JudikaturJustiz4Ob288/98a

4Ob288/98a – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. November 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei V***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider den Gegner der gefährdeten Partei Ignaz E*****, vertreten durch Dr. Helfried Krainz, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 3,642.439,03 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 1. September 1998, GZ 5 R 44/98p-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neuhofen/Krems vom 1. April 1998, GZ C 196/98g-3, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich des bestätigten Teils insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung der Ansprüche der gefährdeten Partei wider ihren Gegner, und zwar

1. der mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3. 10. 1996, 6 R 160/95h (im Verfahren zu 4 Cg 256/95w des Landesgerichts Steyr) zugesprochenen vollstreckbaren Forderung von S 713.537 samt 6 % Zinsen;

2. der nicht gerichtlich geltend gemachten Forderung von S 2,928.902,03 sA, den die gefährdete Partei aufgrund der Kreditverträge vom 1. 4. 1992 und vom 3. 5. 1993 behauptet, wird dem Gegner der gefährdeten Partei als erbserklärten Erben die Veräußerung und Belastung der Liegenschaften

a) EZ 18 Grundbuch ***** D*****

b) EZ 36 Grundbuch ***** D*****

c) EZ 89 Grundbuch ***** D*****

d) EZ 130 Grundbuch ***** M***** verboten.

Diese einstweilige Verfügung gilt bis zum Ablauf von drei Monaten nach Einverleibung des Eigentumsrechtes des Gegners der gefährdeten Partei auf den oben genannten Liegenschaften.

Die gefährdete Partei wird angewiesen, binnen dreier Monate nachzuweisen, daß sie zur Geltendmachung des behaupteten Anspruchs von S 2,928.902,03 sA die Klage bei Gericht angebracht hat; sonst wird die getroffene Verfügung zur Sicherung der unter Pkt 2. genannten Forderung aufgehoben werden.

Um die bücherliche Anmerkung des bewilligten Veräußerungs- und Belastungsverbotes auf den Liegenschaften EZ 36 Grundbuch ***** D*****, EZ 89 Grundbuch ***** D***** und EZ 130 Grundbuch ***** M***** wird das Bezirksgericht Steyr ersucht; auf der Liegenschaft EZ 18 Grundbuch ***** D***** ist das Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch des Bezirksgerichtes Neuhofen/Krems anzumerken.

Das Mehrbegehren, zur Sicherung der unter 1. und 2. genannten Forderungen dem Gegner der gefährdeten Partei auch die Veräußerung und Belastung der Liegenschaften EZ 845 Grundbuch ***** S***** und des Hälfteanteils der Liegenschaft EZ 19 Grundbuch ***** H***** zu verbieten, wird abgewiesen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig, der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Gegner der gefährdeten Partei hat zum Nachlaß seines Vaters eine unbedingte Erbserklärung abgegeben, die das Verlassenschaftsgericht mit Beschluß vom 6. 5. 1992 angenommen hat. Teil des Nachlaßvermögens ist ein landwirtschaftlicher Betrieb, zu dem die Liegenschaften EZ 18

Grundbuch ***** D*****, EZ 36 und 89 Grundbuch ***** D*****, EZ 130

Grundbuch ***** M*****, EZ 845 Grundbuch ***** S*****, und ein Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 19 Grundbuch ***** H***** gehören.

Mit dem im Verfahren zu 4 Cg 256/95w des Landesgerichtes Steyr ergangenen Urteil des Berufungsgerichts vom 3. 10. 1996, 6 R 160/96h, wurde der Gegner der gefährdeten Partei schuldig erkannt, der gefährdeten Partei einen Teilbetrag von S 713.537 sA zu zahlen. In diesem Verfahren macht die Gefährdete einen weiteren Teilbetrag von S 2,000.000 geltend. Ihre Gesamtforderung aus zwei Kreditverträgen beträgt S 5,642.439,03. Zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 713.537 sA hat die Gefährdete mehrmals vergeblich Exekution geführt. Im Verfahren E 337/96w des Erstgerichtes wurden landwirtschaftliche Geräte gepfändet, die in der Folge Gegenstand einer von Josef Mair gegen (ua) die Gefährdete zu C 195/97h des Erstgerichtes eingebrachten Klage nach § 37 EO waren. Diese Klage wurde mit Urteil vom 24. 9. 1997 abgewiesen, weil die vom Kläger vorgelegten Kaufverträge nur zum Schein errichtet worden waren.

