JudikaturJustiz5Ob153/17m

5Ob153/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. E*****M*****, vertreten durch Mag. Hubert Arnold, Mietervereinigung Österreichs, 2. P***** K***** GmbH, *****, gegen die Antragsgegnerinnen 1. T***** GmbH, *****, 2. K***** GmbH, *****, 3. V***** AG Co AG, *****, 4. W***** GmbH, *****, 5. P***** GmbH, *****, 6. Eigentümergemeinschaft *****, Zweit und Fünftantragsgegnerinnen vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, Dritt und Viertantragsgegnerinnen vertreten durch Engin Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 Abs 1 MRG, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Zweit bis Fünftantragsgegnerinnen gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. Mai 2017, GZ 39 R 43/17p 68, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. Dezember 2016, GZ 45 Msch 26/13d 60, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 In den in § 37 Abs 1 MRG genannten außerstreitigen Verfahren stellt die Vorschaltung der Schlichtungsstelle eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für die Befassung der Gerichte dar. Wurde die Schlichtungsstelle mit der „Sache“ nicht befasst, liegt eine Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs vor (RIS Justiz RS0006307; RS0070782), die von Amts wegen wahrzunehmen ist (5 Ob 73/11p; 5 Ob 57/14i ua). Das hat zur Folge, dass der vor der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt vor Gericht nicht erweitert werden darf (RIS Justiz RS0109931).

1.2 Für die Identität der „Sache“ kommt es entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird. Dabei ist auf den das Verfahren vor der Schlichtungsstelle einleitenden Sachantrag abzustellen und nach der zweitgliedrigen Streitgegenstandstheorie zu beurteilen, ob es sich im konkreten Fall um dieselbe „Sache“ handelt (dazu RIS Justiz RS0070055 [T4, T5]; RS0109931 [T1]; vgl auch T . Klicka in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 39 MRG Rz 9; Würth/Zingher / Kovanyi , Miet und Wohnrecht²³ § 39 MRG Rz 2).

2.1 Die Erstantragstellerin hat in ihrem vor der Schlichtungsstelle eingebrachten Sachantrag gemäß §§ 3 und 6 MRG, dem sich in weiterer Folge der Zweitantragsteller anschloss, die Instandsetzung der Aufzugsanlage im Haus eingefordert und dazu geltend gemacht, dass es sich dabei um Arbeiten zur ordnungsgemäßen Erhaltung des Hauses handle. Die Schlichtungsstelle hat mit ihrer Entscheidung unter anderem den Revisionsrekurswerberinnen die Durchführung im einzelnen konkret aufgelisteter Arbeiten zur Instandsetzung des ursprünglich im Jahr 1913 errichteten Lifts aufgetragen. Nachdem die Zweitantragstellerin im gerichtlichen Verfahren ihr Begehren entsprechend modifiziert hatte, sprachen die Vorinstanzen demgegenüber aus, dass die Zweit bis Sechstantragsgegnerinnen verpflichtet seien, den aus dem Jahr 1913 stammenden Lift abzubauen und eine neue Aufzugsanlage zu errichten, weil eine Sanierung der alten Anlage unwirtschaftlich wäre. Auch noch im Revisionsrekursverfahren vertreten die Antragsgegnerinnen dazu die Auffassung, die im gerichtlichen Verfahren vorgenommene Änderung des Begehrens begründe gegenüber dem Antrag vor der Schlichtungsstelle einen anderen Verfahrensgegenstand und leiten daraus eine Nichtigkeit bzw eine Mangelhaftigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen ab. In ihren Rechtsrügen wiederholen sie diese Argumentation.

2.2 Die Revisionsrekurswerberinnen erkennen selbst, dass an die Bestimmtheit eines Begehrens in einem außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG im Allgemeinen keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl dazu RIS Justiz RS0070562). Das wird bei einem auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten (§ 3 Abs 2 MRG) gerichteten Antrag damit begründet, dass der Mieter oft nur oberflächliche Schäden bemerke und mangels genauer Kenntnis ihres Umfangs und ihrer Ursachen nur vermuten könne (vgl 5 Ob 220/00i).

2.3 Dem § 3 MRG liegt ein dynamischer Erhaltungsbegriff zugrunde (dazu T . Hausmann / O . Riss aaO Rz 8a), sodass auch eine den wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten entsprechende Erneuerung (Verbesserung) schadhaft gewordener Teile des Hauses Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 MRG ist (RIS Justiz RS0070000 [T3; T4]; siehe auch T . Hausmann / O . Riss in Hausmann / Vonkilch aaO § 3 MRG Rz 9a mwN). Diese Rechtsprechung hat die Schaffung eines adäquaten Ersatzes (den substanzerhaltenden Austausch) zum Gegenstand.

Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten an bestehenden Anlagen gehören damit noch zur Erhaltung, selbst wenn es dadurch zu einer vollständigen Erneuerung kommt oder sogar Veränderungen vorgenommen werden müssen (RIS Justiz RS0114109).

Für Gemeinschaftsanlagen – wie hier Personenaufzüge – normiert § 3 Abs 2 Z 3 zweiter Halbsatz MRG den in der Judikatur zu Erhaltungsarbeiten allgemein vertretenen Grundsatz, dass der Ersatz einer nur mit unwirtschaftlichem Aufwand reparaturfähigen Anlage durch eine gleichartige neue noch Erhaltung (und nicht Verbesserung) darstellt.

2.4 Bereits vor der Schlichtungsstelle haben die Antragsteller die Durchführung von Erhaltungsarbeiten mit dem erkennbaren Ziel begehrt, die Aufzugsanlage in einen funktionsfähigen, den zeitgemäßen technischen Anforderungen entsprechenden Zustand zu versetzen, und nicht bloß, wie die Zweit und Fünftantragsgegnerinnen behaupten, lediglich die Durchführung einzelner, detailliert beschriebener Maßnahmen geltend gemacht. Gegenstand des Antrags waren daher allgemein Erhaltungsarbeiten an der Gemeinschaftsanlage iSd § 3 Abs 2 Z 3, sodass die Modifikation des Antrags im gerichtlichen Verfahren keine Änderung des Verfahrensgegenstands bewirken konnte. Es begründet daher auch keine Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht die Identität der „Sache“ annahm und die Zulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs für den modifizierten Antrag bejahte.

2.5 Die Entscheidung der Vorinstanzen entsprechen dem zulässig modifizierten Sachantrag. Fragen zu § 405 ZPO (zu dessen sinngemäßen Anwendung im Verfahren außer Streitsachen: 8 Ob 91/07a), weil über ein Aliud entschieden worden wäre, stellen sich damit nicht. Dass sich die neu zu errichtende Aufzugsanlage an den örtlichen Gegebenheiten – konkret dem Stiegenhaus, in dem sich der stillgelegte Lift befindet – zu orientieren hat, ist Folge der aufgetragenen Erhaltungsarbeit und führt nicht dazu, dass die Vorinstanzen mehr zugesprochen hätten, als begehrt war.

3. Die Auslegung eines Exekutionstitels hat sich zwar primär am Wortlaut des Spruchs zu orientieren; es kann aber auch die Begründung einbezogen werden (RIS Justiz RS0000296 [T6]). Ausgehend davon besteht kein Zweifel, dass die im Spruch angeordnete Leistungsfrist auf die angeordnete Erhaltungsarbeit in ihrer Gesamtheit abzielt. Die Ausführungen der Viert und Fünftantragsgegnerinnen zur Unbestimmtheit des Spruchs sind damit nicht nachvollziehbar.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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