 87 Abs 5, § 88 Abs 4 Satz 2 AktG) ist, dass in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Er muss so beschaffen sein, dass die Aufrechterhaltung der Aufsichtsratsmitgliedschaft für die Gesellschaft unzumutbar ist ( Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG 4 §§ 87 bis 89 AktG Rz 68; Kalss/Lindner , Minderheitsrechte und Einzelrechte von Aktionären 66 f; ErläutRV 927 BlgNR 22. GP 8). Das vorliegende Verfahren gibt nicht Anlass, Fälle der Unzumutbarkeit zu erörtern:

7. Soweit der Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel über die gleichzeitige Mitgliedschaft der Abzuberufenden im Aufsichtsrat der Gesellschaft und im Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft hinaus weitere Gründe für die Abberufung geltend macht, verstoßt er gegen das Neuerungsverbot im Revisionsrekursverfahren (§ 66 Abs 2 AußStrG); den gestellten Sachanträgen kann ein neuer Anspruchsgrund nicht unterlegt werden ( Schenk in Straube , HGB I 3 § 8 Rz 31).

8. Das GesRÄG 2005, BGBl I 59/2005 fasste ua die §§ 86 und 90 Abs 1 AktG neu. Gemäß § 262 Abs 10 Satz 2 AktG ist § 86 nF - einschließlich seines Abs 2 Z 2 (Mitglied des Aufsichtsrats kann nicht sein, wer gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens [§ 228 Abs 3 UGB] der Gesellschaft ist) - nur auf Aufsichtsratsmitglieder anzuwenden, die nach dem 1. 1. 2006 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung (§ 262 Abs 10 Satz 1 AktG) - gewählt oder entsandt werden. Demnach kann ein gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens (§ 228 Abs 3 UGB) sein vor dem genannten Zeitpunkt begründetes Aufsichtsratsmandat der Muttergesellschaft beibehalten. Demgegenüber ordnet § 90 Abs 1 iVm § 262 Abs 10 Satz 1 AktG an, dass ein Aufsichtsratsmitglied ab dem 1. 1. 2006 nicht Vorstandsmitglied eines Tochterunternehmens sein kann.

9. Nach der vom Rekursgericht abgelehnten Auffassung von Martin Karollus/Daniela Huemer , Offene Fragen zum Verbot der Organbestellung gegen das Organisationsgefälle, GeS 2006, 153, der der Revisionsrekurswerber folgt, ist auf Grund der Übergangsbestimmungen in § 262 Abs 10 AktG davon auszugehen, dass das Verbot der Organfunktion gegen das Organisationsgefälle gemäß § 90 Abs 1 Satz 1 AktG, wonach Aufsichtsratsmitglieder einer Gesellschaft unter anderem nicht zugleich „Vorstandsmitglieder" von deren Tochterunternehmen sein können, seit dem 1. 1. 2006 auch für solche Doppelfunktionen gilt, die bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden haben. Eine korrigierende Interpretation sei nicht geboten. Vielmehr entspreche das sofortige Eingreifen des Verbots auch für bereits zuvor begründete Doppelmandate dem Konzept des § 90 AktG als Dauerverbot, der das Zusammentreffen von Aufsichtsratsmandaten in der Obergesellschaft mit einer Geschäftsleitungsfunktion in einem Tochterunternehmen immer und unabhängig davon verbiete, wie es zu dieser Konstellation gekommen sei. Diese Auffassung bedeutet, dass das durch § 262 Abs 10 Satz 2 AktG nur hinausgeschobene Wirksamwerden des § 86 Abs 2 Z 2 AktG praktisch ohne Bedeutung bleibt ( Martin Karollus/Daniela Huemer aaO 161).

10. Daraus ist für den Revisionsrekurswerber für die Frage der Abberufung im vorliegenden Fall nichts zu gewinnen:

Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Aufsichtsratsmitgliedschaft entgegen dem „natürlichen Organisationsgefälle im Konzern" (§ 86 Abs 2 Z 2, § 90 Abs 1 AktG nF; ErläutRV 927 BlgNR 22. GP 7, 8) bei oder nach Annahme der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied ist - auch nach Auffassung des Revisionsrekurswerbers -, dass die vom Verbot betroffene Person wegen der gemäß § 879 Abs 1 ABGB gegebenen absoluten Nichtigkeit im ersten Fall nicht Aufsichtsratsmitglied wird und im zweiten Fall die Mitgliedschaft automatisch verliert, verlangt doch der Zweck der Verbotsnormen die Ungültigkeit des Mitgliedschaftsverhältnisses (vgl Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG 4 § 86 Rz 23; zur für die österreichische Regelung Vorbildbestimmung des § 100 Abs 2 Satz 1 Nr 2 dAktG: Semler in MünchKommAktG 2 § 100 Rz 95 und 100; Mertens in Kölner KommAktG 2 § 100 Rz 32; Hopt/Roth in GroßkommAktG 4 § 100 Rz 122).

11. Folgt man also dem Standpunkt des Revisionsrekurswerbers über den zeitlichen Anwendungsbereich des § 90 Abs 1 AktG nF, so kann wegen der dargestellten Rechtsfolge des Verbotsverstoßes kein Fall der Abberufung durch das Gericht gegeben sein, weil die Abzuberufenden ihr Amt bereits verloren hätten, die Abberufungsentscheidung aber rechtsgestaltend, nicht bloß feststellend ist.

12. Rüffler , Zwei Ungereimtheiten des GesRÄG 2005, wbl 2006, 14 vertritt die Auffassung, die oben dargestellte Normenkollision sei dadurch aufzulösen, dass das in § 90 Abs 1 AktG neu formulierte Verbot, dass ein Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht Vorstandsmitglied eines Tochterunternehmens der Gesellschaft sein kann, im Einklang mit den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zum GesRÄG 2005 nur auf den Fall zu beziehen sei, dass ein Aufsichtsratsmitglied nach dem 1. 1. 2006 gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens werden will, sodass schon bestehende Doppelfunktionen aufrecht erhalten werden können und ein bestehendes Aufsichtsratsmandat eines Mutterunternehmens nicht erfasst ist. Dieser Auffassung widersprechen Martin Karollus/Daniela Huemer aaO 154 ff, 160 ff.

13. Der erkennende Senat erachtet die Auslegung des § 262 Abs 10 Satz 1 und 2 AktG dahin, dass ein am 1. 1. 2006 bestehendes Aufsichtsratsmandat einer Muttergesellschaft von § 90 Abs 1 AktG nF nicht erfasst ist, für zutreffend. Sie erzielt eine Lösung, die im Ergebnis dem Übergangsrecht bei der Einführung des § 100 Abs 2 Satz 1 Nr 2 dAktG, der Vorbildbestimmung des § 86 Abs 2 Z 2, § 90 Abs 1 AktG nF, entspricht. Gemäß § 12 Abs 3 dEGAktG durften Personen, die nach § 100 Abs 2 dAktG 1965 nicht Aufsichtsratsmitglied seien können und beim Inkrafttreten des Aktiengesetzes Aufsichtsratsmitglied waren, den Aufsichtsratssitz bis zum Ablauf der jeweiligen Amtszeit innehaben (vgl Meyer Landrut in Großkomm z AktG 3 § 100 Rz 10).

In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 927 BlgNR 22. GP 7) heißt es

- zu § 86 Abs 2 Z 2 AktG:

„Der im deutschen Aktienrecht (§ 100 Abs 2 S 1 Nr 2 dAktG) bereits seit Jahrzehnten verankerte Ausschluss des gesetzlichen Vertreters eines Tochterunternehmens soll in das österreichische Recht übernommen werden. Der gesetzliche Vertreter eines Tochterunternehmens darf deshalb nicht Mitglied des Aufsichtsrates des Mutterunternehmens sein, weil darin ein Verstoß gegen das natürliche Organisationsgefälle im Konzern läge (s. Semler in MünchKommAktG² § 100 Rn 33). Der umgekehrte Fall - das Aufsichtsratsmitglied der Muttergesellschaft will Vorstandsmitglied der Tochter werden wird durch den neuen § 90 Abs 1 ausgeschlossen."

- zu § 90 Abs 1 AktG:

„Durch das Verbot der Vorstandstätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern in Tochtergesellschaften soll - in Verbindung mit der Vorschrift des § 86 Abs 2 Z 2 - eine dem natürlichen Organisationsgefälle im Konzern widersprechende Konstellation verhindert werden."

Entgegen der Auffassung von Martin Karollus/Daniela Huemer aaO behandeln diese Ausführungen § 86 Abs 2 Z 2 AktG nicht nur als Bestellungshindernis, sondern auch als Dauertatbestand (arg: „Der gesetzliche Vertreter ... darf nicht Mitglied des Aufsichtsrats ... sein ...), wie es der Gesetzeswortlaut zum Ausdruck bringt. Die Gesetzesverfasser sehen beide Bestimmungen (auch) unter dem Gesichtspunkt von Amtsantrittsvoraussetzungen: Ein gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens will Mitglied des Aufsichtsrats des Mutterunternehmens werden (§ 86 Abs 2 Z 2 AktG), ein Mitglied des Aufsichtsrats des Mutterunternehmens will „Vorstandsmitglied" eines Tochterunternehmens werden. Gleichwohl sind beide Bestimmungen als Dauertatbestand formuliert (arg: „können nicht sein" und nicht: „können nicht werden"). Nach herrschender Meinung umfasst § 100 Abs 2 S 1 Nr 2 dAktG auch den in § 90 Abs 1 AktG nF geregelten Fall, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats des Mutterunternehmens gesetzlicher Vertreter eines abhängigen Unternehmens werden will (wird) ( Semler in MünchKommAktG² § 100 Rz 100; Hopt/Roth in GroßKommAktG 4 § 100 Rz 122). Umgekehrt erfasst § 90 Abs 1 Satz 1 AktG auch den Fall, dass ein „Vorstandsmitglied" eines Tochterunternehmens zum Mitglied des Aufsichtsrats des Mutterunternehmens bestellt wird. Insofern regelt § 90 Abs 1 Satz 1 AktG inhaltlich dasselbe Verbot wie § 86 Abs 2 Z 2 AktG (zutreffend Martin Karollus/Daniela Huemer aaO 158). Unter diesem Blickwinkel hält der erkennende Senat eine Auslegung der Übergangsbestimmung des § 262 Abs 10 Satz 2 AktG im dargelegten Sinn für sachgerecht.

14. Die Revisionsrekurswerberin führt - soweit zu beachten - zum Vorliegen eines wichtigen Grundes aus: Die von Teilen der österreichischen Lehre schon vor dem GesRÄG 2005 vertretene Auffassung, dass die Doppelfunktion Aufsichtsratsmitglied im Mutterunternehmen und Vorstandsmitglied im Tochterunternehmen unzulässig sei, und die nunmehr eindeutige Wertung des Gesetzgebers, wonach derartige Verflechtungen jedenfalls ab 1. 1. 2006 unerwünscht seien, sprächen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Abberufung der drei betroffenen Aufsichtsratsmitglieder. Unrichtig sei, dass eine Unanwendbarkeit des § 90 Abs 1 AktG nF im vorliegenden Fall zur Verneinung des Vorliegens eines wichtigen Grundes führe. Die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung aus Gründen des Übergangsrechts bedeute nämlich lediglich, dass die scharfe Rechtsfolge des Amtsverlustes noch nicht eintritt, dies aber nicht ausschließt, dass ein Aktionär mit einer qualifizierten Beteiligung zumindest ein Recht auf gerichtliche Beseitigung der untragbaren Organeverflechtung erhalte.

15. Dem vermag der Senat nicht zu folgen:

Die nach Auffassung des erkennenden Senats gebotene Auslegung des Übergangsregimes verbietet es, allein im Weiterbestehen einer nun an sich verbotenen, wegen des Übergangsrechts aber aktuell nicht verbotenen Doppelfunktion einen wichtigen, die Abberufung rechtfertigenden Grund zu sehen, geht doch der Gesetzgeber nach diesem Verständnis der Übergangsbestimmungen ganz offensichtlich von einer Zumutbarkeit des Weiterbestehens der Doppelfunktion aus. Diese Wertung des Gesetzgebers ist zu respektieren.

Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten (§ 78 Abs 1 AußStrG), sodass es auch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu entscheiden hat.

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