JudikaturJustiz4Ob116/01i

4Ob116/01i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei c*****ges.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Univ. Prof. Arch. Dipl. Ing. Dr. Ernst H*****, vertreten durch Siemer, Siegl, Füreder Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2001, GZ 38 R 247/00f-27, sowie über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Jänner 2001, GZ 38 R 247/00f-27, womit das Berufungsgericht aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 7. August 2000, GZ 9 C 345/99t-22, den Zwischenantrag auf Feststellung zurückgewiesen hat, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

2. Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG N*****, auf der sich sechs Wohnhäuser befinden, war im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz der Bruder des Beklagten; dieser brachte mit Einbringungsvertrag vom 27. 11. 1997 unter anderem jenen Teil der genannten Liegenschaft, auf dem sich das vom Beklagten seit 1966 bewohnte Haus Nr. 4 befindet, als Sacheinlage in die Klägerin ein.

Die Klägerin begehrt die Räumung des Hauses Nr. 4 wegen titelloser Benutzung. Sie habe die Liegenschaft erworben und übergeben erhalten und habe gegenüber dem Beklagten die Nutzung des Hauses Nr. 4, das ihm auf Grund eines familiären Verhältnisses gegen jederzeitigen Widerruf übergeben worden sei, widerrufen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe mit seinem Bruder vereinbart, dass ihm das Eigentum am Haus Nr. 4 zustehe, das auch in sein bücherliches Eigentum übertragen werden solle. Er sei "außerbücherlicher Eigentümer" des zu räumenden Liegenschaftsteils und habe diesen ersessen. Der Beklagte stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, es werde festgestellt, dass dem Beklagten von seinem Bruder das Eigentum an näher bezeichneten Teilen der Liegenschaft EZ ***** KG N***** (samt Haus Nr. 4) zugesagt worden sei und der Beklagte diesen Teil ersessen habe.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsantrag Folge und wies das Räumungsbegehren ab. Es traf unter anderem folgende Feststellungen:

Der Beklagte und sein Bruder vereinbarten Anfang der 60er-Jahre, dass dem Beklagten für seine zahlreichen Leistungen das Haus Nr. 4 samt Garten gehöre und auch in bücherliches Eigentum übertragen werden würde. Es entsprach dies bereits der Vereinbarung anlässlich der Planung der auf der Liegenschaft später errichteten sechs Wohnhäuser. Dem Beklagten wurde von seinem Bruder zugesagt, dass das Haus Nr. 4 seines sein solle. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Beklagte die strittigen Liegenschaftsteile ersessen habe, weshalb es dem Feststellungantrag stattgab und das Räumungsbegehren abwies.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Klägerin jenen Teil des Urteils, der den Feststellungsantrag betraf, auf und wies den Feststellungsantrag zurück; im Übrigen gab es der Berufung nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsggenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Die Klägerin als außerbücherliche Erwerberin sei nicht Eigentümerin, ihr stehe daher auch nicht die Eigentumsklage nach § 366 ABGB zur Verfügung. Allerdings werde auch dem außerbücherlichen Erwerber, der sich auf einen tauglichen Rechtstitel zum Liegenschaftserwerb stützen könne und sich im fehlerfreien Ersitzungsbesitz der Liegenschaft (des Liegenschaftsanteiles) befinde, das Recht zugebilligt, einen Dritten, dem kein oder nur ein schwächeres Recht zukomme, mit einer auf § 372 ABGB gestützen Klage zu belangen. Der vorliegende Einbringungsvertrag sei ein tauglicher Rechtstitel. Selbst im Falle des Vorliegens echten Naturalbesitzes der Klägerin wäre für diese aber nichts gewonnen, weil auch der Beklagte über einen Titel zum Besitz (nämlich die Vereinbarung mit seinem Bruder auf Übereignung und Übergabe des Hauses Nr. 4 gegen Erbringung von Arbeitsleistungen seitens des Beklagten) verfüge. Es sei daher im vorliegenden Fall von der gleichen Stärke der Titel der Streitteile auszugehen, weshalb dem Beklagten gem § 374 ABGB kraft Besitzes des Hauses Nr. 4 der Vorzug gebühre. Das Räumungsbegehren sei daher im Ergebnis zutreffend abgewiesen worden. Der Zwischenantrag auf Feststellung sei mangels Präjudizialität des festzustellenden Rechtsverhältnisses für die Entscheidung in der Hauptsache unzulässig; die Frage eines Eigentumserwerbs durch Ersitzung seitens des Beklagten sei nämlich für die Beurteilung, wem von den Streitteilen das bessere Recht im Sinne der §§ 372ff ABGB zukomme, nicht von Belang.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist unzulässig; der Rekurs des Beklagten ist zulässig (Kodek in Rechberger, ZPO**2 § 519 Rz 3 mwN; ÖBA 2000, 77 = ecolex 2000, 113), aber nicht berechtigt.

1. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin

Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und seinem Bruder als gültigen Titel iSd § 316 ABGB beurteilt; der Besitz des Beklagten am Haus Nr. 4 sei daher rechtmäßig. Wenn die Klägerin dem entgegenhält, die Vereinbarung sei mangels Einigung über die essentialia negotii nichtig, weicht sie von den Feststellungen ab, wonach dem Beklagten für seine zahlreichen Leistungen das Haus Nr. 4 samt Garten gehören sollte. Bestimmt iSd § 869 ABGB ist eine Erklärung nämlich immer dann, wenn ihr die wesentlichen Rechtsfolgen, die der Erklärende anstrebt, entnehmbar sind, wobei "bestimmt" von Lehre und Rechtsprechung stets als (eindeutig) "bestimmbar" verstanden wird (Rummel in Rummel, ABGB3 § 869 Rz 5 mN). Zwischen den Vertragsparteien war aber ebensowenig strittig, welchen konkreten Teil der Liegenschaft EZ ***** KG N*****der Beklagte als Eigentümer erhalten sollte, wie der Umfang jener vom Beklagten für seinen Bruder erbrachten Leistungen, die die Gegenleistung für die Grundüberlassung bildeten.

Dass dem Beklagten als rechtmäßigem, redlichem (iS eines unverdächtigen Erwerbs) und echtem Sachinhaber der Schutz des § 372 ABGB gegenüber jedem schwächeren Besitzer (hier: gegenüber der nicht besitzenden Klägerin) zukommt, entspricht der Rechtsprechung (Nachweise bei Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 372 Rz 2). War die Räumungsklage demnach schon unter dem Gesichtspunkt des Besitzschutzes unberechtigt, kommt es auf die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel zum Eigentumserwerb durch Ersitzung aufgeworfenen Fragen nicht weiter an.

Da der Beklagte die Revisionsbeantwortung noch vor einer Mitteilung iSd § 508a Abs 2 erster Satz ZPO erstattet hat, erhält er dafür keine Kosten, obwohl er in seinem Schriftsatz auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat (Kodek in Rechberger, ZPO**2 § 508a Rz 3).

2. Zum Rekurs des Beklagten

Der Beklagte vertritt den Standpunkt, es lägen sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für den von ihm behaupteten Eigentumserwerb durch Ersitzung vor; da die auf § 372 ABGB gestützte Klage gegen den wahren Eigentümer nicht durchdringe, sei die den Gegenstand des Zwischenantrags auf Feststellung bildende Ersitzung präjudizielle Vorfrage, die Zurückweisung des Antrags daher verfehlt.

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist gemäß § 236 Abs 1 (§ 259 Abs 2) ZPO seine - gänzliche oder teilweise - Präjudizialität für die Entscheidung über das Klagebegehren; diese (besondere) Prozessvoraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen (RZ 1989/55 mwN; MietSlg 46.651; EvBl 1998/126 = MietSlg 50.735; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO**2 § 236 Rz 5 mwN). Für die Beurteilung der konkreten Präjudizialität ist die Rechtsansicht des im Instanzenzug zuletzt mit der Hauptsache befassten Gerichts entscheidend (SZ 40/28 = EvBl 1967/407 = Arb 8379; EvBl 1974/223; SZ 51/142).

Bei der Beurteilung der Präjudizialität eines Zwischenfeststellungsantrags ist es ohne Bedeutung, ob etwa der Beklagte gegen den Klageanspruch mehrere Rechtsverhältnisse oder Rechte eingewendet hat und nach den Regeln der Logik jedes von ihnen selbständig für die Entscheidung über das Klagebegehren eine Vorfrage bildet. Maßgebend ist nach § 236 Abs 1 ZPO vielmehr, welcher der mehreren Einwendungen des Beklagten die konkrete Entscheidung über das Klagebegehren die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen und sie so zur alleinigen Grundlage des Erkenntnisses gemacht hat. Andere eingewendete Rechtsverhältnisse oder Rechte, die vom Gericht als Vorfrage für die Entscheidung nicht herangezogen und behandelt wurden, können trotz ihrer theoretischen Präjudizialität nicht zum Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags gemacht werden (SZ 40/28 = EvBl 1967/407 = Arb 8379; EvBl 1974/223).

Das Berufungsgericht hat - wie zuvor zum Rechtsmittel der Klägerin ausgeführt - seine Entscheidung im Rahmen seiner allseitigen rechtlichen Prüfung mit zutreffender Begründung auf die zum Besitzschutz der actio Publiciana (§ 372 ABGB) entwickelten Grundsätze gestützt. Ist demnach die Klägerin gegen den Beklagten schon nicht mit einem Anspruch aus besserem Besitz durchgedrungen, bedurfte es keiner weiteren Untersuchung, ob die Klage nicht allenfalls auch mangels Vorliegens der (strengeren) Voraussetzungen der Eigentumsklage (§ 366 ABGB) unberechtigt sein könnte. Die Frage, ob der Beklagte Eigentum am strittigen Liegenschaftsteil ersessen hat, ist unter diesen Umständen daher nicht (mehr) präjudiziell für die Entscheidung in der Hauptsache. Das Berufungsgericht hat den Zwischenantrag auf Feststellung somit frei von Rechtsirrtum zurückgewiesen. Dem Rekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat trotz Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens (EvBl 1997/30 mwN; 1 Ob 2315/96i; Kodek aaO § 236 Rz 8) keine Rekursbeantwortung eingebracht.