JudikaturJustiz5Ob314/03t

5Ob314/03t – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Urbanek, Lind, Schmied, Reisch, Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wegen Berichtigung des Grundbuchs (§ 104 GBG) über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 28. Oktober 2003, AZ 7 R 118/03p, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 18. März 2003, AZ Nc 18/03p, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er unter Einbeziehung seiner bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile wie folgt zu lauten hat:

"Ob der Liegenschaft EZ ***** werden gemäß § 104 Abs 3 GBG nachstehende Eintragungen angeordnet:

Das anlässlich des Vollzugs der zu TZ 5171/01 bewilligten Eintragung irrtümlich gelöschte Pfandrecht im Höchstbetrag von EUR 36.000, - für die B***** Aktiengesellschaft ist im Rang der TZ 1612/00 wieder herzustellen.

Die Eintragungen zu TZ 1612/00 und TZ 954/02 sind durch den Zusatz zu ergänzen, dass der Rang des zu TZ 954/02 (derzeit unter C LNR 4a eingetragenen) Pfandrechts der V***** reg GenmbH für den Höchstbetrag von EUR 95.000, - von dieser Berichtigung unberührt bleibt.

Hievon sind zu verständigen:

1) Peter P*****

2) V*****

3) Urbanek, Lind, Schmied und Reisch, Rechtsanwälte OEG in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4;

4) Mag. Volker Leitner, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3;

5) Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Herrengasse 2."

Text

Begründung:

Mit Beschluss des BG St. Pölten vom 16. 3. 2000 wurde zu TZ 1612/00 die Einverleibung eines Pfandrechts für die Antragstellerin im Höchstbetrag von EUR 36.000, - ob der Liegenschaft EZ ***** bewilligt und unter C LNR 3 vollzogen. In weiterer Folge hat das BG St. Pölten zu TZ 5171/01 die Einverleibung eines Pfandrechts im Höchstbetrag von ATS 845.000, - für die V***** reg GenmbH bewilligt. Beim Vollzug dieses Beschlusses wurde irrtümlich das zu C LNR 3 (TZ 1612/00) einverleibte Höchstbetragspfandrecht gelöscht und an dessen Stelle (also ebenfalls unter C LNR 3) das zu TZ 5171/01 bewilligte Höchstbetragspfandrecht für die V***** reg GenmbH eingetragen. Weitere Pfandrechtseintragungen erfolgten unter C LNR 4 zu TZ 954/2002 ebenfalls für die V***** reg GenmbH im Höchstbetrag von EUR 95.000, - und unter C LNR 5 zu TZ 11613/2002 für die K***** HandelsgesmbH, wobei es sich bei letzterem um ein exekutives Pfandrecht zur Sicherung einer vollstreckbaren Forderung von EUR 10.940,39 sA handelt.

Mit Beschluss vom 17. 1. 2003 ordnete das Erstgericht die Anmerkung der Einleitung des Berichtigungsverfahrens sowie eine Tagsatzung zur Einvernahme der Beteiligten über die Berichtigung an. Im Zuge dieser Tagsatzung konnte keine Einigung zwischen der Antragstellerin und der V***** reg GenmbH erzielt werden.

Mit Beschluss vom 18. 3. 2003 ordnete das Erstgericht die Wiederherstellung des irrtümlich gelöschten Pfandrechts an, wobei es aussprach, dass dies hinsichtlich der zu C LNR 5a, 4a und 3a einverleibten Pfandrechte im laufenden Rang zu geschehen habe.

Das von der Antragstellerin angerufene Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass die Wiederherstellung des irrtümlich gelöschten Pfandrechts im Rang der TZ 1612/00 zu erfolgen habe, die Berichtigung des Grundbuchs jedoch hinsichtlich der zu TZ 5171/01 und TZ 954/02 eingetragenen Pfandgläubigerin V***** GenmbH keine Wirkung entfalte. Es ging dabei von folgenden Erwägungen aus:

Gemäß § 104 Abs 3 GBG könne ein nach vollendeter Eintragung wahrgenommener Fehler beim Vollzug eines Grundbuchsbeschlusses in zwei Fällen berichtigt werden:

1.) wenn der Fehler keinerlei Rechtsfolgen nach sich gezogen hat, und

2.) im Einvernehmen mit den Beteiligten.

Als Beteiligter im Sinn des § 104 Abs 3 GBG sei nicht nur derjenige anzusehen, zu dessen Gunsten oder gegen den die Eintragung erfolgt ist; zu den Beteiligten gehörten vielmehr auch all jene Personen, die nachträglich Rechte auf die Liegenschaft erworben haben und durch die beabsichtigte Berichtigung in diesen Rechten berührt werden.

