JudikaturJustiz4Ob68/13y

4Ob68/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Cizek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2013, GZ 2 R 267/12t 12, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. September 2012, GZ 57 Cg 78/12i 7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr in ihrer Fernsehwerbung zu unterlassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, sie gewähre einen Rabatt in bestimmter Höhe, etwa von 100 EUR, auf den Kauf jeder Brille, etwa durch Werbeversprechen wie „Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille!“ oder sinngleiche Werbeaussagen, wenn dieser Rabatt tatsächlich nur bei Überschreitung eines bestimmten Mindestpreises, etwa 200 EUR für Fassung und Gläser und/oder nicht auf nicht optische Sonnenbrillen gewährt wird.

Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klagestattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsgebots und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Urteil einmal durch Verlesung im österreichischen Fernsehprogramm „ORF 2“, unmittelbar vor Beginn des Vorabendprogramms, also um oder kurz vor 18:20 Uhr, auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.683,28 EUR bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin 726,88 EUR USt und 1.322 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 9.223,70 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 780,95 EUR USt und 4.538 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte vertreibt österreichweit über 100 Filialen optische Brillen, Sonnenbrillen, Kontaktlinsen und Pflegemittel.

Im Februar und März 2012 bewarb die Beklagte in einem TV Werbespot, der in österreichischen Fernsehsendern (unter anderem ORF 2) sowie in österreichischen Werbefenstern deutscher Fernsehsender vorwiegend in der Zeit zwischen 17:30 Uhr und 21:00 Uhr geschaltet wurde, eine Preisnachlassaktion.

Der mit Musik untermalte TV Werbespot dauerte insgesamt 21 Sekunden und zeigt C***** R*****, am Catwalk hervortretend mit Brille, die mit folgendem Text angekündigt wird: „Am Catwalk C***** R***** mit Brille von P*****“. Sodann brandet Applaus auf, es folgt ein Schnitt ins Studio. Ein Mann erscheint mit den Worten: „Neugierig? Mehr davon in ihrer P***** Filiale. Wir sehen uns!“. Es folgt ein Schnitt zu C***** R***** und der Text: „Die schönsten Brillen die beste Auswahl!“.

Dann folgt für vier Sekunden lang (in den Sekunden 15 bis 19 des Spots) eine Einblendung auf grauem Hintergrund in weißen groß gehaltenen Buchstaben mit folgenden in großer grüner Schrift gehaltenen Worten: „Sparen Sie jetzt 100“ und direkt unterhalb dieses Betrags in auch im Vergleich zu obigem Hinweis „Sparen Sie jetzt“ kleinerer, allerdings gut lesbarer weißer Schrift, der Hinweis „gültig beim Kauf einer optischer Brille (Fassung + Gläser) ab 200, “. Sowohl die Ankündigung des Angebots als auch diese Einschränkung wurden zeitgleich für vier Sekunden eingeblendet, wobei die Preisangabe „100, „ zusätzlich hervorgehoben wurde, in dem sie gleichsam in einem kurzen Aufblinken herangezoomt wurde. Gleichzeitig spricht die Stimme eines Mannes: „Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille! 100 x in Österreich!“.

In der letzten Sekunde des Werbespots wird über den gesamten Bildschirm die Wortbildmarke der Beklagten eingeblendet und von einer männlichen Stimme mit den Worten „P*****. Das beste Sehen“ begleitet.

