JudikaturJustiz5Ob108/17v

5Ob108/17v – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Wolfgang G*****, vertreten durch Mag. Johannes Fitzek, öffentlicher Notar in Millstatt, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Liegenschaft EZ *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 4. Mai 2017, AZ 3 R 65/17v, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 4. April 2017, TZ 1811/2017, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens beim Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage der Auslegung des Art 68 lit l EuErbVO iVm Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO wird zurückgewiesen.

2. Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts dahingehend abgeändert, dass der vom Rechtspfleger des Erstgerichts erlassene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung durch den Richter aufgetragen wird.

Text

Begründung:

Ob der Liegenschaft EZ ***** ist das Eigentumsrecht für Günter N*****, mit der Berliner Adresse M***** einverleibt.

Der Antragsteller beantragte am 28. 3. 2017 die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob dieser Liegenschaft. Er legte einen Kaufvertrag, abgeschlossen zwischen Ralf Günter N*****, als Verkäufer und ihm selbst als Käufer vor, weiters einen Erbschein des Amtsgerichts Neukölln vom 21. 4. 2016, der den Verkäufer als alleinigen Erben des am ***** geborenen und am 12. 10. 2015 verstorbenen, zuletzt in M*****, gewöhnlich aufhältigen Günter Reinhold Wilhelm N***** ausweist, und ein europäisches Nachlasszeugnis vom 13. 9. 2016, gültig bis 14. 3. 2017, wonach Ralf Günter N*****, wohnhaft J***** als Sohn des Erblassers Günter Reinhold Wilhelm N*****, aufgrund gesetzlicher Erbfolge dessen Alleinerbe ist. Nach dem europäischen Nachlasszeugnis hatte der Verstorbene zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht anzuwenden. Eine Eintragung unter Punkt 9 des Formblatts V Anlage IV („den Erben zugewiesene Vermögenswerte, für die eine Bescheinigung beantragt wurde“) enthält das europäische Nachlasszeugnis nicht, die Liegenschaft EZ ***** wird nirgends erwähnt. Außerdem legte der Antragsteller zwei Unbedenklichkeitsbescheinigungen und ein Schreiben des Amtsgerichts Neukölln vom 25. 1. 2017 vor, wonach sich nach dem gemäß Art 4 EuErbVO anwendbaren deutschen Recht die Erbenstellung auf den gesamten Nachlass beziehe und eine Bezeichnung einzelner zugehöriger Gegenstände nicht vorgesehen sei.

Das Erstgericht wies – durch einen Diplomrechtspfleger – das Grundbuchsgesuch ab. Urkunden von Behörden, die nach der EuErbVO zu ihrer Ausstellung zuständig sind, wie der Erbschein und das europäische Nachlasszeugnis, bedürften für den Eigentumserwerb an Liegenschaften in Österreich gemäß § 433 ABGB, § 33 Abs 1 lit d GBG der genauen Bezeichnung der Liegenschaft durch Angabe der Einlagezahl und Katastralgemeinde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Aufgrund des Inhalts des europäischen Nachlasszeugnisses sei die Stellung des Antragstellers (gemeint offenbar: des Verkäufers der Liegenschaft) als Erbe ausgewiesen, es nenne die antragsbezogene Liegenschaft allerdings nicht. Auch wenn ein gewisser Anschein dafür spreche, dass das Eigentum des Erblassers an der EZ ***** auf den Erben übergehen solle, sei dies mit der im österreichischen Grundbuchsverfahren notwendigen Sicherheit nicht ausreichend klargestellt, zumal neben der ausgewiesenen gesetzlichen Erbfolge des Ralf Günter N***** sonstige Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens in Deutschland vorliegen könnten, die der beantragten Einverleibung des Antragstellers, der vom Erben gekauft habe, entgegenstehen. Aus dem europäischen Nachlasszeugnis ergebe sich nicht eindeutig, dass der Erbe im Verlassenschaftsverfahren nach Günter Reinhold Wilhelm N***** ein Recht auf Einverleibung seines Eigentumsrechts ob der Liegenschaft des Erblassers erworben habe.

Da Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob in einem Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts an einer in Österreich gelegenen Liegenschaft zugunsten eines deutschen Erben aufgrund eines europäischen Nachlasszeugnisses, das nur die Stellung als gesetzlicher Erbe ausweise, die Liegenschaft gemäß § 85 GBG genannt sein müsse oder die Angabe der Erbfolge genüge, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Der Antragsteller beantragt in seinem Revisionsrekurs , die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinn einer Bewilligung des Grundbuchsgesuchs abzuändern; hilfsweise beantragt er, vor endgültiger Beschlussfassung die Frage der Auslegung des Art 68 lit l EuErbVO iVm Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO durch den Europäischen Gerichtshof im Weg eines Vorabentscheidungsverfahrens klären zu lassen.

