JudikaturJustiz5Ob522/94

5Ob522/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Mai 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****kasse *****, vertreten durch Dr.Rudolf Bruckenberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Egon S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Eugen Salpius, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 1,376.575,86 s.A. (hier wegen kapitalisierter und laufender Zinsen), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3.November 1993, GZ 3 R 206/93-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12.Mai 1993, GZ 7 Cg 314/91-12 (richtig: 14), teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil dahingehend abgeändert, daß der die Hauptsache betreffende Urteilsspruch unter Einbeziehung seines bestätigten Teils wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 717.057,10 samt 10,5 % Zinsen aus S 659.518,76 vom 9.10.1991 bis zum 5.11.1991 sowie 6,5 % Zinsen aus S 659.518,76 ab 6.11.1991 zu zahlen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 19.663,20 (darin enthalten S 3.277,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war einer der beiden Geschäftsführer der K***** GmbH, über deren Vermögen am 8.5.1981 das Ausgleichsverfahren und am 16.6.1981 der Anschlußkonkurs eröffnet wurde. Mit dem am 29.4.1988 verkündeten und am 9.5.1988 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Salzburg wurde er zu 21 b Hv 36/87 unter anderem gemäß §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2 sowie 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt, fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der GmbH herbeigeführt und in der Zeit von spätestens Oktober 1980 bis zum 16.6.1981 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers der GmbH vereitelt oder geschmälert zu haben, indem er unter anderem die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte.

Unter Berufung auf dieses strafgerichtliche Erkenntnis hat die Klägerin die Geschäftsführerhaftung des Beklagten für Beitragsrückstände der GmbH in Anspruch genommen. Sie verlangt vom Beklagten insgesamt S 1,376.575,86 samt 10,5 % Zinsen aus S 659.518,76 seit 9.10.1991, wobei vom eingeklagten Kapitalbetrag S 659.518,76 auf die in der Zeit vom 1.3.1981 bis zum 7.5.1981 aufgelaufenen Beitragsrückstände und S 717.057,10 auf die bis einschließlich 9.10.1991 kapitalisierten "gesetzlichen Verzugszinsen" entfallen.

Hinsichtlich eines Teilbetrages von S 659.518,76 (also der eigentlichen Beitragsschuld) samt 4 % Zinsen seit 6.11.1991 (dem Tag nach der Klagszustellung) steht eine Sachentscheidung noch aus. In diesem Umfang trug das Berufungsgericht dem Erstgericht, das das Klagebegehren zur Gänze wegen Verjährung abgewiesen hatte, die Ergänzung des Verfahrens sowie eine neuerliche Entscheidung auf, weil unter der Annahme einer fristgerechten Klagsführung noch die Voraussetzungen für die Geschäftsführerhaftung des Beklagten zu klären seien. Für diese Haftung komme die den Straftatbestand des § 159 Abs.1 Z 2 StGB erfüllende Verletzung der Konkursantragspflicht durch den Beklagten in Betracht, weil dem Vorbringen der Klägerin (die sich offensichtlich noch auf eine Bindungswirkung des Strafurteils im Sinne des aufgehobenen § 268 ZPO verließ) "immerhin" dieser Vorwurf entnommen werden könne.

Im Revisionsverfahren ist - auf der Basis dieses Haftungsgrundes - nur zu klären, ob die Klägerin vom Beklagten neben dem eigentlichen Beitragsrückstand auch die mit 10,5 % p.a. bemessenen Verzugszinsen seit April 1981 (bis zum 9.10.1991 kapitalisiert, dann vom ursprünglichen Kapitalbetrag weiterlaufend) verlangen kann oder ob ihr - wie vom Berufungsgericht vertreten und vom Beklagten nicht weiter angefochten - nur gesetzliche Verzugszinsen im Sinne des § 1333 ABGB ab dem Tag der Geltendmachung des Schadenersatzbegehrens zustehen. Besonderes Vorbringen dazu enthält die Klage nicht, doch wurde die Höhe des Zinssatzes offensichtlich dem § 59 Abs.1 ASVG und der dazu ergangenen Verordnung des BMS vom 13.12.1981, BGBl. 1982/612, entnommen; ansonsten stellte die Klägerin nur noch klar, daß die Haftung des Beklagten nicht auf die erst 1986 ins ASVG aufgenommene und mittlerweile geänderte Bestimmung des § 67 Abs.10 ASVG gestützt wird (AS 42). Der Beklagte, der das gesamte Klagebegehren - unter anderem mit einer Verjährungseinrede - dem Grunde und der Höhe nach bestritt, ging auf die Zinsenproblematik nur insoweit ein, als er mit dem Hinweis auf ein (mittlerweile bereits beendetes) Verfahren beim Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit der zu § 59 Abs.1 ASVG ergangenen Verordnung über die Verzugszinsen behauptete (tatsächlich steht die Verordnung in Geltung; nur der festgelegte Zinssatz von 10,5 % war von 1986 bis 1989 gesetzwidrig:

VfGH vom 12.12.1991, V 246/91).

