JudikaturJustiz5Ob186/17i

5Ob186/17i – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Christian M*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Robert Austaller, öffentlicher Notar in St. Pantaleon, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Liegenschaft EZ *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 27. Juli 2017, AZ 14 R 53/17w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mattighofen vom 14. Juni 2017, TZ 1812/2017, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts dahin abgeändert, dass der vom Rechtspfleger des Erstgerichts erlassene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung durch den Richter aufgetragen wird.

Text

Begründung:

Ob der Liegenschaft EZ ***** ist das Alleineigentum für Marga B*****, geboren am *****, mit der deutschen Adresse *****, einverleibt.

Der Antragsteller beantragte die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob dieser Liegenschaft sowie die Löschung einer Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens. Er legte einen Erbschein des Amtsgerichts Traunstein vom 16. 8. 2016 in beglaubigter Abschrift vor, wonach Marga B*****, geboren am *****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in ***** vom Antragsteller allein beerbt worden sei, dazu eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts und eine Einheits , Bodenwert und Grundstückswertberechnung.

Das Erstgericht wies – durch einen Diplomrechtspfleger – das Grundbuchsgesuch ab. Über die notwendige Form der die Eintragungsgrundlagen bildenden Urkunden entscheide das Registerrecht, also das Recht am Registerort. Gehe aus der Urkunde nicht hervor, welche Liegenschaft im Erbweg übergegangen sei, finde das Begehren auf Einverleibung in der Urkunde keine Deckung (§ 433 ABGB), eine solche Urkunde sei zur Gesuchsbewilligung nicht geeignet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Aus Absatz 18 der Vorbemerkungen der Verordnung (EU) Nr 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses (in der Folge: EuErbVO) ergebe sich, dass das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register (für unbewegliches Vermögen das Recht der gelegenen Sache) geführt wird, bestimmen solle, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen und wie die Eintragung vorzunehmen ist und ob die vorgelegten oder erstellten Unterlagen vollständig sind bzw die erforderlichen Angaben enthalten. Aus der österreichischen Rechtsordnung, namentlich aus § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG ergebe sich die Verpflichtung, jeden Grundbuchskörper, auf dem aufgrund der Einantwortung die Grundbuchsordnung herzustellen sein werde, in den Beschluss über die Einantwortung aufzunehmen. Diese Bestimmung sei zwingend. Der vorgelegte deutsche Erbschein, der keine Liegenschaft nenne, sei daher keine taugliche Urkunde für eine Eigentumseinverleibung. Die Auffassung, nach der deutschen Rechtsordnung sei die Aufnahme einer Liegenschaft in ein europäisches Nachlasszeugnis oder eine Erbenbescheinigung nicht statthaft, sei aufgrund einzelner vorgelegter deutscher Nachlasszeugnisse in anderen Fällen zu relativieren.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass im Fall der Verweigerung der Ausstellung eines Nachlasszeugnisses samt Angabe der Liegenschaft durch das zuständige Amtsgericht eine den Zielen der EuErbVO zuwider laufende Situation eintreten könnte und überdies höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Einverleibung mit Rücksicht auf § 33 Abs 1 GBG auch bloß aufgrund eines in Deutschland ausgestellten Erbscheins, der keine Bezeichnung der in Österreich gelegenen Liegenschaften enthalte, erfolgen könne.