Der Verein für Konsumenteninformation ( Kläger ) begehrt, der Beklagten zu verbieten, in ihrer Fernsehwerbung den unrichtigen Eindruck zu erwecken, sie gewähre einen Rabatt in bestimmter Höhe, etwa von 100 EUR, auf den Kauf jeder Brille, etwa durch Werbeversprechen wie „Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille!“ oder sinngleiche Werbeaussagen, wenn dieser Rabatt tatsächlich nur bei Überschreitung eines bestimmten Mindestpreises, etwa von 200 EUR für Fassung und Gläser und/oder nicht auf nicht optische Sonnenbrillen gewährt wird. Zusätzlich begehrte der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Vorabendprogramm des Fernsehens (ORF 2). Versprochen werde die Ersparnis von 100 EUR bei jeder Brille, tatsächlich sei die Aktion gewissen Einschränkungen unterworfen (nur für optische Brillen, ab einem gewissen Preis), gelte insbesondere nicht für die von der Beklagten ebenfalls angebotenen Sonnenbrillen ohne optische Gläser. Im Hinblick auf die blickfangartige Ankündigung sei der einschränkende Kleindruckhinweis nicht ausreichend deutlich. Dem gesprochenen Text einer Fernsehwerbung komme eine besonders hohe suggestive Wirkung zu, sodass dieser Text den Tatsachen zu entsprechen habe. Die Einschränkung der Preisreduktion auf optische Brillen zu einem Mindesteinkaufswert von 200 EUR sei eine Korrektur des mündlich gemachten Versprechens, die durch das bloß Kleingedruckte und nur vier Sekunden aufscheinende Insert nicht ausreichend deutlich gemacht sei. Die beanstandete Werbung erweise sich daher als irreführend über einen vorgeblichen Preisvorteil.

Die Beklagte wendete ein, dem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher sei klar, dass es sich bei diesem Angebot nur um optische Brillen handeln könne, weil der Werbespot ausschließlich solche Brillen gezeigt habe; auch sei ihm bewusst, dass der Werbende keinen Verlust machen wolle und das Angebot daher erst bei einem bestimmten Mindesteinkaufspreis gelten könne. Die Beklagte habe überdies einen entsprechenden schriftlichen Hinweis in üblicher und angemessener Form aufgenommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar lenke der Werbespot der Beklagten isoliert betrachtet den Blick auf den Preisnachlass von 100 EUR, bei einer derartigen audiovisuellen Werbung sei dem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher aber bekannt, dass Einschränkungen durch einen (lediglich) bildlichen Zusatz ausgeführt werden könnten. Die hier maßgebliche Einschränkung sei gut wahrnehmbar und damit auch sinnerfassend lesbar.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Niemand könne ernsthaft annehmen, der Werbende verspreche eine derartige Ersparnis (100 EUR) auf sein gesamtes Sortiment, selbst wenn es Waren mit darunterliegenden Preisen enthalte. Für jedermann leuchte hervor, dass die Preisersparnis gewissen Voraussetzungen unterliege, die im Weiteren dargelegt würden. Demgemäß folge auch hier eine nähere Erläuterung, einerseits verbal (beim Kauf jeder Brille), auch werde dies keineswegs blickfangartig mit besonderer Betonung oder erhöhter Lautstärke hervorgehoben. Auch sei ohne weiters das damit verknüpfte Wortspiel „100 EUR ... 100 x ...“ erkennbar (wohl in Anspielung auf die Anzahl der Filialen). Andererseits würden zeitlich und über dieselbe Dauer dieser Passage wenn auch kleiner, jedoch durchaus gut lesbar die vom verständigen Verbraucher geradezu erwarteten näheren Details eingeblendet. Es handle sich hiebei um einen in die Gesamtbetrachtung einfließenden, einer Irreführungseignung entgegenstehenden Teil der Werbung. In einem audiovisuellen Medium sei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen, der die Werbung sowohl akustisch als auch optisch mitverfolge, weder anderwertig abgelenkt noch in seiner Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers, der sein Unterlassungs und Veröffentlichungsbegehren weiter verfolgt, ist zulässig und berechtigt.

Der gemäß § 14 Abs 1 UWG zur Unterlassungsklage befugte Kläger macht geltend, dass es sich bei dem eingeblendeten Text: „Sparen Sie jetzt 100, “ samt dazu gesprochenem Text: „Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille 100 x in Österreich“ um irreführende Blickfangwerbung handle.

Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (RIS Justiz RS0123292). Maßgebend ist das Verständnis der von der Werbung angesprochenen Kreise; hier also Verbraucher, die Brillen kaufen wollen oder müssen.

Der Bedeutungsinhalt von Äußerungen richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, weil der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, bereits entscheidend geprägt werden kann (4 Ob 224/08g mwN). Von einem Blickfang wird gesprochen, wenn in einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind; sie dürfen für sich allein genommen nicht zur Irreführung geeignet sein (4 Ob 112/11s mwN; RIS Justiz RS0078535).

Entgegen der Argumentation der Beklagten wird die sowohl optisch als auch akustisch herausgestellte Werbung mit der Ersparnis von 100 EUR nicht bloß als nicht ernst gemeinte reklamehafte Übertreibung aufgefasst (marktschreierische Werbung; RIS Justiz RS0078301). Es mag zwar naheliegen, dass die Ersparnis von 100 EUR einen (unreduzierten) Mindestpreis von 100 EUR voraussetzt, dass diese Grenze von der Beklagten tatsächlich bei 200 EUR angesetzt wurde, ist nicht ohne weiteres auf der Hand liegend. Es bedürfte vielmehr eines deutlich wahrnehmbaren Hinweises auf die weiteren einschränkenden Voraussetzungen für den angekündigten Rabatt, um einem irreführenden Gesamteindruck entgegenzuwirken.

Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine wie hier umfassend formulierte und daher in ihrer Unvollständigkeit irreführungsgeeignete Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Das setzt im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraus. Gleiche Auffälligkeit ist nicht erst dann gegeben, wenn die Schriftgröße übereinstimmt. Maßgebend ist vielmehr, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger Verbraucher den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (4 Ob 243/03v ua; RIS Justiz RS0118488).

Diese Voraussetzungen erfüllt der von der Beklagten vorgesehene Hinweis über die einschränkenden Voraussetzungen des beworbenen Rabatts nicht. Der bloß für vier Sekunden in gegenüber der blickfangartig herausgestellten Werbung wesentlich kleinerer Schrift gehaltene Hinweis mag dieser auch allein unter dem Aspekt der Schriftgröße betrachtet durchaus wahrnehmbar sein ist im Gesamtzusammenhang so unauffällig, dass auch der der Maßfigur entsprechende Verbraucher ihn letztlich kaum zur Kenntnis nehmen wird. In diesem Zusammenhang verdient auch der Umstand Beachtung, dass der optisch hervorgehobene 100 EUR Rabatt auch noch durch einen entsprechend formulierten und vorgetragenen Begleittext akustisch unterstrichen wird, der aufklärende Hinweis hingegen dem Publikum nicht akustisch zur Kenntnis gebracht wird (vergleichbar etwa den gesprochenen Hinweisen auf Gebrauchsinformation, Arzt und Apotheker bei Arzneimittelwerbung).

Der beanstandete Werbespot ist daher als irreführend zu beurteilen, ohne dass darüber hinaus geprüft werden müsste, ob nicht der von der Werbung für Brillen angesprochene, in seiner Sehkraft geschwächte Teil des Publikums durch die relativ kleine Schrift des aufklärenden Hinweises überfordert wird und auch auf ein sehschwaches Publikum abzustellen ist.

Die nach dem maßgeblichen Gesamteindruck unvollständige Werbung der Beklagten, die geeignet ist, den angesprochenen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte, etwa sich näher mit dem Angebot der Beklagten zu befassen, ist daher zu untersagen. Im Hinblick auf die festgestellte Verbreitung der beanstandeten Werbung auf mehreren bundesweit zu empfangenden Fernsehsendern ist die angestrebte Urteilsveröffentlichung durch Verlesung des Urteils im Vorabendprogramm eines ORF Senders (ORF 2) iSd § 25 Abs 3 UWG angemessen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO; jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wurde in Anbetracht der vor und außerprozessual begehrten Barauslagen (Streuanalysekosten) nicht bescheinigt.

Rechtssätze
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