JudikaturJustiz5Ob46/21g

5Ob46/21g – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin N*, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. A* und 2. R*, beide vertreten durch Mag. Alexander Paleczek, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16b MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8b MRG, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. November 2020, GZ 39 R 232/20m 16, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. September 2020, GZ 45 MSch 4/20d 12, aufgehoben wurde, den

(Sach )Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern binnen 14 Tagen die mit 368,95 EUR (darin enthalten 61,49 EUR USt) bestimmten Revisionsrekursbeantwortungskosten zu ersetzen.

2. Dem Revisionsrekurs der Antragsgegner wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Sachbeschluss des Erstgerichts wird wieder hergestellt.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 947,89 EUR (darin enthalten 112,88 EUR USt und 270,60  EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung sowie des Revisionsrekurses zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Mit den Miteigentumsanteilen der Antragsgegner ist Wohnungseigentum an der Wohnung W 20 verbunden. Die Antragstellerin war von 1. 6. 2014 bis 31. 5. 2019 Hauptmieterin dieser Wohnung, die am 1. 7. 2019 zurückgestellt wurde. Zu Beginn des Mietverhältnisses erlegte die Antragstellerin eine Kaution in Höhe von 2.100 EUR. Inklusive Verzinsung beträgt der Kautionsbetrag zum 1. 7. 2019 2.107,47 EUR.

[2] Mit rechtskräftigem Zahlungsbefehl des Erstgerichts (AZ 60 C 75/19b) wurde die Antragstellerin verpflichtet, den Antragsgegnern die offenen Mieten für Mai und Juni 2019 (je 700 EUR) sowie Heizung und Warmwasserkosten von 343,02 EUR (2017) und 231,90 EUR (2018), insgesamt 1.974,92 EUR zu zahlen. Die Verfahrenskosten betrugen 305 EUR. Die zu AZ 21 E 2694/19d des Bezirksgerichts Fünfhaus geführte Fahrnisexekution blieb erfolglos, die Exekutionskosten beliefen sich auf 33,99 EUR. Die Zinsen des zu AZ 60 C 75/19b eingeklagten Kapitals betrugen 81,40 EUR.

[3] Mit dem zu AZ 42 C 60/17m des Erstgerichts gefällten Versäumungsurteil wurde die Antragstellerin zur Räumung der Wohnung samt Kellerabteil, zur Zahlung des Mietzinses von 700 EUR für Jänner 2017 sowie zur Zahlung der Verfahrenskosten von 534,83 EUR verpflichtet. Ihre Berufung blieb erfolglos. Im Berufungsverfahren wurden den Antragsgegnern Kosten von 603,49 EUR zugesprochen. Ihnen wurden die Fahrnis , Forderungs und Räumungsexekution bewilligt und Exekutionskosten von 310,13 EUR sowie nach Abberaumung des Delogierungstermins weitere Kosten von 33,99 EUR zugesprochen.

[4] Punkt 7 des Mietvertrags enthält unter dem Punkt „Kaution“ folgende Regelung:

Zur Sicherung aller Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus diesem Mietverhältnis und insbesondere auf Beseitigung allfälliger von dem Mieter zu vertretenden Schäden und Abnützungen im Zeitpunkt der Rücksiedelung des Mietobjektes, für Zinsrückstände, gerichtliche und außergerichtliche Kosten, die auf die Hereinbringung dieser Rückstände bzw die Räumung des Bestandgegenstandes aufgewendet werden müssen, erlegt der Mieter bei Vertragsabschluss den Betrag in der Höhe von 2.100 EUR. Wenn bei Beendigung der Miete das Mietobjekt und das Inventar keine die zeitbedingte Abnützung überschreitende Schäden aufweist und keine Zahlungsrückstände vorliegen, wird die Kaution an den Mieter zurückgestellt.

[5] Die Antragstellerin begehrt nach § 16b iVm § 37 Abs 1 Z 8b MRG die Feststellung der Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags.

[6] Die Antragsgegner wendeten als Gegenforderung zunächst Kapital, Zinsen und Kosten aus dem Verfahren AZ 60 C 75/19b und dem danach geführten Fahrnisexekutionsverfahren von (ihrer Berechnung nach) 2.728,47 EUR ein. Dieser Betrag übersteige die erlegte Kaution von 2.100 EUR. Weiters eingewendet wurden Kapital und Kosten aus dem Verfahren AZ 42 C 60/17m sowie dem anschließenden (Räumungs-)exekutionsverfahren.