Die Gefährdete beantragt zur Sicherung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 713.537 sA und der noch nicht gerichtlich geltend gemachten Forderung von S 2,928.902,03 sA ihrem Gegner mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die Nachlaßliegenschaften zu belasten und zu veräußern. Da der Gegner schon bisher versucht habe, die Exekutionen zu vereiteln, sei zu befürchten, daß er alles unternehmen werde, um den Bestand des ihm nach einem mehr als acht Jahre dauernden Verlassenschaftsverfahren eingeantworteten landwirtschaftlichen Betriebs zu erhalten, ohne sich um die Forderungen seiner Gläubiger zu kümmern.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Aus dem Urteil im Exszindierungsstreit gehe hervor, daß der Gegner der gefährdeten Partei Kaufverträge zum Schein errichtet habe, um Fahrnisse der Exekution zu entziehen. Damit habe die Gefährdete bewiesen, daß ihr Gegner die Einbringlichkeit der Forderung gefährde.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Gegner der gefährdeten Partei bestreite nicht ernsthaft, Kaufverträge zum Schein errichtet zu haben. Ein Verstoß gegen § 27 EO könne schon deshalb nicht vorliegen, weil der Beklagte selbst zugestehe, daß der Übernahmspreis der Liegenschaften S 2,810.000 beträgt. Unerfindlich sei, worin eine "formalistische" Betrachtung des Wertes liege, wenn es sich tatsächlich um einen Anerbenhof handle. Im Provisorialverfahren genüge die bloße Bescheinigung der Forderungen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei ist zulässig und teilweise berechtigt.

Soweit der Revisionsrekurswerber - insbesondere unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht im Verfahren 4 Cg 215/96t des Landesgerichts Steyr, mit welcher der Sicherungsantrag in Ansehung der restlichen Klageforderung von S 2,000.000 sA abgewiesen wurde - die Auffassung vertritt, es läge keine "subjektive Gefährdung" vor, kann ihm nicht gefolgt werden:

Nach § 379 Abs 2 Z 1 EO können zur Sicherung von Geldforderungen einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn wahrscheinlich ist, daß ohne sie der Gegner der gefährdeten Partei durch Beschädigen, Zerstören, Verheimlichen oder Verbringen von Vermögensstücken, durch Veräußerung oder andere Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, insbesondere durch darüber mit dritten Personen getroffene Vereinbarungen die Hereinbringung der Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren würde. Die gefährdete Partei muß daher eine subjektive Gefährdung ihres Anspruches durch den Gegner, also ein auf Erschwerung oder Vereitelung der Exekution gerichtetes positives Handeln des Schuldners, behaupten und beweisen. Es müssen Eigenschaften und ein Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei bescheinigt werden, die ihn in einem Licht zeigen, aus dem sich die hohe Wahrscheinlichkeit der Vornahme von Vereitlungshandlungen ableiten läßt (EvBl 1968/363; EvBl 1971/112; ecolex 1993, 86 ua). Mit Recht haben die Vorinstanzen diese Voraussetzung hier bejaht:

Nach dem von den Vorinstanzen (aufgrund des Urteils im Exszindierungsstreit) als bescheinigt angenommenen Sachverhalt hat der Beklagte bestimmte Fahrnisse (Traktoren und andere Maschinen), die in Exekution gezogen waren, bloß zum Schein verkauft, um diese Gegenstände der gegen ihn geführten Exekution zu entziehen. Damit sind aber Eigenschaften und ein Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei bescheinigt, aus welchen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden kann, er werde solche Vereitlungshandlungen auch in Hinkunft vornehmen, um den Bestand seiner Landwirtschaft unbedingt zu erhalten. Aus dieser Erwägung hat der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 219/98g die vom Rechtsmittelwerber angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz im Parallelverfahren (teilweise) abgeändert.

