JudikaturJustiz5Ob185/99p

5Ob185/99p – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Mursin C*****, vertreten durch Mag. Franz Rötzer, Mietervereinigung Österreichs, Spengergasse 32, 1050 Wien, wider die Antragsgegner 1. Dr. Franz S*****, 2. Elzbieta S*****, beide vertreten durch Dr. Lukas Kozak, Rechtsanwalt in Wien, 3. Dr. Erzsebet K*****, 4. Esam A***** G*****,

5. E***** R***** GmbH, ***** wegen § 37 Abs 1 Z 1, 8 und 14 MRG, infolge Revisionsrekurses der Erst- und Zweitantragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. März 1999, GZ 40 R 623/98h-50, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. April 1997, GZ 54 Msch 109/94w-28, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin brachte vor, sie sei Mieterin der Wohnung top Nr 11a in dem den Antragsgegnern gehörigen Haus ***** in*****. Sie habe am 9. 3. 1992 mit der Fünftantragsgegnerin einen sogenannten Untermietvertrag abgeschlossen. Dabei liege jedoch ein Scheingeschäft mit Umgehungsabsicht gemäß § 2 Abs 3 MRG vor. Die monatliche Miete in Höhe von S 5.500 bezahle sie an die Drittantragsgegnerin bzw den Viertantragsgegner. Die Wohnung sei nur 30 m**2 groß und der Kategorie D zuzuordnen.

Anläßlich des Abschlusses eines Mietvertrages habe sie an die Fünftantragsgegnerin einen Betrag von S 12.000 bezahlt, dem keine gleichwertige Gegenleistung gegenübergestanden sei. Es handle sich dabei um eine ungültige und verbotene Vereinbarung.

Die Antragstellerin begehrte daher festzustellen, dass ihr hinsichtlich der genannten Wohnung Hauptmietrechte zukämen, sowie den Antragsgegnern aufzutragen, den Gesamtmietzins aufzuschlüsseln, festzustellen, um welche Beträge die Antragsgegner durch die Einhebung von S 5.500 monatlich das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten und gemäß § 37 Abs 4 MRG die Antragsgegner zur Rückzahlung zuviel bezahlter Beträge zu verpflichten. Weiters begehrte die Antragstellerin, den Antragsgegnern die Rückzahlung des aufgrund einer verbotenen Vereinbarung bezahlten Betrages von S 12.000 aufzutragen.

Dabei richtete sie sämtliche Begehren gegen alle fünf Antragsgegner. In der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle vom 10. 3. 1994 wurde im Protokoll festgehalten, dass von August 1992 bis November 1992 die Drittantragsgegnerin, von Dezember 1992 bis Jänner 1994 der Viertantragsgegner und ab Februar 1994 der Erstantragsgegner "Vermieter" sei bzw gewesen sei.

Die Schlichtungsstelle für den 5. Bezirk trug der Fünftantragsgegnerin auf, der Antragstellerin den Betrag von S 12.000 sA zu bezahlen, stellte diverse Mietzinsüberschreitungen im Zeitraum März 1992 bis Juli 1993 fest und trug den Dritt-, Viert- und Fünftantragsgegnern die Rückzahlung zuviel bezahlter Mietzinse auf.

Gegen diese Entscheidung riefen nur die Dritt- und Fünftantragsgegnerin gemäß § 40 Abs 1 MRG das Gericht an.

Das Erstgericht ging in der Folge davon aus, dass das gerichtliche Verfahren nur hinsichtlich der Dritt- und Fünftantragsgegner fortzusetzen sei. Im Übrigen liege Teilrechtskraft der Entscheidung der Schlichtungsstelle vor. Mit Sachbeschluss wies das Erstgericht in der Folge sämtliche Anträge hinsichtlich der Dritt- und Fünftantragsgegnerin mit der Begründung ab, mit der Antragstellerin seien bloß Mietverträge abgeschlossen worden, deren vertragsmäßige Dauer ein halbes Jahr nicht überstiegen habe. Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 MRG falle daher das mit der Antragstellerin begründete Rechtsverhältnis nicht in den Schutz des MRG.

Dagegen erhob die Antragstellerin Rekurs an das Landesgericht für ZRS Wien. Sie vertrat darin im Wesentlichen die Ansicht, die Rechtsfolge der Anrufung des Gerichtes nach § 40 Abs 1 erster Satz MRG sei, dass, gleich worüber die Schlichtungsstelle entschieden habe und gleich wer das Gericht angerufen habe, der Gesamtkomplex des Verfahrens in die gerichtliche Zuständigkeit übergehe. Sie beantragte Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinn einer gänzlichen Stattgebung ihrer Anträge, in eventu, Aufhebung des Sachbeschlusses zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht.