[7] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Antragsgegner hätten zu Recht Zinsrückstände und Verfahrenskosten mit der Kaution gegenverrechnet. Mietzins, Heizung und Warmwasserkosten zuzüglich Zinsen aus dem Verfahren AZ 60 C 75/19b resultierten aus einer Periode vor Rückstellung des Bestandgegenstands und überstiegen samt den Verfahrenskosten den erlegten Kautionsbetrag inklusive Verzinsung bei Weitem.

[8] Das Rekursgericht hob über Rekurs der Antragstellerin den Sachbeschluss des Erstgerichts zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf und ließ den Revisionsrekurs zu. Seiner rechtlichen Beurteilung nach sei der angefochtene Sachbeschluss nicht ausreichend deutlich gefasst, um beurteilen zu können, über welche Gegenforderungen er abspreche. Anders als im streitigen Verfahren werde im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8b iVm § 16b MRG nur die Höhe der rückforderbaren Kaution festgestellt. Der Mieter könne wählen, ob er den Kautionsbetrag im streitigen Verfahren zurückfordere oder zunächst nur einen Feststellungsantrag im außerstreitigen Verfahren stelle. Die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung im außerstreitigen Verfahren führe aber dazu, dass der Vermieter, wenn seine Forderungen verneint worden seien, diese nicht mehr im Rechtsweg geltend machen könne. Deshalb sei im außerstreitigen Verfahren auch ohne ausdrückliche (außergerichtliche) Kompensationserklärung des Vermieters zu prüfen, ob und in welcher Höhe dem Vermieter – den Rückstellungsanspruch des Mieters entsprechend mindernde – Gegenforderungen zustünden. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müsse der Beklagte im streitigen Verfahren bei Einwendungen von Gegenforderungen nicht angeben, mit welcher von mehreren Gegenforderungen aufgerechnet werden solle. Dem Gericht bleibe es unbenommen, vorweg jene Gegenforderung zu prüfen, die am leichtesten zu beurteilen sei. Bei Einwendung von mehreren Gegenforderungen müsse sich aber zumindest aus den Gründen des Urteils ergeben, welche dieser Forderungen in welchem Ausmaß von der Rechtskraft erfasst und damit – materiell rechtlich – getilgt werde. Nichts anderes könne im außerstreitigen Verfahren zur Feststellung der Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags gelten. Das Erstgericht müsse daher den Sachbeschluss so neu fassen und verdeutlichen, dass daraus eindeutig ableitbar sei, wie hoch der erliegende Kautionsbetrag samt Zinsen sei und welche Gegenforderungen das Erstgericht von diesem Betrag abgezogen habe.

[9] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, wie der Abzug von Gegenforderungen des Vermieters im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen habe, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Es könnte auch die Ansicht vertreten werden, dass im Feststellungsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8b MRG das Bestehen einer Gegenforderung (und damit deren Erlöschen im Umfang der berechtigten „Klagsforderung“) gar nicht festgestellt werden könne, weshalb sich Bedenken über den Umfang der Rechtskraft nicht stellten.

[10] Beide Parteien erhoben einen Revisionsrekurs . Nur die Antragsgegner haben eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

[11] Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht zulässig, jener der Antragsgegner hingegen zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1.1 Die Wohnrechtsnovelle 2009 (WRN 2009, BGBl I 2009/25) führte die mit „Kaution“ überschriebene Bestimmung des § 16b MRG ein, die auszugsweise wie folgt lautet:

§ 16b (1) Für die dem Vermieter aus dem Mietvertrag künftig entstehenden Ansprüche gegen den Mieter kann die Übergabe einer Kaution an den Vermieter vereinbart werden. Wenn die Kaution dem Vermieter nicht ohnehin bereits in Gestalt eines Sparbuchs, sondern als Geldbetrag übergeben wird, hat sie der Vermieter auf einem Sparbuch fruchtbringend zu veranlagen und den Mieter darüber auf Verlangen schriftlich zu informieren. ...

(2) Nach Ende des Mietvertrags hat der Vermieter dem Mieter die Kaution samt den aus ihrer Veranlagung erzielten Zinsen unverzüglich zurückzustellen, soweit sie nicht zur Tilgung von berechtigten Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis herangezogen wird.

