JudikaturJustiz6Ob148/03p

6Ob148/03p – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. September 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Anna G***** und Rupert G*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, gegen die beklagte Partei Thomas L*****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 20. März 2003, GZ 53 R 375/02g 17, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Johann im Pongau vom 2. September 2002, GZ 3 C 235/02f 13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat den klagenden Parteien die mit 549,34 EUR (darin 91,56 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer einer 97.259 m 2 großen Liegenschaft, auf der eine Bergbahnengesellschaft im Jahr 1966 einen Schiliftbetrieb aufgenommen hatte. 1971 wurde eine Schischaukel errichtet, 1990 eine Gondelbahn. Mit Dienstbarkeitsverträgen aus den Jahren 1981 und 1985 räumte der Rechtsvorgänger der Kläger der Bergbahnengesellschaft das Recht auf Benützung der Liegenschaft für Schiabfahrten, zur maschinellen Präparierung und zu Planierungsarbeiten sowie zur Entfernung von Gebüschen und Bäumen und zur Herstellung der notwendigen Zufahrtswege und Materialseilbahnen ein. Weiters wurde die Berechtigung erteilt, Beschneiungsanlagen mit den erforderlichen Einrichtungen herzustellen und zu betreiben. 1998 wurden die Kläger Liegenschaftseigentümer. Sie räumten der Bergbahnengesellschaft das Recht zum Bau und den Betrieb eines Kleinschleppliftes ein.

Der Beklagte hatte von seinem Vater eine Schischule übernommen. Beide schlossen am 16. 5. 1990 mit dem Rechtsvorgänger der Kläger eine Vereinbarung über die Errichtung und den Betrieb eines Schischulsammelplatzes auf einer Parzelle der Kläger im Bereich der Bergstation der Gondelbahn. Die Vereinbarung war Voraussetzung für die Bewilligung der Schischule zugunsten des Beklagten durch die Verwaltungsbehörde. Der Vertrag wurde von der servitutsberechtigten Bergbahnengesellschaft mitgefertigt.

Die Kläger strebten 1998 eine langfristige Vergabe des Schischulsammelplatzes an. Im Dezember 2000 schlossen die Parteien eine Vereinbarung für die Wintersaison 2000/2001 über die entgeltliche Nutzung der Parzelle für einen Schischulsammelplatz. Die vorhergehenden Verträge und Vereinbarungen wurden für gegenstandslos erklärt. Nach der Wintersaison stellte sich der Beklagte auf den Standpunkt, er sei aufgrund des Vertrages aus dem Jahr 1990 zur Weiterbenützung berechtigt, verweigerte den Abschluss eines neuen Vertrages und benützte das fremde Grundstück weiter, ohne ein Entgelt zu bezahlen.

Mit ihrer am 24. 1. 2002 eingebrachten Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass der Beklagte und seine Rechtsvorgänger nicht berechtigt seien, auf dem Grundstück einen Schischulsammelplatz mit den dazu notwendigen Sammelplatz und Hinweistafeln sowie Zäunen zu errichten und zu betreiben. Der Beklagte habe Anmaßungs und Erweiterungshandlungen zu unterlassen. Die Kläger schränkten ihr Klagebegehren um das ursprünglich gestellte Beseitigungsbegehren ein, weil der Beklagte die Schischuleinrichtungen am 15. 4. 2002 entfernt hatte. Der Beklagte greife unberechtigt in das Eigentum der Kläger ein. Es bestehe Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Benützungshandlungen.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass die der Bergbahngesellschaft zustehende Dienstbarkeit der Schiabfahrt das Recht inkludiere, das Sammeln zum Zwecke der Vornahme von Schiabfahrten zu gestatten. Die Bergbahnengesellschaft und der Rechtsvorgänger der Kläger hätten dem Beklagten das alleinige Recht eingeräumt, auf der Grundparzelle einen Schischulsammelplatz zu errichten. Dieser Vertrag sei gültig. Die Vereinbarung für die Wintersaison 2000/2001 sei mangels Zustimmung der Bergbahnengesellschaft rechtsunwirksam.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte den im Wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die Vereinbarung vom 16. 5. 1990 durch die nachfolgende Vereinbarung vom 18. 12. 2000 weggefallen sei. Der Beklagte habe das fremde Grundstück in der Wintersaison 2001/2002 ohne Rechtstitel benützt. Die Kläger hätten ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die Dienstbarkeit der Schiabfahrt schließe nicht auch das Recht ein, auf dem belasteten Grundstück einen Schischulsammelplatz mit den dazu notwendigen Hinweistafeln zu errichten und zu benützen. Das Verfügungsrecht stehe den Grundeigentümern zu. Mit der Fertigung des Vertrages vom 16. 5. 1990 durch die Geschäftsführer der Bergbahngesellschaft sei nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass die Dienstbarkeit dieser Gesellschaft auch das Recht auf Errichtung und Benützung eines Schischulsammelplatzes umfasst hätte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes. Für die Erteilung einer Schischulbewilligung sei gemäß § 8 des Salzburger Schischul und Snowboardschulgesetzes die Einrichtung eines Schischulsammelplatzes samt den erforderlichen Einrichtungen erforderlich. Die unregelmäßige Servitut der Schiabfahrt berechtige die Bergbahnengesellschaft zum Abschluss von Beförderungsverträgen. Das Grundstück der Kläger könne zur Sportausübung benützt werden. Von einem "Ruhen" oder "Verschnaufen" der Sportausübenden sei der Nutzen zu unterscheiden, den der Beklagte aus der Benützung des Grundstücks der Kläger als Schischulsammelplatz ziehen wolle. Die Benützung des fremden Grundstückes diene dem gewerblichen Schischulunternehmen. Ebensowenig wie eine Dienstbarkeit, ein Grundstück zum Schifahren und für Schiveranstaltungen zu benützen, jedermann berechtige, dort Werbungen durchzuführen (SZ 37/62) und ebensowenig wie im Bereich des Wasserrechtes der der Allgemeinheit zustehende Gemeingebrauch die gewerbliche Nutzung eines Privatgewässers abdecke (SZ 60/216), umfasse hier die Dienstbarkeit der Schiabfahrt auch das Recht zur Benützung eines Teiles des Geländes als Betriebsstätte für den gewerblichen Betrieb einer Schischule.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Thema, ob eine Dienstbarkeit der Schiabfahrt auch die Nutzung für einen Schischulsammelplatz umfasse, fehle.

