JudikaturJustiz5Ob134/23a

5Ob134/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Dr. K* G*, vertreten durch Mag. Helene Mayer, öffentliche Notarin in Wien, wegen Löschung eines Besitznachfolgerechts ob EZ * KG *, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin und der Beteiligten 1. Mag. A* H*, 2. Dr. R* G*, alle vertreten durch Mag. Helene Mayer, öffentliche Notarin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juni 2023, AZ 47 R 104/23a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 10. März 2023, TZ 272/2023, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Aus Anlass des Revisionsrekurses der Beteiligten wird der Beschluss des Rekursgerichts insoweit aufgehoben, als dieses über d ie Rekurse de r Beteiligten ( Erstbeteiligte zu TZ 694/2023; Zweitbeteiligter zu TZ 698/2023) meritorisch entschieden hat. D iese Rekurse der Beteiligten w erden zurückgewiesen.

II. D er außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist aufgrund eines mit ihrem Vater (dem Zweitbeteiligten) als Geschenkgeber abgeschlossenen Schenkungsvertrags Alleineigentümerin einer Liegenschaft.

[2] Im Grundbuch ist beim Eigentumsrecht der Antragstellerin ein für den Fall des Ablebens der Antragstellerin vereinbartes Besitznachfolgerecht für die Schwester der Antragstellerin (Tochter des Geschenkgebers und Erstbeteiligte) und deren namentlich genannte minderjährige Kinder (Enkelkinder des Geschenkgebers) angemerkt.

[3] In einem Nachtrag zum Schenkungsvertrag vom 27. 1. 2023 vereinbarten der Geschenkgeber (Zweitbeteiligter) und die Geschenknehmerin (Antragstellerin) unter Beitritt der weiteren Tochter (Erstbeteiligte) die ersatzlose Aufhebung des vereinbarten Besitznachfolgerechts und erteilten ihre ausdrückliche Einwilligung zur Löschung der diesbezüglichen Anmerkung. Eine entsprechende Erklärung und Einwilligung der weiteren Begünstigten liegt nicht vor.

[4] Unter Vorlage dieses Nachtrags zum Schenkungsvertrag vom 27. 1. 2023 begehrte die Antragstellerin die Löschung der Anmerkung des Besitznachfolgerechts.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[6] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin und der beiden Beteiligten.

[7] I. Aus Anlass des Revisionsrekurses der Beteiligten ist ein dem Beschluss des Rekursgerichts anhaftender Verstoß gegen die funktionale Zuständigkeit aufzugreifen.

[8] 1. Im Grundbuchsverfahren ist im Regelfall (neben dem mit seinem Rechtsschutzbegehren gescheiterten Antragsteller) derjenige zum Rekurs legitimiert, der geltend machen kann, durch die bekämpfte Entscheidung in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein; sei es, dass diese Rechte belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (RIS Justiz RS0006710, RS0006677 [T8]).

[9] 2. Im Grundbuchsverfahren muss sich die Beschwer also auf die mögliche Verletzung bücherlicher Rechte beziehen. Auf ein solches Rechtsschutzbedürfnis können sich die beiden Beteiligten nicht berufen. Die Verletzung von (bloß schuldrechtlichen) Interessen oder Rechten, die noch nicht Gegenstand einer bücherlichen Eintragung geworden sind, verschafft keine Rekurslegitimation (RS0006710 [T10, T34]). Bei einem abweisenden Beschluss verneint die Rechtsprechung daher die Rekurslegitimation einer vom Antragsteller verschiedenen Person auch dann, wenn dieser als Vertragspartner an der beantragten Verbücherung eines ihm zugesagten Rechts interessiert ist (5 Ob 151/17t mwN). Das gilt auch für die – hier zu beurteilende – „Zusage“ der Löschung einer Anmerkung eines Besitznachfolgerechts.

[10] 3. Den Beteiligten fehlt daher die erforderliche Beschwer und damit die Rekurslegitimation. Das Rekursgericht hat die daraus folgende Unzulässigkeit ihres jeweiligen Rekurses aber nicht aufgegriffen, sondern auch insoweit meritorisch entschieden. Der Mangel der funktionellen Zuständigkeit des Rekursgerichts für eine solche Erledigung ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Verfahrensmangel, der immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen sind die unzulässigen Rekurse der Beteiligten gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RS0115201 [T4, T5], RS0042059 [T9, T10]). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt auch für das Grundbuchsverfahren (RS0042059 [T12]).

[11] II. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; dieser ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

[12] 1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist (nur) die Frage, ob ein Widerruf des vertraglich angeordneten Besitznachfolgerechts durch die Vertragsparteien nur unter Einbeziehung aller begünstigten Dritten zulässig ist und ob daher die Löschung des im Grundbuch angemerkten Besitznachfolgerechts aufgrund eines Aufhebungsvertrags deren Zustimmung bedarf oder nicht.

