JudikaturJustiz5Ob644/88

5Ob644/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Alfred H***, Pensionist, Pölsgasse 35/1/9, 1230 Wien, 2. Renate J***, Fotografin, Robert Lach-Gasse 9/40/6/13, 1210 Wien, 3. Josef S***, Steinmetzmeister, Weinweg 164, 2732 Würflach, 4. Franz S***, Landwirt, Klammgasse 69, 2732 Würflach, 5. Maria L***, Pensionistin, Ghegagasse 20, 6020 Neunkirchen, und 6. Rosa S***, Pensionistin, 2732 Würflach 69, alle vertreten durch Dr. Gerhard Trenker, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Anna M***, Pensionistin, Dietrichsteingasse 9/1/6, 1090 Wien, vertreten durch Dr. Hanns Hügel, Rechtsanwalt in Mödling,

2. Michael R***, Raupenfahrer, Parkstraße 51, 2340 Wiener Neudorf, vertreten durch Dr. Karl B***, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Stefanie G***, Pensionistin, Linke Gasse 15/1, 2351 Wiener Neudorf, vertreten durch Dr. Peter Smetana, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Feststellung des Nichtbestehens eines Erbrechtes (Streitwert S 327.433,48), infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. August 1988, GZ 12 R 102/88-23, womit infolge Berufung der zweit- und drittbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. Feber 1988, GZ 15 Cg 213/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei Michael R*** ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 15.300,70 (darin S 1.390,98 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die nach dem Gesetz berufenen Erben nach dem am 5. März 1985 verstorbenen Franz Josef H***, der die folgenden letztwilligen Anordnungen getroffen hatte:

1. Am 4. Feber 1965 schrieb und unterschrieb er ein Testament:

"Es ist mein ausdrücklicher Wille daß meine Braut Karoline K*** geb. R*** 9. X. 1914 oder ihre Erben im Falle meines Ablebens meinen Besitz als Erben einseze."

2. Franz Josef H*** und Karoline K*** hatten am 6. März 1965 vor dem Standesamt Mödling die Ehe geschlossen. Die Ehegatten errichteten am 22. März 1984 ein gemeinschaftliches mit Schreibmaschine geschriebenes von beiden Teilen und drei Testamentszeugen unterschriebenes Testament, in welchem sie alle früher errichteten letztwilligen Anordnungen ihrem gesamten Inhalt nach widerriefen, sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und für den Fall, daß der überlebende Ehegatte nicht Erbe werden will oder kann "bzw nach dem Letztversterbenden von uns" den Neffen Leopold G*** und die Nichte Regine S*** der Frau zu Ersatzerben (allenfalls Nacherben) beriefen.

3. Nach dem Tod seiner Ehegattin Karoline H*** am 8. September 1984 widerrief Franz Josef H*** am 4. Oktober 1984 in einem fremdhändigen von ihm und drei Zeugen unterschriebenen Kodizill die im Testament vom 22. März 1984 getroffenen letztwilligen Verfügungen ihrem ganzen Inhalt nach. Der Nachlaß nach Karoline H*** wurde am 14. Jänner 1985 auf Grund des Testamentes vom 22. März 1984 ihrem Witwer eingeantwortet. Damit ging auch das Eigentum am Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 1360 KG 16128 Wiener Neudorf der Karoline H*** auf Franz H*** über, wodurch dieser Alleineigentümer der am 4. November 1966 käuflich erworbenen Liegenschaft mit einem Wohnhaus wurde. Am 5. März 1985 starb auch Franz Josef H***.