Er argumentiert damit, gemäß Art 23 Abs 2 lit e EuErbVO, erstrecke sich die Reichweite des hier anwendbaren deutschen Rechts auch auf den Übergang der zum Nachlass gehörigen Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben. Das europäische Nachlasszeugnis sei gemäß Art 69 Abs 5 EuErbVO jedenfalls ein wirksames Schriftstück für die Eintragung in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats, dies werde auch in § 33 Abs 1 lit d GBG angeordnet. Der zwingende Inhalt eines europäischen Nachlasszeugnisses sei einzig und allein aufgrund der EuErbVO zu bestimmen, somit entsprechend Art 68 EuErbVO. Aus dem Erwägungsgrund 71 der Präambel der Verordnung ergebe sich, dass die Beweiskraft des Zeugnisses sich nicht auf Elemente beziehe, die nicht durch die Verordnung geregelt werden, wie etwa den Status oder die Frage, ob ein bestimmter Vermögenswert dem Erblasser gehörte oder nicht.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Verfahrenspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH durch das Gericht zu beantragen, sodass der diesbezügliche Antrag zurückzuweisen war (RIS Justiz RS0058452 [T3, T5, T14, T21]). Der Oberste Gerichtshof sieht sich aufgrund eines einer Sachentscheidung derzeit entgegenstehenden Verfahrensmangels nicht veranlasst, von Amts wegen ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

2. Aus Anlass des Revisionsrekurses ist nämlich ein schwerwiegender, einer Nichtigkeit gleichkommender Verfahrensmangel als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 1 GBG wahrzunehmen (§ 66 Abs 1 Z 1, § 58 Abs 4 Z 2 AußStrG), weil die Vorinstanzen den Richtervorbehalt nach § 16 Abs 2 Z 6 RPflG nicht beachtet haben:

3.1. Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn

1. aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht;

2. kein gegründetes Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden ist;

3. das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und

4. die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist.

3.2. Gemäß § 21 GBG sind grundbücherliche Eintragungen nur gegen den zulässig, der zur Zeit des Ansuchens als Eigentümer der Liegenschaft oder des Rechts, in Ansehung deren die Eintragung erfolgen soll, im Grundbuch erscheint, oder doch gleichzeitig als solche einverleibt oder vorgemerkt wird. Soll von einer derartigen Regel abgewichen werden („Sprungeintragung“), bedarf es gemäß § 22 GBG einer geschlossenen Kette von Urkunden, aus denen zu ersehen ist, dass der bücherliche Vormann im Sinne des § 21 GBG seine Rechte an jene Vormänner übertragen hat, von denen nunmehr der neue Erwerber seine Rechte ableitet. Gemäß § 22 GBG kann der letzte Übernehmer seine Rechte im Grundbuch auch dann eintragen lassen, wenn sein unmittelbarer Vormann im Grundbuch nicht aufscheint; dies gilt aber immer nur dann, wenn der Rechtserwerb bis zum unmittelbaren bücherlichen Vormann durch eintragungsfähige Urkunden nachgewiesen ist (RIS Justiz RS0060710).

4. Der Antragsteller strebt hier eine derartige „Sprungeintragung“ an, soll doch sein Eigentumsrecht aufgrund eines von ihm mit Ralf Günter N***** als Verkäufer abgeschlossenen Kaufvertrags einverleibt werden, der nicht als Eigentümer der verkauften Liegenschaft im Grundbuch aufscheint. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend zunächst die Frage geprüft, ob der Verkäufer nach den mit dem Antrag vorgelegten Urkunden als außerbücherlicher Erwerber der Liegenschaft berechtigt war, diese an den Antragsteller zu verkaufen. Gestützt wurde die Befugnis des Verkäufers auf seine Erbenstellung nach dem grundbücherlichen Eigentümer.

5. Für diese Beurteilung ist nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen die am 17. 8. 2015 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr 650/2012 vom 4. 7. 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses (in der Folge kurz: EuErbVO) anzuwenden, zumal nach den dem Grundbuchsantrag beigelegten Urkunden der grundbücherliche Eigentümer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und nach dem Inkrafttreten der Verordnung verstorben ist (Art 83 EuErbVO). Das Recht der Europäischen Union zählt zum österreichischen Rechtsbestand und ist daher nicht als ausländisches Recht anzusehen (6 Ob 152/12i; 10 Ob 2/14p).

