JudikaturJustiz4Ob74/15h

4Ob74/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. W***** L*****, 2. R***** S*****, 3. Verein Österreichischer Ethik-Rat für Public Relations, *****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 70.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Februar 2015, GZ 1 R 207/14i 16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist Medieninhaberin der werktags erscheinenden Ausgabe der Tageszeitung Ö*****. Medieninhaberin der Sonntagsausgabe ist eine Tochtergesellschaft der klagenden Partei. Der drittbeklagte Verein ist Rechtsträger des „Österreichischen Ethik-Rats für Public Relations“ (in der Folge „PR Ethik Rat“). Dieser hat nach den Vereinsstatuten die Aufgabe, die Einhaltung ethischer Grundsätze in der Öffentlichkeitsarbeit (PR Bereich) zu überwachen. Er wird dabei entweder von sich aus oder auf Anregung tätig, untersucht das PR-Auftreten und veröffentlicht für den Fall, dass nach seiner Meinung eine Verletzung ethischer Grundsätze vorliegt eine „Rüge“ oder „Ermahnung“. Ein Instanzenzug gegen die Entscheidung über eine derartige Veröffentlichung ist nach den Statuten des Vereins und nach der Geschäftsordnung des „PR-Ethik-Rats“ nicht vorgesehen. Der Erstbeklagte ist Vorsitzender, die Zweitbeklagte ist stellvertretende Vorsitzende des „PR Ethik Rats“.

Am 7. 2. 2014 hat der „PR-Ethik-Rat“ unter dem Titel „PR Ethik Rat rügt Ö*****“ eine Aussendung der APA veranlasst. Dem liegt ein redaktioneller Beitrag einer Sonntagsausgabe der Tageszeitung Ö***** zugrunde, in dem über Lehrstellenangebote namentlich genannter Arbeitgeber berichtet wurde. Diese Unternehmen schalteten in der gleichen Ausgabe der Zeitung auch Werbeinserate. In der APA Aussendung wird über die Vermutung eines „Beschwerdeführers“ referiert, es handle sich beim redaktionellen Beitrag um Gefälligkeitsberichte für Anzeigenkunden. Dieser Einschätzung schloss sich der „PR-Ethik-Rat“ in der Aussendung unter „ Spruch und Begründung “ an, begründete dies näher und „ rügte die Tageszeitung Ö***** öffentlich wegen Gefälligkeitsberichterstattung und Täuschung der Leser/innen “.

Die klagende Partei, die ebenso wie ihre Tochtergesellschaft kein Mitglied des beklagten Vereins ist und sich auch nicht durch Vereinbarung seinen Entscheidungen unterworfen hat, warf den beklagten Parteien in der auf Lauterkeitsrecht und § 1330 ABGB gestützten Klage irreführende und herabsetzende Angaben und die Vortäuschung von hoheitlichen Befugnissen vor.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass es sich beim Bericht um eine durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckte subjektive Meinungsäußerung (bzw um ein Werturteil) mit einem im Kern wahren Tatsachensubstrat handle. Die klagende Partei könne sich daher nicht auf § 1330 ABGB stützen. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche scheiterten am fehlenden „Handeln im geschäftlichen Verkehr“.

Die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision stützt die klagende Partei darauf, dass die Vorinstanzen zu Unrecht nicht von einer Verbreiterung unwahrer Tatsachen durch den „PR Ethik Rat“, sondern von einem Werturteil ausgegangen seien. Zudem fehle es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob ein unlauteres Handeln vorliege, wenn ein Verein ehrenbeleidigende und kreditschädigende Äußerungen über ein Unternehmen verbreite.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1.1 Sinn und Bedeutungsinhalt einer beanstandeten Äußerung, deren Unterlassung gemäß § 1330 ABGB begehrt wird, wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden, ob eine auf einem wahren Tatsachenkern zurückzuführende wertende Meinungsäußerung oder ein reines Werturteil vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung für den unbefangenen Adressaten. Es handelt sich um Rechtsfragen, die jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den konkreten Formulierungen in ihrem Zusammenhang, der Form der Äußerung und des Gegenstands, den sie betrifft, und allen sonstigen Umständen, die für den Eindruck auf das angesprochene Publikum maßgebend sein können, beurteilt werden (RIS Justiz RS0078409). Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre (RIS Justiz RS0107768), ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS Justiz RS0113943), ob schutzwürdige Interessen des Verletzten beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die nach § 1330 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung ausschlägt (6 Ob 318/03p), sind daher Fragen des Einzelfalls, denen in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (6 Ob 256/08b uva).

1.2 Insoweit die klagende Partei darauf hinweist, dass sich der Sinngehalt einer Äußerung auch auf verdeckte Aussagen erstrecke, ist ihr zu entgegnen, dass jedenfalls dann keine im Werturteil verdeckten Tatsachen vorliegen, wenn wie hier die Tatsachengrundlage bekanntgegeben wurde, auf welcher die geäußerte Wertung (Meinung) beruht, sodass den Lesern die Möglichkeit gegeben wurde, sich ein Urteil über die Richtigkeit dieser Wertung zu bilden (RIS Justiz RS0032494 [T4]).

1.3 Die Vorinstanzen haben alle mit § 1330 ABGB und Art 10 EMRK im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen vertretbar gelöst; eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung (RIS Justiz RS0113943 [T2]) liegt nicht vor.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts bedarf auch wegen der Verneinung der auf unlauteren Wettbewerb gestützten Ansprüche keiner höchstgerichtlichen Korrektur. Die Beurteilung des Berufungsgerichts zum Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehr hält sich auch hier im Rahmen der ständigen Rechtsprechung.

2.1 Die Beklagten werden selbst nicht wirtschaftlich tätig und könnten daher allenfalls wegen der Förderung fremden Wettbewerbs in Anspruch genommen werden. Wegen des generellen Wegfalls der Wettbewerbsabsicht als Tatbestandsmerkmal des § 1 UWG durch die UWG Novelle 2007 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung nicht mehr auf die Absicht an, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern auf die Eignung, sofern nicht bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt (4 Ob 40/11b; 4 Ob 165/11k; 4 Ob 76/12y; 4 Ob 94/14y; 4 Ob 7/15f; RIS Justiz RS0126548; RS0123244 [T1]; RS0077619 [T20]; Heidinger in Wiebe/Kodek , UWG 2 § 1 Rz 91; vgl für den Bereich einer Markenverletzung auch 17 Ob 19/10h). In solchen Fällen scheitert ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch am fehlenden Handeln im geschäftlichen Verkehr, dies ungeachtet der als bloßer Reflex zu wertenden faktischen Förderung des Wettbewerbs von einzelnen Konkurrenten (4 Ob 222/11t; 4 Ob 7/15f ua).

2.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, mit seiner Rüge habe der „PR Ethik Rat“ seiner Ansicht nach bedenkliche PR Aktivitäten aufzeigen, nicht aber Konkurrenten der klagenden Partei fördern oder Inserenten beeinflussen wollen, weshalb wettbewerbsfremde Zielsetzungen eindeutig überwogen hätten, hält sich im Rahmen der referierten Judikatur. Diese Rechtsansicht stellt keine vom Obersten Gerichtshof zu lösende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, zumal es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt (vgl 4 Ob 38/12k).

Rechtssätze
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