JudikaturJustiz5Ob14/05b

5Ob14/05b – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred H*****, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B***** AG, ***** 2. B***** GesmbH, ***** wegen EUR 60.700,65 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. Dezember 2004, GZ 2 R 261/04y-7, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13. Oktober 2004, GZ 22 Cg 35/04x-3a, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der H***** GmbH, die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand für schuldig zu erkennen, ihm EUR 60.700,65 sA zu bezahlen. Seine Rechtsvorgängerin (in der Folge bloß GmbH genannt) habe am 31. 12. 1991 mit der Zweitbeklagten zum Zweck steuerbegünstigter Kapitalveranlagung einen Vertrag abgeschlossen, wonach sie die Nutzungsrechte an zwei der Zweitbeklagten gehörenden Liegenschaften in H***** erhalte habe. Dafür habe die GmbH eine Einmalzahlung von S 46 Mio zu leisten gehabt sowie einen monatlichen Zins in Höhe von S 140.910 zuzüglich Umsatzsteuer. Die Nutzungsrechte seien bis zum 30. 12. 1998 übertragen worden. Nach Ablauf dieser Laufzeit hätte die Rückübertragung der Liegenschaften gegen Leistung eines nach bestimmten Konditionen zu berechnenden Entgelts erfolgen sollen. Zur Finanzierung der Einmalzahlung habe die GmbH bei der Erstbeklagten einen Kredit im Betrag von S 36,8 Mio in Anspruch genommen und zu dessen Besicherung der Erstbeklagten die Rechte aus dem Nutzungsvertrag mit der Zweitbeklagten abgetreten. Insofern sei die Erstbeklagte in die Vereinbarung mit der Zweitbeklagten einbezogen worden. Wirtschaftlich habe es sich bei dem Geschäft um den „Ankauf" eines von den beiden Beklagten angebotenen Geldveranlagungsmodells gehandelt.

Nach der Konzeption der Zweitbeklagten hätte der Modellvertrag eine Laufzeit von 12 Jahren vorgesehen. Das sei jedoch nur mündlich vereinbart worden. Das Vertragsende wäre demnach der 31. 12. 2003 gewesen. Abweichend davon hätten die GmbH und die Zweitbeklagte in einer Zusatzvereinbarung aus abgabenrechtlichen Gründen eine Laufzeit von nur sieben Jahren vereinbart. In der Folge sei die GmbH aus nicht vorhersehbar gewesenen Gründen - wegen der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen wäre der Steuervorteil verloren gegangen und eine beträchtliche Nachforderung auf sie zugekommen - nicht mehr interessiert gewesen, das Vertragsverhältnis mit 31. 12. 1998 zu beenden, weshalb sie an die Beklagten mit dem Begehren herangetreten sei, die Laufzeit zu verlängern. Am 21. 12. 1998 hätten die Beklagten der GesmbH eine Vereinbarung „diktiert", wonach der Rückkauftermin 31. 12. 1998 entfalle und die Zweitbeklagte das Recht eingeräumt erhalten habe, „die Rechte jederzeit... zurückzukaufen", wobei sie allerdings auf die Ausübung dieses Rechtes bis 31. 12. 2003 verzichte, sofern nicht bestimmte Voraussetzungen vorlägen. Weiters sei die Berechnung des Rückkaufsentgelts durch eine Senkung des anzuwendenden Zinssatzes abgeändert worden. Dabei sei weder eine neue Laufzeit noch ein Kündigungsrecht der GmbH vereinbart worden. Das bestehende Dauerschuldverhältnis hätte also nur die Zweitbeklagte vor dem 31. 12. 2003 unter bestimmten Bedingungen auflösen können. In der Folge habe sich in den Jahren 1999 und zunehmend im Jahr 2000 erwiesen, dass sich die Vereinbarung immer mehr zum Nachteil der GmbH entwickelte, weshalb sie an die Beklagten mit dem Verlangen herangetreten sei, das Vertragsverhältnis zu beenden und den Rückkauf durchzuführen. Erst am 7. 6. 2000 hätten die Beklagten einer Vertragsauflösung per 30. 6. 2000, dies allerdings unter der Bedingung der Leistung einer der Höhe nach nicht vereinbarten Zahlung durch die GmbH, zugestimmt. Dem wiederum habe die GmbH nicht zugestimmt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wären die Beklagten verpflichtet gewesen, die Auflösung des Vertragsverhältnisses zu akzeptieren. Sie hätten allerdings die Auflösung des Vertrags bis zum 30. 6. 2002 verzögert. Dann sei ein Rückkauf der Nutzungsrechte auf Grundlage einer Abrechnung der Beklagten per 30. 6. 2002 durchgeführt worden.

Die Beklagten hätten schuldhaft und rechtswidrig die Vertragsauflösung (Rückkauf der Nutzungsrechte und Tilgung der Kreditschuld) um mindestens zwei Jahre verzögert und schuldeten daher dem Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes die Gutmachung des entstandenen Schadens.

Dieser ergebe sich zum einen aus einem Abrechnungssaldo zugunsten der Erstbeklagten in Höhe von S 929.899. Im Weiteren habe die Erstbeklagte im Konkurs über das Vermögen der GmbH, der vom 12. 11. 1997 bis 8. 4. 1998 anhängig gewesen sei, ihre Gesamtforderung angemeldet. Sie habe es in der Folge unterlassen, nach Erfüllung des Zwangsausgleichs seitens der GmbH die Zahlung der vereinbarten Quote von 24 % (den verbleibenden Teil ihrer nichtbesicherten Teilforderung) auszubuchen, sondern habe den Kredit weiterhin mit S 1,303.054,70 aushaftend gehalten und diesen Betrag in die Abrechnung vom 30. 6. 2002 einbezogen. Das gelte auch für den Zinsenbetrag für den Zeitraum 12. 11. 1997 bis 30. 6. 2000 in Höhe von S 149.244,83. Damit habe die Erstbeklagte insgesamt zu Unrecht S 1,452.299,97 in die Abrechnung einbezogen. In Gegenüberstellung zum dargelegten Saldo von S 929.899 ergebe sich somit ein Saldo zugunsten des Klägers in Höhe von S 522.408,57. Darüber hinaus seien der GmbH im Zusammenhang mit dem Bemühen um Vertragsauflösung und Richtigstellung der Abrechnung Kosten aus der Inanspruchnahme von Steuerberatern und Rechtsanwälten im Ausmaß von S 312.850,71 entstanden. In Summe ergebe dies die Klagsforderung von EUR 60.700,65.

Aufgrund eines Verbesserungsauftrags des Erstgerichts hinsichtlich der Bezeichnung der Erstbeklagten, die „mit dieser Adresse so nicht im Firmenbuch aufscheine", und weil sich eine Adresse der erstbeklagten Partei in Wien daraus nicht ergebe, nahm der Kläger eine Verbesserung dahin vor, dass er einen unrichtigen Zusatz „BTV" hinsichtlich der Erstbeklagten strich und zur örtlichen Zuständigkeit angab, die Erstbeklagte habe an der angegebenen Wiener Anschrift eine Zweigniederlassung, „welche in die klagsgegenständliche Abrechnung, teils federführend, eingebunden" gewesen sei. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hinsichtlich der Erstbeklagten gründe sich damit auf § 87 JN.

Mit Beschluss vom 12. 8. 2004 wies das Erstgericht die Klage hinsichtlich der Zweitbeklagten zurück. Es steht noch nicht fest, ob diese Zurückweisung in Rechtskraft erwachsen ist (anhängig zu 5 Ob 13/04f).

Mit Beschluss vom 13. 10. 2004 wies das Erstgericht die Klage auch gegenüber der Erstbeklagten mit der Begründung zurück, der Kläger habe keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die es dem Gericht ermöglichten, die Subsumtion unter den behaupteten Zuständigkeitstatbestand vorzunehmen. Aus den Klagsangaben selbst lasse sich das nicht entnehmen. Soweit die Zuständigkeit auf § 87 Abs 2 JN gestützt werde, wäre ein wirtschaftlicher Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit dem Betrieb der Zweigniederlassung notwendig. Der Klagsanspruch müsse sich als Folge des Betriebs darstellen. Dazu habe die klagende Partei keine Tatsachen vorgetragen.

Einem dagegen von der klagenden Partei erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Inwieweit die Behauptungen, die Erstbeklagte sei in die klagsgegenständliche Abrechnung teils federführend eingebunden gewesen, für die Herstellung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Zweigniederlassung ausreichend im Sinn des § 87 Abs 2 JN seien, müsse nicht geprüft werden. Gemäß § 41 Abs 2 JN erfolge nämlich die Zuständigkeitsprüfung aufgrund der Angaben in der Klage, soweit sie dem Gericht nicht bereits als unrichtig bekannt seien. Der Kläger habe sich zunächst auf keinen anderen als den allgemeinen Gerichtsstand der Erstbeklagten berufen. Die für die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts maßgebliche Behauptung hätte jedoch bereits ausgereicht, die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts festzustellen. Dass nämlich die Erstbeklagte ihren Sitz nicht in Wien habe, sei so wie auch bei anderen Regionalbanken allgemeinkundig. Deshalb habe für einen Verbesserungsauftrag kein Raum bestanden. Die Klage wäre daher sofort wegen örtlicher Unzuständigkeit gegen die Erstbeklagte zurückzuweisen gewesen. Habe aber das Gericht zu Unrecht einen Verbesserungsauftrag erteilt und komme eine Partei diesem nach, so könne der Entscheidung dennoch nicht der verbesserte Schriftsatz zugrunde gelegt werden.