[13] 2. Zur Frage der Widerruflichkeit eines Besitznachfolgerechts, das einer Nacherbschaft ähnelt und im Grundbuch angemerkt ist, hat der Fachsenat in seiner Entscheidung 5 Ob 68/19i grundlegend Stellung genommen. Nach eingehender Auseinandersetzung mit der unmittelbar einschlägigen Vorjudikatur (insbesondere auch der von der Antragstellerin ins Treffen geführten Entscheidung 5 Ob 11/91) und der in (nur) scheinbarem Widerspruch dazu stehenden Rechtsprechung zum Besitznachfolgerecht als „echten“ Vertrag zugunsten Dritter kam der Fachsenat zu dem Ergebnis, dass es letztlich eine Frage der Auslegung des konkreten Veräußerungsvertrags ist, ob ein aus einer Besitznachfolgevereinbarung begünstigter Dritter unmittelbar daraus ein Forderungsrecht erwirbt. Die Vertragsgestaltung im Einzelfall ist daher auch Richtschnur dafür, ob ein Widerruf durch die Vertragsparteien ohne Einbeziehung des begünstigten Dritten noch zulässig ist oder nicht. Kommt die Anordnung oder Vereinbarung eines Besitznachfolgerechts nach dem Inhalt des Vertrags der letztwilligen Anordnung einer Nacherbschaft iSd § 608 ABGB nahe, wird eine unmittelbare Berechtigung der begünstigten Personen daraus im Zweifel zu verneinen sein. Wird im Vertrag hingegen die Verpflichtung zur Weiterüberlassung an eine ganz bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret vereinbart, wird im Zweifel von einer unmittelbaren Berechtigung der dritten Person auszugehen sein (5 Ob 68/19i; 5 Ob 130/19g).

[14] Ausgehend von diesen Grundsätzen war in dem zu 5 Ob 68/19i entschiedenen Fall nicht von einem echten Vertrag zugunsten Dritter auszugehen. Die Geschenknehmerin hatte keine Verpflichtung zur Übertragung übernommen, die Geschenkgeber hatten vielmehr – vergleichbar letztwillig Verfügenden – ein Besitznachfolgerecht zugunsten ihrer drei Enkel unter ausdrücklichem Hinweis auf §§ 608 ff und §§ 613 ff ABGB angeordnet. Dass es den Geschenkgebern damit um eine vorweggenommene Erbfolgeregelung und den Erhalt des Schenkungsobjekts im Familienbesitz gegangen war, war zwar im Schenkungsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings hatten sich die Geschenkgeber nicht nur ein umfassendes Fruchtgenussrecht vorbehalten, sondern auch das Recht, jederzeit eine Veräußerung des Vertragsgegenstands erwirken zu können, wozu die Geschenknehmerin vorweg ihre Zustimmung zu erklären hatte. Eine Wertsteigerung des Vertragsgegenstands sollten die Geschenkgeber lukrieren, eine Wertminderung sollten sie der Geschenknehmerin hingegen ersetzen. Diese Vertragsbestimmungen sprachen nach Auffassung des Fachsenats eindeutig dagegen, dass nach dem Willen der Parteien mit der Schenkung bereits die Einräumung (unwiderruflicher) Rechte an Dritte verbunden sein sollte. Die Rechte der Geschenknehmerin am Schenkungsobjekt waren vielmehr auf die einer „leeren Eigentümerin“ beschränkt. Vergleichbar dem zu 5 Ob 11/91 entschiedenen Fall war daher aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung von einer Möglichkeit des Widerrufs des vertraglichen Besitznachfolgerechts auch ohne Beiziehung der begünstigten Dritten auszugehen. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass im Gegensatz zu 5 Ob 11/91 die Namen der Begünstigten – wie hier – bereits feststanden und im Grundbuch angemerkt wurden. Für die Frage der Widerruflichkeit eines vertraglichen Besitznachfolgerechts ist nämlich nicht ausschlaggebend, ob der begünstigte Dritte zum Zeitpunkt der Einräumung dieses Rechts bereits geboren war oder nicht. Abzustellen ist nur darauf, ob die freie Widerruflichkeit des ihnen eingeräumten Rechts aus der zugrunde liegenden Vertragsgestaltung abzuleiten ist. Auch die Anmerkung der Namen der Begünstigten im Grundbuch für sich allein ist nicht rechtsbegründend, weil Anmerkungen gemäß § 20 lit a GBG grundsätzlich nur deklaratorische Wirkung haben (5 Ob 130/19g; 5 Ob 68/19i; vgl auch 5 Ob 109/22y).

