JudikaturJustiz6Ob131/02m

6Ob131/02m – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Melanie R*****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Dr. Heidi B*****, vertreten durch Kindel Kindel DDDr. Dieter G. Kindel MMag Dr. Klaus H. Kindel, Rechtsanwälte in Wien, wegen 36.336,42 EUR, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 5. März 2002, GZ 13 R 41/01x-53, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. November 2000, GZ 16 Cg 94/99g-47, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Bruder der Klägerin hatte von seinem Vater mit Notariatsakt vom 22. 1. 1990 eine land- und forstwirtschaftliche Liegenschaft im Ausmaß von 11,7 ha mit zwei Wohnhäusern übergeben erhalten. Der Vater behielt sich in einem der Häuser ein dingliches unentgeltliches Wohnrecht vor. Der Sohn hatte folgende Verpflichtung zu übernehmen:

"Der Übernehmer verpflichtet sich auf Anweisung des Übergebers, seiner Schwester mj. Melanie R*****, geb. am 2. 7. 1975, aus dem übernommenen Besitz auf deren Verlangen das Haus L***** samt einer anliegenden Grundfläche von ca. 2000 m2 zu deren gänzlicher väterlicher Erb- und Pflichtteilsabfindung abzutreten. Dieses Verlangen kann von Melanie R***** erst nach Erreichung ihrer gesetzlichen Volljährigkeit gestellt werden".

Der Bruder der Klägerin geriet in finanzielle Schwierigkeiten und belastete die Liegenschaft mit Pfandrechten. Im Jahr 1994 wurde ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet. In diesem wurde die Liegenschaft unter Berücksichtigung des Wohnrechts des Übergebers mit 3,140.000 S bewertet. Die bücherlich sichergestellten Schulden betrugen ca 1,5 Mio S. Der Bruder der Klägerin hatte darüber hinaus noch Schulden von weiteren rund 500.000 S. Er verkaufte der Beklagten am 10. 6. 1996 die Liegenschaft um 1 Mio S. In einem späteren Nachtrag zum Kaufvertrag wird ein Kaufpreis von 2 Mio S angeführt. Für die Einverleibung des Eigentumsrechts der Beklagten musste diese zur Erwirkung der Lastenfreistellung Schulden des Verkäufers bezahlen. Die Beklagte veräußerte am 2. 6. 1997 die Liegenschaft an ein deutsches Ehepaar um 2,1 Mio S.

Die Klägerin erwirkte gegen ihren Bruder wegen des Verlustes des Abtretungsgutes und gestützt auf Schadenersatzrecht ein rechtskräftiges Versäumungsurteil über 1,5 Mio S.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 500.000 S und stützt die Anfechtung des Kaufvertrages auf § 2 AnfO und beruft sich ferner auf die Haftungsbestimmung des § 1409 ABGB. Der Beklagten sei die Benachteiligungsabsicht des Bruders der Klägerin bekannt gewesen. Bei der Liegenschaft handle es sich um dessen einziges Vermögen. Die Klägerin habe höchstens Verbindlichkeiten von 1,690.456,60 S bezahlt. Die Differenz zum Verkehrswert betrage 1,449.543,40 S. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe vom Übergabsvertrag keine Kenntnis gehabt und eine solche auch nicht haben müssen. Über die in der Klage zugestandenen Zahlungen hinaus habe die Beklagte weitere Zahlungen von 178.715,18 S für den Veräußerer geleistet. Der Anfechtung fehle die Befriedigungstauglichkeit. Eine Gläubigerbank hätte einer Abschreibung des für die Klägerin bestimmten Grundstücks nur bei Zahlung von 1 Mio S zugestimmt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 409.807,03 S (= 29.781,84 EUR). Es verneinte eine Benachteiligungsabsicht der Vertragsparteien des Kaufvertrages, weil diese davon ausgegangen seien, dass bei einem Weiterverkauf für die Klägerin etwas "übrig bleiben" werde. Die Beklagte hafte aber nach § 1409 ABGB, weil sie das einzige Vermögen des Verkäufers übernommen habe. Sie schulde die Differenz zwischen ihren Zahlungen zum Wert der Liegenschaft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und änderte über Berufung der Beklagten deren Zahlungsverpflichtung ab und verurteilte sie zur Zahlung von lediglich 15.067,41 EUR. Es stellte nach Beweiswiederholung und Beweisergänzung weitere Zahlungen der Beklagten im Ausmaß von 166.211,32 S fest, sodass die Beklagte gemäß § 1409 ABGB nur die Differenz zum Verkehrswert, also 207.332,08 S, bezahlen müsse. Die Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht und wegen Vermögensverschleuderung scheitere an der fehlenden Befriedigungstauglichkeit. Zwar sei die Liegenschaft mit Pfandrechten belastet, aber nicht überbelastet gewesen. Die Klägerin hätte mangels finanzieller Mittel die Versteigerung aber nicht abwenden können. Ein 1,629.823,12 S übersteigendes Meistbot wäre nicht erzielbar gewesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Dagegen richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Parteien. Die Klägerin strebt die volle Klagestattgebung an, die Beklagte die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind unzulässig.