Die Berichtigung sei auch mit Wirkung gegenüber einzelnen Beteiligten möglich ( Feil , Grundbuchsgesetz 3 , § 104, Rz 4 mwN).

Dadurch, dass nach irrtümlicher Löschung des Pfandrechts der Antragstellerin weitere Pfandrechte (C LNR 3a, 4a und 5a) einverleibt wurden, seien Rechtsfolgen eingetreten, sodass eine Berichtigung zwingend nur im Einvernehmen mit den Beteiligten möglich sei. Im Hinblick darauf, dass das zu C LNR 5a (TZ 11613/2002) einverleibte Pfandrecht ein exekutives Pfandrecht ist, komme aber der Pfandgläubigerin K***** HandelsgesmbH der Gutglaubensschutz des Grundbuches nicht zugute.

Seien für die Berichtigung des Grundbuchs nach § 104 GBG strittige Tatfragen zu klären - so ob dem Erwerber eines bücherlichen Rechtes, der die Eintragung in ein fehlerhaftes Grundbuch erwirkte, der Gutglaubensschutz zugute kommt -, so sei darüber im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden. Beim exekutiven Erwerb eines bücherlichen Rechtes scheide diese Möglichkeit aus. Wer im Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigungsobjekte sucht, handle nicht im Vertrauen auf das Grundbuch (5 Ob 17/94). Die Wiederherstellung des irrtümlich gelöschten Pfandrechts der Rekurswerberin im ursprünglichen Rang sei daher gegenüber der zu C LNR 5a (TZ 11613/2002) eingetragenen Pfandgläubigerin K***** HandelsgesmbH zulässig und berechtigt.

Hinsichtlich der Pfandgläubigerin V***** reg GenmbH mit ihren zu C LNR 3a (TZ 5171/2001) und C LNR 4a (TZ 954/2002) eingetragenen Pfandrecht lägen jedoch die zur Berichtigung gemäß § 104 Abs 3 GBG erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Mangels Einvernehmen der Beteiligten und im Hinblick auf den Umstand, dass die irrtümliche Löschung Rechtsfolgen nach sich gezogen hat, sei auszusprechen gewesen, dass die Berichtigung gegenüber dieser Pfandgläubigerin keine rechtliche Wirkung entfalte. Die Antragstellerin sei zur Klärung der strittigen Tatfragen auf den Rechtsweg zu verweisen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000, - übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass keine eine Anrufung des OGH rechtfertigenden Umstände vorlägen.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluss hat die Antragstellerin ao Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, die Wiederherstellung ihres irrtümlich gelöschten Pfandrechts auch hinsichtlich der zu C LNR 3a und 4a eingetragenen Höchstbetragspfandrechte der V***** reg GenmbH (ATS 845.000, - und EUR 95.000, ) im Rang der TZ 1612/00 anzuordnen. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergeben wird, zulässig; er erweist sich teilweise auch als berechtigt.

Die Rechtsmittelbewerberin meint, dass die V***** reg GenmbH hinsichtlich des Rangs ihrer Pfandrechte keinen Vertrauensschutz genieße. Als sie zu TZ 5171/01 die Eintragung ihres Pfandrechts für den Höchstbetrag von ATS 845.000, - erwirkte, sei nämlich noch im besseren Rang - zu TZ 1612/00 - das Pfandrecht der Antragstellerin für den Höchstbetrag von EUR 36.000, - eingetragen gewesen. Die irrtümliche Löschung des vorrangigen Pfandrechts anlässlich der Eintragung ihres eigenen könne zu keinem Rechtserwerb im Vertrauen auf das Grundbuch geführt haben. Folgerichtig habe die V***** reg GenmbH auch bei der Eintragung ihres zweiten Pfandrechts (zu TZ 954/02 für den Höchstbetrag von EUR 95.000, ) vom Bestand des vorrangigen Pfandrechts der Antragstellerin gewusst oder davon wissen können. Auch hinsichtlich dieses Pfandrechts sei ihr der Vertrauensschutz zu versagen, weshalb der Wiederherstellung des richtigen Grundbuchsstandes (unter Einschluss der ursprünglichen Rangordnung) nichts im Wege stehe.

