JudikaturJustiz5Ob155/19h

5Ob155/19h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin D*****, vertreten durch Eberl Hubner Krivanec Ramsauer Partner Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin G*****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 Abs 1 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 12. Juni 2019, GZ 22 R 155/19a 22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung des Hauptmietzinses für die von der Antragstellerin im Haus der Antragsgegnerin gemieteten Ordinationsräume. Im Revisionsrekursverfahren ist nur mehr die Frage strittig, ob die Antragstellerin im Sinn des § 16 Abs 1 Z 1 MRG rügepflichtig gewesen wäre oder die Anmietung der Ordination noch ein Gründungsgeschäft im Sinn des § 1 Abs 3 KSchG war.

Das Erstgericht verneinte eine Rügepflicht, stellte die Unwirksamkeit des vereinbarten monatlichen Hauptmietzinses von 770 EUR sowie einen gesetzlich zulässigen Hauptmietzins von 616,31 EUR, jeweils netto fest und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Rückzahlung der überhöht geleisteten Beträge.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige, und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Nach gesicherter Rechtsprechung (RS0109568) sind die Unternehmerbegriffe in § 1 KSchG und § 16 Abs 1 Z 1 letzter Satz MRG gleichzusetzen, sodass ein Mietvertragsabschluss, der Gründungsgeschäft eines angehenden Unternehmers ist, eine Mietzinsüberprüfung nach Maßgabe des § 16 Abs 1 Z 1 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG auch ohne unverzügliche Rüge des (künftigen) Unternehmers erlaubt.

1.2. Unternehmen ist gemäß § 1 Abs 2 KSchG jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, auch wenn sie nicht auf Gewinn gerichtet ist. Der Unternehmerbegriff des KSchG ist daher weiter als derjenige des UGB, weil auch nicht kaufmännische Unternehmer – wie etwa die Angehörigen der freien Berufe – erfasst sind ( Kathrein/Schoditsch in KBB 5 § 1 KSchG Rz 5; RS0061157 [T5]). Eine Analogie des Unternehmerbegriffs in § 16 Abs 1 Z 1 MRG zum Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes wird wegen des andersartigen Regelungszwecks dieses Gesetzes abgelehnt (RS0109569); auch die Judikatur des VwGH zu § 23 EStG ist für den Unternehmerbegriff nach § 1 Abs 2 UGB und § 1 Abs 2 KSchG irrelevant (6 Ob 203/11p).

1.3. Als Gründungsgeschäft iSd § 1 Abs 3 KSchG sind Geschäfte anzusehen, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebs ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt. Diese zählen nach § 1 Abs 1 Z 1 KSchG noch nicht zu diesem Betrieb (RS0065176 [T3]), wobei diese Ausnahmeregelung nicht nur das erste Gründungsgeschäft des zukünftigen Unternehmers, sondern alle zur Aufnahme des Betriebs erforderlichen Geschäfte (RS0117660 [T1]) und auch Dauerschuldverhältnisse erfasst (RS0065176 [T7]; jüngst 5 Ob 47/19a). Inhaltlich ist ein Gründungsgeschäft ein solches, das der Ingangsetzung des Unternehmens dient. In zeitlicher Hinsicht kann ein Gründungsgeschäft dann nicht mehr geschlossen werden, wenn der Unternehmer die eigentlichen Unternehmensgeschäfte zu schließen und abzuwickeln beginnt (RS0065176 [T8, T9, T10, T11]). Demgemäß wurde etwa die Anmietung eines Geschäftslokals samt Kauf der Fitnessgeräte durch ein Fitnesscenter (3 Ob 180/02w) oder aber zum Zweck der (erstmaligen) Aufnahme des Betriebs einer Bar (5 Ob 47/19a) jeweils als Gründungsgeschäft gewertet. Es sind jeweils die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung maßgeblich (vgl RS0065317 [T3]; 5 Ob 155/10w; 2 Ob 154/12d [jeweils zur Unternehmereigenschaft eines Vermieters]).

2.1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientieren sich an diesem von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen und bedürfen daher keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Nach den Feststellungen war die Antragstellerin bei Abschluss des Mietvertrags zwar bereits Ärztin für Allgemeinmedizin, sie mietete das Objekt allerdings nach (erstmaligem) Erhalt eines Kassenvertrags und der Genehmigung des Standorts zum Zweck der Ausübung der selbständigen Tätigkeit an. Zuvor war sie als Schulärztin und Arbeitsmedizinerin in einem Angestelltenverhältnis tätig, ihre „selbständige“ Tätigkeit beschränkte sich auf tageweise Aushilfsarbeiten in einer anderen Ordination.

2.2. Das Argument der Antragsgegnerin, derjenige, der Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehe, sei zwingend Unternehmer im Sinn des § 1 KSchG, widerspricht der ständigen Rechtsprechung, die eine Analogie des Unternehmensbegriffs in § 16 Abs 1 Z 1 MRG zu demjenigen in Steuergesetzen ablehnt (RS0109569). Wenn die Vorinstanzen die Vertretungstätigkeit der Antragstellerin in einer einzigen Ordination als (fallweise) Aushilfe nicht als unternehmerische Tätigkeit werteten, ist dies keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dass die Antragstellerin vor der Anmietung der Ordinationsräumlichkeiten ein Unternehmen im Sinn einer organisierten Erwerbsgelegenheit als selbständige Vertretungsärztin geführt hätte, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt gerade nicht. Die (steuerrechtliche) Beurteilung ihrer Honorareinnahmen als solche aus selbständiger Tätigkeit hiefür als nicht ausschlaggebend zu werten, hält sich im Rahmen bisheriger Rechtsprechung.

3. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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