Der Antragsteller beantragte in seinem Revisionsrekurs , die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinn einer Bewilligung des Grundbuchsgesuchs abzuändern. Der deutsche Erbschein sei eine öffentliche Urkunde der nach der EuErbVO zur Ausstellung zuständigen Behörde und in § 33 Abs 1 lit d GBG ausdrücklich als taugliche und zulässige Eintragungsgrundlage genannt. Der deutsche Erbschein bescheinige vergleichbar dem österreichischen Einantwortungsbeschluss die Erbenstellung und die Erbquote der darin Genannten nach der Verstorbenen. Die Aufnahme von Vermögenswerten in den deutschen Erbschein sei nach deutschem Recht nicht vorgesehen. In Deutschland habe das Oberlandesgericht Nürnberg bereits ausgesprochen, dass die Aufnahme einer Liegenschaft selbst in ein europäisches Nachlasszeugnis unzulässig sei, weil das deutsche Erbrecht die Angabe eines vollständigen Nachlassinventars oder auch nur die konkrete Bezeichnung einzelner in den Nachlass fallender Vermögensbestandteile ausschließe. § 433 ABGB sei nur auf den Erwerb einer Liegenschaft durch Vertrag anzuwenden und §§ 32 Abs 1 lit a und 33 Abs 1 lit a GBG forderten die genaue Angabe der Liegenschaft nur bei privaten und/oder öffentlichen Urkunden, die über Rechtsgeschäfte aufgenommen und errichtet worden seien, während die Verpflichtung der Aufnahme der Liegenschaft in andere öffentliche Urkunden in § 33 Abs 1 lit d GBG nicht vorgesehen sei. § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG sei eine rein innerösterreichische Norm, die das inländische Verlassenschaftsverfahren betreffe. Das Bestehen österreichischer Grundbuchsgerichte auf Aufnahme der österreichischen Liegenschaft in den deutschen Erbschein und/oder das europäische Nachlasszeugnis, die nach deutscher Rechtslage nicht möglich sei, bewirke, dass die ausländische Erbenbescheinigung und das europäische Nachlasszeugnis für Registereintragungen vollständig obsolet wären, was der EuErbVO und § 33 Abs 1 lit d GBG widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses ist ein schwerwiegender, einer Nichtigkeit gleichkommender Verfahrensmangel als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 1 GBG wahrzunehmen (§ 66 Abs 1 Z 1, § 58 Abs 4 Z 2 AußStrG), weil die Vorinstanzen den Richtervorbehalt nach § 16 Abs 2 Z 6 RpflG nicht beachtet haben:

1.1. Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn

1. aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht;

2. kein gegründetes Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden ist;

3. das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und

4. die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich sind.

1.2. Gemäß § 32 Abs 1 GBG müssen Privaturkunden, aufgrund derer eine Einverleibung stattfinden soll, außer den Erfordernissen nach §§ 26, 27 GBG (unter anderem) die genaue Angabe der Liegenschaft oder des Rechts, in Betreff deren die Einverleibung erfolgen soll enthalten (§ 32 Abs 1 lit a GBG). Gemäß § 33 Abs 1 GBG sind öffentliche Urkunden, aufgrund deren Einverleibungen stattfinden können:

a) die über Rechtsgeschäfte von einer öffentlichen Behörde oder von einem Notar innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse aufgenommenen Urkunden, wenn sie mit den in § 32 GBG vorgeschriebenen Erfordernissen versehen sind;

[…]

d) andere Urkunden, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde haben. Dahin gehören insbesondere rechtskräftige Erkenntnisse, Beschlüsse über bücherliche Einverleibungen und Löschungen zur Ausführung des Verteilungsbeschlusses (§ 237 EO), Amtsbestätigungen über die freiwillige Versteigerung einer Liegenschaft, die Einantwortungsbeschlüsse und Amtsbestätigungen der Verlassenschaftsgerichte (§§ 178 und 182 AußStrG), sowie europäische Nachlasszeugnisse und Erbenbescheinigungen von Behörden, die nach der EuErbVO zu ihrer Ausstellung zuständig sind.

3. Der Antragsteller strebt hier die Verbücherung seines Eigentumsrechts ob einer im Inland gelegenen Liegenschaft aufgrund eines Erbscheins eines deutschen Amtsgerichts an, der ihn als Alleinerben nach der Liegenschaftseigentümerin ausweist.

4. Für diese Beurteilung ist die am 17. 8. 2015 in Kraft getretene EuErbVO anzuwenden, zumal die grundbücherliche Eigentümerin nach den vorgelegten Urkunden ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und nach dem Inkrafttreten der Verordnung verstorben ist (Art 83 EuErbVO). Das Recht der Europäischen Union zählt zum österreichischen Rechtsbestand und ist nicht als ausländisches Recht anzusehen (5 Ob 108/17v = RIS-Justiz RS0125906 [T2]).