Mit seiner Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass die Klagebegehren abgewiesen werden, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der vom Rechtsvorgänger der Kläger mit der Bergbahnengesellschaft geschlossene Dienstbarkeitsvertrag und dessen Folgeverträge haben die Dienstbarkeit der Schiabfahrt zum Gegenstand. Diese Dienstbarkeit berechtigt im Wesentlichen zur Benützung der belasteten Liegenschaft für Schiabfahrten, zur maschinellen Präparierung der Pisten, zu Planierungsarbeiten, zur Entfernung von Büschen und Bäumen und zur Errichtung von Zufahrtswegen und Materialseilbahnen. Die Dienstbarkeit ist mangels eines herrschenden Grundstücks eine unregelmäßige Servitut (§ 479 ABGB; Hofmann in Rummel ABGB 3 Rz 1 zu § 479; SZ 45/39 = JBl 1973, 143), die dem Erweiterungsverbot des § 484 ABGB unterliegt (SZ 67/80). Der Beklagte leitet im Revisionsverfahren seine Berechtigung zur Errichtung und den Betrieb eines Schischulsammelplatzes auf dem Grundstück der Kläger ausschließlich von der Dienstbarkeit der Bergbahnengesellschaft ab und beruft sich dazu auf den Vertrag vom 16. 5. 1990, dem die Gesellschaft zugestimmt habe. Die nachfolgende Vereinbarung zwischen den Prozessparteien aus dem Jahr 2000 habe einen Eingriff in die Dienstbarkeit der Schiabfahrt der Bergbahnengesellschaft dargestellt und sei mangels deren Zustimmung ungültig. Zu diesem Revisionsvorbringen ist Folgendes auszuführen:

Die wörtliche Auslegung der Dienstbarkeitsvereinbarung steht am Anfang des Interpretationsvorganges (§ 914 ABGB). Sie gibt hier keinen Aufschluss darüber, dass der Bergbahnengesellschaft über die angeführten einzelnen Rechte hinaus auch die Berechtigung zur Errichtung und zum Betrieb von Schischulsammelplätzen übertragen werden sollte. Dagegen spricht schon der Umstand, dass die Gesellschaft selbst über keinen Schischulbetrieb verfügte und in keinem der Verträge auf einen solchen Bezug genommen wurde. Über den Wortlaut hinaus ist jedoch die Parteienabsicht zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Zu dieser Parteienabsicht geht der Revisionswerber über den Urkundentext hinaus nur von der allgemeinen These aus, dass jede (vertraglich eingeräumte oder ersessene) Servitut der Schiabfahrt das Recht auf Einrichtung eines Schischulsammelplatzes inkludiere, weil ein solcher mit dem ordnungsgemäßen Schifahren in einem renommierten Schigebiet in einem Sachzusammenhang stehe. Mit dem Argument des Sachzusammenhanges kann zwar gegen die Vergleichbarkeit der Entscheidung SZ 37/62 argumentiert werden (dort wurde verneint, dass das Servitutsrecht der Schiabfahrt dazu berechtige, dass im Zielgelände Werbung betrieben wird), damit ist aber die Frage nicht beantwortet, ob schon jeder mit dem Schilaufen sachlich verknüpfter Geschäftszweck zum Geschäftsbetrieb auf fremdem, mit einer Servitut belasteten Grundstück berechtigt, beispielsweise also auch zur Errichtung von Räumlichkeiten für einen Schiverleih. Es liegt auf der Hand, dass derartige Sondernutzungen grundsätzlich im Rechtsbestand des Grundeigentümers verbleiben und dass ihre Einräumung einer gesonderten Vereinbarung bedarf und nicht ohne weiteres von der Servitut der Schiabfahrt umfasst ist. Der Revisionswerber weist zwar richtig darauf hin, dass die vom Berufungsgericht zitierten Vorjudikate (SZ 37/62 und SZ 60/216) nur aussprachen, dass ein der Allgemeinheit zustehender Gemeingebrauch nicht auch die gewerbliche Nutzung des belasteten Grundstücks abdecke, während es hier um eine konkrete Servitutsvereinbarung geht, aufgrund derer der Servitutsberechtigte erst einen Gemeingebrauch ermöglichen kann, indem er die Aufstiegshilfen und die Schipisten errichtet und erhält. Genausogut kann der Servitutsberechtigte allerdings auch die Sportausübung nur bestimmten Personen gestatten und an entgeltliche Verträge binden. Zu einem entwickelten Schibetrieb gehört eine Infrastruktur, zu der neben Gastronomieeinrichtungen durchaus auch Schischulen und deren Einrichtungen gehören.

