JudikaturJustiz5Ob98/05f

5Ob98/05f – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** in Österreich, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller Keintzel, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, wegen 25.000 Euro s. A., über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Februar 2005, GZ 14 R 182/04v 11, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Juni 2004, GZ 30 Cg 5/04g 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die (klagsabweisende) Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.522,75 Euro bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 2.156,90 Euro (darin 1.061 Euro an Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Afghane Sayed Yasin R*****, Angestellter der afghanischen Botschaft in Indien, befürchtete seine Rückberufung nach Afghanistan und die dortige Verfolgung durch die Taliban, weshalb er beabsichtigte, mit seiner Gattin Homa R***** und den drei Kindern, geboren 1985, 1988 und 1993, nach Österreich auszureisen. Der afghanische Botschafter besorgte für die Ehegatten R***** afghanische Pässe. Im Pass von Sayed Yasin R***** fehlten von vorneherein die Seiten 23 bis 26 und im Pass von Homa R*****, in welchem auch die drei Kinder eingetragen wurden, fehlten die Seiten 25 und 26. Der afghanische Botschafter bestätigte mit Siegel und Unterschrift, dass die genannten Seiten fehlten und dies bereits beim Binden des Passes geschehen sei. Die Familie R***** erhielt unter Vorlage der Pässe von der österreichischen Botschaft in Indien am 6. 2. 1996 Touristenvisa für die Zeit von 10. 2. bis 21. 3. 1996, reiste mit 500 US Dollar am 16. 3. 1996 nach Österreich ein und beantragte am 18. 3. 1996 die Gewährung von Asyl. Nach den ersten zwei Nächten in einem Hotel war die Familie dann im Lager Traiskirchen untergebracht, wo sie wohnte und verköstigt wurde. Mit Bescheid vom 14. 5. 1996 wurden die Asylanträge der Familie R***** in erster Instanz abgewiesen und die Familie zum Verlassen des Lagers Traiskirchen aufgefordert. Die Ehegatten R***** erhoben Berufung gegen die abweislichen Asylbescheide und beantragten - erfolglos -, die wegen fehlender Hilfsbedürftigkeit und mangelnder Mitwirkung im Verfahren nach dem (früheren) § 9 Abs 3 BBetrVO erfolgte Entlassung aus der Bundesbetreuung rückgängig zu machen. Wegen drohender Obdachlosigkeit war die Familie R***** von 5. 6. 1996 bis 6. 8. 1999 kostenlos in Heimen der karitativ tätigen Klägerin untergebracht, die für Verpflegung und Unterkunft samt Betriebskosten, für Schulkosten der Kinder, Fahrt- und Medikamentenkosten sowie für ein wöchentliches Taschengeld der Familie von 1.230 Schilling aufkam; der Klägerin entstanden dadurch Aufwendungen von insgesamt jedenfalls 75.000 Euro. Mit Bescheid des Bundesasylsenats vom 23. 8. 1999 wurde dann dem Vater und durch Asylerstreckung auch den anderen Familienmitgliedern Asyl gewährt. Mit Abtretungserklärung vom 18. 12. 2000 haben Sayed Yasin und Homa R***** alle ihre Ansprüche und Rechte, die ihnen nach dem Bundesbetreuungsgesetz (BBetrG) gegenüber der Beklagten zustehen und zustanden im Ausmaß von 1,162.890 Schilling mehr oder weniger in Abgeltung der von der Klägerin gewährten Unterbringung und Betreuung für die Dauer des Asylverfahrens abgetreten. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat mit rechtskräftigem Urteil vom 7. 8. 2003, 33 Cg 24/01v 22, die Beklagte auf der Grundlage dieses Sachverhalts schuldig erkannt, der Klägerin an Kosten für die Betreuung der Familie R***** einen Teilbetrag von 7.267,28 Euro samt 4 % Zinsen seit 1. 7. 2000 zu ersetzen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 18. 3. 2004 eingebrachten Klage von der Beklagten die Zahlung von (weiteren) 25.000 Euro s.A.. Sie habe der mittellosen Familie R***** alle lebensnotwendigen Leistungen gewährt, weil dieser die Aufnahme in die Bundesbetreuung verweigert worden sei; auch wenn darauf gemäß § 1 BBetrG kein Rechtsanspruch bestehe, so sei der Bund aufgrund dieser Selbstbindungsnorm bei - im Falle der Familie R***** vorgelegener - Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichtet, Asylwerber in die Bundesbetreuung aufzunehmen. Der Aufwand dafür errechne sich nach den jeweils maßgeblich gewesenen Tagessätzen der BBetrVO mit insgesamt 1,162.890 Schilling (= 84.510,81 Euro); die tatsächlich aufgelaufenen Kosten hätten zumindest diese Höhe erreicht. Die Beklagte habe ihr diesen Aufwand nach § 1042 ABGB zu ersetzen. Seit der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. 2. 2003, 1 Ob 272/02k, habe der Bundesgesetzgeber mit BGBl I 101/2003 § 2 Abs 1 BBetrG dahin geändert, dass etwa von karitativen Organisationen erbrachte Zuwendungen bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen seien. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung solle sich nach dem mit dieser Novelle neu eingefügten § 13a BBetrG mit Ausnahme von am 14. 10. 2003 gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig gewesenen Verfahren nach den Regelungen des § 8 ABGB bestimmen. Diese neue Rechtslage ändere jedoch an der Ersatzpflicht der Beklagten nichts, weil diese schon Gegenstand des vor dem genannten Termin anhängig gewesenen Vorverfahrens gewesen sei. Eine authentische Interpretation dürfe - soweit überhaupt (noch) zulässig - nicht zu einer dem Gleichheit- sowie Sachlichkeitsgebot widersprechenden und damit verfassungswidrigen Befreiung des Bundes von Verpflichtungen aus einem Selbstbindungsgesetz und zur Verletzung ihres Eigentumsrechts durch Aberkennung von im Vertrauen auf die geltende Rechtslage wohl erworbenen Bereicherungsansprüchen missbraucht werden. Schließlich seien ihre auf § 1042 ABGB beruhenden Bereicherungsansprüche auch nicht verjährt, weil diese der langen, 30 jährigen Verjährungsfrist unterlägen. Sie habe von der Beklagten während der Zeit der Unterstützungsleistungen an die Familie R***** von der Beklagten „keine Subventionen bzw finanzielle Unterstützung hinsichtlich der Asylverfahren erhalten". In der Zeit von Dezember 1999 bis 30. 4. 2004 habe es Subventionen im Rahmen einer Projektförderung im Zusammenhang mit dem Asylbereich gegeben und ab 1. 5. 2004 erhalte sie von der Beklagten eine sogenannte „Grundversorgung".

