JudikaturJustiz5Ob119/65

5Ob119/65 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 1965

Kopf

SZ 38/94

Spruch

Bei Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 261 (6) ZPO. besteht keine Möglichkeit, befristete, aber beim zunächst angerufenen Gericht versäumte Einreden nachzuholen

Entscheidung vom 3. Juni 1965, 5 Ob 119/65

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Mit der am 7. Juni 1962 beim Bezirksgericht A. übereichten Mahnklage begehrte der Kläger vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 6000 S samt 4% Zinsen seit 2. September 1961 als Restkaufpreis für einen um den Betrag von 14.300 S vom Beklagten gekauften Personenkraftwagen.

Das Bezirksgericht A. überwies die Rechtssache über die vom Beklagten bei der Tagsatzung vom 11. September 1962 erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit auf Antrag des Klägers gemäß § 261 (6) ZPO. an das offenbar nicht unzuständige Bezirksgericht H.

Bei der für den 19. November 1962 anberaumten Verhandlungstagsatzung erschien keine der Parteien, sodaß Ruhen des Verfahrens eintrat.

Mit Schriftsatz vom 24. November 1964 beantragte der Kläger die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens und schränkte das Klagebegehren auf den Betrag von 2919.10 S ein. Der Beklagte erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, weil der Kaufvertrag auf 14.300 S gelautet habe und dieser Betrag die im Zeitpunkt der Klagseinbringung für das Bezirksgericht maßgebende Wertgrenze überstiegen habe.

Das Erstgericht hob das durchgeführte Verfahren als nichtig auf und wies die Mahnklage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Seine Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit rechtzeitig erhoben sei, weil sie anläßlich der Neudurchführung der Verhandlung wegen Richterwechsels vor Eingehen in die Verhandlung in der Hauptsache geltend gemacht worden sei. Nach der Darstellung der Klage sei in dem gemäß § 54 JN. maßgebenden Zeitpunkt der Klagseinbringung eine Forderung des Klägers von 10.800 S noch offen gewesen, wovon nur der Teilbetrag von 6000 S geltend gemacht worden sei. Gemäß § 55 JN. sei aber der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalsforderung (10.800 S) für die sachliche Zuständigkeit von Belang, auch wenn nur ein Teil der Forderung begehrt werde. Diesfalls wäre der Wert des Streitgegenstandes im Zeitpunkt der Klagseinbringung (7. Juni 1962) jedenfalls über der damals für das Bezirksgericht nach § 49 (1) Z. 1 JN. in Betracht kommenden Streitwertgrenze von 8000 S gelegen, so daß die sachliche Zuständigkeit nicht gegeben sei.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die vom Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworden wurde. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung hätte - so führt das Rekursgericht aus - der Rechtsstreit nicht vor ein Bezirksgericht gehört, weil der für die Zuständigkeit nach § 55 JN. maßgebende Gesamtbetrag von 10.800 S die damals geltende Wertgrenze des § 49 (1) Z. 1 JN. von 8000 S überstiegen habe. Der Grundsatz der perpetuatio fori bedeute aber nicht, daß das unzuständige Gericht unzuständig bleibe und für die Zuständigkeit allein der Zeitpunkt der Klagseinbringung von Belang sei. Es könne ein unzuständiges Gericht im Laufe des Verfahrens zuständig werden. Es reiche hin, wenn die Zuständigkeit bis zum Schluß der Verhandlung eintrete. Diesfalls sei die Zuständigkeit des Erstgerichtes sowohl wegen der Einschränkung des Klagebegehrens auf den Betrag von 2919.10 S als auch infolge der am 1. Jänner 1964 wirksam gewordenen Erhöhung der Wertgrenze des § 49 (1) Z. 1 JN. auf 15.000 S gegeben. Eine neue Klage müßte wieder beim Erstgericht überreicht werden; dies würde den Grundsätzen der Prozeßökonomie widersprechen. Der Oberste Gerichtshof gab dem vom Beklagten gegen den Beschluß der zweiten Instanz erhobenen Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es unterliegt keinem Zweifel, daß diesfalls der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Klagseinbringung (7. Juni 1962) nicht der sachlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes unterlag, weil der für die Zuständigkeit nach § 55 JN. maßgebende Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalsforderung von 10.800 S die damals anzuwendende Wertgrenze des § 49 (1) Z. 1 ZPO. von 8000 S überstieg. Allein es lag keine unheilbare, sondern eine nach § 104 (3) JN. verzichtbare und durch Präklusion zu beseitigende sachliche Unzuständigkeit vor. Die beklagte Partei hat sich der Einrede dieser sachlichen Unzuständigkeit dadurch begeben, daß sie bei der Tagsatzung vom 11. September 1962 nur die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhob (s. hiezu § 43 JN., § 240 ZPO., GlUNF. Nr. 3330, 4612).

Die nach der Überweisung der Rechtssache an das örtlich offenbar nicht unzuständige Bezirksgericht H. erfolgte Fortsetzung des Verfahrens berechtigte den Beklagten also nicht, erst bei der fortgesetzten Verhandlung die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit geltend zu machen. Selbst wenn wegen eines Richterwechsels die Verhandlung neu durchzuführen ist, verliert einerseits das frühere Vorbringen der Parteien nichts an seiner Wirksamkeit, andererseits besteht auch nicht die Möglichkeit, befristete, bis zum Richterwechsel aber versäumte Einreden nachzuholen. Um so mehr muß dieser Grundsatz gelten, wenn die neue Verhandlung gemäß § 261 (6) ZPO. mit Benützung des über die erste Verhandlung aufgenommenen Protokolls und aller sonstigen Prozeßakten durchzuführen und im Sinne des § 138 ZPO. einzuleiten ist.

Ist die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit aber nicht rechtzeitig erhoben worden, dann ist die Rechtssache beim Prozeßgericht anhängig geworden und sie bleibt es nach § 29 JN. Aus welchem Grund die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit nicht früher erhoben wurde, ist nicht von Belang (s. hiezu GlUNF. Nr. 3330, 4612, 5 Ob 2/58 = EvBl. 1958 Nr. 103 S. 163).

Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen.