JudikaturJustiz4Ob235/01i

4Ob235/01i – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Volkshilfe Österreich Bundesgeschäftsstelle, ***** 2. Niederösterreichische Volkshilfe, ***** 3. Volkshilfe Oberösterreich, ***** alle vertreten durch Freimüller, Noll, Obereder, Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Stiftung Johocesa lidova pomoc (Stiftung Südböhmische Volkshilfe), ***** vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 480.000 S), infolge außerordentlicher Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Juni 2001, GZ 3 R 105/01h-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der Beklagten wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil ihr das Berufungsgericht entgegen § 473a ZPO keine Gelegenheit gegeben habe, unzureichende Sachverhaltsfeststellungen zu rügen. Auf diesem Weg hätte sie erreichen können, dass sämtliche wesentliche Sachverhaltselemente in das Urteil aufgenommen werden können.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen verkennt die Beklagte den Zweck des § 473a

ZPO. Nach dieser Bestimmung hat das Berufungsgericht dem

Berufungsgegner die Bekämpfung erstrichterlicher Feststellungen und

die Geltendmachung bisher ungerügter angeblicher Mängel des

Verfahrens erster Instanz freizustellen, wenn es erwägt, das

erstgerichtliche Urteil abzuändern oder aufzuheben. Nicht nach § 473a

ZPO hat das Berufungsgericht vorzugehen, soweit der Berufungsgegner

bestimmte Tatsachen nach § 266 ZPO zugestanden, im Berufungsverfahren

bekämpft oder trotz Verwirklichung des Tatbestands nach § 468 Abs 2

Satz 2 ZPO rügelos zur Kenntnis genommen hat (1 Ob 41/99g = JBl 1999,

661; 6 Ob 1/00s = immolex 2000/181 [Iby]).

§ 473a ZPO will sicherstellen, dass der Berufungsgegner ihm in dritter Instanz nicht mehr offenstehendes Vorbringen in zweiter Instanz erstatten kann. Soweit daher Vorbringen auch noch in dritter Instanz zulässig ist, kann die Unterlassung eines Vorgehens nach § 473a ZPO keinen Verfahrensmangel bilden.

Das trifft für die von der Beklagten als notwendig erachteten ergänzenden Feststellungen zu. Die Beklagte rügt damit rechtliche Feststellungsmängel, die als Teil der Rechtsrüge auch in dritter Instanz geltend gemacht werden können. Ihre Rüge ist aber nicht berechtigt:

Sowohl die Frage, ob "Volkshilfe" für die von den Streitteilen angebotenen Pflegeleistungen beschreibenden Charakter hat oder sogar eine Gattungsbezeichnung ist, als auch die Frage, ob zwischen den von den Klägerinnen verwendeten Bezeichnungen und der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung Verwechslungsgefahr besteht, ist eine Rechtsfrage. Für ihre Beurteilung bedarf es keiner Fachkenntnisse und damit auch keiner zusätzlichen Feststellungen, sondern es reichen dafür die Erfahrungen des täglichen Lebens aus. Das Berufungsgericht hat beide Fragen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung beurteilt und es hat sich dabei entgegen der Behauptung der Beklagten zu Recht auf die Entscheidung 4 Ob 115/99m (= ÖBl 2000, 125 [Kucsko] - Wirtschaftswoche) gestützt. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor.

Die Beklagte macht geltend, dass das Berufungsgericht den Firmenrechten der Beklagten zu Unrecht keinen Vorrang vor dem Markenrecht der Klägerinnen zuerkannt hätte. Die Beklagte übersieht dabei, dass die Klägerinnen ihren Anspruch nicht nur auf die zu ihren Gunsten registrierte Marke, sondern auch auf die von ihnen geführte Bezeichnung stützen. Dass ihre Rechte aber insoweit in jedem Fall prioritätsälter als die Rechte der Beklagten sind, zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel.

Die Beklagte rügt, dass für die Entscheidung über das Veröffentlichungsbegehren ausreichende Feststellungen fehlten. Ihre Rüge ist auch in diesem Punkt nicht berechtigt. Das Erstgericht ist aufgrund des von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringens der Klägerinnen (§ 267 Abs 2 ZPO; SZ 55/116 uva), davon ausgegangen, dass die Beklagte "in Verbindung mit Werbekampagnen Pflegedienstleistungen in Niederösterreich und Oberösterreich" erbringe. Das rechtfertigt aber die Urteilsveröffentlichung.

Nicht berechtigt ist auch die Rüge der Beklagten, dass das Berufungsgericht entgegen der - von ihr nicht näher bezeichneten - ständigen Rechtsprechung das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerinnen bejaht habe. Eine ständige Rechtsprechung mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt besteht nicht; die Rechtsprechung hat vielmehr - wie vom Berufungsgericht auch wiedergegeben - schon wiederholt ausgesprochen, dass der Kläger auch dann ein Rechtsschutzinteresse an einem Unterlassungstitel hat, wenn eine Vollstreckung im Sitzstaat des Beklagten nicht möglich ist, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Beklagte an das Verbot hält (4 Ob 92/88 = MR 1988, 208 [Korn] - Erlagscheinwerbung I ua).