JudikaturJustiz4Ob224/10k

4Ob224/10k – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Mai 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** R*****, und 2. I***** R*****, vertreten durch Dr. Anton Dierigl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. T***** Gesellschaft m.b.H., und 2. I***** GmbH, *****, vertreten durch Bachmann Bachlechner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen 12.722,83 EUR sA und Feststellung (Streitwert 4.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 2010, GZ 2 R 159/10i 20, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Juli 2010, GZ 66 Cg 44/09m 16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreterin die mit 1.203,91 EUR (darin 200,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte errichtete eine Wohnhausanlage. Die Kläger, welche damals auf der Suche nach einer geeigneten Eigentumswohnung waren, wurden auf das Bauvorhaben durch ein Baustellenschild aufmerksam. Die Zweitklägerin kontaktierte daraufhin die Erstbeklagte und erhielt in der Folge ein Schreiben der Zweitbeklagten, worin diese darüber informierte, dass sie eine Schwestergesellschaft der Erstbeklagten sei, mit dieser eine Bürogemeinschaft führe und exklusiv mit der Verwertung des Projekts beauftragt sei. Die Mehrheitsgesellschafterin (95 %) der Erstbeklagten ist Alleingesellschafterin der Zweitbeklagten. Die 5 % Gesellschafterin der Erstbeklagten ist gleichzeitig Alleingesellschafterin der Mehrheitsgesellschafterin, sodass diese wirtschaftlich betrachtet Eigentümerin beider Beklagten ist. Die Erstbeklagte hat zwei Geschäftsführer und einen Prokuristen. Einer der Geschäftsführer übt diese Funktion auch bei der Zweitbeklagten aus. Der Prokurist der Erstbeklagten ist weiterer Geschäftsführer der Zweitbeklagten. Die Mitarbeiterin der Zweitbeklagten, mit der die Zweitklägerin in Kontakt trat, wird auch für Arbeiten der Erstbeklagten herangezogen. Die Zweitbeklagte wurde gegründet, um Produktion und Vertrieb zu trennen und um auch ins Maklergeschäft einzusteigen. Die Kläger hatten Interesse am Projekt der Erstbeklagten und unterfertigten schließlich ein Kaufanbot in den (gemeinsamen) Büroräumlichkeiten der Beklagten. Es enthielt unter Punkt IV den Passus, dass die Vermittlung exklusiv über die Zweitbeklagte erfolge und dass mit Annahme dieses Angebots eine Vermittlungsprovision von 3 % des Kaufpreises zuzüglich USt fällig würde. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Zweitbeklagten um eine Schwesterfirma der Verkäuferin handle und somit ein Naheverhältnis iSd § 6 Abs 4 Maklergesetz bestehe. Die Kläger zahlten in der Folge die verlangte Provision.

Die Kläger begehren die Aufhebung des zwischen ihnen und der Zweitbeklagten geschlossenen Vertrags über die Verpflichtung zur Zahlung einer Maklerprovision und von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zurückzahlung dieser Maklerprovision in Höhe von 12.722,83 EUR sA. Sie hätten sich darüber in Irrtum befunden, dass die Zweitbeklagte zur Einhebung einer Maklerprovision berechtigt sei. Gemäß § 6 Abs 3 MaklerG habe die Zweitbeklagte keinen Provisionsanspruch, weil sie selbst (indirekt wirtschaftlicher) Vertragspartner des Kaufgeschäfts gewesen sei und der Liegenschaftskaufvertrag wirtschaftlich auch einem Abschluss durch die Zweitbeklagte als Makler gleichkomme. Die Zweitbeklagte sei offenkundig allein deshalb zum Schein geschaffen und gegründet worden, um so als Maklerin Provisionsansprüche von Kunden der Erstbeklagten abzuverlangen; dies sei der Erstbeklagten als Bauträger untersagt. Der Irrtum sei von den Beklagten vorsätzlich bzw arglistig veranlasst worden. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätten die Kläger den Maklervertrag nicht abgeschlossen. Der Vertrag sei daher auch nicht gültig zustande gekommen. Die Zweitbeklagte sei zur Rückzahlung der unrechtmäßig erlangten Bereicherung verpflichtet. Die Erstbeklagte sei aufgrund der Gründung der Zweitbeklagten zwecks Lukrierung eines unzulässigen Doppelverdiensts aus Provisionen indirekt unredliche Bereicherungsschuldnerin.