Die Beklagte wendet ein, durch die mit BGBl I 101/2003 erfolgte Änderung des § 2 Abs 1 BBetrG iVm § 13a BBtrG sei nunmehr durch authentische Interpretation klargestellt, dass es infolge Versorgung der Familie R***** durch die Klägerin an der für die Aufnahme in die Bundesbetreuung erforderlichen Hilfsbedürftigkeit gefehlt habe. Diese authentische Interpretation sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich, weil weder in das Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen noch der Vertrauensschutz verletzt werde, habe doch die Klägerin einen Rückgriffsanspruch nicht realistisch erwarten dürfen. Mangels Anspruch auf Bundesbetreuung habe die darauf gegründete Ersatzforderung weder an die Klägerin abgetreten noch zu einem Verwendungsanspruch gemäß § 1042 ABGB führen können. Allfällige Ansprüche der Klägerin für die Zeit ab 3. 8. 1998 seien jedenfalls verjährt, weil die Leistungen nach dem BBetrG typische Unterhaltsleistungen darstellten, die wegen ihres höchstpersönlichen Charakters überdies nicht zedierbar seien. Auch wenn man die Betreuung als Leistungen im Sinne des § 1486 Z 3 ABGB qualifizieren wollte, sei ebenfalls die dreijährige Verjahrungsfrist maßgeblich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts ab; es bedachte rechtlich die seit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshof 1 Ob 272/02k und 9 Ob 71/03m durch die AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) erfolgten Änderungen der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG, wonach auf die Bundesbebetreuung „kein vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbarer Rechtsanspruch" bestehe, „wenn die Kriterien für die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung nicht erfüllt sind". Bei der eine Voraussetzung der Bundesbetreuung bildenden Hilfsbedürftigkeit seien nach der ausdrücklichen Anordungen des § 2 Abs 1 BBetrG idF BGBl I 101/2003 Leistungen karitativer Organisationen zu berücksichtigen. Nach dem neu eingefügten § 13a BBetrG idF BGBl I 101/2003 bestimme sich mit Ausnahme von Verfahren, die am 14. 10. 2003 gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig (gewesen) sind, der zeitliche Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Änderungen „nach den Regelungen des § 8 ABGB". Aufgrund der vom Gesetzgeber nach § 8 ABGB - verfassungsrechtlich zulässig - angeordneten Rückwirkung der genannten Bestimmungen seien diese auch im vorliegenden, erst nach dem 14. 10. 2003 anhängig gemachten Verfahren bereits in ihrer novellierten Fassung anzuwenden. Bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit Fremder müssten daher Leistungen karitativer Organisationen berücksichtigt werden. Da die Klägerin die Familie R***** mit allem Nötigen versorgt habe, fehlte es an deren Hilfsbedürftigkeit, sodass auch kein Anspruch auf Bundesbetreuung bestanden habe, der an die Klägerin hätte abgetreten oder dessen Erfüllung dieser einen Anspruch nach § 1042 ABGB hätte vermitteln können. Ein allfälliger, inhaltlich ohnehin nicht näher dargelegter Schadenersatzanspruch stehe der Klägerin nicht zu, weil diese lediglich mittelbar geschädigt sei und nach der Abtretungserklärung keine Schadenersatzansprüche zediert worden seien.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin Folge und änderte das Urteil im Sinne der Klagsstattgebung ab. Auch nach seiner authentischen Interpretation durch den Gesetzgeber bedürfe § 2 Abs 1 BBetrG idF BGBl I 101/2003 weiterhin der Auslegung, die sich gemäß § 6 ABGB primär am Wortlaut dieser Bestimmung zu orientieren habe. Dabei zeige sich, dass die Novellierung dieser Bestimmung nur einen ausführlicheren Wortlaut, aber keine inhaltlichen Änderungen gebracht habe. Schon nach der zuvor erkennbar gewesenen Absicht des Gesetzgebers hätten Leistungen karitativer Organisationen den Anspruch von Asylwerber auf Bundesbetreuung mindern oder wegfallen lassen sollen; der Oberste Gerichtshof habe § 2 Abs 1 BBetrG einen solchen Sinn nicht unterstellen können. Gegen diese auf dem Gleichbehandlungsgebot bzw Diskriminierungsverbot beruhende verfassungskonforme Auslegung müsse der Wille des einfachen Gesetzgebers zurückstehen. Auch nach authentischer Interpretation des § 2 Abs 1 BBetrG biete dieser bei verfassungskonformer Auslegung somit keine Handhabe dafür, Asylwerbern einen Anspruch auf Bundesbetreuung zu versagen, wenn sie von einer karitativen Organisation betreut werden. Auch der von der Beklagten erhobene Verjährungseinwand sei unberechtigt. Ansprüche nach § 1042 ABGB würden der langen Verjährungsfrist unterliegen; dies gelte auch für die zedierten Ansprüche, weil diese mangels familienrechtlicher oder vertraglicher Grundlage nicht als Unterhaltsansprüche und auch nicht als Entgeltforderungen im Sinne des § 1486 Z 3 ABGB anzusehen seien. Das Klagebegehren erweise sich demnach als berechtigt. Diese Entscheidung des Berufungsgerichts enthält den Ausspruch, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Auslegung des § 2 Abs 1 BBetrG idF BGBl I 101/2003 keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