[15] Die gleichen Erwägungen führten auch in dem zu 5 Ob 130/19g entschiedenen Fall zu dem Ergebnis, dass aufgrund der konkreten, der Entscheidung 5 Ob 68/19i gleichenden Vertragsgestaltung von der Möglichkeit des Widerrufs des vertraglichen Besitznachfolgerechts auch ohne Beiziehung der begünstigten Dritten auszugehen war.

[16] 3. Nach dieser Rechtsprechung des Fachsenats ist es demnach eine Frage der Auslegung des Vertrags im Einzelfall, ob ein aus einer Besitznachfolgevereinbarung begünstigter Dritter unmittelbar daraus ein Forderungsrecht erwirbt und ob daher ein Widerruf durch die Vertragsparteien ohne Einbeziehung des begünstigten Dritten noch zulässig ist oder nicht.

[17] Die Auslegung eines Vertrags beschränkt sich im Grundbuchsverfahren auf den Wortlaut. Ein vom Urkundenwortlaut abweichender Parteiwille kann im Grundbuchsverfahren nicht ermittelt werden. Eine ergänzende oder vom Wortsinn der vorgelegten Grundbuchsurkunde abweichende Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist dem Grundbuchsgericht verwehrt. Er darf aus Urkunden nur durch den Wortlaut gedeckte, unmittelbare logische Schlussfolgerungen ziehen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte nicht restlos beseitigte Zweifel führen zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (5 Ob 113/21k; vgl RS0060878, RS0060573).

[18] Die Auslegung von Verträgen ist auch im Grundbuchsverfahren eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründet, wenn die Beurteilung des Rekursgerichts aus Gründen der Rechtssicherheit zu berichtigen ist (5 Ob 113/21k; vgl RS0060573 [T18]; RS0060878 [T55]). Das trifft hier nicht zu.

[19] Das Rekursgericht hat ausgehend von den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätzen die konkrete Vertragsgestaltung geprüft und gelangte zu dem Ergebnis, dass aus dem das Besitznachfolgerecht bestimmenden Schenkungsvertrag samt Nachtrag keine freie Widerruflichkeit des eingeräumten Rechts abzuleiten sei. Im Vordergrund stand für das Rekursgericht dabei nicht die namentliche Nennung der begünstigten Personen im Vertrag und in der Anmerkung oder die fehlende Erwähnung, dass es sich um eine vorweggenommene Erbfolgeregelung und den Erhalt für Liegenschaft im Familienbesitz handle, sondern die weitere Vertragsgestaltung. Der Geschenkgeber habe nämlich – anders als die Geschenkgeber in den Entscheidungen 5 Ob 130/19g und 5 Ob 68/19i – nicht nur auf das Recht zum Widerruf der Schenkung verzichtet, sondern sich zum Teil ausdrücklich auch keine Rechte, wie ein Fruchtgenussrecht, Vorkaufsrecht oder ein Veräußerungs und Belastungsverbot vorbehalten. Die Vertragsbestimmungen sprächen hier daher, anders als in den genannten Entscheidungen, wo die Rechte der Geschenknehmerin am Schenkungsobjekt auf die einer „leeren Eigentümerin“ beschränkt gewesen seien, nicht eindeutig dagegen, dass nach dem Willen der Parteien mit der Schenkung bereits die Einräumung (unwiderruflicher) Rechte der Begünstigten verbunden sein sollten.

[20] Dieses vom Rekursgericht erzielte Auslegungsergebnis ist keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Antragstellerin argumentiert in ihrem Revisionsrekurs im Wesentlichen damit, dass die Widerruflichkeit des (im Schenkungsvertrag als „fideikommissarische Substitution (ein Besitznachfolgerecht)“ und in der Anmerkung im Grundbuch als „Nacherbschaft“ bezeichneten) Besitznachfolgerechts nicht zur Voraussetzung habe, dass sich der Geschenkgeber umfassende Rechte im Sinn eines wirtschaftlichen Eigentums zurückbehalte. Dabei übersieht sie, dass ein Grundbuchsgesuch nur dann bewilligt werden kann, wenn der Urkundeninhalt auch bezüglich der materiell rechtlichen Frage keinerlei Zweifel aufkommen lässt (RS0060878). Die Formulierung der Vertragsurkunde ist hier aber nicht so eindeutig, dass eine klare Auslegung des Schenkungsvertrags im Sinn des Standpunkts der Antragstellerin möglich ist (vgl Bittner , Glosse zu 5 Ob 68/19i und 5 Ob 130/19g, NZ 2020/14). Das von der Antragstellerin gewünschte Ergebnis kann auch nicht als eine vom Wortlaut der vorgelegten Urkunden abgeleitete, unmittelbare logische Schlussfolgerung erzielt werden.

[21] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).