I. Zur Revision der Klägerin:

1. Die Revisionswerberin rügt zum Thema der Befriedigungstauglichkeit eine Verkennung der Beweislastregeln durch das Berufungsgericht, das eine Negativfeststellung zur Höhe des erzielbaren Meistbots getroffen habe. Dazu werden die Feststellungen des Berufungsgerichtes aber unvollständig wiedergegeben, hat es doch schon auf S 12 seiner Entscheidung festgestellt, dass die Erzielung eines 1,629.823,12 S übersteigenden Meistbotes "wahrscheinlich ... nicht der Fall gewesen" wäre (gleichlautend auch in der rechtlichen Beurteilung auf S 17). Damit ist der Klägerin aber der ihr nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung obliegende Beweis der Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung der Befriedigungschance des Gläubigers misslungen (RS0050751). Gerade die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte, vom Anfechtungskläger zu beweisende günstige Zukunftsprognose (SZ 68/29 uva) spricht nach den getroffenen Feststellungen gegen ihren Standpunkt. Ab welchem Grad der Wahrscheinlichkeit die Beweislast vom Anfechtungskläger auf den Anfechtungsgegner übergeht, der dann die Befriedigungsuntauglichkeit zu beweisen hat, stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage dar.

2. Zur Benachteiligungsabsicht des Verkäufers und der Beklagten verweist die Klägerin ausschließlich auf die vom Berufungsgericht bejahte Kenntnis der Beklagten über den Übergabsvertrag, also auch über die Abtretungsrechte der Klägerin. Damit steht aber eine Benachteiligungsabsicht noch nicht fest, ist doch das Einschreiten der Beklagten im Lichte der drohenden Zwangsversteigerung und der davon ausgehenden Gefahr des Verlustes der bloß obligatorischen Abtretungsrechte der Klägerin zu beurteilen. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen kann eine Unredlichkeit der Beklagten nicht abgeleitet werden. Die Revision enthält zu diesem Thema keine ausreichende Begründung.

3. Bei der Bekämpfung der Höhe des festgestellten Verkehrswertes geht die Revision nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus und greift unzulässig deren Beweiswürdigung an.

4. Zum Thema der Zahlungen der Beklagten von einem Rechtsanwaltsanderkonto, welche die Revisionswerberin als Fremdzahlungen qualifiziert wissen will, kann auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

5. Auch die Revisionsausführungen über ein standeswidriges Verhalten der beklagten Rechtsanwältin (bei einem spekulativen Grunderwerb; wegen des widersprüchlichen Prozessvorbringens) und über die Verletzung der Bestimmungen des Kärntner Grundverkehrsgesetzes zeigen keine erheblichen Rechtsfragen auf. Dazu hätte es einer entsprechenden Begründung zum Vorliegen eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges der angeblich verletzten Schutzgesetze mit dem Klageanspruch bedurft.

II. Zur Revision der Beklagten:

1. Das Revisionsvorbringen über Zahlungen der Beklagten in der Höhe des festgestellten Verkehrswertes von 2,064.000 S geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Der im Nachtrag zum Kaufvertrag angeführte Kaufpreis von 2 Mio S ist kein Nachweis dafür, dass dieser Betrag an den Verkäufer bzw seine Gläubiger auch tatsächlich bezahlt wurde. Die für eine Haftung nach § 1409 ABGB geforderte mangelnde Äquivalenz liegt vor.

2. Die Haftung des Übernehmers eines Vermögens oder Unternehmens soll die Gläubiger des Veräußerers vor dem Verlust des Haftungsfonds bewahren. Es kann der Revisionswerberin zugestanden werden, dass ältere oberstgerichtliche Entscheidungen in einem Grundstück oder einem Haus noch kein Vermögen im Sinne des § 1409 ABGB erblickten, während jüngere Entscheidungen dies bejahten, wenn die Liegenschaften im Wesentlichen das ganze Vermögen ausmachten und dies dem Erwerber auch bekannt war oder bekannt sein musste (SZ 68/18; Honsell/Heidinger in Schwimann ABGB2 Rz 13 zu § 1409 mwN). Ein solcher Sachverhalt wurde hier aber festgestellt, sodass gegen die Fortschreibung dieser Rechtsprechungslinie, die eine analoge Anwendung des § 1409 ABGB befürwortet, hier schon deshalb keine Bedenken bestehen, weil das Kaufobjekt zwar nicht in einem lebenden Unternehmen bestand, aber doch land- und forstwirtschaftliche Grundstücke (mit Gebäuden) in einer solchen Größe zum Gegenstand hatten, dass jederzeit ein landwirtschaftliches Unternehmen betrieben hätte werden können. Gegen eine analoge Anwendbarkeit des § 1409 ABGB wegen des Vorliegens eines beiden Haftungstatbeständen ähnlichen Sachverhalts (Übernahme eines Vermögens oder eines Unternehmens) bestehen keine Bedenken.

3. Dass der Anfechtungsanspruch nicht schon daran scheitert, dass der Vater der Klägerin seinem Sohn noch keine Anweisung zur Abtretung des Grundstücks an die Klägerin erteilt hat, wurde vom Berufungsgericht durchaus schlüssig und in vertretbarer Auslegung des Übergabsvertrages bejaht. Eine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor.

4. Die Ausführungen zu einem "Mitverschulden" der Klägerin, weil diese schon früher ihren Anspruch gegenüber dem Bruder verfolgen hätte müssen, sind gegenüber dem Haftungstatbestand nach § 1409 ABGB nicht schlüssig. Die Revisionswerberin releviert damit ausschließlich Kausalitätsfragen.