Die Beklagten wendeten ein, die Erstbeklagte sei passiv nicht legitimiert, da lediglich die Zweitbeklagte Vertragspartner des angefochtenen Vertrags sei. Ein allfälliger Irrtum der Kläger sei verjährt, eine bewusste Täuschung liege nicht vor, ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen Bauträger und Makler schließe einen Provisionsanspruch nicht aus. Ein Provisionsanspruch trotz wirtschaftlichen Naheverhältnisses sei möglich, wenn der Makler wie hier darauf hinweise. Lediglich für den Fall, dass ein Kaufvertrag wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkomme, würde kein Provisionsanspruch entstehen, was jedoch hier nicht der Fall sei. Die Zweitbeklagte übe eine eigene Vermittlungstätigkeit unabhängig von der Erstbeklagten aus und sei in diesem Zusammenhang auch gegenüber den Klägern verdienstlich geworden.

Das Erstgericht gab der Klage vollinhaltlich statt. Die Kläger seien von den Beklagten arglistig nicht über ihr wirtschaftliches Naheverhältnis, insbesondere darüber, dass beide Firmen letztendlich denselben Eigentümer haben, aufgeklärt worden. Die mangelnde Aufklärung liege auf der Hand, weil dann der Aufgeklärte unweigerlich die Frage stellen müsse, worin denn nun eine Vermittlungstätigkeit gelegen sei. Die Zweitbeklagte schulde die Rückzahlung des Erhaltenen aufgrund der Vertragsaufhebung, die Erstbeklagte hafte den Klägern für den ihnen aufgrund ihres Verhaltens zugefügten Schaden. Im Hinblick auf die enge Verbindung beider Beklagten liege letztendlich auch ein Eigengeschäft iSd § 6 Abs 4 MaklerG vor.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, inwieweit eine enge organisatorische Verflechtung zwischen Verkäufer und Makler ein Eigengeschäft des letzteren begründen könne. Beim Eigengeschäft des Maklers mangle es an einem Drei-Personen-Verhältnis und somit an einer verdienstlichen Vermittlertätigkeit. Entscheidend sei, ob wirtschaftlich gesehen der Hauptvertragspartner nach dem Inhalt des Maklervertrags ein Dritter sei oder ob der Makler quasi Hauptvertragspartner werde. Wenn sowohl die zweitbeklagte Maklerin als auch die erstbeklagte Verkäuferin von denselben Personen vertreten würden und letztendlich den gleichen Gesellschaftern gehörten, so stelle dies zwar eine sehr enge organisatorische und wirtschaftliche Verknüpfung der beiden Beklagten dar. Eine Interessenlage, wonach wirtschaftlich gesehen die Zweitbeklagte als Maklerin selbst als Partei des Kaufvertrags angesehen werden könnte, liege jedoch nicht vor. Völlig außer Zweifel stehe jedoch die Verpflichtung der Zweitbeklagten nach § 6 Abs 4 3. Satz MaklerG, auf ihre wirtschaftliche Nahebeziehung zur Erstbeklagten hinzuweisen. Diese Aufklärung sei schriftlich sowohl anlässlich der ersten Kontaktaufnahme der Zweitbeklagten mit der Zweitklägerin als auch anlässlich der Vorlage des Kaufanbots erfolgt. Da die Kläger somit rechtzeitig und ausreichend iSd § 6 Abs 4 3. Satz MaklerG aufgeklärt worden seien, fehle es an der vom Erstgericht angenommenen listigen Irreführung (§ 870 ABGB).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, das klagsstattgebende Ersturteil wiederherzustellen. In eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Kläger machen geltend, es liege ein Eigengeschäft der Zweitbeklagten vor, zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme zwischen den Streitteilen sei die Interessenlage beider Beklagten ident gewesen. Die Zweitbeklagte sei lediglich zum Schein gegründet worden, um Provision für Eigengeschäfte abschöpfen zu können. Sie sei daher selbst als Partei des Kaufvertrags anzusehen. Gemäß § 30b Abs 1 KSchG seien Verbraucher wie die Kläger vom Makler auf ein allfälliges wirtschaftliches oder familiäres Naheverhältnis iSd § 6 Abs 4 dritter Satz MaklerG hinzuweisen. Der Erstkläger sei nie persönlich schriftlich auf das gegenständliche Naheverhältnis der Beklagten hingewiesen worden. Im Übrigen reiche der Hinweis auf die Eigenschaft der Zweitbeklagten als Schwestergesellschaft der Erstbeklagten und auf die Bürogemeinschaft nicht aus, es hätte auch eines Hinweises auf die Identität von Eigentümer, Geschäftsführer und Personal bedurft. Der Zweitbeklagten stehe daher kein Provisionsanspruch zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat dazu wie folgt erwogen:

1. Die Kläger begehrten gegenüber der Zweitbeklagten die Aufhebung des Maklervertrags wegen arglistiger Irreführung. Das Berufungsgericht hat eine arglistige Irreführung verneint; diese Beurteilung wird mit der Revision nicht bekämpft. Die Revision zielt auf die Verneinung des Provisionsanspruchs aus den Gründen des § 6 Abs 4 MaklerG ab. Damit haben die Kläger die Abweisung des Begehrens auf Vertragsaufhebung unbekämpft gelassen.

Kommt der Revisionswerber in seiner Revision auf bestimmte Rechtsgründe oder selbstständige Einwendungen nicht mehr zurück, so sind diese damit aus der umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden (RIS-Justiz RS0043338 [T15]).

2. Gemäß § 6 Abs 4 MaklerG steht dem Makler keine Provision zu, wenn er selbst Vertragspartner des Geschäfts wird. Dies gilt auch, wenn das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkommt. Bei einem sonstigen familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnis zwischen dem Makler und dem vermittelten Dritten, das die Wahrung der Interessen des Auftraggebers beeinträchtigen könnte, hat der Makler nur dann Anspruch auf Provision, wenn er den Auftraggeber unverzüglich auf dieses Naheverhältnis hinweist.

§ 6 Abs 4 MaklerG unterscheidet zwei Fallgruppen: Einerseits das Eigengeschäft des Maklers und andererseits ein sonstiges Naheverhältnis. Beim Eigengeschäft steht dem Makler keine Provision zu, beim sonstigen Naheverhältnis nur dann, wenn der Makler den Auftraggeber auf dieses Naheverhältnis hinweist (vgl Noss , Maklerrecht 3 Rz 80).

3. Im vorliegenden Fall ist zunächst voranzustellen, dass sich die Kläger nicht auf eine fehlende kausale Tätigkeit der Zweitbeklagten für den Vertragsabschluss berufen haben. Zu prüfen ist daher, ob ein Eigengeschäft der Zweitbeklagten (im weiteren Sinn) vorliegt:

§ 6 Abs 4 MaklerG enthält keine starre Grenze der Beteiligungsverhältnisse für die Annahme eines wirtschaftlichen Eigengeschäfts, sodass es auf das jeweilige Gewicht der Interessen des Maklers und deren Durchsetzungsmöglichkeiten ankommt, also jeweils eine Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist (RIS-Justiz RS0114078). Neben allfälligen Umgehungsgeschäften liegt dann ein wirtschaftliches Eigengeschäft vor, wenn durch die gesellschaftsrechtliche Verflechtung ein beherrschender Einfluss des Maklers auf die Vermieter- oder Verkäufergesellschaft entsteht. Der Umstand, dass eine bestimmte Rechtsperson „hinter allem steht“, reicht nicht aus, um dem Makler eine verdienstliche Vermittlungstätigkeit und damit einen Provisionsanspruch abzusprechen (7 Ob 127/03g mwN).