Dazu wurde erwogen:

Die strengen Anforderungen, die § 104 Abs 3 GBG an die Berichtigung eines beim Vollzug des die Eintragung bewilligenden Beschlusses unterlaufenen Fehlers stellt, bezwecken den Schutz desjenigen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs bücherliche Rechte erworben hat. Grundbücherliche Vorgänge sollen einen geschehenen gutgläubigen Rechtserwerb im Vertrauen auf den Grundbuchsstand nicht nachträglich wirkungslos machen können (SZ 17/94 = SZ 67/13 mit den Hinweis auf Hoyer, Grundbuch, Gerichtsfehler und Pfandrecht, ecolex 1993, 300 f). Die Erschwerung der Berichtigung eines Fehlers, der "irgendeine Rechtsfolge nach sich gezogen haben könnte", bezieht sich demnach nur auf den Fall, dass die Berichtigung mit einem mittlerweile eingetretenen Rechtserwerb kraft Gutglaubensschutzes kollidieren würde. Hier ist das Einverständnis des Betroffenen unumgänglich; ein nachträglicher Rechtserwerb, bei dem der Vertrauensschutz nicht rechtsbegründend wirkt, bleibt hingegen unbeachtlich (5 Ob 17/94).

Nun trifft es zu, dass die Frage des Gutglaubensschutzes grundsätzlich nicht vom Grundbuchsgericht geklärt werden kann (5 Ob 9/60 = SZ 33/10; 5 Ob 116/71 = EvBl 1971/335; vgl auch Hoyer aaO). In der Regel stellen sich nämlich Tatfragen, deren Beantwortung die grundbuchsrichterlichen Kognitionsmöglichkeiten überfordern. Es sind aber Fälle denkbar, in denen ein Vertrauensschutz desjenigen, der durch einen Vollzugsfehler in eine bücherliche Rechtsposition gelangt ist, schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ausscheidet (vgl etwa den schon mehrmals judizierten Fall der Begründung eines exekutiven Pfandrechts, zuletzt 1 Ob 244/97g). Ist dies mit den Quellen grundbuchsrichterlicher Erkenntnis eindeutig feststellbar, kann die Berichtigung eines Vollzugsfehlers auch gegen den Willen desjenigen angeordnet werden, der dadurch eine vom Vertrauensschutz nicht erfasste bücherliche Rechtsposition verliert. In Wahrheit zählt er dann gar nicht zu Beteiligten iSd § 104 Abs 3 GBG (vgl 5 Ob 97/98w = NZ 1999, 176/442 mit Anm von Hoyer).

Im gegenständlichen Fall ist nach diesen Kriterien schon aus grundbuchsrichterlicher Sicht klar, dass der V***** reg GenmbH hinsichtlich des zu TZ 5171/01 erworbenen Höchstbetragspfandrechts kein Vertrauensschutz zukommt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Einlangens ihres diesbezüglichen Grundbuchsgesuches war nämlich das vorrangige Pfandrecht der Antragstellerin (TZ 1612/00) noch im Grundbuch eingetragen. Der Grundbuchsstand auf den die V***** reg GenmbH vertrauen durfte, wies ihr einen schlechteren Rang für ihr Pfandrecht zu. Da das Pfandrecht der Antragstellerin erst beim Vollzug der Eintragung des Pfandrechts der V***** reg GenmbH gelöscht wurde, liegt in Wahrheit gar kein nachträglicher, auf einen unrichtigen Grundbuchsstand aufbauender Rechtserwerb iSd Judikatur zu § 104 Abs 3 GBG (5 Ob 116/71 ua) vor. Die Wiederherstellung des Pfandrechts der Antragstellerin im ursprünglichen Rang vor dem zu TZ 5171/01 erworbenen Pfandrecht der V***** reg GenmbH ist daher auch gegen deren Widerstand durch § 104 Abs 3 GBG gedeckt.

Hinsichtlich des zweiten, zu TZ 954/02 eingetragenen Pfandrechts der V***** reg GenmbH lässt sich jedoch der Erwerb kraft Vertrauens in die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs (das das Pfandrecht der Antragstellerin nicht mehr auswies) nicht mit der für grundbuchsrichterliche Entscheidungen notwendigen Eindeutigkeit verneinen. Das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen gibt keinen Hinweis auf den Grund für die Löschung des Pfandrechts der Antragstellerin. Ob und wie der V***** reg GenmbH das Wissen oder Wissenmüssen um die irrtümliche Löschung des Pfandrechts der Antragstellerin beim Erwerb des zweiten Pfandrechts für einen Höchstbetrag von EUR 95.000, zu TZ 954/02 zugerechnet werden kann, ist mit den Möglichkeiten grundbuchsrichterlicher Kognition nicht zu klären, weshalb die Antragstellerin insoweit den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten haben wird.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Dass dem Begehren der Rechtsmittelwerberin nur teilweise stattgegeben wurde, war wegen der im Grunde amtswegigen Grundbuchsberichtigung nach § 104 Abs 3 GBG ohne Abweisung eines Mehrbegehrens auszusprechen.

Rechtssätze
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