JudikaturJustiz5Ob5/16w

5Ob5/16w – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerinnen 1. M***** GmbH, *****, 2. F***** GmbH, *****, beide vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Eintragungen in EZ *****, ***** und *****, je GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 1. Dezember 2015, AZ 2 R 330/15t, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 23. Oktober 2015, TZ 8565/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Erstantragstellerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus den Grundstücken Nr .209/2 und 1390/1. Mit dem Grundstück Nr .209/2 ist das Miteigentumsrecht zu ¼ Anteil an der Liegenschaft EZ ***** realrechtlich verbunden, was im A2 Blatt der Grundbuchseinlage ***** durch die Eintragung unter LNR 2a „Miteigentumsrecht zu 1/4-Anteil in EZ ***** für Gst .209/2“ und im B-Blatt der Grundbuchseinlage ***** durch die Eintragung unter LNR 4 „ANTEIL: 1/4 Jeweiliger Eigentümer des Gst .209/2 in EZ *****“ zum Ausdruck kommt.

Die Zweitantragstellerin war zum Zeitpunkt des Einlangens des gegenständlichen Eintragungsgesuches Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus den Grundstücken Nr 1390/3 und 1391. Mit dem Grundstück 1390/3 ist das Miteigentumsrecht zu 1/8-Anteil an der Liegenschaft EZ ***** realrechtlich verbunden, was im A2-Blatt der Grundbuchseinlage 2699 durch die Eintragung unter LNR 3a „Miteigentumsrecht zu 1/8-Anteil an Gst 3235/4 in EZ ***** für Gst 1390/3“ und im B-Blatt der Grundbuchseinlage ***** durch die Eintragung unter LNR 5 „ANTEIL: 1/8 Jeweiliger Eigentümer des Gst 1390/3 in EZ 2699“ zum Ausdruck kommt.

Mit Kaufvertrag vom 7. 10. 2015 hat die Zweitantragstellerin das mit ihrem Grundstück Nr 1390/3 verbundene Miteigentum an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** an die Erstantragstellerin als Eigentümerin der EZ ***** GB ***** verkauft und übergeben. Die Erstantragstellerin hat den so erworbenen 1/8-Anteil an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** realrechtlich mit dem in ihrer Liegenschaft EZ ***** GB ***** einliegenden Grundstück .209/2 verbunden.

Die Antragstellerinnen beantragten – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Relevanz – in EZ ***** GB ***** die Einverleibung des Miteigentumsrechtes zu 1/8-Anteil in EZ ***** GB ***** für das Grundstück .209/2, in EZ ***** GB ***** die Einverleibung der Löschung des unter A2-LNR 3 für das Grundstück  1390/3 eingetragenen 1/8-Anteils an Grundstück 3235/4 in EZ ***** GB ***** und in EZ ***** GB ***** zu B-LNR 5 die Ersichtlichmachung des 1/8-Anteils für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks GST-NR .209/2 in EZ ***** GB *****.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Die realrechtliche Zubehöreigenschaft des veräußerten Miteigentumsanteils habe zur Folge, dass vor Aufhebung dieser Zubehöreigenschaft daran weder Eigentum noch andere dingliche Rechte selbstständig begründet werden könnten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerinnen nicht Folge. Durch die realrechtliche Verbindung eines Rechts mit dem Eigentum an bestimmten Grundstücken werde in der Regel zum Ausdruck gebracht, dass es nur Personen zukommen solle, die Eigentümer der berechtigten Grundstücke seien oder werden würden. Dahinter stehe die Vorstellung eines zweckgebundenen Vermögens. Das mit dem Eigentum bestimmter Grundstücke verbundene Recht solle, so wie dies § 485 ABGB für Realservituten anordne, nicht vom berechtigten Gut gelöst und selbstständig veräußert werden können. Eine abgesonderte Verfügung über Realrechte scheide damit regelmäßig aus. Die den realrechtlich verbundenen 1/8-Miteigentumsanteil an EZ ***** GB ***** erwerbende Erstantragstellerin sei zwar (als Alleineigentümerin von EZ ***** GB *****, bestehend ua GST-NR .209/2) bereits zu 1/4-Anteil Miteigentümerin von EZ ***** GB *****. Aber auch im Falle des Erwerbs durch eine bereits vorhandene Miteigentümerin sei eine abgesonderte Verfügung über das realrechtlich verbundene Miteigentum nicht zulässig. Sowohl Eigentumsübertragungen an andere Miteigentümer als auch die Neuzuordnung von realrechtlich verbundenen Miteigentumsanteilen desselben Eigentümers seien rechtlich gleich zu werten, wie Eigentumsübertragungen an Außenstehende, weil dies jeweils die Aufhebung der bestehenden Zweckbindung erfordere. Diese Verfügungen bedürften daher der Zustimmung der anderen Wegnachbarn.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Grundsätze für die Veräußerung realrechtlich verbundener Miteigentumsanteile auch dann gelten, wenn ein Miteigentumsanteil von einem anderen Miteigentümer erworben werde.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass der Antrag bewilligt werde. Hilfsweise stellen sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht aufgezeigten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Miteigentumsanteile an der EZ ***** GB ***** gehören nach dem maßgeblichen Grundbuchsstand zum Gutsbestand bestimmter Liegenschaften und sind mit dem Eigentum an bestimmten Grundstücken verbunden. Diese Art der Grundbuchseintragung weist die Miteigentumsanteile als „Realrechte“ aus.

2. Das Wesen derartiger Rechte besteht darin, dass sie nur von den Eigentümern der betreffenden Liegenschaft kraft dieses Eigentumsrechtes ausgeübt werden können, also nach Art eines Zubehörs mit der Liegenschaft verbunden sind. Damit scheidet eine abgesonderte Verfügung über Realrechte aus (RIS-Justiz RS0013354 [T1]; vgl Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 844 Rz 8; H. Böhm in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.01 § 825 Rz 19 f [jeweils zu Agrargemeinschaften]). Das mit dem Eigentum an einer Liegenschaft als Realrecht verbundene Miteigentumsrecht an einer anderen Liegenschaft kann von der Stammliegenschaft also nicht getrennt werden (RIS Justiz RS0024421).

3. Die von den Vertragsparteien des Kaufvertrags vom 7. 10. 2015 als Eigentümer zweier Liegenschaften, zu deren Gunsten eine realrechtliche Verbindung geschaffen wurde, intendierte Lösung dieser Verbindung widerspricht daher dem Charakter eines Realrechts (vgl 5 Ob 100/15i). Eine solche abgesonderte Verfügung über Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft, die realrechtlich mit dem Eigentum an einer anderen Liegenschaft verbunden sind, ist – nach mittlerweile ständiger Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 5 Ob 135/10d) – nicht zulässig.

Das gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem die Miteigentumsanteile nicht – wie in den bisher entschiedenen Fällen (vgl RIS-Justiz RS0013354 [T1]) – mit weiteren Grundstücken realrechtlich verbunden und auf deren jeweilige Eigentümer übertragen werden, sondern mit einem Grundstück, mit dem bereits (geringere) Miteigentumsanteile realrechtlich verbunden sind. Anders als in den Fällen einer Veräußerung an „Außenstehende“ würden hier zwar nicht mehr Grundstücke als bisher ihren jeweiligen Eigentümern Miteigentum und entsprechende Nutzungsrechte am Grundstück vermitteln. Aber es würde nicht nur eine – vom Rekursgericht als Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung und daher auch keinesfalls aktenwidrig (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 GBG) als „entscheidend“ qualifizierte – Änderung der Mehrheitsverhältnisse eintreten, es würde sich überhaupt die Zusammensetzung der Miteigentumsgemeinschaft ändern. Ein Grundstück würde aus dem Kreis der das Miteigentum und die entsprechenden Nutzungsrechte vermittelten Grundstücke überhaupt ausscheiden.

Die realrechtliche Verbindung eines Rechts mit dem Eigentum an bestimmten Grundstücken dient aber in der Regel der Zweckbindung des Vermögens. Das Miteigentum am Gemeinschaftsgut soll (nur) den Personen zukommen, die Eigentümer bestimmter berechtigter Grundstücke sind oder werden. Im konkreten Fall, in dem es um Miteigentumsanteile und damit verbundene Nutzungsrechte an einem Weg geht, lässt sich der Zweck der Bindung auch nicht ohne Weiteres auf die Beschränkung des Kreises der Berechtigten reduzieren (vgl 5 Ob 214/00g). Im Hinblick auf die aus dem Miteigentum oder auch aus dem Nachbarrecht (im weiten Sinne) erfließenden Rechte und Pflichten einzelner und aller Miteigentümer kann das Interesse vielmehr auch darin bestehen, dass die jeweiligen Eigentümer bestimmter Grundstücke (grundsätzlich und zu einem bestimmten Anteil) der Miteigentumsgemeinschaft angehören.

Diese der realrechtlichen Verbindung möglicherweise zugrunde liegende und daher durch den Grundbuchsstand indizierte Zweckbindung steht dem Ausscheiden eines berechtigten Grundstücks ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer daher auch dann entgegen, wenn der damit verbundenen Anteil gleichzeitig an den jeweiligen Eigentümer eines bereits berechtigten Grundstücks übertragen wird. Gemäß § 94 Abs 1 Z 1 GBG darf eine grundbücherliche Eintragung aber nur dann bewilligt werden, wenn aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht. Dem Revisionsrekurs kommt somit keine Berechtigung zu.