1. Zur Rechtslage vor der AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003):

1.1. Vor der AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) sah das Bundesbetreuungsgesetz (BBetrG idF BGBl Nr 405/1991, fortan: BBetrG aF) in dessen § 1 Abs 1 vor, dass der Bund die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder übernimmt, die einen Antrag nach § 2 des Asylgesetzes, BGBl Nr 126/1968, idgF, gestellt haben (Asylwerber). Die Bundesbetreuung umfasst Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden. § 1 Abs 3 BBetrG aF bestimmte, „auf die Bundesbetreuung besteht kein Rechtsanspruch". Nach § 2 Abs 1 BBetrG aF war hilfsbedürftig, „wer den Lebensbedarf einschließlich der Unterbringung für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Leistungen, die von dritter Seite erbracht werden, sind bei Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen". Nach § 2 Abs 2 BBetrG aF wird Bundesbetreuung „jedenfalls nur solchen Asylwerbern gewährt, die sich bereit erklären, an der Feststellung ihrer Identität und Hilfsbedürftigkeit mitzuwirken und die Umstände, die für die Beurteilung ihrer Hilfsbedürftigkeit von Bedeutung sein können, unverzüglich mitzuteilen".

1.2. Auf dieser Rechtsgrundlage hat der Oberste Gerichtshof zwischen diesen Parteien (im Vorprozess 33 Cg 24/01v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) in seiner Entscheidung vom 24. 2. 2003, 1 Ob 272/02k = SZ 2003/17 = JBl 2004, 384 zusammengefasst Folgendes ausgeführt:

Das BBetrG ist ein sogenanntes "Selbstbindungsgesetz" innerhalb eines in die Kompetenz der Länder fallenden hoheitlichen Gestaltungsbereichs. Derartige Gesetze müssen, um verfassungskonform zu sein, reinen „Innennormcharakter" haben; als Akt der „inneren Gesetzgebung" begründen sie keine Rechtsansprüche oder Rechtspflichten für den Einzelnen. Ein durchsetzbarer privatrechtlicher Rechtsanspruch entsteht aber nach dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts. Der Staat kann sich dann - soweit er sich nicht der hoheitlichen Handlungsformen bedient - nicht der für den hoheitlichen Staat charakteristischen Grundrechtsbindung entziehen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Gleichbehandlungsgrundsatz; gleiche Sachverhalte sind gleich zu beurteilen, um Diskriminierungen zu vermeiden. Werden etwa Subventionen bei Vorliegen bestimmter typischer Voraussetzungen gewährt, darf davon nur aus besonderen, sachlichen, am Förderungszweck orientierten Gründen abgegangen werden. Die bloße Berufung auf die in den Förderungsrichtlinien festgehaltene Tatsache, dass kein Rechtsanspruch auf Förderung bestehe, genügt dazu nicht. Regelungen in Selbstbindungsgesetzen (wie etwa § 1 Abs 3 BBetrG aF), die dem Einzelnen ein subjektives Recht auf Leistungen verwehren, sind daher „nicht mehr als das nach der herrschenden Auffassung gebotene 'Feigenblatt'...um eine Entblößung des jeweiligen Selbstbindungsgesetzes als Verletzung der Kompetenzartikel des B VG zu vermeiden", dient doch die Fiskalgeltung der Grundrechte im Privatrecht gerade der Begründung klagbarer Leistungsansprüche gegen den Staat. Hat sich demnach eine Gebietskörperschaft in einem Selbstbindungsgesetz zur Leistung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, so besteht darauf ein klagbarer Anspruch, soweit dieser nicht mangels Erfüllung der im Selbstbindungsgesetz normierten Leistungsvoraussetzungen oder in Ermangelung solcher Vorschriften deshalb ausscheidet, weil die Leistungsverweigerung in einem bestimmten Einzelfall dem Gleichbehandlungsgebot bzw dem Diskriminierungsverbot aus besonderen Gründen nicht widerspricht. Lehnt daher der Bund eine nach dem BBetrG gebührende Leistung ab, obgleich der Leistungswerber die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, so ist der inhaltsgleiche Leistungsaufwand eines Dritten auf Grundlage einer Ersatzerwartung ein Aufwand, den der Bund im Sinne des § 1042 ABGB nach dem Gesetz hätte selbst machen müssen. Die Anwendung des § 1042 ABGB scheidet daher nicht deshalb aus, weil nach § 1 Abs 3 BBetrG aF kein Rechtsanspruch auf die Bundesbetreuung besteht. Bestehe ein Anspruch schon deshalb nicht, weil die Hilfsbedürftigkeit der Asylwerber durch die Leistungen der Klägerin als karitative kirchliche Organisation entfallen sei, könnte der Bund - entgegen seiner gesetzlichen Selbstbindung nach § 1 Abs 1 BBetrG aF und unter Verletzung des Gleichbehandlungs- bzw des Diskriminierungsverbots - vorerst immer auf die allfällige Beseitigung der Hilfsbedürftigkeit von Asylwerbern durch Dritte spekulieren, um sich schließlich auf den zu seiner Leistungsfreiheit führenden „Wegfall der Hilfsbedürftigkeit" zu berufen. Ein solcher Sinn kann § 2 Abs 1 letzter Satz BBetrG aF nicht unterstellt werden, setzte doch eine solche Sicht der Rechtslage die Billigung einer habituellen Verletzung der durch die gesetzliche Selbstbindung begründeten Leistungspflicht in Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes voraus.