6. Das allgemeine Erbstatut ist in Art 23 Abs 1 EuErbVO geregelt und richtet sich entweder nach einer – hier nicht aktenkundigen – Rechtswahl (Art 22 EuErbVO) oder mangels einer solchen primär nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (Art 21 Abs 1 EuErbVO), lediglich ausnahmsweise im Fall einer offensichtlich engeren Verbindung zu einem anderen als dem Aufenthaltsstaat nach dem Recht dieses Staats (Art 21 Abs 2 EuErbVO), wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen. Dem allgemeinen Erbstatut unterliegen gemäß Art 23 Abs 2 lit a EuErbVO etwa die Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie dessen Zeitpunkt und Ort, darunter fällt auch die erbrechtliche Umschreibung des Nachlasses (im Sinne der §§ 531, 548 ABGB – Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer , IZVR Art 23 EuErbVO Rz 4). Ebenso regelt das Erbstatut gemäß Art 23 Abs 2 lit e EuErbVO den Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben, somit, in welchem Zeitpunkt, in welcher Form (ex lege oder durch gerichtliche Entscheidung) und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen der Nachlass oder auch Teile davon auf die Berechtigten übergeht bzw Ansprüche fällig werden ( Traar aaO Rz 10; Mankowski in Deixler-Hübner/Schauer , EuErbVO Art 23 Rz 46 ff), letztlich auch (lit f) die Rechte der Erben insbesondere im Hinblick auf die Veräußerung von Vermögen und die Befriedigung der Gläubiger. Zur Beurteilung all dieser Fragen ist hier nach zutreffender Auffassung des Revisionsrekurswerbers – die auch mit dem Hinweis im europäischen Nachlasszeugnis übereinstimmt – materiell deutsches Recht anzuwenden.

7. Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO nimmt vom Anwendungsbereich der Verordnung jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung sowie die Wirkung der Eintragung oder fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register aus. Nach dem insoweit klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist daher zwar die Vorfrage, ob die Liegenschaft dem Erblasser sachenrechtlich gehörte, nach österreichischem Recht zu lösen (§ 31 IPRG; Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer , IZVR Art 1 EuErbVO Rz 7), nicht hingegen die – im nationalen Registerrecht gar nicht geregelte – Frage, ob die Rechte an der Liegenschaft überhaupt Gegenstand des Erbrechts sind und gegebenenfalls auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt der Erbe den Nachlass erwirbt. Insoweit ist jedenfalls das Erbstatut gemäß Art 23 Abs 1 EuErbVO anzuwenden, das hier auf deutsches Erbrecht verweist. Betreffend die Frage der bloß deklarativen oder konstitutiven Wirkung der Registrierung eines Nachlassgegenstands ist die Literatur zur Reichweite der Ausnahmebestimmung Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO allerdings nicht einhellig: Fischer/Czermak in Schauer/Scheuba , Europäische Erbrechtsverordnung (2012), 28 und Mankowski in Deixler-Hübner/Schauer , EuErbVO Art 1 Rz 89, sehen auch die Frage von der Ausnahme erfasst, ob eine Eintragung eines Nachlassgegenstands in ein Register konstitutive oder deklarative Wirkung hat; nach Dutta in MünchKomm BGB 6 Art 1 EuErbVO Rz 32, regelt das Registerrecht nur die Wirkung der Registrierung auf das materielle Recht. Nach Thorn in Palandt 75 Art 1 EuErbVO Rz 16 richtet sich der Übergang immer nach dem Erbstatut, weil das Registerrecht niemals den Übergang der Rechte, sondern nur deren Registrierung regelt; nach Rudolf/Zöchling Jud / Kogler in Rechberger / Zöchling Jud , Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich (2015), Rz 254, ist die Registereintragung nicht konstitutiv, wenn das Recht nach dem Erbstatut bereits übergegangen ist. Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer , IZVR Art 1 EuErbVO Rz 38 vertritt die Auffassung, die Bestimmung des § 819 ABGB über die Einantwortung sei keine Regelung des Registerrechts und die Anwendung der Grundregel der §§ 431, 436 ABGB auf erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge würde in Fällen, in denen das Erbstatut keinen ruhenden Nachlass kennt, zu einem hinkenden Rechtsverhältnis und einer von der Verordnung nicht gewünschten Nachlassspaltung führen, sodass auch im österreichischen Grundbuch eingetragene Liegenschaften im Weg der Gesamtrechtsnachfolge dann ex lege außerbücherlich übergehen, wenn das konkret anzuwendende Erbstatut dies so vorsieht. Auch nach Rudolf/Zöchling Jud/Kogler ( Rechberger/Zöchling Jud , Die EU Erbrechtsverordnung in Österreich [2015], Rz 252 ff und 259 f) entscheidet das Erbstatut – und nicht das Sachenrechtsstatut – über den Zuordnungsvorgang an Erben, Vermächtnisnehmer oder sonstige Berechtigte (ebenso Thorn aaO). Jedenfalls wenn man sich der überzeugend begründeten Auffassung von Dutta , Thorn , Traar und Rudolf/Zöchling-Jud/Kogler anschließt, ist das Erbstatut – hier also deutsches Recht – auch für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob das Eigentumsrecht an der Liegenschaft ex lege außerbücherlich bereits auf den Verkäufer der Liegenschaft übergegangen ist oder nicht und er über diese verfügen konnte.

