JudikaturJustiz5Ob125/89

5Ob125/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Einbücherungssache der Antragstellerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Einbücherung von in der EZ 50.000 und in der EZ 50.001 der KG Gurlitsch I vorkommenden Grundstücken infolge Revisionsrekurses der R*** Ö*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 13.November 1989, GZ 1 R 569/89-49, womit infolge Rekurses des Ing. Arnulf N***, Land- und Gastwirt, Krumpendorf, Erlach 23, vertreten durch Dr. Anton Mikosch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 7. Oktober 1989, GZ 5 Nc 155/87-44, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Grundstücke 783/28, 115, 120, 121 und 162 der KG Gurlitsch I sind in der EZ 50.000, die Grundstücke 783/3, 783/4, 783/5, 783/6 und 783/7 je Gewässer (Wörthersee), 783/50, 783/56, 783/57 und 783/86 je Gewässer der KG Gurlitsch I in der EZ 50.001 als öffentliches Gut eingetragen. Die R*** Ö*** stellte den Antrag, diese Grundstücke in das Grundbuch der KG Gurlitsch I aufzunehmen und für sie eine gemeinsame Einlagezahl mit der Eigentümerbezeichnung "R*** Ö***, Land- und Forstwirtschaftsverwaltung (Wasserbau)" zu errichten. In diesem Verfahren brachte Ing. Arnulf N*** vor, daß ihm im Erbweg am Grundstück 783/6 der EZ 50.001 KG Gurlitsch I das Fischereirecht zugekommen sei, welches auch im Fischereikataster Aufnahme gefunden habe. Weiters behauptete er, er und seine Vorgänger im Eigentum der Liegenschaft EZ 18 KG Gurlitsch II (Kropfitschhube in Gurlitsch) hätten bereits durch über 100 Jahre vor dem Jahr 1934 als Berufsfischer das Fischereirecht am Grundstück 783/6 ausgeübt. Ing. Arnuf N*** beantragte, das Fischereirecht am Grundstück 783/6 als dienendem Grundstück zugunsten der Liegenschaft EZ 18 KG Gurlitsch II als herrschendem Gut in den zu verfassenden Entwurf der Grundbuchseinlage aufzunehmen. Die Antragstellerin sprach sich mit der Begründung dagegen aus, daß das behauptete Fischereirecht im Gutsbestandsblatt der angeblich berechtigten Liegenschaft nicht eingetragen sei und auch eine Urkundenhinterlegung betreffend dieses behauptete Recht - das angeblich belastete Grundstück sei bisher nicht verbüchert worden - nicht bestehe. Die Eintragung im Fischereikataster habe keine anspruchsbegründende Wirkung. Ing. Arnulf N*** könne einen Erwerbstitel für das behauptete Fischereirecht nicht angeben. Gemäß § 4 Abs 5 WRG sei eine Ersitzung seit 1.11.1934 ausgeschlossen. Das Erstgericht wies den Antrag des Ing. Arnulf N*** ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Ing. Arnulf N*** ist aufgrund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 13.7.1970, 2 A 61/69-15, Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 18 KG Gurlitsch II. In dem im Verlassenschaftsverfahren 2 A 61/69 des Bezirksgerichtes Klagenfurt nach dem am 23.1.1969 verstorbenen Alois N*** von der erblasserischen Witwe Maria N*** und von Ing. Arnulf N*** am 12.6.1970 erstatteten eidesstättigen Vermögensbekenntnis wurde bei der Liegenschaft EZ 18 KG Gurlitsch II, bestehend aus der Landwirtschaft und dem Seebad, der Einheitswert für die Landwirtschaft mit 61.000 S, für das Bad mit 1,081.000 S und für die Fischerei mit 33.000 S angeführt. Alois N***, der Vater des Ing. Arnulf N***, war seit etwa 1927 Eigentümer der Liegenschaft EZ 18 KG Gurlitsch II (Kropfitschhube in Gurlitsch). Bis 1927 stand diese Liegenschaft im Eigentum der Anna N***, geb. H***, der Großmutter des Ing. Arnulf N***.

