JudikaturJustiz5Ob142/94

5Ob142/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. P***** GesmbH, ***** und 2. Ing.Helmut B*****, Kaufmann, ***** beide vertreten durch Dr.Klaus Braunegg ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Einverleibung von Dienstbarkeiten und Reallasten ob der Baurechtseinlage EZ ***** und ob der EZ ***** je des Grundbuches *****, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 30.September 1994, AZ 46 R 2021/94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 8.März 1994, TZ 1256/94, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Aufgrund der Vereinbarung vom 18. und 20.8.1993, Beil./A, und der Amtsbestätigung des Handelsgerichtes Wien vom 22.2.1994, HRB 15803, Beil./B, werden im Grundbuch ***** nachstehende Eintragungen bewilligt:

1. ob der der P***** GesmbH alleingehörigen Baurechtseinlage EZ *****

a) im A 2 Blatt die Ersichtlichmachung des Rechtes der Duldung der Errichtung und des Betriebes einer Erdgas-Zuleitung auf Grundstück ***** der EZ *****;

b) im C-Blatt zugunsten EZ ***** mit dem Grundstück ***** die Einverleibung

aa) der Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung und des Betriebes einer Erdgas-Reduzierstation auf EZ *****;

bb) der Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung und des Betriebes einer Erdgas-Leitung von der Erdgas-Reduzierstation zum Grundstück ***** der EZ *****;

cc) der Reallast der gemeinsam mit der EZ ***** durchzuführenden Errichtung, Erhaltung, Wartung und Instandsetzung sowie des Betriebes der Erdgas-Reduzierstation samt Zuleitung einschließlich der anteiligen Tragung der damit verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben zur Hälfte;

2. ob der dem Ing.Helmut B*****, geb. 10.8.1940, allein gehörigen Liegenschaft EZ ***** mit dem Grundstück *****

a) im A2 Blatt die Ersichtlichmachung

aa) des Rechtes der Duldung der Errichtung und des Betriebes einer Erdgas-Reduzierstation samt Zuleitung auf EZ *****;

bb) des Rechtes der Duldung der Errichtung und des Betriebes einer Erdgas-Leitung von der Erdgas-Reduzierstation auf der EZ ***** zum Grundstück ***** der EZ *****;

b) im C-Blatt zugunsten EZ ***** die Einverleibung

aa) der Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung und des Betriebes einer Erdgas-Zuleitung vom öffentlichen Gut zur Erdgas-Reduzierstation auf der EZ ***** über das Grundstück *****;

bb) der Reallast der gemeinsam mit der EZ ***** durchzuführenden Errichtung, Erhaltung, Wartung und Instandhaltung sowie des Betriebes der Erdgas-Reduzierstation auf EZ ***** samt Zuleitung einschließlich der anteiligen Tragung der damit verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben zur Hälfte;

Hievon werden verständigt:

1. P***** GmbH, *****;

2. Ing.Helmut B*****, geb. 10.8.1940, Kaufmann, *****;

3. Finanzamt für den 21. und 22.Bezirk, 1220 Wien, Adolf-Schärf-Platz 2;

4. Braunegg, Hoffmann Partner, Rechtsanwälte, 1010 Wien, Gonzagagasse 9, mit den Beilagen ./A und ./B je in Urschrift.

Text

Begründung:

Ob der dem W***** gehörigen Liegenschaft EZ *****, Grundstück *****, ist zugunsten der Erstantragstellerin das Baurecht bis 31.12.2027 eingeräumt, wobei die Baurechtseinlage zu EZ ***** eröffnet wurde. Der Zweitantragsteller ist Eigentümer der Nachbarliegenschaft EZ ***** mit dem Grundstück *****. Auf beiden Liegenschaften sollen von den antragstellenden Parteien jeweils Betriebsgebäude errichtet werden, wobei zur Versorgung dieser Gebäude die Errichtung einer Erdgas-Reduzierstation samt Zuleitung vom öffentlichen Gut her erforderlich ist. Diese Erdgas-Reduzierstation soll auf der EZ ***** der Erstantragstellerin unmittelbar an der Grenze zur EZ ***** des Zweitantragstellers errichtet werden, wobei durch die Bauführung dieses Bauwerk als Zubehör in das Eigentum der Erstantragstellerin fallen wird. Die Zuleitung vom öffentlichen Gut soll überwiegend über die dem Zweitantragsteller gehörige Liegenschaft und sodann über die Liegenschaft EZ ***** der Erstantragstellerin geführt werden. Von der Erdgas-Reduzierstation zu dem auf der Liegenschaft des Zweitantragstellers zu errichtenden Betriebsgebäude wird weiters eine Erdgasleitung verlegt werden, die in einem Teilbereich ebenfalls in der EZ ***** der Erstantragstellerin zu liegen kommen wird. Unbeschadet der Errichtung der Erdgas-Reduzierstation auf der EZ ***** soll die Errichtung dieser Anlagen gemeinsam durch die beiden Bauführer der Betriebsgebäude erfolgen. Zur Regelung der im Zuge dieser gemeinsamen Errichtung einer Erdgas-Reduzierstation auf der Baurechtseinlage EZ ***** entstehenden Rechte und Rechtsverhältnisse haben die Antragsteller die Vereinbarung Beil./A geschlossen und sich in dieser wechselseitig die aus dem Spruch ersichtlichen Dienstbarkeitsrechte und Reallastberechtigungen eingeräumt.

Das Erstgericht wies den nunmehr bewilligten Antrag der Antragsteller ab und begründete seine Entscheidung damit, daß gemäß § 474 ABGB Grunddienstbarkeiten zumindest zwei Grundeigentümer voraussetzten und demnach ob einer Baurechtseinlage eine Grunddienstbarkeit nicht einverleibt werden könne.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Es sei zwar richtig, daß eine wörtliche Interpretation des § 474 ABGB zu dem vom Erstgericht gewonnenen Ergebnis führe, doch sei einerseits zu berücksichtigen, daß das Institut des Baurechtes zur Zeit der Schaffung des § 474 ABGB noch nicht existiert habe und daß anderseits der Gesetzgeber das Baurecht hinsichtlich bücherlicher Lasten grundsätzlich gleichbehandle wie bücherlich eingetragene Liegenschaften (§§ 6, 6a, 8 und 10 BauRG, wobei durch § 6a BauRG - geschaffen durch die BauRGNov 1990 - sogar die Möglichkeit zur Schaffung von Wohnungseigentum am Bauwerk eröffnet worden sei). Im Lichte dieser Rechtsentwicklung erscheine es daher nicht mehr gerechtfertigt, die Möglichkeit der Einräumung einer Grunddienstbarkeit zugunsten (oder zu Lasten) eines Baurechtes auszuschließen. Im Sinne einer analogen Anwendung des § 474 ABGB erachte das Rekursgericht vielmehr die Einräumung von Grunddienstbarkeiten auch dann für zulässig, wenn sie zwischen dem Grundeigentümer und dem Eigentümer einer Baurechtseinlage als dem Rechtsbesitzer des mit dem Baurecht belasteten Grundstückes vereinbart würden. Eine derartige Auslegung trage den Bedürfnissen des modernen Wirtschaftslebens Rechnung.

Dieselben Überlegungen seien auch für die Einverleibung von Reallasten maßgebend.

Dennoch könnten aber die begehrten grundbücherlichen Eintragungen aus folgenden Gründen nicht bewilligt werden:

Die ob der Baurechtseinlage begründeten dinglichen Rechte würden im Falle der Löschung des Baurechtes vor Ablauf der Zeit grundsätzlich nicht berührt. Das Erlöschen des Baurechtes hätte überdies zur Folge, daß das Bauwerk an den Grundeigentümer falle, der den Bauberechtigten für ein Viertel des vorhandenen Bauwertes, somit auch des Wertes des vom Bauberechtigten aufgrund der Reallastverpflichtung errichteten weiteren Bauwerkes Entschädigung leisten müsse. Daraus ergebe sich, daß mit der zwischen den Antragstellern getroffenen Dienstbarkeits- und Reallastvereinbarung auch die Rechtssphäre des Eigentümers des mit der Baurechtseinlage belasteten Grundstückes in einem wesentlichen Maß tangiert würde. Dazu komme, daß die Baurechtsverträge - wie auch im gegenständlichen Fall - die Belastung der Baurechtseinlage zugunsten Dritter mit Ausnahme der Einräumung von Pfandrechten grundsätzlich ausschlössen. Es bedürfe daher der Zustimmung des Eigentümers der Stammliegenschaft zur beantragten Einverleibung von Dienstbarkeiten und Reallasten. Diese Zustimmung fehle jedoch.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit der Einverleibung von Grunddienstbarkeiten und Reallasten in der beantragten Art eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im antragstattgebenden Sinn abzuändern.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg billigt der Oberste Gerichtshof die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit der Einverleibung von Dienstbarkeiten zugunsten und zu Lasten eines Baurechtsberechtigten (§ 126 Abs 3 GBG). Darüber hinaus läßt auch die Bestimmung des § 479 ABGB die Begründung von Grunddienstbarkeiten zugunsten anderer als Liegenschaftseigentümer, also zB eines aus dem Baurecht Berechtigten, zu.

Hingegen sind die vom Rekursgericht zur Begründung der Abweisung der Einverleibungsanträge gebrauchten Argumente sind aus folgenden Gründen nicht tragfähig:

Durch Dienstbarkeiten und Reallasten (auf der Nachbarliegenschaft) zugunsten des Bauberechtigten wird die Rechtsstellung des Eigentümers der Stammliegenschaft nicht zu dessen Nachteil geändert.

Ob dem Bauberechtigten nach dem Inhalt des Baurechtsvertrages die Belastung der Baurechtseinlage mit Dienstbarkeiten und Reallasten verboten ist, hat das Grundbuchsgericht nicht zu prüfen, weil es sich dabei - selbst wenn eine solche bloß obligatorisch wirkende Vereinbarung bestehen sollte (Punkt X. des unter TZ 3184/1993 erliegenden Baurechtsvertrages ist diesbezüglich nicht eindeutig) - um kein sich aus dem Buchstand ergebendes Eintragungshindernis handelt.

Die Bestimmung des § 8 BauRG regelt die mit der Belastung des Baurechtes verbundenen Rechtsfolgen für den Fall des vorzeitigen Erlöschens des Baurechtes (zB nach § 4 Abs 2 BauRG). Dabei handelt es sich um kraft Gesetzes mit dem Baurecht verbundene Folgen, deren allfälliger Eintritt nicht von der Zustimmung des Eigentümers der Stammliegenschaft zur Begründung der entsprechenden Belastungen abhängt, würde doch sonst diese gesetzliche Regelung überhaupt entbehrlich sein.

Das Baurecht selbst gibt dem Bauberechtigten das Recht zur Errichtung von Bauwerken auf der Stammliegenschaft, daher auch solcher, die der Bauberechtigte hier zugunsten des Dienstbarkeitsberechtigten im Rahmen der Ausübung seines Baurechtes errichtet. Schon deshalb kann durch die Errichtung eines solchen Bauwerks der Eigentümer der Stammliegenschaft im Hinblick auf die von ihm mangels anderer Vereinbarung zu leistende Entschädigung bei Erlöschen des Baurechtes (§ 9 BauRG) nicht ungebührlich belastet werden, weil die Entschädigung in einem solchen Fall nicht anders ausfällt, als wenn der Bauberechtigte das Bauwerk nicht aufgrund der gegenüber einem Dritten übernommenen Verpflichtung errichtet hätte, sondern in schlichter Ausübung seines Baurechtes.

Da dem Begehren der Antragsteller andere Gründe nicht entgegenstehen, war in Stattgebung des Revisionsrekurses wie im Spruch zu entscheiden.