JudikaturJustiz5Ob2058/96z

5Ob2058/96z – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Gerhard A*****, Angestellter, ***** und 2.) Anna A*****, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr.Gerhard Zanier, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die Antragsgegnerin N***** Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Lisbeth Lass und Dr.Hans Christian Lass, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 1. Dezember 1995, GZ 4 R 630/95-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 6.Oktober 1995, GZ Msch 65/94m-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zuspruch von Kosten rechtsfreundlicher Vertretung für die Beantwortung des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Der als "Vorbringen" bezeichnete, als Ergänzung des Revisionsrekurses zu wertende Schriftsatz der Antragsteller vom 14.2.1996 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Mieter einer im Haus der Antragsgegnerin gelegenen Wohnung in *****. Nach dem Inhalt des Mietvertrages dürfen Hochantennen nur nach Anweisung der Vermieterin angebracht werden. Ferner unterwarfen sich die Antragsteller im Mietvertrag der jeweiligen Hausordnung. Nach dieser Hausordnung dürfen Antennen und Schilder aller Art an der Hausfronst nur mit ausdrücklicher Bewilligung der Vermieterin angebracht werden. Ohne eine solche Zustimmung haben jedoch die Antragsteller an ihrem Balkon eine Parabolantenne mit einem Durchmesser von 90 cm angebracht. Im Verfahren 2 C 817/94 des Bezirksgerichtes Kitzbühel wurden die Antragsteller, dort Beklagte, schuldig erkannt, diesen Parabolspiegel zu entfernen und in Hinkunft die Anbringung eines Parabolspiegels oder ähnlicher Empfangsanlagen an der Außenseite des Balkons ohne ausdrückliche Genehmigung der Vermieterin zu unterlassen.

Die Antragsteller begehren nunmehr, ihnen gegen die Antragsgegnerin zu gestatten, die an der Außenseite des Balkones ihrer im Erdgeschoß gelegenen Mietwohnung angebrachte Parabolspiegelantenne dort zu belassen. Hilfsweise begehrten die Antragsteller, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Aufstellung einer Parabolantenne im Garten an der Ostseite des Hauses (an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn) zu ersetzen. Durch die angebrachte Antenne sei keine wesentliche Beeinträchtigung des Bestandobjektes gegeben. Die Antenne, an die auch noch weitere Hausparteien angeschlossen seien, entspreche dem Stand der Technik. Der Anschluß an eine bereits bestehende andere Antennenanlage sei technisch nicht möglich.

Die Antragsgegnerin wendete ein, daß das Anbringen einer Antenne entsprechend dem Mietvertrag und der geltenden Hausordnung nur mit Zustimmung des Vermieters zulässig sei. Außerdem hätte sich der Erstantragsteller bereits vertraglich zur Entfernung der Antenne verpflichtet. Deswegen seien die Voraussetzungen für die Ersetzung einer Zustimmung nach § 9 MRG nicht gegeben. Darüber hinaus beeinträchtige die Antenne das Erscheinungsbild des Hauses. Der Anschluß an bestehende Antennenanlagen sei zumutbar.

Das Erstgericht wies den Haupt- und den Eventualantrag der Antragsteller ab.

Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Bestimmungen des §§ 9 MRG dispositives Recht darstellten und daß demzufolge ein Ersatz der Zustimmung durch das Gericht auf Grund der entgegenstehenden Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht möglich sei.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgericht und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht billigte unter Hinweis auf die in MietSlg 40.271 veröffentlichte Entscheidung die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht der - soweit überblick- bar - einheitlichen Judikatur gefolgt sei.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen in antragsstattgebendem Sinn abzuändern.

In einem als "Vorbringen" bezeichneten Schrift- satz erstatteten die Antragsteller nach Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung neues Sachvorbringen.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisions- rekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt; der ergänzende Schriftsatz zum Revisions- rekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Zum ergänzenden Schriftsatz:

Nach ständiger Rechtsprechung ist den Parteien nur die Erstattung einer einzigen Rechtsmittelschrift gestattet (MGA JN ZPO14 § 520 ZPO/E 7; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 12 Vor § 461 - gemäß § 37 Abs 3 Z 16 bis 18 MRG ist § 520 ZPO auch im besonderen außer- streitigen Verfahren nach dem MRG anzuwenden). Der den Revisionsrekurs der Antragsteller ergänzende Schriftsatz war daher zurückzuweisen.

b) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung des Rekursgerichtes zulässig, weil zur Frage, ob die dem Mieter durch § 9 MRG eingeräumten Rechte im Mietvertrag abdingbar sind, eine Rechtsprechung fehlt. Die in MietSlg 40.271 veröffentlichte Entscheidung, die überdies nicht vom Obersten Gerichtshof stammt, behandelt die Bindung des Nacheigentümers an eine Vereinbarung des Voreigentümers mit einem Mieter. Darauf kann daher - entgegen der Meinung der Vorinstanzen - die Abwei- sung des Antrages der Antragsteller auf Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne nicht gestützt werden.

c) Zur Sachentscheidung:

Bestimmungen des MRG, die dem Mieter bestimmte Rechte einräumen, sind grundsätzlich spezial- gesetzliche Einschränkungen der im allgemeinen bürgerlichen Recht vorgesehenen Vertragsfreiheit, weil nur so die zwangswirtschaftliche Ordnung des Mietrechtes im Interesse der Zielvorstellungen desselben durchgesetzt werden kann. Dies folgt schon daraus, daß durch die vorgesehenen gesetzlichen Eingriffe - insbes des MRG - ein Ausgleich der ungleichgewichtigen Stellung der Vertragspartner (hier: Mieter und Vermieter auf dem Wohnungsmarkt) angestrebt wird. Dies kommt sowohl in der apodiktischen Ausdrucksweise der entsprechenden Gesetzesbestimmungen (hier: § 9 MRG) als auch systematisch dadurch zum Ausdruck, daß ein ausnahmsweise gestattetes vertragliches Abgehen von der gesetzlichen Regel jeweils ausdrücklich, gegebenenfalls nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen vorgesehen wird (zB § 16 Abs 1 Z 5 MRG; § 4 Abs 3 Z 2

MRG).

In der hier zu beurteilenden Rechtssache bedeutet dies, daß auch die dem Mieter in § 9 MRG eingeräumten Rechte jedenfalls nicht im vorhinein, also zB schon im Mietvertrag oder durch eine Hausordnung, auf die im Mietvertrag Bezug genommen wird, abdingbar sind (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 9 MRG Rz 1).

Die von den Vorinstanzen zur Stützung der gegenteiligen Ansicht zitierte Entscheidung MietSlg 40.271, die von einem Gericht 2.Instanz stammt, hatte einen vom Hauseigentümer geltend gemachten Anspruch auf Entfernung einer vom Mieter vorgenommenen Änderung des Mietobjektes zum Gegenstand. In diesem Zusammenhang wurde ausgesprochen, daß der Rechtsnachfolger im Eigentum an die - wenn auch dem § 9 MRG widersprechende - Zustimmung seines Rechtsvorgängers zur Vornahme der Änderung gebunden ist, weil § 9 MRG dispositives Recht enthalte. Diese Entscheidung entspricht durchaus der Rechtslage und steht aus folgenden Gründen auch nicht im Widerspruch zur vorhin geäußerten Ansicht des erkennenden Senates:

Der Eigentümer einer Liegenschaft ist selbstverständlich berechtigt, einem seiner Mieter mehr oder etwas anderes zu gestatten, als es seiner im § 9 MRG normierten Pflicht entspricht. Die Regelungen des MRG beschränken den Hauseigentümer keineswegs in seinen Dispositionen, soweit er darin, wenn auch abweichend von den Vorschriften des Mietengesetzes, zugunsten eines Mieters Gebrauch macht. § 9 Abs 1 Einleitungssatz MRG fingiert sogar die Erteilung der Zustimmung zu jeder vom Mieter beabsichtigten Änderung, wenn der Liegenschaftseigentümer nach entsprechender Anzeige nicht fristgerecht die beabsichtigte Änderung ablehnt. Die Bindung des Rechtsnachfolgers des Liegenschaftseigentümers an derartige Nebenabreden zum Mietvertrag folgt aus § 1120 ABGB (s MGA ABGB34 § 1120/E 23, 26 und 27).

Die im streitigen Verfahren gegen die Antragsteller ergangenen Urteile auf Beseitigung der Satellitenempfangsanlage und Unterlassung der Neuerrichtung einer solchen stehen dem nunmehr von den Antragstellern gestellten Begehren nicht entgegen, weil die damaligen Entscheidungen auf Grund eines anderen Sachverhaltes ergingen, nämlich der fehlenden Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung einer solchen Anlage, wobei die Pflicht der Antragsgegnerin zur Erteilung der Zustimmung auch nicht als Vorfrage beurteilt werden konnte, weil es sich dabei um eine im Verfahren außer Streitsachen zu treffende rechtsgestaltende Entscheidung handelt (vgl zur ähnlichen Problematik MietSlg 42.434/31 unter Hinweis auf MietSlg 39.615 mwN). Dies gilt auch für eine im Zuge dieser Rechtsstreitigkeiten von den Antragstellern allenfalls übernommene Verpflichtung zur Entfernung der Antenne vom Balkon.

Die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist somit unumgänglich.

Das Erstgericht wird daher über die Anträge der Antragsteller nach Ergänzung des Verfahrens über das von den Parteien erstattete Sachvorbringen neu zu entscheiden haben. Dabei wird es auf die von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes bereits erarbeiteten Grundsätze betreffend die Anbringung derartiger Antennen (zB WoBl 1993, 80/59 zu § 9 MRG; WoBl 1991, 196/119 und WoBl 1992, 191/126 zum ähnlichen Problemkreis des § 13 Abs 2 WEG) Bedacht zu nehmen haben, wonach - abgestellt auf den hier zu beurteilenden Fall - notwendige Antennen (auch im Sinne des § 9 Abs 2 Z 5 MRG) nicht nur herkömmliche Zimmer- und Dachantennen zu verstehen sind, sondern auch solche, die nach dem Stand der jeweiligen Technik den Empfang von über Satelliten ausgestrahlten Programmen ermöglichen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG. Ein Zuspruch der ausschließlich verzeichneten Kosten rechtsfreundlicher Vertretung kommt mangels Vorliegens der in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen nicht in Betracht.

Rechtssätze
2