JudikaturJustiz5Ob194/15p

5Ob194/15p – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen Einverleibung eines Bestandrechts ob EZ ***** GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 22. Juli 2015, AZ 7 R 111/15a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 16. Juni 2015, TZ 2800/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Aufgrund der nachstehenden

Urkunden

1 Mietvertrag vom 07. 08. 2014

2 Nachtrag vom 06. 05. 2015

wird folgende Eintragung bewilligt :

in EZ ***** KG *****

Einverleibung des Bestandrechts gemäß Vertragspunkt I., II. und III. des Mietvertrags vom 07. 08. 2014

für B***** Gesellschaft m.b.H , FN *****

Verständigt werden:

1) Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt

Fabriksgasse 10 12/Schulgasse 1, 2620 Neunkirchen

2) B***** Gesellschaft m.b.H, *****, *****

3) T***** GmbH,

*****,

4) Marktgemeinde P*****,

*****

5) Finanzamt *****

*****“

Vollzug und Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin schloss mit der T***** GmbH als Liegenschaftseigentümerin und Vermieterin am 7. 8. 2014 einen notariell beglaubigten Mietvertrag ab. Dieser Mietvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

I. Mietgegenstand

1. Der Vermieter ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, GB *****, Bezirksgericht Melk, bestehend aus dem Grundstück Nr. ***** und ist hinsichtlich des auf o.a. Liegenschaft errichteten Gebäude alleine nutzungs- und verfügungsberechtigt.

Das auf der Liegenschaft […] errichtete Gebäude wurde 2012 errichtet.

2. Der Vermieter vermietet an den Mieter und der Mieter mietet vom Vermieter die in dem auf o.a. Liegenschaft errichteten Gebäude gelegenen Flächen in Form von Geschäftsräumen, Top Nr. 1, im Ausmaß von rund 330 m², dies gemäß dem einen integrierenden Vertragsbestandteil bildenden Lageplan, Beilage ./A; […]

[…]

4. Festgehalten wird, dass der Mietgegenstand zu Geschäftszwecken, nämlich zum Betrieb eines Handelsgewerbes mit Waren aller Art, in Bestand gegen wird. [...]

5. Gegenständliches Mietverhältnis unterliegt nicht dem Anwendungsbereich des MRG. Unbeschadet dessen vereinbaren die Vertragsparteien vertraglich die volle Geltung des MRG für das vertragsgegenständliche Mietverhältnis, insbesondere auch die Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen.

[...]

II. Aufschiebende Bedingung, Beginn des Mietverhältnisses, Mietdauer

1. Das Mietverhältnis wird aufschiebend bedingt mit dem Vorliegen der rechtskräftigen bau und gewerbebehördlichen Bewilligungen, sowie allfällig sonstiger zur Umsetzung des Verwendungszwecks erforderlichen verwaltungsbehördlichen Bewilligungen ge-schlossen. Das Mietverhältnis beginnt am Ersten des auf die Erteilung des rechtskräftigen bau- und gewerbebehördlichen Bewilligung folgenden Monats, 0.00 Uhr.

Der Mieter ist berechtigt, mit entsprechender schriftlicher Erklärung auf das Vorliegen der rechtskräftigen bau- und gewerbebehördlichen Bewilligung als Voraussetzung für das Inkrafttreten des gegenständlichen Mietverhältnisses zu verzichten und damit das Mietverhältnis mit dem auf diese Erklärung folgenden Monatsersten in Wirkung zu setzen.

Sollten die vorgenannten verwaltungsbehördlichen Bewilligungen nicht bis zum 31. 1. 2015 in rechtskräftiger Form vorliegen, gilt die aufschiebende Bedingung als dauerhaft nicht eingetreten und entfaltet gegenständlicher Mietvertrag für keine der beiden Vertragsparteien rechtliche Wirkung; […]

2. Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten jeweils zum 30. 6. und 31. 12. eines jeden Kalenderjahres durch den Vermieter gerichtlich, dies jedoch nur bei Vorliegen einer der in § 30 Abs. 2 MRG genannten Kündigungsgründe, seitens des Mieters schriftlich, aus welchem Grund auch immer, aufgekündigt werden.