5. Die von den Vorinstanzen zitierten Vorbemerkungen zur Verordnung sind zwar zur teleologischen Auslegung der Verordnungsbestimmungen heranzuziehen ( Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer , IZVR, Vorbem zur EuErbVO Rz 4), ihnen selbst kommt allerdings keine Normenqualität zu. Kollisionsrechtlich ist vielmehr zunächst vom ausdrücklich in Art 23 Abs 1 EuErbVO geregelten allgemeinen Erbstatut auszugehen; dieses richtet sich entweder nach einer – hier nicht aktenkundigen – Rechtswahl (Art 22 EuErbVO) oder mangels einer solchen primär nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (Art 21 Abs 1 EuErbVO), lediglich ausnahmsweise im Fall einer offensichtlich engeren Verbindung zu einem anderen als dem Aufenthaltsstaat nach dem Recht dieses Staats (Art 21 Abs 2 EuErbVO), wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen. Dem allgemeinen Erbstatut unterliegen gemäß Art 23 Abs 2 lit a EuErbVO etwa die Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie dessen Zeitpunkt und Ort, darunter fällt auch die erbrechtliche Umschreibung des Nachlasses (iSd §§ 531, 548 ABGB – Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer , IZVR Art 23 EuErbVO Rz 4). Ebenso regelt das Erbstatut (Art 23 Abs 2 lit e EuErbVO) den Übergang der zum Nachlass gehörenden vermögenswerten Rechte und Pflichten auf die Erben, somit in welchem Zeitpunkt, in welcher Form (ex lege oder durch gerichtliche Entscheidung) und unter welchen Voraussetzungen mit welchen Wirkungen der Nachlass oder auch Teile davon auf die Berechtigten übergehen bzw Ansprüche fällig werden ( Traar aaO Rz 10; Mankowski in Deixler Hübner/Schauer , EuErbVO Art 23 Rz 46 ff). Zur Beurteilung jedenfalls dieser Fragen wird hier somit materiell deutsches Recht anzuwenden sein.

6. Art 1 Abs 2 lit 1 EuErbVO nimmt vom Anwendungsbereich der Verordnung (somit auch dem Erbstatut) jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung sowie die Wirkung der Eintragung oder fehlenden Eintragung solcher Rechte in dem Register aus. Nach dem insoweit klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist damit etwa die Vorfrage, ob die Liegenschaft dem Erblasser sachenrechtlich gehörte, jedenfalls nach österreichischem Recht zu lösen (§ 31 IPRG; Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer , IZVR Art 1 EuErbVO Rz 7), ebenso soll sich die formelle Seite der Registereintragung, also das behördliche Registerverfahren selbst nach dem von den Vorinstanzen zitierten Erwägungsgrund 18 zur EuErbVO nach der lex rei sitae richten ( Rudolf/Zöchling-Jud/Kogler in Rechberger/Zöchling Jud , Die EU Erbrechtsverordnung in Österreich [2015], Kap III Rz 254). Dies gilt hingegen nicht für die – im nationalen Registerrecht gar nicht geregelte – Frage, ob die Rechte an der Liegenschaft überhaupt Gegenstand des Erbrechts sind und gegebenenfalls auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt der Erbe den Nachlass erwirbt. Insoweit ist vielmehr das Erbstatut gemäß Art 23 Abs 1 EuErbVO anzuwenden, das hier auf deutsches Erbrecht verweist (so auch Rudolf/Zöchling-Jud/Kogler in Rechberger/Zöchling Jud aaO Rz 260). § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen als bloße Anweisung an das österreichische Verlassenschaftsgericht anzusehen, die vorgibt, was in einen Einantwortungsbeschluss aufzunehmen ist ( Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 178 Rz 1). Einen solchen kennt das nach dem Erbstatut hier anzuwendende deutsche Recht allerdings nicht und als Vorschrift des formellen Registerrechts iSd Art 1 Abs 2 lit 1 EuErbVO kann diese Bestimmung auch unter Berücksichtigung des Abs 18 der Vorbemerkungen zur EuErbVO nicht gewertet werden.

7. Ein europäisches Nachlasszeugnis mit den Wirkungen des Art 69 EuErbVO (wie etwa der Legitimationswirkung in Bezug auf die Stellung des Antragstellers als Erbe des Liegenschaftseigentümers) wurde hier nicht vorgelegt. Nach Art 62 Abs 2 EuErbVO ist die Verwendung des europäischen Nachlasszeugnisses allerdings nicht verpflichtend, sodass der Nachweis der Erbenstellung grundsätzlich auch durch Vorlage einer deutschen Erbenbescheinigung des zuständigen Amtsgerichts in Betracht käme, die – unter Berücksichtigung des Art 4 EuErbVO, wonach die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für Entscheidungen über den gesamten Nachlass zuständig sind – als Erbenbescheinigung iSd § 33 Abs 1 lit d GBG zu werten ist. Auch die Frage nach den Rechtswirkungen des deutschen Erbscheins – hinsichtlich dessen in der Lehre umstritten ist, ob es sich dabei um eine anzuerkennende Entscheidung iSd Art 39 ff EuErbVO oder um eine anzunehmende öffentliche Urkunde iSd Art 59 EuErbVO handelt (siehe hiezu die Literaturnachweise bei Köllensperger, Deutsch-Österreichischer Erbfall: Der Weg zum [ehemals] diskreten Bankkonto, NZ 2015/81 FN 137) – ist aber nach dem Erbstatut, somit nach Art 23 EuErbVO und daher nach deutschem Recht zu beurteilen (vgl Rechberger/Kieweler in Rechberger/Zöchling Jud , Die EU Erbrechtsverordnung in Österreich [2015], Rz 90).

8. Gemäß § 16 Abs 2 Z 6 RpflG bleiben – auch in Grundbuchsachen – dem Richter Entscheidungen vorbehalten, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist, wobei es für das Wirksamwerden des Richtervorbehalts nach dieser Bestimmung ausreicht, dass die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer ausländischen Rechtsvorschrift zumindest in Betracht kommt (RIS Justiz RS0125906; Hoyer , Anm zu 5 Ob 184/08g = NZ 2009/736 [GBSlg]; 5 Ob 208/09p = NZ 2010/92 [ Hoyer ]; 5 Ob 108/17v). Nach obigen Ausführungen ist hier von der Notwendigkeit der Anwendung nicht nur der zum österreichischen Rechtsbestand gehörigen EuErbVO, sondern aufgrund des dort angeordneten Kollisionsrechts auch des materiellen deutschen Erbrechts auszugehen.

9. Ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, leiden an Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO, sodass ein solcher Beschluss im Fall seiner Anfechtung aufzuheben ist. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen (RIS Justiz RS0007465 [T2]). Nunmehr folgt diese Konsequenz (auch) aus § 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG und § 75 Abs 2 GBG (RIS Justiz RS0007465 [T10]; 5 Ob 108/17v), wobei das Außerstreitgesetz den Begriff der Nichtigkeit vermeidet. Eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof scheidet in der gegebenen Konstellation allerdings aus (5 Ob 208/09b; 5 Ob 108/17v).

Rechtssätze
2
  • RS0007465OGH Rechtssatz

    28. Februar 2023·3 Entscheidungen

    Nach ständiger Rechtsprechung des OGH leidet ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, an einer Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Ein solcher Beschluss ist daher im Falle seiner Anfechtung aufzuheben. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen. Entscheidungen des Rechtspfleger sind aber auch dann, wenn sie wegen Überschreitung der Entscheidungsbefugnis des Rechtspflegers nichtig sind, keineswegs wie "Nichturteile" ("Nichtbeschlüsse") rechtsunwirksam. Auch ein vom Rechtspfleger in Überschreitung seiner Kompetenz erlassener Beschluss ist daher der formellen Rechtskraft fähig und erwächst, wenn er nicht oder bloß mit einem unzulässigen Rechtsmittel angefochten wird, in Rechtskraft. In einem solchen Fall liegt nach Ablauf seiner Anfechtungsfrist ein rechtskräftiger Beschluss des Gerichtes vor, als dessen Organ der Rechtspfleger tätig geworden war. Wenn mit dieser Beschlussfassung das Verfahren abgeschlossen ist, ist auch die amtswegige Wahrnehmung der dem Beschluss anhaftenden Nichtigkeit - abgesehen vom Fall des § 42 Abs 2 JN - ausgeschlossen. Es kann sich daher auch von diesen Zeitpunkt an niemand auf die Nichtigkeit dieses Beschlusses berufen.