JudikaturJustiz4Ob62/90

4Ob62/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Dr. Josef M***, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Salzburg, Münzgasse 1, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert: 75.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Jänner 1990, GZ 1 R 230/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23. Juni 1989, GZ 4 Cg 160/87-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.088,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Mit einer auf § 89 Abs 1 FinStrG gestützten schriftlichen "Beschlagnahmeanordnung" verfügte das Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz im Zuge eines Finanzstrafverfahrens am 22.1.1981 zu Z 88/80 die Beschlagnahme der als Beweismittel in Betracht kommenden "gesamten Buchhaltungs- und Schriftverkehrsunterlagen der P*** Beratungs-Gesellschaft mbH (im folgenden kurz "P***"), welche ihren Sitz an der Salzburger Kanzleiadresse des Klägers hatte. Im Zuge der von Organen des Finanzamtes Salzburg-Stadt am 27.1.1981 in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers durchgeführten Beschlagnahme wurde gegen dessen Protest ein die P*** betreffender Handakt beschlagnahmt und versiegelt.

Gegen die dem Finanzamt Salzburg-Stadt als belangter Behörde zuzurechnende Amtshandlung der Beschlagnahme dieses Handaktes erhob der Kläger eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 16.12.1981, B 101/81 (veröffentlicht in VfSlg 9308) stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß der Kläger durch die am 27.1.1981 von Organen des Finanzamtes Salzburg-Stadt durchgeführte Beschlagnahme seines Handaktes in dem verfassungesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden ist. Dieses Erkenntnis wurde dem Finanzamt Salzburg-Stadt am

10. oder 11.2.1982 zugestellt; daraufhin wurde der Handakt samt den darin enthaltenen (Original )Urkunden dem Kläger am 18.2.1982 zurückgestellt. Schon am 17.2.1982 hatte jedoch der Kläger gegen die Beklagte eine an das Landesgericht für ZRS Wien gerichtete Klage auf Herausgabe des Handaktes zur Post gegeben; in diesem zu 19 Cg 112/82 des Erstgerichtes geführten Rechtsstreit obsiegte der Kläger mit seinem auf Kosten eingeschränkten Begehren.

Unter Berufung auf die von Organen des Finanzamtes Salzburg-Stadt am 27.1.1981 rechtsiwdrig vorgenommene Beschlagnahme seines die P*** betreffenden Handaktes begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - die Herausgabe, in eventu die Beseitigung aller von Organen der Beklagten angefertigten Fotokopien von insgesamt 38 im Urteilsantrag näher bezeichneten Urkunden des Handaktes, nämlich von 5 Notariatsakten, 2 Berufungen, 6 Vollmachten,

2 Treuhandvereinbarungen, 3 Aktennotizen, 17 Schreiben, 1 Vermögenssteuererklärung, 1 Gesellschafterbeschluß und 1 Honorarnote. Bei den Originalurkunden handle es sich um Briefe und vertrauliche Aufzeichnungen des Klägers, die von Organen des Finanzamtes Salzburg-Stadt fotokopiert worden seien. Die Fotokopien befänden sich nunmehr sowohl im Akt 524 Cs 150 Js 27.015/86 des Landgerichtes Traunstein als auch im Besitz der Beklagten. Der Kläger stützt den von ihm geltend gemachten Anspruch ausdrücklich auf sein Eigentum an den Originalurkunden, aus dem sich auch sein Eigentum an den Fotokopien herleite, aber auch auf das Urheberrecht. Die Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, weil die Fotokopien im Rahmen des Vertrages vom 4.10.1954 BGBl 1955/249 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen angefertigt und dem Finanzamt Rosenheim überlassen worden seien. Die Fotokopien befänden sich seit 5.11.1981 nicht mehr im Besitz der Beklagten, sie seien vielmehr dem Finanzamt Rosenheim in Erfüllung eines Rechtshilfeersuchens ausgefolgt worden. Die begehrte Leistung sei daher unmöglich, sie selbst sei hiefür passiv nicht legitimiert.

Das Erstgericht verwarf die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, weil für die vom Kläger aus seinem Eigentum und aus dem Urheberrecht abgeleiteten zivilrechtlichen Ansprüche der ordentliche Rechtsweg offen sei. Dieser Beschluß des Erstgerichtes ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem zugleich ergangenen Ersturteil wurden sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren des Klägers abgewiesen. Das Erstgericht traf noch folgende wesentliche Tatsachenfeststellungen:

Am 5.2.1981 ersuchte die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt Rosenheim unter Berufung auf den Rechtshilfevertrag in Abgabensachen vom 4.10.1954 BGBl 1955/249 die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt Salzburg-Stadt um Rechtshilfe. Der Kläger solle angeblich bei der P*** die Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeübt haben; in diesem Zusammenhang sei ein bestimmter Bankbeleg von Bedeutung, weshalb darum ersucht werde, Beamten der Steuerfahndungsstelle Rosenheim Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen zu gewähren. Auf Grund dieses Rechtshilfeersuchens wurden am 26.5.1981 von einem Beamten des Finanzamtes Salzburg-Stadt auf einem Kopiergerät dieser Behörde Fotokopien von Unterlagen aus dem versiegelten Handakt hergestellt und sodann einem Mitarbeiter der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Rosenheim übergeben.

Im Oktober 1981 ersuchte das Finanzamt Rosenheim neuerlich um Rechtshilfe. Es bestehe der Verdacht, daß der Kläger bei Steuerstraftaten in der Bundesrepublik Deutschland lebender Beschuldigter mitgewirkt bzw dazu Beihilfe geleistet habe; das Finanzamt Rosenheim habe auch gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, weshalb um neuerliche Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen ersucht werde. Auf Grund dieses Rechtshilfeersuchens gewährte das Finanzamt Salzburg-Stadt am 4. und 5.11.1981 dem Beamten Adolf W*** von der Steuerfahndungsstelle Rosenheim Einsicht in den versiegelten Handakt. Adolf W*** kopierte auf einem Kopiergerät des Finanzamtes Salzburg-Stadt die für die deutschen Steuerstrafverfahren relevanten Urkunden, wobei die Übereinstimmung der so hergestellten Fotokopien mit den Originalen vom Leiter der Steuerfahndungsstelle Salzburg beglaubigt wurde. Anläßlich der Überlassung der Fotokopien an die deutschen Steuerorgane wurde über das Eigentumsrecht daran und eine allfällige Rückgabeverpflichtung nichts besprochen.

Die im Klagebegehren genannten 38 Fotokopien sind jene, die den deutschen Steuerorganen im Rechtshilfeweg überlassen worden sind; sie befinden sich derzeit in einem Finanzstrafakt des Landgerichtes Traunstein. Daß die Beklagte selbst noch solche Fotokopien besitzt, war nicht feststellbar. Die Beklagte hat keinen Versuch unternommen, die Fotokopien von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland zurückzuerlangen.

Der Kläger hat auch gegen die Eröffnungen des versiegelten Handaktes am 4. und 5.11.1981 beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhoben. Diese wurde aber mit Beschluß vom 14.6.1982 zurückgewiesen, weil sich der bekämpfte Vorgang nach Art und Umfang nur als tatsächliche Disposition über beschlagnahmtes Gut auf Grund der schon früher stattgefundenen Beschlagnahme darstelle, über welche schon mit Erkenntnis vom 16.12.1981, B 101/81, entschieden worden sei (Beilage E).

Das Erstgericht bejahte die Passivlegitimation der Beklagten, weil die im Rahmen der beiden Rechtshilfeersuchen befaßten Organe des Finanzamtes Salzburg-Stadt in Erfüllung einer zwischenstaatlichen Rechtshilfeverpflichtung der Beklagten und damit als deren Organe tätig geworden seien. Da die Beklagte bisher nicht einmal den Versuch einer Rückforderung der Fotokopien unternommen habe, könne auch von einer Unmöglichkeit der Leistung nicht gesprochen werden. Die Ansprüche des Klägers könnten aber weder aus dem Eigentums- noch aus dem Urheberrecht abgeleitet werden:

ungeachtet der Frage, ob und an welchem der hier in Rede stehenden Urkunden dem Kläger als Verfasser überhaupt Urheberrechte zustehen könnten, stehe ein allfälliges Urheberrecht gemäß §§ 41, 77 Abs 6 UrhG der Benützung eines Werkes zu Beweiszwecken im Verfahren vor den Gerichten oder anderen Behörden nicht entgegen; nichts anderes sei aber mit der Weitergabe der hier in Rede stehenden Fotokopien an die Organe des Finanzamtes Rosenheim geschehen. Sachenrechtlich sei zwischen Originalurkunden und Fotokopien zu unterscheiden. Es handle sich dabei um verschiedene ("getrennte") Sachen, weshalb das Eigentumsrecht an den Originalen nicht notwendigerweise auch Ansprüche auf die Fotokopien zur Folge haben müsse. Auch das Eigentumsrecht des Klägers an den Originalurkunden könne erst im Wege einer nach § 16 ABGB vorzunehmenden Interessenabwägung "Bedeutung erlangen". Danach seien aber die Persönlichkeitsrechte des Klägers nicht höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an der Rechtspflege. Die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme der Originale durch Organe der Beklagten könne lediglich zu einem Beweisverwertungsverbot in den entsprechenden Verfahren, nicht aber zu einer Herausgabe- oder Beseitigungsverpflichtung der Beklagten führen, zumal deren Besitz an den streitverfangenen Kopien nicht feststellbar gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Ansprüche des Klägers könnten nur auf der Grundlage der von ihm geltend gemachten Privatrechtsverletzungen (Eigentum und Urheberrecht) geprüft werden; ob allenfalls aus einer rechtswidrigen Beschlagnahme von Unterlagen durch Finanzbehörden auch ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes durch Ausfolgung oder Vernichtung der hergestellten Aufzeichnungen erwachse, müsse auf Grund einer Geltendmachung im Verwaltungsverfahren auch der Beurteilung der Verwaltungsbehörden vorbehalten bleiben. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß das Eigentum des Klägers an den Originalurkunden nicht schon das Eigentum an den Fotokopien nach sich ziehe. Urkundenkopien seien im Verhältnis zu den Originalen selbständige Sachen, weil sie gerade deshalb hergestellt würden, damit sie anstelle des Originals und unabhängig von diesem gebraucht werden könnten. So wie der Eigentümer des Papiers durch dessen Beschriftung Eigentümer der dadurch entstehenden Urkunde bleibe, der Beschreiber eines fremden Blattes Papier aber nach der Verarbeitungsregel des § 416 ABGB wegen wirtschaftlicher Unterordnung des Materials Alleineigentümer der Urkunde werde, bleibe auch der eigenes Kopierpapier verwendende Ablichter einer Urkunde Eigentümer der so enstehenden selbständigen Sache "Fotokopie"; bei Verwendung fremden Kopierpapiers werde der Ablichter (bzw jene Person, der die Herstellung zuzurechnen ist) Eigentümer der Fotokopien. Danach sei aber ein Eigentumsrecht des Klägers an den hier in Rede stehenden Fotokopien schon deshalb ausgeschlossen, weil er weder Eigentümer des Kopierpapiers gewesen sei noch die Kopien hergestellt habe; vielmehr habe der Rechtsträger der Steuerfahndung Rosenheim daran Eigentum erworben, und zwar entweder durch derivativen Eigentumserwerb bereits am Kopierpapier oder originär im Wege der Verarbeitung (Ablichtung). Der Eigentumsklage fehle daher jegliche Anspruchsgrundlage. Weil aber auch die Beklagte nicht Eigentümer der Fotokopien geworden sei, könne ihr gegenüber schon aus diesem Grund kein urheberrechtlicher Anspruch auf Überlassung (Herausgabe) von Eingriffsgegenständen oder auf Beseitigung bestehen, hätten doch derartige Ansprüche nach § 82 Abs 5 und 6 UrhG das Eigentum des jeweiligen Beklagten an den Eingriffsgegenständen oder den zu beseitigenden Gegenständen zur Voraussetzung.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Stattgebung "des Klagebegehrens"; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ob für die vom Kläger geltend gemachte Verletzung seiner Eigentums- oder Urheberrechte an Urkunden Kopien durch ein rechtswidriges hoheitliches Verhalten, begangen von Organen des Finanzamtes Salzburg-Stadt im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens, der ordentliche Rechtsweg in Ansehung des daraus abgeleiteten Hauptbegehrens auf Herausgabe von 38 Fotokopien von Urkunden eines beschlagnahmten Handaktes bzw des Eventualbegehrens auf deren Beseitigung offensteht oder nicht, ist durch den in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Erstgerichtes gemäß § 42 Abs 3 JN - auch für den Obersten Gerichtshof bindend - bereits im bejahenden Sinn entschieden. Danach hat aber das Berufungsgericht auch zutreffend erkannt, daß der Anspruch nur nach den beiden vom Kläger geltend gemachten privatrechtlichen Titeln geprüft werden kann, wobei die Frage eines allfälligen öffentlich-rechtlichen und daher nach § 137 B-VG geltend zu machenden Folgenbeseitigungsanspruches des Klägers auf der Grundlage des § 87 Abs 2 VfGG (vgl dazu Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 27; Aicher in Aicher, Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsleben, 13 ff, je mwH auf die Rechtsprechung des VfGH) völlig außer Betracht bleiben muß. Ebenso scheidet eine Beurteilung des auf Herausgabe bzw Beseitigung gerichteten Begehrens als Amtshaftungsanspruch - abgesehen davon, daß sich der Kläger auf einen derartigen Titel in keiner Weise berufen hat - schon deshalb aus, weil ein solcher Anspruch nur auf Geldersatz gerichtet sein kann (§ 1 Abs 1 AHG).

Zu den beiden privatrechtlichen Titeln beharrt der Kläger auf seiner Ansicht, daß die Organe der Beklagten durch das Fotokopieren der "außer Zweifel in seinem Eigentum gestandenen Originalurkunden" des Handaktes "naturgemäß" über deren Inhalt unberechtigterweise verfügt hätten; dadurch seien die Hauptsachen "Originalurkunden" gemäß §§ 414 ff ABGB unrechtmäßig "verarbeitet" worden, weshalb der Kläger auch Eigentümer der Fotokopien geworden sei. Abgesehen davon seien die Fotokopien keine selbständigen Sachen; sie stünden vielmehr zu den "Originalurkunden" im Verhältnis des § 294 ABGB, so daß sie deren rechtliches Schicksal teilten.

Mit diesen Ausführungen erkennt der Kläger zunächst selbst, daß sein Anspruch in Form der Eigentumsklage nach § 366 ABGB überhaupt nur das Hauptbegehren auf Herausgabe der Fotokopien, nicht aber das Eventualbegehren auf deren Beseitigung (Vernichtung) tragen könnte; der Eigentümer, dem eine Sache widerrechtlich entzogen wurde, kann ja von dem noch besitzenden oder innehabenden Entzieher zwar die Herausgabe, nicht aber die Vernichtung der für ihn fremden Sachen verlangen. In diesem Zusammenhang ist auch der vom Kläger und den Vorinstanzen verwendete Begriff "Originalurkunde" lediglich relativ in bezug auf die in Rede stehenden Fotokopien zu verstehen, soweit die Urkunden des Handaktes eben für die Ablichtungen als Vorlage gedient haben; daß es sich bei den einzelnen Urkunden des beschlagnahmten Handaktes des Klägers um "Originale" im Sinne von Unikaten oder Urschriften von Urkunden gehandelt hätte, ist demgegenüber ebensowenig offenkundig oder unstrittig wie das Eigentum des Klägers an diesen Urkunden selbst. Darunter befanden sich beispielsweise 17 Schreiben, von denen der Kläger 14 an andere Personen gerichtet und daher deren Originale abgesendet hatte, so daß es sich bei den abgelichteten Schreiben selbst nur um Durchschriften, Abschriften oder Fotokopien gehandelt haben konnte. Im übrigen waren die "Originalurkunden" Bestandteile des Handaktes des Klägers als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater; es muß sich daher überwiegend um Urkunden seiner Mandantin - der P*** - gehandelt haben oder doch um solche, die das Mandatsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger betroffen haben (Vollmachten, Berufungen in Steuerangelegenheiten, Aktennotizen, Steuererklärungen, Honorarnoten). Alle diese Urkunden, soweit sie dem Kläger von seiner Mandantin im Rahmen des Mandatsverhältnisses zu ihrer Vertretung überlassen oder vom Kläger in deren Namen angefertigt wurden, hätte der Kläger bei Beendigung des Bevollmächtigungsvertrages an seine Auftraggeberin (auch als Eigentümerin der Urkunden) wieder zurückstellen müssen (Strasser in Rummel2, ABGB, Rz 23 und 26 zu § 1009). Schon aus diesen Hinweisen ergibt sich, daß entgegen der Meinung des Klägers sein Eigentum an den als Vorlage für die Fotokopien dienenden "Originalurkunden" keineswegs "außer Zweifel steht".

Diese Frage muß hier aber nicht mehr weiter verfolgt werden, weil das Berufungsgericht bereits zutreffend erkannt hat, daß jegliche Urkunde, sei es ein Original, eine Abschrift, eine Durchschrift oder eine Fotokopie, eine (selbständige) körperliche Sache im Sinne der §§ 285, 292 ABGB ist, an der auch Eigentum erworben werden kann; eine Fotokopie wird ja gerade zu dem Zweck hergestellt, um sie als solche - unabhängig von der abgelichteten Urkunde - verwenden zu können. Derivatives Eigentum an schon errichteten Urkunden wird durch die Übergabsformen der §§ 426, 428, 429 ABGB erworben (Spielbüchler in Rummel2, ABGB, Rz 4 zu § 427). Ansonsten bleibt derjenige, der auf eigenem Material (Papier) eine Urkunde verfaßt - abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 844 ABGB, in welchem Miteigentum entstehen kann -, auch Alleineigentümer der so hergestellten neuen Sache "Urkunde". Verwendet er aber zu diesem Zweck fremdes Material (Papier), so wächst das Eigentum an der Urkunde im Regelfall nach § 416 ABGB dem Verfasser zu, außer das verwendete fremde Material wäre etwa so wertvoll, daß es nach der Verkehrsauffassung in der Umgestaltung durch Verarbeitung zu einer "Urkunde" nicht weitgehend in den Hintergrund tritt und daher auch seine Selbständigkeit nicht verliert. Im Regelfall wird aber ein Blatt Papier durch die Beschriftung nach der Verkehrsauffassung zu einer neuen Sache ("Urkunde"), wobei sich seine Zweckbestimmung und seine Brauchbarkeit verändern (Gitschthaler in ÖRZ 1984, 7 f). In der Ablichtung einer bereits vorhandenen Urkunde liegt entgegen der Meinung des Klägers nur deren Verwendung zu eigenen Zwecken, nicht aber eine Verarbeitung oder Vereinigung im Sinne der §§ 414 ff ABGB (Spielbüchler aaO Rz 3 zu § 414; Schwimann-Pimmer in ABGB II Rz 2 und 3 zu § 414). Das hat der Oberste Gerichtshof für den Fall des Abschreibens einer Kundenliste an Hand einer fremden Kundenkartei bereits ausdrücklich ausgesprochen (SZ 38/5) und muß auch für den inhaltsgleichen Vorgang des Ablichtens von Urkunden zu eigenen Zwecken gelten. An der Fotokopie als einer neuen und selbständigen körperlichen Sache, die auch zur abgelichteten Urkunde schon auf Grund der vom Ablichter damit verfolgten eigenen Zwecke in keinem aus der Verkehrsauffassung erschließbaren oder gar aus einer Widmung des Eigentümers der abgelichteten Urkunde ableitbaren Zweckzusammenhang mehr steht und daher nicht deren Zubehör im Sinne des § 294 ABGB sein kann, bleibt der Ablichter demnach - so wie der Verfasser einer Urkunde - als Eigentümer des Kopierpapiers Eigentümer der Fotokopie, oder er erwirbt gemäß § 416 ABGB durch den Kopiervorgang das Eigentum an der "neu geschaffenen" Fotokopie bei Verwendung fremden Kopierpapiers. Auf die Rechtswidrigkeit des Kopiervorganges als "Verarbeitung" im Sinne der §§ 414 ff ABGB kommt es dabei für die Frage des Eigentumserwerbs entgegen der Meinung des Klägers nicht an. Das Berufungsgericht hat somit unter den gegebenen Voraussetzungen zutreffend erkannt, daß weder das Haupt- noch das Eventualbegehren des Klägers in dem von ihm behaupteten Eigentumsrecht an den in Rede stehenden Fotokopien eine Grundlage finden können, hat doch an diesen Kopien in jedem Fall nicht er oder die Beklagte, sondern eine ausländische Verwaltungsbehörde, nämlich das Finanzamt Rosenheim, auf Grund der ihr von den Organen der Beklagten geleisteten Rechtshilfe im Rahmen eines bestehenden Rechtshilfevertrages Eigentum erworben.

Zum Titel der Urheberrechtsverletzung vertritt der Kläger die Auffassung, daß die abgelichteten Urkunden seines Handaktes vertrauliche Aufzeichnungen im Sinne des § 77 UrhG gewesen seien, die durch den Kopiervorgang und die Weitergabe der Fotokopien an eine deutsche Steuerbehörde ohne seine Zustimmung sehr wohl öffentlich zugänglich gemacht worden seien; hiedurch seien nämlich die Fotokopien der Einflußnahme der Beklagten entzogen worden. Bei dieser Argumentation übersieht der Rechtsmittelwerber, daß schon das Berufungsgericht zutreffend eine nähere Prüfung der urheberrechtlichen Anspruchsgrundlagen - sei es die Verletzung eines absoluten Ausschließungsrechtes des Klägers als Urheber eigentümlicher geistiger Schöpfungen oder die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers als Verfasser von Briefen oder ähnlicher vertraulicher Aufzeichnungen gemäß § 77 Abs 1 UrhG - für entbehrlich gehalten hat. Zwar setzen sowohl der Überlassungsanspruch nach § 82 Abs 5 UrhG als auch der Beseitigungsanspruch nach § 82 Abs 1 UrhG die Verletzung auf das UrhG gegründeter Ausschließungsrechte voraus (SZ 60/187); der Beseitigungsanspruch gemäß § 82 Abs 6 UrhG richtet sich aber gegen den Eigentümer der Gegenstände, die den der Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes dienenden Maßnahmen unterliegen; Anspruchsgegner kann daher nur der Eigentümer, nicht aber der Inhaber, Entlehner oder Verwahrer solcher Gegenstände oder der die Ausschließungsrechte verletzende Nichteigentümer sein. Dieser Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß zur Erfüllung des Beseitigungsanspruches im allgemeinen nur der Eigentümer in der Lage ist (Peter, Das österreichische Urheberrecht 235, 628; ÖBl 1977, 53; ÖBl 1978, 23). Gleiches gilt kraft positiver gesetzlicher Anordnung, wenn der Verletzte anstelle der Vernichtung von Eingriffsgegenständen oder der Unbrauchbarmachung von Eingriffsmitteln verlangt, daß ihm diese von ihrem Eigentümer gegen eine angemessen Entschädigung, höchstens jedoch zu den Herstellungskosten, überlassen werden (§ 82 Abs 5 UrhG; Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rz 545.2). Für die geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche des Klägers mangelt es daher bereits an der erforderlichen Passivlegitimation der Beklagten, weil diese nach den obigen Ausführungen nicht Eigentümerin der Eingriffsgegenstände (Fotokopien) ist. Der Revision mußte somit ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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