Abgesehen davon hätte die klagende Partei zur Begründung des Wahlgerichtsstands nachvollziehbare Tatsachen angeben müssen. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, welche Klagsangaben bei der Zuständigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen seien, weil sie „dem Gericht bereits als unrichtig im Sinn des § 41 Abs 2 JN bekannt sind".

Rechtliche Beurteilung

Der von der klagenden Partei erhobene Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass zwischen den beiden Beklagten eine (passive) materielle Streitgenossenschaft im Sinn des § 11 Z 1 ZPO besteht, sie jedoch nach dem oben wiedergegebenen Klagsvorbringen keine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bilden. Geltend gemacht wird nämlich eine Solidarverpflichtung der beiden Beklagten aus zwei unterschiedlichen, wenn auch in ihrer Wirkung miteinander verwobenen Rechtsgeschäften (einerseits entgeltliche Übertragung von Nutzungsrechten, andererseits Kreditfinanzierung dieses Vertrags). Bloß wegen der Solidarverpflichtung entsteht aber keine einheitliche Streitpartei (vgl Fucik in Rechberger² Rz 5 zu § 14 ZPO mit Rechtsprechungshinweisen).

Es ist daher, weil der für materielle Streitgenossen geltende Gerichtsstand nach § 93 JN nur am Sitz (§ 78 Abs 1 JN) einer der „beklagten Parteien in Anspruch genommen werden könnte, eine getrennte Entscheidung der Zuständigkeitsfrage hinsichtlich beider Beklagten möglich.

Zufolge § 41 Abs 1 JN hat das Gericht, bei dem eine Rechtssache anhängig wird, seine Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Nach § 41 Abs 2 JN erfolgt diese Prüfung aufgrund der Angaben des Klägers, soweit sie nicht dem Gericht bereits als unrichtig bekannt sind. In den Klagsangaben findet sich zunächst keine Ausführung über besondere, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes hinsichtlich der Erstbeklagten begründenden Umstände. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass damit der allgemeine Gerichtsstand der Erstbeklagten in Anspruch genommen wurde. Der Kläger, der einen anderen als den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten in Anspruch nimmt, muss nämlich schon in der Klage ausdrücklich und konkret jene Tatsachen behaupten, die den besonderen Gerichtsstand begründen (vgl Ballon in Fasching Zivilprozessgesetze Rz 7 zu § 41 JN; Mayr in Rechberger² Rz 2 zu § 41 JN; RIS-Justiz RS0046204; 7 Ob 148/02v ua). Fehlen solche Angaben, ist die Klage sofort ohne Verbesserungsverfahren zurückzuweisen. Das hat auch dann zu gelten, wenn Zuständigkeitsbehauptungen dem Gericht bereits als unrichtig bekannt sind. Damit scheidet nämlich eine Ermittlung über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Klagsbehauptungen aus (vgl Ballon aaO Rz 8 zu § 41 JN).

Dem Erstgericht war bekannt, dass eine „BTV Bank für Tirol und Vorarlberg AG" nicht ihren Sitz in Tuchlauben 14, 1010 Wien, hat, was sich aus dem Inhalt des Verbesserungsauftrags klar ergibt. Damit erweist sich aber der vom Erstgericht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeitsfrage erteilte Verbesserungsauftrag als zu Unrecht erteilt.

Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage, ob diesfalls der Entscheidung dennoch der verbesserte Schriftsatz zugrunde gelegt werden darf (verneinend G. Kodek in Fasching Zivilprozessgesetze Rz 222 zu §§ 84, 85 ZPO mit weiteren Hinweisen aus Lehre und Rechtsprechung), kann letztlich dahingestellt bleiben. Der vom Kläger im Verbesserungsverfahren zusätzlich herangezogene Gerichtsstand der Zweigniederlassung des § 87 Abs 2 JN ist nämlich nicht durch die ausreichende Behauptung eines Kompetenzsachverhalts begründet worden. Die Behauptung, dass die Abrechnung des Geschäftsfalls (offenbar beider Vertragsverhältnisse) federführend durch die Erstbeklagte erfolgt sei, lässt noch keinen bestimmten wirtschaftlichen (und rechtlichen) Zusammenhang des Rechtsstreits mit der von der Hauptniederlassung gesonderten Niederlassung erkennen. Der Anspruch muss aus einem Ereignis herrühren, das in einem ursächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung steht (7 Ob 2166/96x; 1 Ob 301/01y mwN) und eine Folge dieses Betriebs sein. Ob die Abrechnung des Geschäftsfalls überhaupt für den eingeklagten Schadenersatzanspruch relevant ist, lässt sich dem Vorbingen der klagenden Partei nicht entnehmen. Es ist daher keine ausreichende Beziehung der Rechtssache zur angeblichen Zweigniederlassung der Erstbeklagten in Wien dargetan. Schon damit erweist sich die Bestätigung der Zurückweisung der Klage gegen die Erstbeklagte als berechtigt.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.