Bei den zur Anlegung des Grundbuches für die KG Gurlitsch im Jahre 1884 durchgeführten Erhebungen gab Anna H***, die Eigentümerin der Kropfitschhube Nr.9 in Gurlitsch, am 1.3.1884 beim Bezirksgericht Klagenfurt zu Protokoll, daß die Seeparzellen 783/1 und 783/6 nicht ihr Eigentum, sondern öffentliches Gut seien, an welchen ihr jedoch das Fischereirecht zustehe. Dieses Fischereirecht wurde jedoch in das neu angelegte Grundbuch nicht aufgenommen. Mit Dekret der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 18.7.1891 wurde Wolf S*** für die Inanspruchnahme des Seegrundstückes 783/6 (Errichtung von Einbauten) verpflichtet, an die Fischereiberechtigte des Seegrundstückes 783/6, Anna N***, eine jährliche Entschädigung von 3 Gulden zu bezahlen. Mit Dekret der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 21.12.1891 wurde Mathilde H*** verpflichtet, für die Inanspruchnahme des Grundstückes 783/6 an Anna N*** als Fischereiberechtigte dieses Grundstückes eine jährliche Entschädigung von 3 Gulden 98 Kreuzer zu bezahlen. Mit Dekret der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 30.3.1893 wurde die Wörtherseedampfschiffahrtsgesellschaft für die Errichtung von Einbauten in der Wörtherseeparzelle 783/6 zur Zahlung einer jährlichen Entschädigung an die Fischereiberechtigte Anna N*** verpflichtet. Mit Dekret der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 14.2.1898 wurde unter anderem festgestellt, daß die von Mathilde H*** an Anna N*** zu zahlende Fischereientschädigung zu entfallen habe.

Im Vormerkblatt für den Fischereikataster scheint Alois N*** in bezug auf die Wörtherseegrundstücke 783/1 und 783/6 je KG Gurlitsch I als Fischereiberechtigter auf; als Titel des Fischereirechts ist der Erwerb im Erbweg nach Anna N***, geborene H*** im Jahre 1927 angeführt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 18.1.1973 wurde die Eintragung in Spalte 1 des Vormerkblattes für den Fischereikataster von Alois N*** auf Ing. Arnulf N*** berichtigt.

Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefaßt aus:

Ing. Arnulf N*** habe die von ihm behauptete Dienstbarkeit des Fischereirechtes am Grundstück 783/6 nicht in überzeugender Weise darzutun vermocht. Aus dem Umstand allein, daß die Fischerei an einem Fischwasser in Form eines von der Landesregierung anerkannten Eigenreviers betrieben werde, lasse sich ein Rückschluß auf den Titel der Rechtserwerbung nicht ziehen. Auch die Eintragung im Vormerkblatt für den Fischereikataster und deren Berichtigung ergäben nichts für die Frage einer Dienstbarkeit des Fischereirechtes. Aus den Dekreten der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt, mit denen Anna N*** Fischereientschädigungen zuerkannt worden seien, könne gleichfalls nicht auf das Bestehen oder die Ersitzung der Dienstbarkeit des Fischereirechts geschlossen werden, sei doch im Jahre 1884 anläßlich der Anlegung des Grundbuches der KG Gurlitsch das an dem Seegrundstück 783/6 angemeldete Fischereirecht in das neu angelegte Grundbuch nicht aufgenommen worden. Seit dem Inkrafttreten des Wasserechtsgesetzes 1934 könne das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nicht mehr durch Ersitzung erworben werden (§ 4 Abs 5 WRG 1934 = § 4 Abs 5 WRG 1959).

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß zufolge Rekurses des Ing. Arnulf N*** dahin ab, daß dessen Antrag, das Fischereirecht am Grundstück 783/6 der EZ 50.001 KG Gurlitsch I als dienendem Gut in den gemäß § 27 AllgGAG zu verfassenden Entwurf der Einlage aufzunehmen, bewilligt werde. Es führte aus:

Nach der hier maßgebenden Bestimmung des § 25 Abs 1 AllgGAG sei der letzte tatsächliche Besitz zu ermitteln und das Ergebnis dieser Untersuchung allen späteren Amtshandlungen zugrundezulegen, wenn die im Einbücherungsverfahren von den Parteien aufgestellten Behauptungen oder Ansprüche nicht in überzeugender Weise dargetan werden könnten. Wann "ein letzter tatsächlicher Besitz" vorliege, sei im Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetz nicht eindeutig geregelt. Die einschlägigen Bestimmungen des ABGB enthielten bloß allgemeine Regeln über den Erwerb, die Ausübung und den Verlust des Besitzes. Dem Umstand, daß der Gesetzgeber im § 25 Abs 1 AllgGAG von einem tatsächlichen Besitz spreche, könne nur die Bedeutung zukommen, daß die gesetzlichen Bestimmungen über den Erwerb und den Verlust von Rechten auf den Erwerb und Verlust eines solchen Besitzes nicht anwendbar seien, insbesondere, daß es eine Sukzession in den Besitz nicht gebe und daß die Existenz des Besitzes von der Art des Erwerbes (ob dieser nun mit Recht oder Unrecht, List oder Gewalt, redlich oder unredlich erfolge) gänzlich unabhängig sei. Als letzter tatsächlicher Besitzer im Sinne des § 25 AllgGAG könne daher derjenige angesehen werden, dem die tatsächliche Möglichkeit der Ausübung des Fischereirechtes zugestanden sei, der also Besitzhandlungen durch Aneignung von vom Fischereirecht umfaßten Sachen vorgenommen habe.