Der Vermieter verzichtet für die Dauer von 20 Jahren auf sein Recht, gegenständliches Mietverhältnis im Sinne dieses Vertragspunktes aufzukündigen; dies ungeachtet allfällig vorliegender Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs. 2 MRG. Die sofortige Auflösungsmöglichkeit des gegenständlichen Mietvertrages aufgrund der Bestimmungen des § 1118 ABGB bleibt von diesen Vereinbarungen jedoch unberührt.“

In einem notariell beglaubigten „Nachtrag zum Mietvertrag vom 7. 8. 2014“ vom 6. 5. 2015 halten die Vertragsparteien übereinstimmend fest, dass die aufschiebenden Bedingungen des Mietvertrags rechtzeitig eingetreten und der Mietgegenstand an die Mieterin übergeben worden seien. Überdies enthält dieser Nachtrag eine (abgeänderte) Aufsandungserklärung in Bezug auf die Einverleibung des Bestandrechts.

Aufgrund des Mietvertrags vom 7. 8. 2014 und des Nachtrags zu diesem Mietvertrag vom 6. 5. 2015 beantragte die Antragstellerin die Einverleibung des Bestandrechts.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Verbücherung von auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen unzulässig sei. Es sei nicht ersichtlich, wann die rechtskräftigen Bescheide ausgestellt worden seien und wann das Bestandverhältnis beginne. Die Berücksichtigung von Umständen, die außerhalb des Urkundenbeweises liegende Tatsachen beträfen, käme im Hinblick auf § 96 GBG nicht in Betracht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge, bewertete den Streitgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. Da der Vermieter im vorliegenden Mietvertrag für die Dauer von 20 Jahren auf sein Recht, das Mietverhältnis ungeachtet allfälliger Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs 2 MRG aufzukündigen, verzichtet habe, sei grundsätzlich eine ausreichend bestimmte zeitliche Befristung gegeben, die die Verbücherung des Mietvertrags zulasse. Der hier für den Mietvertragsbeginn und damit auch für das Ende des Kündigungsverzichts entscheidende Bedingungseintritt könne zwar durch die übereinstimmende Bestätigung beider Vertragsparteien in grundbuchstauglicher Form nachgewiesen werden. Es müsse aber die Dauer der Vertragslaufzeit aus dem Mietvertrag oder den sonstigen, der Einverleibung zugrundeliegenden grundbuchsfähigen Urkunden ersichtlich sein. Hier sei jedoch der Zeitpunkt des Bedingungseintritts weder im Mietvertrag noch im Nachtrag zum Mietvertrag in der erforderlichen Form dargetan, sodass die Abweisung des Einverleibungsgesuchs letztlich zu Recht erfolgt sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die begehrte Einverleibung bewilligt werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Verbücherung eines Bestandvertrags von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist.

Rechtliche Beurteilung

1. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde im Hinblick auf den Wortlaut des § 1095 ABGB zunächst nur die Verbücherung eines auf bestimmte Zeit (RIS Justiz RS0020445) oder Lebensdauer (RIS Justiz

RS0020442

) eingegangenen Bestandvertrags als zulässig angesehen. Der auf Lebenszeit einer physischen Person oder auf Dauer des Bestehens einer juristischen Person geschlossene Bestandvertrag wurde dabei als ein solcher auf bestimmte Dauer eingestuft, weil das Vertragsende nicht durch einen Kalendertag festgelegt sein musste, sondern auch vom Eintritt eines datumsmäßig ungewissen Ereignisses abhängig gemacht werden konnte ( Binder/Pesek in

Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1095 ABGB Rz 3 mwN).

Diese Judikatur,

die nur solchen Bestandverträgen die Verbücherungsfähigkeit zuerkannte, deren zeitliche Dauer bestimmt oder zumindest bestimmbar ist, akzeptiert auch die Vertragsklausel, innerhalb einer bestimmten Frist nicht zu kündigen, als ausreichende zeitliche Bindung

(

RIS Justiz RS0108658, RS0020445

[T3]).

Die Eintragung eines Bestandrechts ist demnach schon dann zuzulassen, wenn der Vermieter für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der Bestandliegenschaft für eine bestimmte Zeit auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die sein Rechtsnachfolger bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrags heranziehen könnte (RIS Justiz RS0108658).