1.3. Die Entscheidung 1 Ob 272/02k hat Wilhelm kritisiert (in exolex 2003, 301 und, Das Willkürverbot bei Übernahme in die Bundesbetreuung, migraLex 2003, 74; vgl auch Muzak , Vorwegnahme des Asylverfahrens durch Ausschluss von der Bundesbetreuung?, migraLex 2003, 13); Wilhelm vertat die Meinung, der Bund dürfe einem Asylwerber die Übernahme in die Bundesbetreuung aus sachlich gerechtfertigtem Grund verweigern und ein solcher Grund sei, dass der Übernahmswerber die für die Übernahme geltenden Voraussetzungen des BBetrG nicht erfülle. Der Auffassung des Obersten Gerichtshofs, bei Erfüllung dieser Voraussetzungen sei es in keinem Fall sachlich gerechtfertigt, die Übernahme in die Bundesbetreuung zu verweigern, sei nicht zu folgen, weil das BBetrG die Verwaltung zur Formulierung weiterer, im BBetrG nicht enthaltener Zulassungsvoraussetzungen ermächtige. Diese müssten allerdings sachlich gerechtfertigt sein; so sei es prinzipiell zulässig, die Übernahme zu verweigern, wenn der Übernahmswerber einem Staat angehöre, in dem politische Verfolgung als unwahrscheinlich gelten müsse. Mit dieser Maßgabe sei es sachlich gerechtfertigt, dass Richtlinien Angehörige bestimmter Staaten von der Bundesbetreuung ausschließen würden.

1.4. Der Oberste Gerichtshof hat trotz der Kritik Wilhelms an den in 1 Ob 272/02k entwickelten Überlegungen auch in seiner Entscheidung vom 27. 8. 2003 zu 9 Ob 71/03m im Grundsätzlichen festgehalten (vgl auch 10 Ob 23/03k = RdW 2004/695). Zu 9 Ob 71/03m hatte sich die Beklagte auf eine „Richtlinie" für die Bundesbetreuung hilfsbedürftiger Asylwerber des Bundesministeriums für Inneres berufen, wonach die Staatsbürger bestimmter Herkunftsländer nach für sie erfolglosem Abschluss des erstinstanzlichen Asylverfahrens trotz des noch nicht abgeschlossenen Rechtsmittelverfahrens absolut von der Bundesbetreuung ausgeschlossen sein sollten. Der Oberste Gerichtshof hat diesen durch das BBetrG nicht gedeckten Ausschlussgrund als Verstoß gegen dessen Grundwertungen, somit als unsachlich und folglich selbst für den Fall als unbeachtlich erkannt, dass die Aufzählung der Endigungsgründe im BBetrG nicht taxativ und die Beendigung (oder Befristung) der Bundesbetreuung auch aus anderen (sachlichen) Gründen zulässig sein sollte. Die Frage der „Hilfsbedürftigkeit" im Lichte des § 2 Abs 1 BBetrG aF war zu 9 Ob 71/03m nicht zu behandeln.

2. Zur AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003):

2.1. Die AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) brachte (ua auch) eine Änderung der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG. § 1 Abs 3 BBetrG idF BGBl I 101/2003 lautet: „Auf die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung besteht dann kein vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbarer Rechtsanspruch, wenn die Kriterien für die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung nicht erfüllt sind (Art 17 B VG)". Für die bei der Beurteilung der (dann fehlenden) Hilfsbedürftigkeit nach § 2 Abs 1 BBetrG zu berücksichtigenden Leistungen dritter Seite werden in der novellierten Fassung diejenigen ausdrücklich angesprochen, die „etwa von karitativen Organisationen oder anderen Gebietskörperschaften, erbracht werden". Schließlich bestimmt der durch die AsylG Nov 2003 eingefügte § 13a BBetrG idF BGBl I 101/2003: „Mit Ausnahme von Verfahren, die am 14. Oktober 2003 gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig sind, bestimmt sich der zeitliche Anwendungsbereich der Änderungen von § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 2 Abs 1 und Abs 2 und § 2a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, nach den Regelungen des § 8 ABGB".

2.2. Die Neufassung der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG und die Einfügung des § 13a BBetrG war ursprünglich in der Regierungsvorlage nicht vorgesehen. Im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten werden zu diesen Änderungen die wesentlichen Punkte der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 272/02k und 9 Ob 71/03m referiert und dann wird auszugsweise ausgeführt (AB 253 BlgNR XXII. GP, 4 ff):