Das Erstgericht hielt die Klagsforderung insgesamt für verjährt und hatte damit keinen Anlaß, auf das Zinsenbegehren näher einzugehen. Es wies die Klage zur Gänze ab.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil im Umfang von S 659.518,76 samt 4 % Zinsen seit 6.11.1991 auf und verwies die Rechtsache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück; über den Rest des Klagebegehrens (also das gesamte Zinsenmehrbegehren) fällte es ein klagsabweisendes Teilurteil. Wie die Klägerin in ihrer Revision zutreffend bemerkt, irrte sich jedoch das Berufungsgericht bei der Formulierung des Urteilsspruches, indem es das Zinsenbegehren von 10,5 % nicht auf den eigentlichen Beitragsrückstand (S 659.518,76), sondern auf den Betrag kapitalisierter Zinsen (S 717.057,10 - durch einen zusätzlichen Schreibfehler mit S 717.057,74 beziffert) bezog.

Da bereits aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils klar hervorgeht, daß das Klagebegehren im Umfang von S 717.057,10 samt 10,5 % Zinsen aus S 659.518,76 vom 9.10.1991 bis zum 5.11.1991 sowie 6,5 % Zinsen aus S 659.518,76 seit 6.11.1991 abgewiesen werden sollte, war der Spruch des angefochtenen Urteils in teilweiser Stattgebung der den Fehler aufzeigenden Revision zu korrigieren. Zum selben Ergebnis hätte ein auf § 419 ZPO gestützter Berichtigungsantrag geführt.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ist - obwohl den Parteien die Möglichkeit eines Rekurses eingeräumt wurde - unangefochten geblieben. Zur Abweisung des nicht einer neuerlichen Entscheidung vorbehaltenen Zinsenbegehrens führte das Berufungsgericht aus, daß Neugläubiger einer insolventen GmbH von deren Geschäftsführer den Vertrauensschaden ersetzt verlangen können, wenn mit der Qualifikation des im § 159 Abs.1 Z 2 StGB normierten Straftatbestandes gegen die Konkursantragspflicht verstoßen wurde. Gehe es dabei um Beitragsrückstände bei einem Sozialversicherungsträger, bedeute dies wohl nach der einschlägigen Rechtsprechung, daß der Geschäftsführer die gesamte offene Schuld zu begleichen habe. Dies könne jedoch nicht für Verzugszinsen nach § 59 Abs.1 ASVG gelten. Ein Schadenersatz des Sozialversicherungsträgers lasse sich nämlich nur mit der Annahme rechtfertigen, die Dienstnehmer der Beitragsschuldnerin hätten bei rechtzeitiger Konkurseröffnung anderweitig eine gleichwertige Arbeit angenommen und damit dem Sozialversicherungsträger auf andere Weise die entgangenen Beiträge verschafft. Es könne aber nicht gesagt werden, der Klägerin seien durch die verspätete Konkurseröffnung die sich aus § 59 Abs.1 ASVG ergebenden Verzugszinsen entgangen, weshalb sie auch nicht unter den der Klägerin allenfalls zu ersetzenden Vertrauensschaden fielen. Dazu komme daß die Klägerin einen Schadenersatzanspruch geltend macht, der den bis zum Insolvenzstichtag offenen Betrag zum Gegenstand habe. Verzugszinsen könnten vom Beklagten nur für den eigenen Verzug gefordert werden, mangels Nachweises oder auch nur der Behauptung einer Einmahnung daher erst ab dem Tag nach Klagszustellung.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß zur Frage der Schadensberechnung im Hinblick auf § 59 Abs.1 ASVG keine höchstgerichtlichen Entscheidungen aufgefunden werden konnten.

In der nunmehr vorliegenden Revision macht die Klägerin geltend, daß ihr der Beklagte aufgrund seines Verstoßes gegen die Gläubigerschutznorm des § 159 Abs.1 Z 2 StGB auch die durch § 59 Abs.1 ASVG vorgegebenen Verzugszinsen zu ersetzen habe. Der unterschwellige Vorwurf, die Klägerin hätte, um mehr als die vom Aufhebungsbeschluß erfaßten Verzugszinsen verlangen zu können, ihr Schadenersatzbegehren früher geltend machen müssen, treffe nicht zu, weil die Klägerin den Ausgang des Strafverfahrens abwarten mußte. Von ihren Organen könne nicht verlangt werden, nur um den Zinsenlauf in Gang zu setzen, Schadenersatz schon zu einem Zeitpunkt zu begehren, in dem sie selbst noch gar nicht überzeugt sind, ob die Forderung überhaupt zu Recht besteht. Wäre hinsichtlich des Zinsenlaufes wirklich nur auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadenersatzanspruches abzustellen, wäre jener Schädiger bessergestellt, dem es gelingt, seine Schadensverursachung möglichst komplex zu verschleiern und ein Strafverfahren hinauszuzögern. Außerdem würde die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes bedeuten, daß der seit 1981 aushaftende Beitragsrückstand keinerlei Verzinsung oder Wertanpassung unterläge. Der Beklagte hätte sich diesfalls einiges an Zinsen und an Geldentwertung erspart. Was die Höhe des Zinsenbetrages betreffe, sei auf § 59 Abs.1 ASVG abzustellen, der Rückstände von Beitragsschuldnern betreffe, zu denen gemäß § 67 Abs.10 ASVG zweifelsohne auch der Beklagte gehöre. Der Revisionsantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung so abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil insgesamt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen wird.