Entgegen den Rechtsmittelausführungen ist das von der Gefährdeten beantragte Belastungs- und Veräußerungsverbot in bezug auf Liegenschaften im vorliegenden Fall ein zulässiges Sicherungsmittel:

Nach § 75 der 3. Teilnovelle zum ABGB können zur Sicherung von Forderungen gegen einen Erben bei Vorhandensein der im § 379 Abs 2 EO angegebenen Voraussetzungen zugunsten der Gläubiger des Erben in Ansehung des ihm angefallenen Erbguts vor der Einantwortung einstweilige Verfügungen getroffen werden. Je nach dem zu erreichenden Zweck können mittels einstweiliger Verfügungen die notwendigen Sicherungsmittel der §§ 379 und 382 EO angewendet werden. Daraus ergibt sich, daß die Ausnahmevorschrift des § 379 Abs 4 EO - wonach Maßnahmen, die sich auf Liegenschaften beziehen, zur Sicherung von Geldforderungen immer unzulässig sind - für Belastungs- und Veräußerungsverbote nach § 75 3. TN nicht gilt (SZ 24/334 = JBl 1952, 419; SZ 38/58 = EvBl 1966/53; SZ 53/32 = EvBl 1980/142; SZ 53/132 = EvBl 1981/84; 1 Ob 147/97t; 1 Ob 219/98g; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren Rz 404).

Die weitere Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung nach § 75

3. TN, daß der Gegner der gefährdeten Partei bereits die Erbserklärung abgegeben hat (SZ 56/89; König aaO Rz 403), ist im vorliegenden Fall gleichfalls verwirklicht.

Auch mit seiner weiteren Rüge, daß für die zu sichernde Forderung von S 2,928.902,03 kein Zinssatz angegeben sei, kann der Rechtsmittelwerber keinen Erfolg haben. Die von ihm offenbar herangezogene Vorschrift des § 63 Z 2 EO gilt nur für Befriedigungsexekutionen. Bei einer einstweiligen Verfügung besteht kein Bedürfnis, den Zinssatz und den Tag anzugeben, von welchem an die Zinsen rückständig sind, weil es zu keiner Verteilung eines Exekutionserlöses kommt.