„Diese in den genannten Entscheidungen geäußerte Rechtsansicht des OGH sowie die durch sie zu besorgenden Folgewirkungen erscheinen dem Bundesgesetzgeber in mehrfacher Hinsicht nicht unproblematisch: Zum einen laufen sie in entscheidenden Punkten jenen Intentionen zuwider, die vom Gesetzgeber des Bundesbetreuungsgesetzes .... verfolgt wurden und denen durch den Ausschluss eines Rechtsanspruches auf Bundesbetreuung in § 1 Abs 3 leg. cit. Ausdruck verschafft werden sollte. Zum anderen bilden .... va Regressfragen die Quelle für massive Rechtsunsicherheit und können nicht zuletzt zu Belastungen des Staatshaushaltes in unabsehbarem Ausmaß führen. All diese Aspekte lassen es nun erforderlich erscheinen, .... im Wege eine authentischen Interpretation einige Klarstellungen .... vorzunehmen .... Freilich werden in diesem Zusammenhang vom Bundesgesetzgeber auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht verkannt, denen Selbstbindungsgesetze einer Gebietskörperschaft unterworfen sind und auf die der OGH in den erwähnten Entscheidungen grundsätzlich zu Recht Bezug genommen hat .... Wie schon .... erwähnt, erblickt der OGH in seinem rezenten Beschluss im Ausschluss eines Rechtsanspruches auf Bundesbetreuung nur ein „verfassungsrechtliches Feigenblatt", das die Inanpruchnahme des Bundes vor den ordentlichen Gerichten durch Asylwerber und - im Regressweg - karitativen Hilfsorganisationen nicht ausschließen soll. Dieser Ansicht vermag der Bundesgesetzgeber anlässlich der nunmehr erfolgenden authentischen Interpretation des Bundesbetreuungsgesetzes .... nur in jenem Umfang beizutreten, als die Zubilligung derart klagbarer Ansprüche zur Umsetzung des .... Willkür- bzw Diskriminierungsverbotes geboten erscheint. .... Diesem Umstand gilt es auch im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes Rechnung zu tragen, und zwar durch die Festlegung dieses Anwendungsbereiches im Einklang mit dem von § 8 ABGB für authentische Interpretationen allgemein vorgesehenen Maßstäben. Dies führt im wesentlichen dazu, dass die von diesem Bundesgesetz vorgenommenen Klarstellungen des Bundesbetreuungsgesetzes grundsätzlich auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes Verbindlichkeit beanspruchen und vor allem auch in Verfahren, die zum Zeitpunkt von dessen Inkrafttreten noch nicht rechtskräftig beendet sind, Berücksichtigung zu finden haben .....".

Zu § 2 Abs 1 Satz 2 BBetrG idF BGBl I 101/2003 heißt es im Ausschussbericht:

„Seit jeher enthielt § 2 Abs 1 Satz 2 des Bundesbetreuungsgesetzes .... eine Regelung dahingehend, dass bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit von Asylwerbern Leistungen, die diesen von dritter Seite erbracht werden, mit zu berücksichtigen sind und diese daher die Tatsache bzw das Ausmaß der Hilfsbedürftigkeit reduzieren. In der E 1 Ob 272/02k vom 24. 2. 2003 wurde jedoch dieses Tatbestandsmerkmal vom OGH dahingehend ausgelegt, dass Leistungen, die Asylwerbern von kritativen Organisationen erbracht werden, bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit von Asylwerbern sehr wohl außer Acht zu lassen sind. Durch die im Rahmen dieses Bundesgesetzes vorgenommene authentische Interpretation von § 2 Abs 1 Satz 2 des Bundesbetreuungsgesetzes .... soll nun klar gestellt werden, dass eine derartige, aus dem Wortlaut der genannten Norm auch gar nicht ableitbare Differenzierung innerhalb jener Leistungen, die von Dritten an Asylwerber erbracht werden, im Zusammenhang mit der Ermittlung ihrer - die Aufnahme in die Bundesbetreuung grundsätzlich ermöglichende - Hilfsbedürftigkeit dem Willen des historischen Gesetzgebers .... keineswegs entspricht. Der historische Gesetzgeber erblickte nämlich in der Bundesbetreuung seit jeher eine vom Bund im transkompetenten Bereich freiwillig zur Verfügung gestellte Hilfeleistung, die lediglich im Verbund mit gleichrangigen Hilfsleistungen anderer natürlicher und juristischer Personen (wie etwa karitativen Organisationen und anderen Gebietskörperschaften) - also gleichsam als „ein Glied der Kette" - mithelfen soll, eine umfassende Betreuung sämtlicher Asylwerber sicherzustellen. Mit dieser Interpretation des historischen Gesetzgebers steht das nunmehr vom OGH gewonnene Verständnis des Tatbestandes von § 2 Abs 1 Satz 2 des Bundesbetreuungsgesetzes ... in erheblichem Widerspruch, wonach der Bund gleichsam allein die Lasten für die Betreuung sämtlicher Asylerber zu tragen hätte und daher Regressansprüchen von - nach Ansicht des OGH - nur subsidiär tätig werdenden Dritten ausgesetzt sein könnte, was es im Rahmen des vorliegenden Gesetzes ebenfalls im Sinn der Interpretation des historischen Gesetzgebers klarzustellen gilt. Weiters darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass der Bund nicht nur selbst beträchtliche Mittel in die Betreuung von Asylwerbern investiert, sondern auch zahlreichen karitativen Organisationen finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um derartige Tätigkeiten zu entfalten. Es erscheint daher nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sachlich durchaus gerechtfertigt, wenn durch die nunmehr in § 2 Abs 1 Satz 2 des Bundesbetreuungsgesetzes .... vorgenommene Klarstellung sichergestellt wird, dass der Bund lediglich aufgrund der freiwilligen Einrichtung der Bundesbetreuung keinerlei Regressprozessen von Seiten karitativer Organisationen ausgesetzt sein kann, in denen nicht zuletzt verworrene Kompensationsprobleme über die Frage zu lösen wären, in welchem Umfang nicht ohnedies aufgrund der Subventionierung von karitativen Organisationen aus dem Bundesbudget von Anfang an davon ausgegangen werden muss, dass die von diesen faktisch vorgenommene Betreuung von Asylwerbern wirtschaftlich dem Bund zuzurechnen ist und schon aus diesem Grund Regressansprüche gegen die Republik Österreich ausscheiden müssen. Ähnliches gilt es bezüglich jener Betreuungsleistungen zu berücksichtigen, die von anderen Gebietskörperschaften, va den Ländern erbracht werden: Da diese ja, wie bereits erwähnt, aufgrund der Kompetenzverteilungen des B VG für den Bereich der Sozialhilfe, der auch die Betreuung von Asylwerbern zuzurechnen ist, zuständig sind, wären auch bei Geltendmachung von Regressansprüchen der Länder gegen den Bund komplexe Rechtsfragen für die rechtlichen Vorgaben der Lastenaufteilung zwischen den Gebietskörperschaft zu beurteilen, was keineswegs mit jenen Vorstellungen vereinbar ist, die der historische Gesetzgeber mit der Erlassung des Bundesbetreuungsgesetzes .... und der dadurch geleisteten freiwilligen Hilfestellung für Asylwerber verbunden hat ....".

3. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. 10. 2004, G 237/03:

Mit dem am 19. Dezember 2003 beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Gesetzesprüfungsantrag begehrte die oberösterreichische Landesregierung die Aufhebung (ua) der § 1 Abs 3 und der Wortfolge „und Abs 3" im § 13a BBetrG idF BGBl I 101/2003. Mit dem am 2. Februar 2004 beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Gesetzesprüfungsantrag begehrte die Wiener Landesregierung, (ua) § 13a BBetrG idF BGBl I 101/2003, eventualiter dessen Wendung „und Abs 3" als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Anträge hat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15. 10. 2004, G 237/03, jeweils zurückgewiesen. § 2 Abs 1 BBetrG idF BGBl I 101/2003 war nicht Gegenstand der genannten Gesetzesprüfungsanträge.

4. Zur Zulässigkeit der „authentischen Interpretation" durch § 13a BBetrG (BGBl I 101/2003):

4.1. § 8 ABGB bestimmt, nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muss auf alle noch zu entscheidenden Rechtsfälle angewendet werden, sofern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, dass seine Erklärung bei Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle. Von einer „authentische Interpretation" spricht man dann, wenn das zur Aufstellung oder Änderung der Grundnorm berechtigte Organ bestimmt, in welchem Sinn diese zu verstehen ist (1 Ob 712/84 = SZ 58/15). Diese authentische Interpretation ist keine Auslegung im eigentlichen Sinn; vielmehr sieht § 8 die Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber den normativen Sinn eines (unklaren) Gesetzes durch ein neuerliches Gesetz erklärt. Diese Aufklärung hat - sofern keine andere Regelung erfolgt - rückwirkende Kraft, da sie ab dem Inkrafttreten des „erklärten Gesetzes" gilt (vgl F. Bylinski in Rummel³, § 8 ABGB Rz 1; Posch in Schwimann³, § 8 ABGB Rz 1 f); § 8 ABGB ermöglicht demnach die „versteckte" Anordnung einer Rückwirkung (VwGH 15. 10. 2004, G 237/03; Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger , § 8 ABGB Rz 1).

Die Zulässigkeit der „authentischen Interpretation" wird von der hA anerkannt (vgl M. Schmidt , Authentische Interpretation und Verfassung, ÖJZ 1987, 428 [insb 429 und die Nachweise in FN 1]; Posch , aaO, Rz 1; F. Bylinski , aaO). Die von Kobzina (in Verwaltungsgerichtsbarkeit im Staat der Parteien und Verbänder, FS 100 Jahre VwGH [1976], 201) vertretene Ansicht, dem § 8 ABGB sei durch das B VG derogiert, hat sich nicht durchgesetzt; vielmehr steht dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Klarstellung mit Rückwirkung auf den ursprünglichen Gesetzgebungsakt - freilich im Rahmen des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots - grundsätzlich offen (VfGH ZAS 1976, 104 [zust Hellbling ]). Der Verfassungsgerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass der Gesetzgeber im Prinzip frei ist, die Rechtslage zu verändern, auch wenn er damit auf höchstrichterliche Rechtsprechung reagiert (vgl VfSlg 15.231/1998, 15.319/1998; VfGH 11. 12. 2002, G186/02); freilich sind rückwirkende Gesetzesänderungen, welche die Rechtsposition der Normunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebots nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (VfGH 15. 10. 2004, G 237/03).

Dass nun der Gesetzgeber mit § 13a BBetrG (BGBl I 101/2003) eine authentische Interpretation vornehmen wollte, ist angesichts der ausdrücklich Erwähnung des § 8 ABGB und der zu 2.2. dargestellten Gesetzesmaterialien unzweifelhaft, iS einer rückwirkenden Gesetzesänderung - wie zuvor ausgeführt - grundsätzlich zulässig, und es hat der Verfassungsgerichtshof diese Vorgangsweise im konkret hier vorliegenden Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 15. 10. 2004, G 237/03, auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht beanstandet (vgl dazu auch Vonkilch , Alte und neue Rechtsfragen zur Betreuung von Asylwerbern, JBl 2004, 538); vielmehr hat der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis - mit Recht - auf den Gesetzestext des § 1 Abs 3 BBetrG idF vor der Novelle BGBl I 101/2003 hingewiesen, der ein Vertrauen in das Bestehen eines Anspruchs keinesfalls bewirken konnte, war dort doch ein Rechtsanspruch nach dem BBetrG sogar explizit ausgeschlossen. Auch hat § 2 Abs 1 BBetrG schon in seiner früheren Fassung mit der Definition des Begriffes „hilfsbedürftig" Regressansprüche Dritter, die den Asylsuchenden versorgten, gegen den Bund nicht als erfolgversprechend erscheinen lassen können. Erst durch die erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. Februar 2003, 1 Ob 272/02k, wurde erkennbar, dass doch ein Rechtsanspruch - abgeleitet jedoch nicht unmittelbar aus dem BBetrG, sondern dem Gebot der Gleichbehandlung von Leistungsempfängern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung - bestehen könnte. Der erkennende Senat vermag daher auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die offenbar von der Klägerin gegen die authentische Interpretation gehegten Bedenken nicht zu teilen.