Der Beklagte hat in seiner dazu erstatteten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen, hilfsweise die Bestätigung des angefochtenen Teilurteils beantragt.

Die Revision ist zulässig, über den bereits abgehandelten "Berichtigungsfall" hinaus jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist davon, daß die Klägerin ihr gegen den Beklagten erhobenes Geldleistungsbegehren nicht etwa auf die im § 67 Abs.10 ASVG normierte subsidiäre Beitragspflicht des Geschäftsführers der gemeinschuldnerischen GmbH stützt (was nur im Verwaltungsverfahren nach dem ASVG hätte geschehen können), sondern auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes. Zu Recht hat daher das Berufungsgericht nur geprüft, ob und in welcher Höhe nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht. § 59 Abs.1 ASVG bietet für diesen Teil des Klagebegehrens keine unmittelbare Rechtsgrundlage, weil die Fälle der Geschäftsführerhaftung für Kridadelikte nicht von der Ausweitung der Beitragspflicht durch § 67 Abs.10 ASVG erfaßt werden sollten (vgl. Teschner-Widlar, ASVG, 446/5 f; Bartos, Die geänderte Haftungsbestimmung des § 67 Abs.10 ASVG, SoSi 1990, 297 ff). Im übrigen hat die Klägerin selbst erklärt, ihr Begehren nicht auf die erst im Jahr 1986 geschaffene Haftungsnorm des § 67 Abs.10 ASVG zu stützen, sodaß sich ihr nunmehriges Revisionsvorbringen als unzulässige Neuerung darstellt (§§ 482 Abs.1, 513 ZPO).

Der schadenersatzrechtliche Anspruch, den die Klägerin aus dem Konkursverschleppungstatbestand des § 159 Abs.1 Z 2 StGB ableiten kann, ist mit ihrem Vertrauensschaden begrenzt (SZ 60/179 ua; zuletzt WBl. 1993, 225; siehe dazu auch die Judikaturbelege bei Karollus, Schutz der Neugläubiger bei Konkursverschleppung: Neuorientierung des BGH und Konsequenzen für Österreich, RdW 1994, 100 f). Sie ist also so zu stellen, als hätte sie bei unverzüglicher Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der gemeinschuldnerischen GmbH deren Dienstnehmern keinen Versicherungsschutz gewähren müssen oder hiefür die im Gesetz vorgesehenen, dem Versicherungsschutz äquivalenten Beiträge erhalten. Verzugszinsen für dennoch aufgelaufene Beitragsrückstände sind von diesem zu ersetzenden Vertrauensschaden, den das Berufungsgericht mangels gegenteiliger Verfahrensergebnisse mit der Summe der offenen Beiträge gleichgesetzt hat (vgl. 2 Ob 97/89; SZ 62/160; 7 Ob 655/90), nicht erfaßt, weil sie außerhalb des Schutzzweckes jener Normen liegen, die einer Gläubigerschädigung durch Konkursverschleppung vorbeugen sollen. Zu ersetzen hat der Beklagte jedoch nur jenen Schaden, der durch sein rechtswidriges schuldhaftes Verhalten verursacht wurde und vom Schutzzweck der übertretenen Norm umfaßt ist (WBl. 1989, 155).

Damit stehen der Klägerin Verzugszinsen nur nach Maßgabe des § 1333 ABGB zu. Daß derartige Verzugszinsen erst ab Geltendmachung des Hauptanspruches (hier mit der Klagserhebung) gebühren, hat das Berufungsgericht richtig erkannt (E 53 und 54 zu § 1323 ABGB, MGA33; Reischauer in Rummel2, Rz 16 zu § 1323 ABGB). Höhere Verzugszinsen, als sie das Gesetz zur Abgeltung der Vermögenseinbußen im Gefolge einer Zahlungsverzögerung vorsieht, kann die Klägerin nicht beanspruchen, weil sie gar nicht behauptet hat, daß den Beklagten ein grobes Verschulden an der verzögerten Schadensgutmachung trifft und ihr ein konkreter, durch die gesetzlichen Verzugszinsen nicht gedeckter Schaden entstanden ist. Soweit die Klägerin jetzt damit argumentiert, der Beklagte dürfe nicht dafür belohnt werden, seine Schadenersatzpflicht jahrelang verschleiert zu haben, begibt sie sich auf das Gebiet unzulässiger Neuerungen; eine Vorverlegung des Fälligkeitszeitpunktes der eingeklagten Schadenersatzforderung würde im übrigen mit der von der Klägerin erstrittenen Widerlegung der Verjährungseinrede des Beklagten kollidieren.

Die Teilabweisung des Zinsenbegehrens war daher in dem schon vom Berufungsgericht beabsichtigten Umfang zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.