Nach den Materialien zum MaklerG (ErläutRV 2 BlgNR 20. GP 20) stellt der zweite Satz des § 6 Abs 4 auf den wirtschaftlichen Zweck des jeweiligen Geschäfts für den Makler ab.

S. Bydlinski (Das Maklergesetz [1996] § 6 Anm 14) nennt als Beispiel eines Eigengeschäfts im weiteren Sinn, wenn der Makler eine juristische Person ist und er ein Geschäft mit einer 100%igen Tochtergesellschaft vermittelt. Fromherz (Kommentar zum MaklerG [1997] § 7 Rz 46) stellt darauf ab, ob die für den Hauptvertragsabschluss typischen Interessen von der den Vertrag abschließenden Person wahrgenommen werden oder diese Interessen dem Makler zuzuordnen sind.

4. Die eingangs dargelegte gesellschaftsrechtliche Verflechtung der Beklagten (Schwestergesellschaften) vermittelt der zweitbeklagten Maklerin keinen beherrschenden Einfluss auf die erstbeklagte Verkäufergesellschaft. Auch kann in der Gründung der Zweitbeklagten kein Umgehungsgeschäft gesehen werden, da es einem Bauträger frei stehen muss, den Vertrieb der Objekte durch einen Dritten abzuwickeln. Dass die Beklagten durch jeweils dieselben Personen vertreten werden und aufgrund der Eigentumsverhältnisse wirtschaftlich eng verknüpft sind (was in der Natur von Schwestergesellschaften liegt), macht den Wohnungsverkauf noch nicht zum Eigengeschäft der zweitbeklagten Maklerin. Der Umstand, dass die Mitarbeiterin der Zweitbeklagten auch für die Erstbeklagte tätig ist und dass diese Tätigkeiten in den selben Räumlichkeiten stattfinden, ändert nichts an der unterschiedlichen Interessenlage zwischen der Erstbeklagten als Verkäuferin und der Zweitbeklagten als Maklerin. Wenn die Kläger ausführen, dass das Geschäft aufgrund der organisatorischen und wirtschaftlichen Verknüpfung der Beklagten „nicht wirklich als Fremdgeschäft angesehen werden“ könne und die Zweitbeklagte als „Scheinfirma“ anzusehen sei, so negieren sie die Zweitbeklagte als eigenständige juristische Person mit eigenem Geschäftszweig.

5. Ist das Vorliegen eines Eigengeschäfts der Zweitbeklagten zu verneinen, so bleibt zu prüfen, ob die Zweitbeklagte die Kläger ausreichend auf das wirtschaftliche Naheverhältnis zur Erstbeklagten hingewiesen hat. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht: Die Zweitbeklagte hat bereits anlässlich der ersten Kontaktaufnahme mit der Zweitklägerin auf das Naheverhältnis zur Erstbeklagten hingewiesen, wobei auch der Erstkläger Kenntnis vom Inhalt dieses Schreibens hatte. Der schriftliche Hinweis im Kaufanbot ist auch in Bezug auf den Erstkläger als ausreichend zu beurteilen. Der Hinweis auf Schwestergesellschaft und Bürogemeinschaft reichte aus, um das wirtschaftliche Naheverhältnis darzutun. Eines weiteren Hinweises auf die konkrete Vertretung der Gesellschaften bedurfte es im vorliegenden Fall nicht mehr.

Der Revision der Kläger war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 41 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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