4.2. Es entspricht sodann stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen hat, sofern die neuen (hier: authentisch interpretierten) Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind (vgl RIS Justiz RS0031419). § 13a BBetrG sieht ausdrücklich vor, dass sich der zeitliche Anwendungsbereich der Änderungen von § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 2 Abs 1 und Abs 2 sowie § 2a BBetrG - mit Ausnahme von Verfahren, die am 14. 10. 2003 gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig sind - nach den Regelungen des § 8 ABGB bestimmt. Der Gesetzgeber hat damit - auch und gerade für zuvor verwirklichte - Sachverhalte, die in einem - wie hier (Klagseinbringung am 18. 3. 2004) - nach dem 14. 10. 2003 anhängig gemachte Verfahren zu beurteilen sind, ausdrücklich die Gesetzesrückwirkung angeordnet, weshalb im vorliegenden Fall § 2 Abs 1 BBetrG in der Fassung der Asylgesetznovelle 2003 (BGBl I Nr 101/2003) anzuwenden ist (so schon 4 Ob 48/04v zu § 2 Abs 2 Z 7 BBetrG idF BGBl I 101/2003).

5. Zu Inhalt und sachlicher Rechtfertigung der „authentischen Interpretation" (der rückwirkenden Gesetzesänderung) durch § 13a BBetrG (BGBl I 101/2003):

5.1. Die authentische Gesetzesinterpretation (das rückwirkende Gesetz) ist - wie die damit ausgelegte (geänderte) Norm - ebenfalls Gesetz und daher einerseits der Auslegung (iSd § 6 ABGB) zumindest soweit zugänglich, als damit der - im Gesetz angelegten - Intention des auslegenden Gesetzgebers gefolgt wird, und kann andererseits auch der Überprüfung auf seine Verfassungsmäßigkeit zugeführt werden.

5.2. Dass der Gesetzgeber mit der Änderung der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG durch die AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) bezweckte, jeden Regress, insbesondere von Seiten karitativer Organisationen auszuschließen, ist auf Grund der dargestellten Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesänderung und der ebenfalls schon angesprochenen Gesetzesmaterialien unzweifelhaft; eine diese Absicht des Gesetzgebers verneinende Interpretation der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG idF der AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) wäre mit den Auslegungsregeln des § 6 ABGB nicht vereinbar.

5.3. Der Oberste Gerichtshof hat zu 1 Ob 272/02k zur Frage der Hilfsbedürftigkeit betont, der Bund dürfe sich der seiner gesetzlichen Selbstbindung entsprechenden Leistungspflicht nicht etwa dadurch entziehen, dass er zunächst auf Leistungen von dritter Seite zur Beseitigung oder Linderung einer akuten wirtschaftlichen Notlage von Asylwerbern warte. Ein solcher Sinn dürfe § 2 Abs 1 letzter Satz BBetrG nicht unterstellt werden, führe doch eine solche Sicht der Rechtslage zur Billigung einer habituellen Verletzung der durch die gesetzliche Selbstbindung begründeten Leistungspflicht. Der in der genannten Entscheidung grundsätzlich für möglich erachtete Anspruch Dritter, die den Asylsuchenden versorgten, folgte demnach „nicht unmittelbar aus dem BBetrG, sondern dem Gebot der Gleichbehandlung von Leistungsempfängern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung" (so der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. 10. 2004, G 237/03) und beruhte daher primär auf - vom Berufungsgericht betonten - verfassungsrechtlichen Überlegungen. Auch der Gesetzgeber selbst hat im Ausschussbericht die verfassungsrechtlichen Aspekte bei der Erlassung von Selbstdingungsgesetzen im Einklang mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 272/02k erkannt (AB 253 BlgNR XXII. GP, 5 Punkt 3. 2. Absatz) und auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Gesetzesinterpretation hingewiesen [AB 253 BlgNR XXII. GP, 8 lit A) Punkt 2.].

5.4. Die sachliche Rechtfertigung für die nach der Entscheidung 1 Ob 272/02k für erforderlich erachteten und durch die authentische Interpretation iS des Ausschlusses jeglichen Regressanspruchs vorgenommenen „Klarstellung" sieht nun der Gesetzgeber darin, dass er selbst einerseits unmittelbar beträchtliche Mittel (direkt) im Rahmen der Bundesbetreuung für Asylwerber aufwendet, andererseits auch karitativen Organisationen finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um derartige Tätigkeiten zu entfalten; schließlich sei auch die Lastenaufteilung zwischen Gebietskörperschaften (insbesondere im Hinblick auf die aus dem Titel der Sozialhilfe leistenden Länder) zu berücksichtigen. Diese Argumente des Bundes sind im Kern beachtlich und vermögen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die mit der AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) vorgenommene Änderung der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG zu zerstreuen:

5.5. Nach § 4 Abs 1 BBetrG idF BGBl Nr 405/1991 waren Asylwerber möglichst in privaten Unterkünften, ausnahmsweise und nur im unbedingt notwendigen Ausmaß in Betreuungsheimen des Bundes unterzubringen. Gemäß § 4 Abs 2 BBetrG aF hatte sich der Bund bei der Bundesbetreuung möglichst privater, humanitärer und kirchlicher Einrichtungen, Institutionen der freien Wohlfahrt oder der Gemeinden zu bedienen, mit denen zu diesem Zweck privatrechtliche Verträge nach einheitlichem Muster abzuschließen waren. § 8 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Bundesbetreuung für Asylwerber (Bundesbetreuungsverordnung - BBetrVO), BGBl 31/1992, aufgehoben durch BGBl II 314/2004, sah dafür je Betreutem und Tag bestimmte, vom Bund zu bezahlende Höchstsätze vor. Nach § 10 Z 3 BBetrG idF BGBl Nr 405/1991 musste, soweit die Betreuung von Asylwerbern für den Bereich eines Landes ganz oder teilweise dem Landeshauptmann und den diesem unterstellten Landesbehörden übertragen war, dem Land der dadurch entstehende Aufwand vom Bund durch eine Pauschalabgeltung in Höhe von 150 S jährlich für jeden in Bundesbetreuung untergebrachten Asylwerber zu ersetzen. Dieser Kostenersatz war in monatlichen Zahlungen auf der Grundlage der zum Monatsersten im jeweiligen Land untergebrachten Asylwerber zu berechnen und bis zum 20. desselben Monats zu überweisen. Schließlich unterhielt der Bund für die Aufnahme in die Bundesbetreuung sogenannte Bundesbetreuungsstellen insbesondere in Bad Kreuzen, Mödling Vorderbrühl, Thalham und Traiskirchen (§ 1 Abs 2 BBetrVO). Nach dem Jahresbericht 1999 des Bundesministeriums für Inneres (http://www.bmi.gv.at/jahresberichte/jahresbericht_1999_fremdenwesen.asp) bestand in diesem Jahr in den Bundesbetreuungsstellen für Asylwerber eine Kapazität von etwa 2.000 Unterkunftsplätzen; darüber hinaus wurden Verträge mit 96 privaten Beherbergungsbetrieben abgeschlossen. 1999 wurden insgesamt 6.775 Asylantragsteller in die Betreuung des Bundes aufgenommen und per 31. Dezember 1999 insgesamt 4.500 Personen aus 39 Ländern betreut, wofür vom Bund 325 Mio. Schilling aufzuwenden waren. Dass der Bund auch andere Organisationen, wie etwa karitative Einrichtungen unterstützt, die sich (ua auch) der Betreuung von Asylwerbern widmen, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln, und wird - wenngleich nicht gerade für den fraglichen Zeitraum aber doch im Allgemeinen - auch durch das Prozessvorbringen der Klägerin untermauert. Es zeigt sich demnach, dass am wesentlichen Beitrag des Bundes an der Betreuung von Asylwerbern - auch zur hier maßgeblichen Zeit - keine grundsätzlichen Zweifel bestehen.

5.6. Der erkennende Senat hält es im Sinne der Ausführungen des Ausschussberichtes für legitim, dass der Bund die Betreuung von Asylwerbern gleichsam als solidarische Aufgabe des Gemeinwesens begreift, so lange er im Hinblick auf die Eigenschaft des Bundesbetreuungsgesetzes als Selbstbindungsgesetz und zur Gewährleistung des Sachlichkeitsgebotes unter Bedachtnahme auf seine höherrangige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit selbst einen entscheidenden wirtschaftlichen Betreuungsbeitrag leistet, was angesichts der dargestellten Kennzahlen für den fraglichen Zeitraum nicht zweifelhaft erscheint. Dies entkräftet den Verdacht der Billigung einer habituellen Verletzung der durch die gesetzliche Selbstbindung begründeten Leistungspflicht.

6. Ergebnis:

Die authentische Interpretation (die rückwirkende Änderung) des § 2 Abs 1 Satz 2 BBetrG durch die Asylgesetznovelle 2003 (BGBl I Nr 101/2003), war grundsätzlich zulässig und unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unbedenklich. Die dadurch erfolgte Neuregelung, wonach bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit eines Asylwerber Leistungen dritter Seite, „etwa von karitativen Organisationen oder anderen Gebietskörperschaften, erbracht werden", mitzuberücksichtigen sind, kann im Lichte der Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesänderung und der Gesetzesmaterialien nur dahin verstanden werden, das damit jegliche Regressansprüche Dritter, die Asylwerbern Leistungen erbrachten, ausgeschlossen sein sollten; eine diese Absicht des Gesetzgebers verneinende Interpretation der §§ 1 Abs 3, 2 Abs 1 BBetrG idF der AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) wäre mit den Auslegungsregeln des § 6 ABGB unvereinbar. Es ist unzweifelhaft, dass der Bund im fraglichen Zeitraum durch seine Bundesbetreuungsstellen, durch den Abschluss von Verträgen mit Privaten, durch die vorgesehene Abgeltung an die Länder und durch die Unterstützung hilfeleistender Organisation einen so wesentlichen Betrag leistete, dass die authentische Interpretation (die rückwirkende Änderung) des § 2 Abs 1 Satz 2 BBetrG keinen verfassungsrechtliche Bedenken begegnet. Für den vorliegenden Fall folgt aus der Anwendung des § 2 Abs 1 Satz 2 BBetrG iS der durch die AsylG Nov 2003 (BGBl I 101/2003) vorgenommenen authentischen Interpretation, dass mangels Hilfsbedürftigkeit der Asylwerber keine Leistungspflicht der Beklagten bestand, was sowohl Ansprüche der Klägerin gemäß § 1042 ABGB als auch solche aus der behaupteten Zession ausschließt. In Stattgebung der Revision war daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

7. Kosten:

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Rechtssätze
4