(3) Wird über das Vermögen des Vermieters ein Insolvenzverfahren eröffnet, so darf darin die Kaution für Ansprüche, die nicht im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehen, nicht herangezogen werden. Nach Ende des Mietvertrags kann der Mieter wegen des Rückforderungsanspruchs nach Abs 2 – soweit ihm nicht weitergehende Rechte zukommen – abgesonderte Befriedigung aus dem Kautionssparbuch verlangen (§ 48 IO) .“

[13] 1.2 Nach den Gesetzesmaterialien zur WRN 2009 sollte mit § 16b MRG erstmals ein gesetzlicher Rahmen für das in der Praxis überaus wichtige Phänomen der Kaution geschaffen werden (IA 513/A 24. GP 4). Insbesondere sollte der Mieter im Fall der Insolvenz des Vermieters durch ein Absonderungsrecht hinsichtlich der Kaution geschützt werden (IA 513/A 24. GP 5).

[14] 1.3 Parallel zur Einführung des § 16b MRG erweiterte die WRN 2009 den Verfahrenskatalog des § 37 Abs 1 MRG: Dessen Z 8b verweist die Feststellung der Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags (§ 16b Abs 2 MRG) in das außerstreitige Mietrechtsverfahren.

[15] 2.1 Für das Mietzinsüberprüfungsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG nehmen Rechtsprechung (5 Ob 143/16i = wobl 2017/228/69 [ Klicka ] = RIS Justiz RS0131113) und Lehrmeinungen ( Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht I 23 § 37 MRG Rz 8; Klicka in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 4 § 37 MRG Rz 16) echte Konkurrenz an zwischen der Möglichkeit, in Verbindung mit einem in das Außerstreitverfahren verwiesenen Feststellungsantrag einen Rückforderungstitel nach § 37 Abs 4 MRG zu erhalten, und der Geltendmachung des Anspruchs mit einer selbstständigen Klage.

[16] 2.2 Die in der Lehre umstrittene ( Koller , Feststellung des rückforderbaren Kautionsbetrags im Außerstreitverfahren – eine erste Bestandsaufnahme, wobl 2009, 115; ders , Kautionsrückforderung im streitigen Verfahren nach der WRN 2009 – Eine Erwiderung, wobl 2009, 268; Würth , Einige Bemerkungen zu den neuen Kautionsregelungen, wobl 2009, 265; Garai , Nur ein Problem zu lösen! Kautionsrückforderung und § 37 Abs 1 Z 8b MRG, RZ 2009, 128; Prader , WRN 2009 „Problemkind“ Kaution, immolex 2009, 134; Lassingleithner , Praxisprobleme bei der Kautionsrückstellung nach Beendigung des Mietverhältnisses, immolex 2017/5, 138) und in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bisher (obiter) verneinte (6 Ob 104/09a = wobl 2010, 5 [ Vonkilch ]) Frage, ob § 37 Abs 1 Z 8b MRG eine Leistungsklage des Mieters auf Rückzahlung der Kaution ausschließt, stellt sich hier nicht: Der Antrag auf Feststellung der rückforderbaren Kaution wurde im dafür vorgesehenen außerstreitigen Mietrechtsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8b MRG gestellt. Die Zulässigkeit dieser Verfahrensart ist unstrittig.

[17] 3.1 Eine prozessuale Aufrechnung von Gegenforderungen sieht die Rechtsprechung im Außerstreitverfahren grundsätzlich als unzulässig an, weil eine § 391 Abs 3 ZPO entsprechende Bestimmung fehlt (RS0006058). Das gilt auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 37 MRG und § 52 WEG (RS0006058 [T6]). Diesen Verfahren ist ein dreigliedriger Spruch, wie er im streitigen Verfahren bei einem Compensandoeinwand vorgesehen ist, fremd. So hat der Oberste Gerichtshof in einem Verfahren nach § 31 Abs 3 WEG (Herausgabe des Überschusses an Rücklage durch den Verwalter) in Übereinstimmung mit dem Rekursgericht eine Aufrechnungseinrede als zulässigen Schuldtilgungseinwand verstanden und klar gestellt, dass zur Feststellung des „Überschusses“ (als Vorfrage) zu beantworten ist, ob der Hausverwalter zu Recht – als Gegenforderung eingewendete – Ansprüche auf Aufwandersatz abgezogen hat (5 Ob 254/09b).

[18] 3.2 Gegenstand des Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8b MRG ist die Feststellung, in welcher Höhe der Rückforderungsanspruch des Mieters besteht. Nach der Lehre ( O. Riss in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 § 16b MRG Rz 81; Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 74; Schinnagl in Geko Wohnrecht I § 16b MRG Rz 50; Koller , Feststellung des rückforderbaren Kautionsbetrags im Außerstreitverfahren; Eine erste Bestandsaufnahme, wobl 2019, 115 [122]; ders , Kautionsrückforderung im streitigen Verfahren nach der WRN 2009 Eine Erwiderung, wobl 2009, 268; Stabentheiner , Die Wohnrechtsnovelle 2009, wobl 2009, 107; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht I 23 § 16b MRG Rz 7) muss in diesem Verfahren geprüft werden, ob und in welcher Höhe dem Vermieter Gegenforderungen zustehen, die den Rückstellungsanspruch des Mieters entsprechend vermindern oder tilgen. Dieses Ergebnis gibt schon der Wortlaut des § 37 Abs 1 Z 8b MRG vor, der Angelegenheiten über die Höhe der rückforderbaren Kaution in das außerstreitige Verfahren verweist. Die Kaution ist nach § 16b Abs 2 MRG nur insoweit rückforderbar, als sie nicht zur Tilgung von berechtigten Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis herangezogen wird.

[19] 3.3 Im streitigen Verfahren wird danach unterschieden, ob der Beklagte eine ausdrückliche gerichtliche Aufrechnungseinrede, über die in Form eines dreigliedrigen Spruchs zu entscheiden ist, oder einen materiellrechtlichen Schuldtilgungseinwand durch eine bereits außergerichtlich erklärte Aufrechnung geltend macht. Im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8b MRG muss der Vermieter als Antragsgegner nur klar stellen, welche konkrete, dem Grund und der Höhe nach spezifizierte Gegenforderung(en) er dem Rückforderungsanspruch des Mieters entgegenhält ( Schinnagl in GeKo Wohnrecht I § 16b MRG Rz 50; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht I 23 § 16b M RG Rz 7), um eine Überprüfung der rückforderbaren Kaution zu ermöglichen.

[20] 4.1 Ausschließlich die Frage einer ausdrücklich zu erhebenden Kompensationseinrede greift die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs auf. Sie bekämpft die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts (deren Richtigkeit sie sonst zugesteht), nur in dem Punkt, in dem die zweite Instanz von einer vorgenommenen Gegenverrechnung (im Sinn der Geltendmachung von Gegenforderungen) ausgegangen ist. Ihrer Auffassung nach reicht die Auflistung von Gegenforderungen ohne ausdrückliche Kompensationseinrede nicht aus. In einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren, das dem Parteienbetrieb der ZPO angenähert sei, dürfe nicht gegen den Willen der Antragsgegner gleichsam automatisch geprüft werden, ob und in welcher Höhe ihnen Gegenforderungen zustehen.

[21] 4.2 Mit dieser Argumentation macht die Antragstellerin keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Nach dem Inhalt des – auch in der Entscheidung des Rekursgerichts genannten – Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 4. 6. 2020 haben die Antragsgegner nämlich ohnehin ausdrücklich erklärt, ihre konkret genannten und aufgeschlüsselten Forderungen an Kapital, Zinsen und Verfahrenskosten aus Mietzins und Räumungs sowie Exekutionsverfahren als Gegenforderung einzuwenden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass im konkreten Fall den Vermietern gegen ihren Willen eine Aufrechnung aufgedrängt wurde.

[22] 4.3 Die im Revisionsrekurs der Antragstellerin gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[23] 4.4 Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus diesen Erwägungen zurückzuweisen.

[24] 5.1 Im streitigen Verfahren steht es der beklagten Partei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs frei, der Klageforderung mehrere Gegenforderungen entgegenzuhalten. Diese Gegenforderungen muss sie bestimmt angeben. Eine auf mehrere Forderungen gestützte pauschale (gerichtliche) Aufrechnungseinrede verstößt gegen das auch für Gegenforderungen geltende Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO (RIS Justiz RS0037570).

[25] 5.2 Die beklagte Partei ist aber nicht verpflichtet, mehrere Gegenforderungen in ein Eventualverhältnis zueinander zu setzen, dem Gericht also eine Prüfungsreihenfolge vorzugeben. Im Fall einer unterbliebenen Reihung liegt es im Ermessen des Gerichts, aufgrund prozessökonomischer Erwägungen die Verhandlung zumindest faktisch auf eine der Gegenforderungen zu beschränken (4 Ob 42/15b; RS0130155). Besteht die so geprüfte Gegenforderung zu Recht und erreicht sie die Höhe der Klageforderung, erübrigt sich ein weiteres Verfahren. Diese Lösung sieht der Oberste Gerichtshof als besser mit dem verfahrensrechtlichen Charakter der Aufrechnungseinrede vereinbar als die (analoge) Anwendung von § 1416 ABGB, wie sie die Rechtsprechung zur außergerichtlichen Aufrechnung mit mehreren, insgesamt über die zu tilgende Hauptforderung hinausgehenden Gegenforderungen (RS0119629; 10 Ob 84/04g; 3 Ob 114/14g) vertritt. Da die Entscheidung über die Gegenforderung nach § 411 Abs 1 und 2 ZPO bis zur Höhe der Klageforderung rechtskraftfähig ist (RS0041281), forderte der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 42/15b, dass sich zumindest aus den Gründen des Urteils ergeben muss, welche von mehreren eingewendeten Gegenforderungen in welchem Ausmaß von der Rechtskraft erfasst und damit (aus materieller rechtlicher Sicht) getilgt wird.

[26] 5.3 Ob die zu 4 Ob 42/15b für die gerichtliche Aufrechnungseinrede im streitigen Verfahren dargelegten Grundsätze zur Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung und zur Tilgung auf das außerstreitige Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8b MRG zu übertragen sind, muss im vorliegenden Fall nicht abschließend beurteilt oder geprüft werden, weil die vom Rekursgericht geforderte Klarstellung nicht notwendig ist:

[27] 5.4 Die Antragsgegner haben ihren Einwendungen die zu AZ 60 C 75/19b eingeklagten (und rechtskräftig zugesprochenen) Mietzins , Heizungs und Warmwasserkosten von insgesamt 1.974,92 EUR zuzüglich Zinsen von 81,40 EUR aus dem Titelverfahren und dem Exekutionsverfahren AZ 21 E 2694/19d zugrunde gelegt. Nach den Feststellungen des Erstgerichts errechnet sich an Kapital, Zinsen und Verfahrenskosten im Titelverfahren (ohne die nicht zugesprochenen Kosten des Exekutionsverfahrens) ein Betrag von 2.361,32 EUR. Die vom Erstgericht mit 2.107,47 EUR festgestellte Höhe des Kautionsbetrags inklusive Zinsen zum Zeitpunkt der Rückstellung des Bestandobjekts (am 1. 7. 2019) und damit der Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs ( Schinnagl in GeKo Wohnrecht I § 16b MRG Rz 47) ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig. Das Erstgericht bezog sich in der rechtlichen Beurteilung zur Gegenverrechnung ausdrücklich auf das Verfahren AZ 60 C 75/19b und führte im Anschluss aus, dass Kapital, Zinsen und Kosten den erlegten Kautionsbetrag inklusive dessen Verzinsung bei weitem überstiegen. Damit hat es ausreichend klargestellt, dass der Rückforderungsanspruch der antragstellenden Mieterin durch den berechtigten Abzug des rechtskräftig im genannten Verfahren zugesprochenen Kapitals, der Zinsen und eines Teils der Verfahrenskosten (in Höhe von 51,15 EUR) getilgt ist. Die Tilgung in dieser Form (Aufrechnung mit Kapital, Zinsen, Kosten aus dem jüngeren Verfahren) wird im Revisionsrekursverfahren nicht bekämpft. Das vom Rekursgericht gesehene Problem einer Unklarheit, über welche Gegenforderungen rechtskräftig entschieden wurde und ob die Vermieter diese daher nicht mehr im streitigen Verfahren einklagen können oder einem im streitigen Verfahren gestellten Leistungsbegehren des Mieters als Gegenforderung einwenden können, stellt sich schon deshalb nicht, weil die Forderungen bereits rechtskräftig zugesprochen wurden.

Der rekursgerichtliche Aufhebungsbeschluss ist daher aufzuheben und der erstgerichtliche Sachbeschluss wiederherzustellen.

[28] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich jeweils auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsgegner haben in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihnen die Kosten ihrer Rechtsmittelgegenschrift zu ersetzen sind. Zusätzlich stehen ihnen die Kosten für ihren erfolgreichen Revisionsrekurs zu.