Zu seinem Nachlaß erklärten die Kläger, die Erbschaft zu bestimmten ein Ganzes ergebenden Anteilen auf Grund des Gesetzes anzunehmen. Die beklagten Geschwister der vorverstorbenen Ehefrau des Franz Josef H*** gaben die damit in Widerspruch stehenden Erbserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses ab und beriefen sich auf das durch den Widerruf des Testamentes vom 22. März 1984 wieder aufgelebte Testament des Erblassers vom 4. Feber 1965, in welchem sie als "Erben der Karoline H***" eingesetzt waren. Die vom Verlassenschaftsgericht nach § 125 AußStrG dazu bestimmten Kläger erhoben gegen die Beklagten die Erbrechtsklage auf Feststellung, daß das Testament vom 4. Feber 1985 ungültig sei und den Beklagten daraus kein Erbrecht nach Franz Josef H*** zustehe. Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Der Erblasser habe mit dem Widerruf vom 4. Oktober 1984 nur das (gemeinschaftliche) Testament vom 22. März 1984 nicht aber auch sein Testament vom 4. Feber 1965 aufheben wollen.

Das Ersgericht gab dem Klagebegehren statt. Das erste Testament vom 4. Feber 1965 sei durch das gemeinschaftliche Testament vom 22. März 1984 ausdrücklich widerrufen worden. Die Aufhebung seiner in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Anordnungen am 4. Oktober 1984 habe nicht zum Wiederaufleben der ersten Erbseinsetzung geführt. Überdies seien die Beklagten gar nicht "Erben" nach Karoline H***, weil sie im gemeinschaftlichen Testament ihren Ehemann zum Erben bestimmt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten - die Erstbeklagte hatte das Urteil nicht angefochten - nicht Folge.

Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, jeweils S 300.000,- übersteigt und meinte zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes: Ein früheres Testament werde durch ein späteres aufgehoben, soweit der Erblasser nicht deutlich zu erkennen gebe, daß das frühere Testament ganz oder teilweise bestehen solle. Bei einer in der Form einer letztwilligen Anordnung verfügten Aufhebung des früheren Testamentes sei diese endgültig. Es lebe auch dann nicht wieder auf, wenn das spätere Testament unwirksam werde. Bei Widerruf eines Widerrufes bedürfe es einer neuen Erklärung, sonst könne die frühere letztwillige Anordnung auch nicht mehr wirksam werden. Aus dem widerrufenen Testament vom 4. Feber 1965 könnten die Beklagten auf keinen Fall ihr Erbrecht ableiten. Selbst wenn der Erblasser beabsichtigt hätte, das Testament vom 4. Feber 1965 aufleben zu lassen, als er seine Anordnungen im gemeinschaftlichen Testament vom 22. März 1984 widerrief, fehlte es an einem neuen Testierakt. Die Vorschrift des § 723 ABGB sei nur auf den stillschweigenden Widerruf einer letztwilligen Anordnung anwendbar nicht aber auch auf den ausdrücklichen Widerruf.

Dieses Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft nur mehr der Zweitbeklagte. Er macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und verlangt die Abweisung des Klagebegehrens.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Ansicht des Revisionswerbers, der Erblasser könne mit seinem Widerruf am 4. Oktober 1984 gar nichts anderes beabsichtigt haben, als das Wiederaufleben seiner Anordnung in dem 19 Jahre zuvor knapp vor seiner Eheschließung zugunsten seiner Braut "oder ihrer Erben" verfaßten Testament, ist eine ebenso unrichtige Unterstellung wie seine Umdeutung des gemeinschaftlichen Ehegattentestamentes vom 22. März 1984 in einen einseitig unwiderruflichen Erbvertrag. Damit geht aber sein Einwand ins Leere, der Widerruf vom 4. Oktober 1984 habe nur den im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Widerruf aller früher errichteter letztwilliger Anordnungen erfassen können. Bei dem Testament vom 22. März 1984 handelt es sich nicht um einen Erbvertrag, der nämlich zu seiner Gültigkeit nach § 1 lit a NZwG gültig auch zwischen Ehegatten der Aufnahme eines Notariatsaktes über denselben bedurft hätte (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1249; Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht, 160), überhaupt nur zwischen Ehegatten (und bedingt durch die nachfolgende Ehe zwischen Brautleuten) zugelassen ist (§ 602 ABGB) und daher, soweit in einem Erbvertrag eine Erbseinsetzung Dritter erfolgt, nur als widerrufliches Testament gelten kann (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1249 mwH; Koziol-Welser8 II 342; SZ 23/339; SZ 58/141 ua). Dies entspricht ungeachtet gegenteiliger Ansichten (Weiß in Klang2 V 906; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 234; Kralik in Ehrenzweig 156) der herrschenden Auffassung. Selbst wenn die Ehegatten nicht ein wechselseitiges Testament sondern einen gültigen Erbvertrag errichtet hätten, wäre die Einsetzung von Neffe und Nichte der Frau zu Erben durch jeden Teil frei widerruflich geblieben. Nach dem Erbanfall durch den Tod der Frau, die ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt hatte, blieb für die testamentarische Berufung der Frau als Erbin des überlebenden Mannes kein Raum mehr. Von der letztwilligen Verfügung des Mannes war nach dem Ableben der Frau nur mehr die Einsetzung der Ersatzerben bedeutsam, die dieser jederzeit in gehöriger Form widerrufen konnte und mit der Anordnung vom 4. Oktober 1984 auch widerrufen hat.