Zuzustimmen ist dem Gegner der gefährdeten Partei aber insoweit, als er den Umfang der angeordneten Sicherung beanstandet, wenngleich die von ihm herangezogene Bestimmung des § 27 EO im Provisorialverfahren nicht unmittelbar anzuwenden ist. Aus ihr folgt aber ebenso wie aus den §§ 41, 96 und 263 EO die Absicht des Gesetzgebers, daß der Verpflichtete in der Verfügung über sein Vermögen nicht in einem größeren Maß gehindert werden soll, als es der Zweck der Exekution, nämlich die Befriedigung der vollstreckbaren Forderung notwendig macht. Nach § 392 Abs 1 EO können zugunsten desselben Anspruches auf Antrag zugleich mehrere Verfügungen bewilligt werden, wenn dies dem Gericht nach Beschaffenheit des Falls zur vollen Erreichung des Sicherungszweckes notwendig erscheint. Die einstweilige Verfügung ist demnach auf die zur Sicherung des Anspruchs unumgänglich nötigen Mittel zu beschränken. Darf bei Vorhandensein mehrerer Sicherungsmittel gemäß § 392 EO nur ein Teil dieser Mittel Anwendung finden, dann entspricht es der Logik und den vorhin erwähnten Grundsätzen der EO, daß auch bei einem einzigen Sicherungsmittel, das in seinem Umfang zur Sicherung der von der gefährdeten Partei behaupteten Forderung nicht nötig wäre, eine Einschränkung dahin erfolgen kann, daß das Drittverbot auf einen Teil dieser Forderung eingeschränkt wird. Nach § 399 Abs 1 Z 1 EO kann ja auch die Aufhebung oder Einschränkung einer einstweiligen Verfügung erfolgen, wenn die angeordnete Verfügung in weiterem Umfang ausgeführt wurde, als es zur Sicherung der gefährdeten Partei notwendig ist. Daraus ergibt sich, daß die gefährdete Partei durchaus gesichert werden soll, aber nicht mit Maßnahmen, die über den Sicherungszweck hinausgehen (SZ 66/21 unter Hinweis auf Konecny [Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 350 f]). Ist demnach ein Drittverbot auf einen Forderungsteil zu beschränken, wenn dieser zur Befriedigung der Forderung samt Anhang ausreicht, so muß das gleiche für Äußerungs- und Belastungsverbote in bezug auf mehrere Liegenschaften gelten. Wie sich aus den den erstgerichtlichen Feststellungen zugrundeliegenden und schon in 1 Ob 219/98g wiedergegebenen Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens A 1068/92g des Bezirksgerichtes Enns ergibt, hat der aus den EZ 18, 36 und 89 je KG D***** sowie der EZ 130 KG M***** bestehende landwirtschaftliche Betrieb einen Verkehrswert von mehr als S 36,000.000; nur gemäß § 11 AnerbenG - wonach der Übernehmer "wohl bestehen können" müsse, wurde der Übernahmspreis mit bloß S 2,810.000 festgesetzt. Es kann daher angenommen werden, daß die gegebenenfalls zu erzwingende Verwertung des aus diesen Liegenschaften bestehenden landwirtschaftlichen Gutes zur Befriedigung sämtlicher zu sichernder Forderungen ausreichen wird. Aus dieser Erwägung war - wie in der im Parallelfall ergangenen Entscheidung 1 Ob 219/98g - die Erlassung des Belastungs- und Veräußerungsverbots auf die erwähnten Liegenschaften zu beschränken, wogegen das Mehrbegehren in Ansehung der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch S***** und des Hälfteanteils der EZ 19 Grundbuch ***** H***** abzuweisen war.

Bei der Bestimmung der Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird (§ 391 Abs 1 EO), war im Hinblick auf die Besonderheit einer einstweiligen Verfügung nach § 75 3. TN auf den Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentumsrechts des Gegners der gefährdeten Partei an den Liegenschaften abzustellen und - im Gleichklang mit 1 Ob 219/98g - eine Frist von drei Monaten ab diesem Zeitpunkt festzusetzen. Die von den Vorinstanzen bestimmte Zeit der einstweiligen Verfügung zur Sicherung der bereits rechtskräftig zuerkannten Forderung "bis zur rechtskräftigen Einverleibung des Zwangspfandrechtes" wäre für den Gegner der gefährdeten Partei unzumutbar, weil das ihn belastende Verbot auch dann bestehen bliebe, wenn es die Gefährdete trotz Einverleibung seines Eigentumsrechtes unterließe, ein Zwangspfandrecht zu beantragen.

Für die einstweilige Verfügung zur Sicherung der gerichtlich noch nicht geltend gemachten Forderung war gemäß § 391 Abs 2 EO eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage festzulegen. Diese war gleichfalls mit drei Monaten zu bestimmen.

Aus diesen Erwägungen waren die Beschlüsse der Vorinstanzen in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses zum Teil abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten der Gefährdeten beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten ihres Gegners auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 43 Abs 2, § 50 ZPO. Dem Beklagten ist die Abwehr des Sicherungsantrags - geht man von den Verkehrswerten der in Exekution gezogenen Liegenschaften aus - nur zu einem ganz geringen Teil gelungen, so daß ihm kein Kostenersatzanspruch zusteht (1 Ob 147/97t mwN; 1 Ob 219/98g).

Rechtssätze
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