8. Ein europäisches Nachlasszeugnis stellt zwar – unbeschadet des Art 1 Abs 2 k und l – gemäß Art 69 EuErbVO ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar (vgl auch § 33 Abs 1 lit d GBG), hat allerdings lediglich die in Art 68 EuErbVO konkret angeführten Angaben zu enthalten. Ein Hinweis darauf, ob eine Liegenschaft zum Nachlass gehört, auf welche Weise der Nachlass erworben wird und bei Liegenschaftsvermögen im Ausland der Eigentumsübergang erfolgt, ist in Art 68 EuErbVO aber nicht genannt. Dazu kommt, dass die mit dem Grundbuchsantrag vorgelegte Abschrift bei Antragstellung ihre Gültigkeit (vgl Art 70 Abs 3 EuErbVO) bereits verloren hatte, was nach einhelliger Auffassung ( Perscha in Deixler Hübner/Schauer , EuErbVO Art 70 Rz 8; Dutta in MünchKomm BGB 6 Art 70 EuErbVO Rz 6) dazu führt, dass dem europäischen Nachlasszeugnis die Wirkungen des Art 69 EuErbVO nicht mehr zukamen, sodass auch die im Art 69 Abs 2 EuErbVO angeordnete Vermutung, dass das Zeugnis die Stellung des Verkäufers als Erbe nach dem Liegenschaftseigentümer zutreffend ausweist, hier nicht anwendbar ist. Auch zur Beurteilung dieser Frage sowie der Wirkungen des vorgelegten deutschen Erbscheins (vgl Rechberger/Kieweler in Rechberger/Zöchling Jud , Die EU Erbrechtsverordnung in Österreich [2015], Rz 90) hatten die Vorinstanzen grundsätzlich auf das Erbstatut nach Art 23 EuErbVO und somit deutsches Recht zurückzugreifen.

9. Gemäß § 16 Abs 2 Z 6 RPflG bleiben – auch in Grundbuchsachen – dem Richter Entscheidungen vorbehalten, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist. Für das Wirksamwerden des Richtervorbehalts nach dieser Bestimmung reicht es aus, dass die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer ausländischen Rechtsvorschrift zumindest in Betracht kommt (RIS Justiz RS0125906; Hoyer ; Anm zu 5 Ob 184/08g = NZ 2009/736 [GBSlg]; 5 Ob 208/09p = NZ 2010/92 [ Hoyer ]). Nach obigen Ausführungen ist hier von der Notwendigkeit der Anwendung nicht nur der zum österreichischen Rechtsbestand gehörenden EuErbVO, sondern aufgrund des dort angeordneten Kollisionsrechts auch des materiellen deutschen Erbrechts auszugehen.

10. Ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt würde, leiden nach bisher ständiger Rechtsprechung an Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO, sodass ein solcher Beschluss im Fall seiner Anfechtung aufzuheben ist. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen (RIS Justiz RS0007465 [T2]). Nunmehr folgt diese Konsequenz (auch) aus § 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG und § 75 Abs 2 GBG (RIS Justiz RS0007465 [T10]), wobei das AußStrG den Begriff der Nichtigkeit vermeidet. Eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof scheidet in der gegebenen Konstellation allerdings aus (5 Ob 208/09b).

Rechtssätze
2
  • RS0007465OGH Rechtssatz

    28. Februar 2023·3 Entscheidungen

    Nach ständiger Rechtsprechung des OGH leidet ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, an einer Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Ein solcher Beschluss ist daher im Falle seiner Anfechtung aufzuheben. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen. Entscheidungen des Rechtspfleger sind aber auch dann, wenn sie wegen Überschreitung der Entscheidungsbefugnis des Rechtspflegers nichtig sind, keineswegs wie "Nichturteile" ("Nichtbeschlüsse") rechtsunwirksam. Auch ein vom Rechtspfleger in Überschreitung seiner Kompetenz erlassener Beschluss ist daher der formellen Rechtskraft fähig und erwächst, wenn er nicht oder bloß mit einem unzulässigen Rechtsmittel angefochten wird, in Rechtskraft. In einem solchen Fall liegt nach Ablauf seiner Anfechtungsfrist ein rechtskräftiger Beschluss des Gerichtes vor, als dessen Organ der Rechtspfleger tätig geworden war. Wenn mit dieser Beschlussfassung das Verfahren abgeschlossen ist, ist auch die amtswegige Wahrnehmung der dem Beschluss anhaftenden Nichtigkeit - abgesehen vom Fall des § 42 Abs 2 JN - ausgeschlossen. Es kann sich daher auch von diesen Zeitpunkt an niemand auf die Nichtigkeit dieses Beschlusses berufen.