Dieser sachliche Konnex mit der Sportausübung bedeutet aber noch nicht, dass der Grundstückseigentümer, wenn er bloß eine Servitut der Schiabfahrt mit dem hier festgestellten, ausschließlich die Aufstiegshilfen und die Pistengestaltung betreffenden Inhalt einräumt, damit auch schon andere, das Grundstück belastende Nutzungsmöglichkeiten mitübertragen hätte. In den festgestellten Dienstbarkeitsverträgen fehlen für eine solche Ansicht triftige Anhaltspunkte. Dass die servitutsberechtigte Bergbahnengesellschaft ein Interesse an der Teilnahme von Schischulen am allgemeinen Sportbetrieb und auch an der Errichtung von Schischulsammelplätzen haben könnte, reicht nicht aus. Für eine Rechtseinräumung, die die Liegenschaft der Kläger weiter beeinträchtigt (der Schischulsammelplatz wird eingezäunt, Hinweistafeln werden errichtet), müsste aus dem Dienstbarkeitsvertrag selbst oder aus den Umständen beim Vertragsabschluss ein entsprechender Parteiwille abgeleitet werden können. Dies ist nicht der Fall.

Dagegen kann der Revisionswerber auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Bergbahnengesellschaft den Vertrag vom 16. 5. 1990 über die Errichtung und den Betrieb eines Schischulsammelplatzes auf dem Grundstück der Kläger mitgefertigt haben. Dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass die Mitfertigung auf eine Forderung der Verwaltungsbehörde im Verfahren zur Genehmigung der Schischule des Beklagten zurückzuführen ist. Neben diesem Beweggrund war ein Vertragsbeitritt der Servitutsberechtigten schon deshalb angezeigt und zweckmäßig, weil ihre Servitutsausübung von der räumlichen Situierung und Ausgestaltung des Schischulsammelplatzes mitbetroffen war und die Kläger als Grundeigentümer bei Abschluss von Verträgen mit Schischulen auch die Interessen der Servitutsberechtigten mit zu berücksichtigen hatten. Dass die servitutsberechtigte Bergbahnengesellschaft selbst sich irgendwann auf eine eigene Berechtigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Schischulsammelplatzes berufen hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Aus der Mitfertigung des Vertrages vom 16. 5. 1990 kann vielmehr sogar das Gegenteil abgeleitet werden, räumte doch in diesem Vertrag der Rechtsvorgänger der Klage in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümer dem Beklagten (und seinem Vater) das Recht zur Errichtung des Schischulsammelplatzes ein, dem die Bergbahnengesellschaft durch die Vertragsfertigung nur zustimmte, ohne das Verfügungsrecht des Grundeigentümers zu bestreiten. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Beklagte selbst nach den getroffenen Feststellungen sowohl im Jahr 1990 als auch im Jahr 2000 von einem Verfügungsrecht der Kläger als Grundeigentümer und keineswegs von einem solchen der Bergbahnengesellschaft ausging, andernfalls er sich mit seinen Wünschen wohl direkt an die Gesellschaft gewendet hätte. Alle drei beteiligten Parteien (Grundeigentümer, Servitutsberechtigte und Inhaber der Schischule) sind von einem Verfügungsrecht der Grundeigentümer ausgegangen und haben so ihren Parteiwillen bei Abschluss der verschiedenen Verträge dokumentiert, diese gewissermaßen selbst "authentisch" interpretiert. Wenn der Beklagte nunmehr davon abgehen will, liegt sein Motiv klar auf der Hand, hat er doch in dem nur auf ein Jahr befristeten Folgevertrag vom 18. 12. 2000 die Erklärung abgegeben, dass damit die früheren Verträge ersetzt werden. Der damit verbundene Rechtsverlust kann nicht im Wege einer Neuinterpretation des ursprünglichen Parteiwillens rückgängig gemacht werden. Hiefür kann der Beklagte aus den dargelegten Gründen weder die Mitfertigung des Vertrages vom 16. 5. 1990 durch die Servitutsberechtigte noch einen aus dem Vertragstext, dem Geschäftszweck oder den übrigen Umständen bei Vertragsabschluss ableitbaren Parteiwillen ins Treffen führen. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen bei der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Vertragsauslegung ist daher nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.