2. An dieser Rechtsprechung wurde in der Lehre Kritik geübt. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass nicht die Befristung der Rechtsgrund für die Zulässigkeit der Verbücherung eines Bestandvertrags sei, sondern generell der nur unter anderem durch eine Befristung herbeigeführte vollständige oder vorübergehende Ausschluss des Bestandgeberrechts auf ordentliche Kündigung; der Bestandnehmer solle davor geschützt werden, die Bestandsache an den Erwerber des Bestandobjekts gemäß § 1120 ABGB zu einem früheren Zeitpunkt herausgeben zu müssen, als der Veräußerer sie ihm hätte abverlangen können, sodass auch die Verbücherung eines unbefristeten Bestandvertrags mit vertrag

lich verlängerter Kündigungsfrist oder abweichenden Kündigungsterminen sinnvoll sei (

Binder/Pesek aaO § 1095 ABGB Rz 4 mwN; vgl auch

Rassi

in Kodek , Grundbuchsrecht § 19 GBG Rz 19).

Der Oberste Gerichtshof schloss sich diesen Argumenten der Lehre mittlerweile ausdrücklich an. Entgegen der früheren Rechtsprechung ist daher ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag nach § 1095 ABGB schon dann verbücherungsfähig, wenn nur eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Bestandgebers vereinbart ist (5 Ob 90/06f

= RIS Justiz RS0108658 [T2] = RS0020445 [T4]; 5 Ob 138/08t). Die Verbücherung schützt den Bestandnehmer dahin, dass auch der Erwerber des Bestandobjekts an die vereinbarten Kündigungsbeschränkungen gebunden ist. Dieser vom Gesetzgeber intendierte Schutz des Bestandnehmers legt es nahe, die in § 1095 ABGB normierte Verbücherungsmöglichkeit auch auf solche Verträge auszudehnen (5 Ob 90/06f).

3. Der in diesem Zusammenhang richtungsweisenden Entscheidung 5 Ob 90/06f lag ein Sachverhalt zu Grunde, der mit dem vorliegenden insofern vergleichbar ist, als dort in dem zu verbüchernden, auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Unternehmenspachtvertrag festgehalten wurde, dass dieser Vertrag beiderseits unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 31. 3. eines jeden Jahres aufgekündigt werden könne, auf Seiten des Verpächters jedoch nur bei Vorliegen wichtiger Gründe iSd § 30 MRG bzw konkret genannter Auflösungsgründe. Auch hier enthält der die Eintragungsgrundlage bildende Mietvertrag solche vertraglichen Einschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten des Bestandgebers. So vereinbarten die Vertragsparteien die vertragliche Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen des MRG. Diese gehen dabei ausdrücklich davon aus, dass der Mietvertrag dem MRG an sich nicht unterliegt; ob im Hinblick auf die Vollausnahme von Ein und Zwei Objekthäusern iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG zu Recht, lässt sich auf Basis der Beschreibung und planlichen Darstellung des Mietgegenstands im Mietvertrag nicht abschließend beurteilen. Zudem aber kann das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverhältnis vereinbarungsgemäß nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten und jeweils nur zum 30. 6. und 31. 12. eines jeden Kalenderjahres, durch den Vermieter nur gerichtlich und nur bei Vorliegen einer der in § 30 Abs 2 MRG genannten Kündigungsgründe aufgekündigt werden. Nach der oben dargestellten neueren Rechtsprechung des Senats ist die Einverleibung des gegenständlichen Mietvertrags schon im Hinblick auf diese Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Bestandgebers zu bewilligen.

Einer Auseinandersetzung damit, ob die Judikatur, wonach für die Verbücherungsfähigkeit die bloße Bestimmbarkeit des Vertragsendes ausreicht, auch auf das Ende eines Kündigungsverzichts übertragen werden kann, und wenn ja, ob hier diese Bestimmbarkeit zu bejahen wäre, bedarf es daher nicht.

4. Der Revisionsrekurs erweist sich damit im Ergebnis als jedenfalls berechtigt. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher im Sinne der Bewilligung des Antrags abzuändern.