JudikaturJustiz4Ob173/22b

4Ob173/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden, sowie die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, Dr. Tarmann Prentner, MMag. Matzka und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F* und 2. G*, beide *, beide vertreten durch Philip M. Jakober, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch die Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R*gmbH, *, vertreten durch Mag. Gregor Rathkolb, Rechtsanwalt in Baden, wegen Unterlassung, Beseitigung, Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 43.200 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2022, GZ 1 R 154/21f 32, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Juli 2021, GZ 30 Cg 50/20k 26, geändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin binnen 14 Tagen die mit jeweils 2.437,73 EUR bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen (darin 406,29 EUR USt) zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Revision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[2] 1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass im Revisionsverfahren die Aktivlegitimation der Zweitklägerin und die grundsätzliche Qualifikation des Umbaus als Werk der Baukunst iSd § 3 Abs 1 UrhG nicht mehr in Frage gestellt werden.

[3] 2. Die vom Berufungsgericht und in der Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist nicht präjudiziell  (RS0088931 [T2, T4]).

[4] 2.1. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zu Voraussetzungen und Umfang der freien Werknutzung § 54 Abs 1 Z 5 UrhG seit der Umsetzung der InfoRL (insbesondere Art 5 Abs 3 lit h) keine höchstgerichtliche Rechtsprechung ergangen sei, und Literaturstimmen nun eine engere richtlinienkonforme Auslegung befürworten würden.

[5] 2.2. Diese Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu lösen, weil das Erstgericht mehrere selbständig tragfähige Begründungen für die Klagsabweisung nannte (vgl RS0118709 ) und dabei in jedenfalls vertretbarer Rechtsansicht die Zulässigkeit der Vermietung zu Dreharbeiten auch aufgrund konkludenter Parteienverein-barungen bejahte.

[6] 3.1. Vorausgeschickt sei, dass eine Überprüfung dieser alternativen Rechtsansicht dem Obersten Gerichtshof hier möglich ist, obwohl das Berufungsgericht die Beweis- und Verfahrensrüge unerledigt ließ. Beide betreffen nämlich keine in diesem Zusammenhang relevanten Aspekte:

[7] Die Beweisrüge wendet sich nur gegen die Feststellung, dass der Erstkläger die Motivvereinbarung zwischen Beklagter und Nebenintervenientin sogar inhaltlich gekannt und als „in Ordnung“ befunden habe. Darauf hat sich das Erstgericht jedoch ohnedies nicht gestützt; die betreffende Feststellung wurde von den Klägern auch nur aus „äußerster Vorsicht“ angefochten.

[8] Als Verfahrensmangel wird gerügt, dass das Erstgericht eine Negativfeststellung zur Verbreitung der DVD in Deutschland getroffen habe, obwohl diese von der Beklagten außer Streit gestellt worden sei. Selbst wenn dieser Fehler vorläge, käme ihm bei einer Klagsabweisung keine Relevanz zu (vgl RS0116273 ).

[9] 3.2. Grundsätzlich sind bei entsprechender künstlerischer Gestaltung auch Zweckbauten als Werke der Baukunst anzusehen (vgl 4 Ob 62/07g – Flughafen), wobei dem Planverfasser das Urheberrecht auch am plangemäß ausgeführten Bauwerk zukommt ( 4 Ob 41/06 t [Pkt 7]). Ihm ist daher grundsätzlich auch das Recht auf Vervielfältigung seines Werks vorbehalten, etwa durch Anfertigung von Lichtbildern oder Filmaufnahmen des Gebäudes.

[10] 3.3. Der Urheber kann die Nutzung seines Werks aber nicht untersagen, wenn er dem Nutzer – ausdrücklich oder schlüssig – ein Werknutzungsrecht (§ 24 Abs 1 Satz 2 UrhG) oder eine Werknutzungsbewilligung (§ 24 Abs 1 Satz 1 UrhG) eingeräumt hat ( 4 Ob 163/09p [Pkt 2.2.1] mwN).

[11] Wird ein Werk im Auftrag eines anderen geschaffen, so wird damit jedenfalls schlüssig das Recht eingeräumt, das Werk zu dem Zweck zu verwenden, zu dem es in Auftrag gegeben wurde ( RS0077654 ). Der Werknutzungsberechtigte erwirbt aber im Zweifel nicht mehr Rechte, als für den praktischen Zweck der vorgesehenen Werknutzung notwendig erscheint ( RS0077666 , RS0077726 ).

[12] 3.4. Wie weit ein schlüssig eingeräumtes Werknutzungsrecht inhaltlich, zeitlich und räumlich reicht, ist eine Rechtsfrage ( RS0124003 ), der aufgrund der Einzelfallbezogenheit in der Regel keine erhebliche Bedeutung zukommt ( RS0042936 [T61] ).

[13] Im vorliegenden Fall begründete das Erstgericht die Annahme einer konkludenten Einräumung einer Werknutzungsbewilligung damit, dass bei früheren Geschäften der Kläger mit der *-Gruppe, zu der auch die Nebenintervenientin gehört, üblicherweise sämtliche Verwertungsrechte übertragen wurden. Deshalb sei die vorliegende Vereinbarung so auszulegen, dass auch hier eine Einräumung einer Werknutzungsbewilligung entsprechend dem Zweck der Verwendung des Werks getroffen worden sei. Dies entspreche dem Willen der Parteien. Auch der Erstkläger sei zumindest in der Vergangenheit davon ausgegangen, da er bei der *-Gruppe anfragte, ob er Fotos von der Liegenschaft auf seine Homepage stellen dürfe. Dazu kommt, dass der Erstkläger selbst für die Beklagte den Kontakt zur Nebenintervenientin herstellte, wobei er nicht auf sein angebliches Verwertungsrecht hinwies, obwohl er wusste, dass die Beklagte in der Villa einen Kinofilm drehen wollte. Dafür erhielt der Erstkläger auch eine Vermittlungsprovision.

[14] Angesichts dieses Sachverhalts ist die Rechtsansicht des Erstgerichts nicht zu beanstanden, dass die Kläger der Nebenintervenientin (zumindest) die einmalige Vermietung der Villa als einem von mehreren Drehorten für einen Kinofilm schlüssig als Verwertungshandlung gestattet haben, sodass es keines Eingehens auf die in der Revision angesprochenen weiteren Rechtsfragen bedarf.

[15] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte und ihre Nebenintervenientin wiesen auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hin. Es gebührt ihnen jedoch jeweils nur ein Streitgenossenzuschlag von 10 %, sie zwar jeweils zwei Prozessgegnern gegenüberstehen, aber ihre Vertreter jeweils nur eine Person vertreten (§ 15 RATG).