Das Rekursgericht teilte diese Rechtsansicht der Antragstellerin und führte aus, dass eine Teilrechtskraft der Entscheidung der Schlichtungsstelle nur dann in Betracht komme, wenn bei einer teilbaren Entscheidung ausdrücklich nur gegen bestimmte Teile der Entscheidung das Gericht angerufen werde. Eine solche Teilbarkeit liege hier aber nicht vor. Die Antragstellerin habe sowohl ihr Begehren auf Anerkennung als Hauptmieterin als auch das Begehren auf Rückzahlung einer verbotenen Ablöse und ihre Mietzinsüberprüfungs- und Rückzahlungsbegehren gegen alle fünf Antragsgegner gerichtet. Solange nicht feststehe, welcher der Antragsgegner mit welchem Teilbetrag für die Rückzahlung der Ablöse und der entgegengenommenen Mietzinse einzustehen habe, sei das Verfahren gegen alle fünf Antragsgegner fortzuführen. Auch sei noch nicht geklärt, ob der Antragstellerin Hauptmietereigenschaft und bejahendenfalls wem gegenüber zukomme. Das Rekursgericht hob daher die erstgerichtliche Entscheidung auf und trug eine neuerliche Entscheidung nach ergänzender Verhandlung über die Sachanträge der Antragsteller auf.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Gericht zweiter Instanz für zulässig, weil zur Frage der Teilbarkeit von Mietzinsüberprüfungsanträgen in Zusammenhang mit § 40 MRG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Erst- und Zweitantragsgegner, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist. Er ist jedoch nicht berechtigt.

§ 40 Abs 1 erster Satz MRG gesteht jeder Verfahrenspartei, die sich mit der Entscheidung der Gemeinde nicht zufrieden gibt, das Recht zu, "die Sache" bei Gericht anhängig zu machen. Durch die Anrufung des Gerichts tritt "die Entscheidung der Gemeinde" außer Kraft. Damit wird eine sukzessive Zuständigkeit insofern bewirkt, als mit der rechtzeitigen Anrufung des Gerichts gegen eine Entscheidung der Schlichtungsstelle diese außer Kraft tritt. Im Zweifel wird damit das gesamte, bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren bei Gericht anhängig, die Schlichtungsstelle hat, sobald das Begehren bei Gericht eingebracht wurde, das Verfahren einzustellen. Nur ausnahmsweise, bei ausdrücklicher Abziehung nur eines Teils des Antrags oder aber bei ihrem Wesen nach voneinander unabhängigen Anträgen kommt überhaupt eine Teilabziehung - und damit eine Teilrechtskraft der Entscheidung der Schlichtungsstelle - in Betracht (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 1 zu § 40 MRG; 5 Ob 190/98x; 5 Ob 4/97t).

In diesem Zusammenhang wurde bereits erkannt, dass eine Kumulierung von Anträgen nach § 37 Abs 1 Z 8, 9 und 14 MRG im Fall einer Pauschalmietzinsvereinbarung als Einheit zu werten ist und daher eine Teilabziehung an das Gericht nicht in Betracht kommt (5 Ob 190/98x). Im Fall eines auf § 27 MRG gestützten Begehrens, das gegen drei Antragsgegner gerichtet war, wurde, weil noch nicht feststand, welcher der Antragsgegner welche Teilbeträge davon erhalten hatte, ebenfalls eine "prozessuale" Teilbarkeit des Anspruchs verneint. Obwohl nur einer der Antragsgegner das Gericht angerufen hatte, ging die Zuständigkeit hinsichtlich aller Antragsgegner auf das Gericht über (5 Ob 4/97t). Sei ein bei der Schlichtungsstelle gestelltes Begehren eindeutig darauf gerichtet, jeden der Antragsgegner zur Zurückzahlung desjenigen Teilbetrags der vom Antragsteller insgesamt geleisteten Ablösesumme zu verhalten, der ihm tatsächlich zugekommen sei, sei ein solches Begehren gerade nicht die zufällige Kumulierung von drei gegen verschiedene Personen gerichteten Rückzahlungsbegehren, die ebenso gut auch getrennt gestellt hätten werden können. Gerade das gegenüber dem streitigen Zivilprozess weniger formstrenge Außerstreitverfahren solle die Einbeziehung solcherart möglicherweise leistungspflichtiger Personen in das Verfahren ermöglichen, auch wenn sich konkret erst bei Verfahrensbeendigung die wahre Passivlegitimation aller oder nur einzelner Antragsgegner herausstellen werde. Um diese Vorteile des besonderen Außerstreitverfahrens nach § 37 MRG zu gewährleisten, müsse im Fall des Begehrens einer Rückzahlung gegen mehrere Antragsgegner, von denen noch nicht feststehe, wer tatsächlich zur Rückzahlung zu verpflichten sei, das gesamte Verfahren vor Gericht neu aufgerollt werden können, wenn auch nur einer der Antragsgegner das Gericht angerufen habe. Damit gehe die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle hinsichtlich aller Antragsgegner auf das Gericht über (vgl 5 Ob 4/97t).