Da eine andere letztwillige Verfügung nicht aufgefunden wurde, würde damit die gesetzliche Erbfolge Platz greifen. Der Revisionswerber leitet nun sein Erbrecht daraus ab, daß der Erblasser am 4. Feber 1965 zugunsten seiner späteren Ehefrau "oder ihrer Erben" testiert hatte. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß selbst dann, wenn man den Zweitbeklagten als "Erben" seiner Schwester Karoline H*** im Sinne eines bei Fehlen der testamentarischen Erbseinsetzung neben dem hinterlassenen Ehemann nach den §§ 730 und 735 ABGB nach der gesetzlichen Erbfolge zu einem Drittel des Nachlasses (§ 757 Abs 1 ABGB) berufenen in der zweiten Linie Verwandten ansieht, der vom Erblasser am 4. Feber 1965 zu Ersatzerben eingesetzt war, diese letztwillige Anordnung durch Errichtung des späteren gültigen Testamentes am 22. März 1984 nicht nur nach § 713 ABGB aufgehoben sondern überdies ausdrücklich widerrufen wurde (§§ 717 und 719 ABGB). An der Aufhebung der Ersatzerbeneinsetzung im Testament vom 4. Feber 1965 ändert es nichts, daß der Erblasser mit der von ihm und den zu einem schriftlichen Testament erforderlichen Zeugen unterfertigten späteren Erklärung vom 4. Oktober 1984 seine außergerichtliche letzte Anordnung vom 22. März 1984 ausdrücklich widerrufen hat, ohne eine neue Anordnung zu errichten. Will der Erblasser seine Anordnung aufheben, so muß er sie ausdrücklich in gehöriger Form entweder mündlich oder schriftlich widerrufen, oder die Urkunde vertilgen (§ 717 ABGB). Die auf Papinian D XXXVII 11,11,2 und auf einen Antrag Zeillers zurückgehende Bestimmung des § 723 ABGB begrenzt das Wiederaufleben auf den Fall des stillschweigenden Widerrufs einer späteren Anordnung, die eine frühere Anordnung aufgehoben hat. Nach dem klaren Wortlaut aber auch der Entstehungsgeschichte kommt die frühere schriftliche letztwillige Verfügung nur dann wieder zur Kraft, wenn der Erblasser eine spätere Anordnung vernichtet, die frühere schriftliche Anordnung aber unversehrt gelassen hat. In der Regel hat die Aufhebung der späteren Verfügung nicht das Wirksamwerden der früheren, bereits widerrufenen Anordnung zur Folge (Ehrenzweig, FamuErbR 475). Die Ausnahmebestimmung des § 723 ABGB schafft eine widerlegbare Vermutung, gilt aber nach herrschender Meinung nur bei einem stillschweigenden Widerruf der zweiten Verfügung. Dies ergibt sich völlig klar aus dem nur auf eine Vernichtung der späteren Urkunde abgestellten Einleitungssatz, der, hätte auch ein ausdrücklicher Widerruf gemeint sein können, nach der in den vorangestellten §§ 719 und 721 ABGB getroffenen Unterscheidung zwischen einem Widerruf und der "Vertilgung" (= Vernichtung) anders gefaßt sein müßte. Dem entspricht das Verständnis der als Ausnahme anzusehenden Bestimmung des § 723 ABGB, daß das ältere schriftliche Testament wieder auflebt, wenn der Erblasser das spätere Testament vernichtet, nicht aber, wenn er es ausdrücklich widerruft (Pfaff-Hofmann, Comm II/1, 660; Anders, Grundriß des Erbrechts, 29; Ehrenzweig, FamuErbR 475; Weiß in Klang2 III 726; Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht, 153). Für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den ausdrücklichen Widerruf, den Welser als sachgerecht fordert (Welser in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 723; Koziol-Welser8 II 335), besteht weder Anlaß noch Bedürfnis: Der Sinn der ausnahmsweise Platz greifenden widerleglichen Vermutung des Wiederauflebens liegt darin, daß der Erblasser durch die Vernichtung des späteren Testamentes auf eine keiner weiteren Förmlichkeiten bedürftige Weise nicht bloß das spätere Testament aufheben sondern ein früheres Testament wieder in Kraft setzen kann, indem er das frühere schriftliche Testament unversehrt läßt. Bedient sich der Erblasser aber eines formbedürftigen ausdrücklichen Widerrufs, kann er damit zugleich wirksam testieren und klarstellen, was sein letzter Wille sein solle. Die Bestimmung kann auf den ausdrücklichen Widerruf der späteren Anordnung nicht analog angewendet werden. Wie die Aufrechterhaltung der ersten Verfügung in einer späteren deutlich erkennbar sein muß (§ 713 ABGB), muß man dies auch in einem ausdrücklichen Widerruf der späteren Anordnung erwarten (Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht, 153). Es braucht daher darauf, ob der Anwendungsbereich des § 723 ABGB eine frühere ausdrücklich widerrufene letztwillige schriftliche Anordnung gar nicht erfaßt, weil der Erblasser sie nicht "unversehrt" gelassen hat (Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht, 153), und daher schon der Widerruf im gemeinschaftlichen Testament vom 22. März 1984 jedes Wiederaufleben der Anordnung vom 4. Feber 1965 ausgeschlossen hat, nicht eingegangen werden.

Daß die im § 723 ABGB getroffenen Abgrenzungen in der Gesetzgebung anderer Staaten nicht gelten und die verschiedene Behandlung (mündliche/schriftliche Verfügung; ausdrücklicher Widerruf/Widerruf durch Vernichtung) durch die Natur der Sache nicht gerechtfertigt sind (Weiß in Klang III 726 f; Welser in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 713), ändert nichts daran, daß der Ausspruch des Gesetzes klar ist und eine andere Anwendung verbietet (Weiß aaO). Zu Unrecht beruft sich der Revisionwerber darauf, er sei Testamentserbe nach dem Erblasser. Er kann keine gültige Erbseinsetzung nachweisen und muß daher im Erbrechtsstreit gegen die gesetzlichen Erben unterliegen, ohne daß zu prüfen ist, worauf der nicht in gehöriger Form einer letztwilligen Verfügung zum Ausdruck gebrachte Wille des Erblassers gerichtet war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Bemessungsgrundlage ist nur mehr der anteilige Streitgegenstand, beim Streitgenossenzuschlag ist auf das Ausscheiden der Erstbeklagten und des Drittbeklagten Bedacht zu nehmen.

Rechtssätze
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