Unstrittig und auch durch den Akteninhalt gedeckt sei, daß zuletzt Ing. Arnulf N*** als Berufsfischer das Fischereirecht am Grundstück 783/6 ausgeübt habe, wobei es nur auf diese letzte tatsächliche Ausübung ankomme und nicht etwa auf den Umstand, daß eine Ersitzung des Fischereirechtes nach 1934 nicht möglich gewesen und vor diesem Zeitpunkt nicht eindeutig nachgewiesen sei. Wäre letzteres der Fall, bliebe für eine Entscheidung nach § 25 AllgGAG kein Raum, weil dann eben der von Ing. Arnulf N*** geltend gemachte Anspruch bereits in überzeugender Weise dargetan worden wäre.

Eine sinnvolle Zusammenschau des ersten und des zweiten Halbsatzes der Bestimmung des § 25 Abs 1 AllgGAG könne nur zu dem Ergebnis führen, daß eine Entscheidung wie die vorliegende dann zu fällen sei, wenn eine Ersitzung von Rechten zweifelhaft bleibe, anderseits aber (wie hier) dargetan werde, daß der Anspruchswerber "tatsächlichen" Besitz ausgeübt habe. Wollte man wiederum Ersitzungskriterien ins Spiel bringen, so bliebe für die Anwendung des zweiten Halbsatzes der zitierten Gesetzesbestimmung kein Raum. Durch die gegenständliche Beschlußfassung werde eine endgültige Entscheidung über die behauptete Dienstbarkeit nicht herbeigeführt, sodaß der darauf abzielende Antrag im Rekurs als gegenstandslos anzusehen sei. Diesbezüglich sei der Rekurswerber gegebenenfalls auf die Bestimmung des § 47 AllgGAG zu verweisen.

Gegen die abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der auf den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der R*** Ö*** mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 62 AllgGAG; vgl. Bartsch, GBG7, 677), aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, Ing. Arnulf N*** habe nicht darlegen und unter Beweis stellen können, welchen Titel der Rechtserwerbung er hinsichtlich des strittigen Fischereirechtes für sich bzw. seine Rechtsvorgänger in Anspruch nehme. Der bloß faktische Umstand des tatsächlichen Besitzes enthebe Ing. Arnulf N*** nicht der Verpflichtung, Argumente dafür vorzubringen und in überzeugender Weise darzutun, daß er bzw. seine Rechtsvorgänger den Besitz rite erlangt hätten. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Bestimmungen des Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes gehen mit geringfügigen Änderungen auf die Anlegungsgesetze 1874 (für Kärnten siehe das Reichsgesetz vom 2.6.1874, RGBl. Nr.91) zurück; § 25 Abs 1 AllgGAG hatte seinen Vorläufer im § 25 der Anlegungsgesetze 1874 (Dittrich, Die Feststellung des letzten tatsächlichen Besitzes, ÖJZ 1953, 7 ff Ä8Ü). Bei der Redaktion des Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes wurde das im § 25 der Anlegungsgesetze 1874 verwendete Wort "faktische" (der letzte faktische Besitz) durch das Wort "tatsächliche" (der letzte tatsächliche Besitz) ersetzt. Zur Zeit der Erlassung der Anlegungsgesetze 1874 war es vielfach üblich, dem sogenannten Tabularbesitz (bücherlichen Besitz, Buchbesitz) den sogenannten Naturalbesitz (faktischen Besitz, physischen Besitz) gegenüberzustellen; in diesem Sinne ist der Begriff "tatsächlicher Besitz" aufzufassen (Dittrich aaO 10 mwN), wobei von diesem Begriff sowohl der Sachbesitz als auch der Rechtsbesitz umfaßt wird (Dittrich aaO 9).

§ 324 ABGB wendet den Gedanken des § 323 ABGB, daß der Besitzer einer Sache die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich habe, auf den Rechtsbesitz an. Der nach § 523 ABGB klagende Eigentümer hat daher den Nichtbestand des tatsächlich ausgeübten Rechtes nachzuweisen. Dieses Prinzip liegt auch der Regelung des § 25 Abs 1 AllgGAG zugrunde (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 324; SZ 59/110). Um zu erreichen, daß sein letzter tatsächlicher Besitz am Fischereirecht im Sinne des § 25 Abs 1 AllgGAG allen späteren Amtshandlungen zugrunde gelegt wird, brauchte Ing. Arnulf N*** demnach den Erwerbstitel für das behauptete Fischereirecht nicht anzugeben und nachzuweisen.

Da die Redlichkeit des Besitzes vermutet wird (§ 328 Satz 2 ABGB) und die Beweislast für die Unechtheit des Besitzes derjenige trägt, der sie behauptet (Spielbüchler aaO Rz 7 zu § 345), gereicht Ing. Arnulf N*** im gegebenen Zusammenhang auch nicht zum Nachteil, daß er nicht dargetan hat, Anna N*** habe den Besitz am Fischereirecht "rite" erlangt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.