Diese Ausführungen sind auch auf den gegenständlichen Fall insoweit anzuwenden, als die Antragstellerin zwar die Zahlung der Ablöse an die Fünftantragsgegnerin behauptet, jedoch alle fünf Antragsgegner mit ihrem Rückzahlungsbegehren in Anspruch nimmt.

Sinngemäß dasselbe hat für das Begehren der Antragstellerin auf Anerkennung als Hauptmieterin zu gelten. Dieses wurde keineswegs von der Schlichtungsstelle erledigt, sodass von Teilrechtskraft schon aus diesem Grund keine Rede sein kann. Im Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG kommt aber sämtlichen Miteigentümern sowie dem formellen Untermieter Parteistellung zu (MietSlg 46.452; 35.428/18 ua), sodass, bevor die Rechtsposition der einzelnen Antragsgegner nicht feststeht, ebenfalls eine Teilrechtskraft nicht in Frage kommt. Auch hier ist geboten, zur Ermöglichung einer einheitlichen Entscheidung gegen alle materiell Legitimierten von einer Unteilbarkeit der Entscheidung auszugehen.

Was nun den Mietzinsüberprüfungsantrag der Antragstellerin betrifft, hat die Schlichtungsstelle erkennbar eine Entscheidung gegen alle fünf Antragsgegner getroffen, nach Zeiträumen gegliedert bestimmte Überschreitungen festgestellt und entsprechende Rückzahlungsaufträge erteilt.

Den Rekurswerbern ist zuzugestehen, dass im Fall eines Mietzinsüberprüfungsbegehrens gegen verschiedene Antragsgegner, verschiedene Zeiträume betreffend grundsätzlich kumulierende Begehren denkbar sind, die es zuließen, sie getrennt zu betrachten und daher getrennt zu erledigen.

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass die Antragstellerin bei Fassung ihres verfahrenseinleitenden Antrages nicht angeben konnte, wer der Antragsgegner zu welchem Zeitpunkt nomineller "Hauptmieter" und Hauseigentümer war bzw in welcher Funktion welcher der Antragsgegner von ihr Zahlungen entgegennahm. Sie hat daher gegen alle fünf Antragsgegner ihr Begehren auf Feststellung der Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses und Rückforderung zuviel bezahlter Beträge gerichtet. Auch hier gilt, dass sich konkret erst nach Verfahrensbeendigung die wahre Passivlegitimation aller oder nur einzelner Antragsgegner herausstellen kann. Konsequenterweise muss daher auch hier, wenn nur ein Teil der Antragsgegner das Gericht anruft, die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle hinsichtlich aller Antragsgegner auf das Gericht übergehen. Diese Rechtsfolge entspricht auch der Vorschrift des § 40 Abs 1 Satz 1 MRG, wonach die Partei, die sich mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden gibt, die "Sache" bei Gericht anhängig machen kann. "Sache" im Sinn dieser Gesetzesstelle ist bei der hier gegebenen Fallgestaltung das untrennbar gegen alle fünf Antragsgegner gerichtete Mietzinsüberprüfungs- und Rückzahlungsbegehren.

Anders läge der Fall nur, wenn die Antragstellerin bereits in ihrem Antrag klargestellt hätte, dass sie bestimmte Antragsgegner nur für bestimmte Zinszahlungsperioden in Anspruch nimmt.

Es hat daher bei der vom Rekursgericht verfügten Aufhebung und dem Auftrag an das Erstgericht zu verbleiben, den gesamten Antrag der Antragstellerin meritorisch zu erledigen.

Der Rekurs der Erst- und Zweitantragsgegner war daher nicht berechtigt.

Rechtssätze
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