JudikaturJustiz3Ob95/19w

3Ob95/19w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv. Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** K*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. B***** S*****, vertreten durch Mag. Dr. Norbert Wolf, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 35 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Februar 2018, GZ 4 R 199/18w 9, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 31. Juli 2018, GZ 20 C 140/18y 5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Baurechtswohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Kläger ist Kommanditist einer KG, die ebenfalls Baurechtswohnungseigentümerin ist. Nach dem im Mai 2005 abgeschlossenen Baurechtsvertrag erstreckt sich das Baurecht auf ein bereits bestehendes Gebäude und auf die zu errichtende Wohnhausanlage gemäß den baubehördlich genehmigten Plänen. Die KG vermietete im Jahr 2015 zwei ihrer sieben Wohnungen an den Neffen des Klägers. Der Neffe untervermietete die Objekte mit Zustimmung der KG an seinen Onkel, den Kläger. Dieser nahm im Jahr 2016 Umbauarbeiten an beiden Objekten vor und tauschte im Zuge dessen auch die auf die Südseite zeigenden Fenster gegen Fenstertüren aus. Die Beklagte konnte damals den Gartenbereich noch nutzen, sie hielt sich dort regelmäßig auf.

Die Eigentümergemeinschaft beschloss im Mai 2016 mehrheitlich, einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, nämlich eine Gartenfläche im Ausmaß von 20,7 m² an den Verpflichteten zu vermieten (zum Inhalt des Umlaufbeschlusses siehe 5 Ob 154/17h). Die Beklagte begehrte in einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren vor dem Erstgericht, den Mehrheitsbeschluss für unwirksam zu erklären. Dieses Verfahren war zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung über die Oppositionsklage noch anhängig.

Unmittelbar nach der Mitteilung des Umlaufbeschlusses durch die Hausverwaltung ließ der Verpflichtete angrenzend an die Südmauer eines Wohnhauses der Anlage eine über das Bestandobjekt betretbare Terrasse im dortigen Gartenbereich errichten. Die Terrasse grenzte er mittels massiver Blumentröge sowie eines Zauns vom restlichen Garten ab und benutzte seit Errichtung des Terrassenanbaus diesen Bereich mit seiner Familie exklusiv (vgl 3 Ob 4/19p). Die Errichtung dieser Terrassenkonstruktion war nicht Gegenstand des Umlaufbeschlusses (5 Ob 154/17h).

Die Beklagte erwirkte im Mai 2017 einen rechtskräftigen Endbeschluss, wonach der Kläger schuldig ist, die von ihm errichtete Terrasse zu entfernen und den ursprünglichen Zustand (Wiese) wiederherzustellen. Aufgrund dieses Titels wurde der Beklagten zur Durchsetzung der Entscheidung die Exekution nach § 353 EO bewilligt.

Die durch die Hausverwaltung vertretene Eigentümergemeinschaft schloss als Vermieterin im Juli 2017 mit dem Kläger als Mieter einen unbefristeten Bestandvertrag über die Gartenfläche. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass dieser erlischt bzw aufgehoben werde, „ sollte der diesem Mietvertrag zugrunde liegende Umlaufbeschluss erfolgreich angefochten werden, seine Wirksamkeit hängt davon ab, dass die Hausverwaltung zum Abschluss dieses Mietvertrags berechtigt ist “. Der Vertrag enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Art und den Umfang der Nutzung der Fläche.

Der Kläger bekämpft mit seiner Oppositionsklage die Zulässigkeit der Exekution. Er brachte vor, dass der Besitzschutz der Beklagten durch den Abschluss des Mietvertrags erloschen sei. Der Kläger sei rechtmäßiger Mieter jenes Teils der Gartenfläche, auf den sich der Terrassenzubau befinde.

Die Beklagte wandte ein, dass sich weder aus dem Umlaufbeschluss noch dem Mietvertrag der Zweck der Vermietung entnehmen lasse, eine Terrasse auf der Fläche zu errichten. Eine Zustimmung zur Verbauung bestehe nicht.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Besitz der Beklagten sei durch den wirksam zustande gekommenen Mietvertrag erloschen. Damit habe der Kläger ein spiegelgleiches Vollrecht an dieser Fläche. Es schade nicht, dass das Recht des Klägers nicht aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, sondern aufgrund eines Mietvertrags entstanden sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im abweisenden Sinn ab. Der im Besitzstörungsverfahren erwirkte Rechtsschutz erlösche erst dann, wenn eine gegenteilige, rechtskräftige petitorische Entscheidung vorliege, die den Oppositionsgrund bilde. Dabei müsse ein „spiegelgleiches“ Vollrecht festgestellt werden. Eine solche Entscheidung liege hier nicht vor. Auch eine Entscheidung über die Beschlussanfechtung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren erfülle diese Anforderung nicht. Der bloße Verlust des Besitzes enthebe den Verpflichteten nicht seiner Verpflichtung aus dem im Besitzstörungsverfahren ergangenen Endbeschluss. Im Oppositionsverfahren komme es nicht auf ein Recht zum Besitz an, zumal auch im Besitzstörungsverfahren nur der tatsächliche Besitzstand, nicht aber das Recht zum Besitz bzw ein vertragliches Recht auf die Störungshandlung geprüft worden sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob (auch) eine zivilrechtliche Vereinbarung als Oppositionsgrund gegen einen in Exekution gezogenen Besitzschutzanspruch geeignet sei.

Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –Zulassungsausspruchs mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach der im Besitzstörungsverfahren erwirkte Rechtsschutz erst dann erlischt, wenn eine gegenteilige rechtskräftige petitorische Entscheidung vorliegt, die den Oppositionsgrund gemäß § 35 EO bildet. Das vollständige Erlöschen des im Besitzstörungsverfahren festgestellten Anspruchs kann im Verfahren um das Recht nur dann bewirkt werden, wenn ein spiegelgleiches Vollrecht festgestellt wird (RIS Justiz RS0114383).

2. Vom Kläger wird die Richtigkeit dieser Rechtsansicht grundsätzlich nicht angegriffen („ ist nicht zu beanstanden “), die Revision steht aber auf dem Standpunkt, dass der Besitzschutz – neben einer petitorischen Entscheidung – auch bei einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung erlischt. Im Anlassfall sei der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Eigentümergemeinschaft rechtsgestaltend. Der Vertrag überhole die Ergebnisse des Besitzstörungsverfahren und liefere ein spiegelgleiches Vollrecht, weil er nun die (nach dem Endbeschluss untersagte) Nutzung der Gartenfläche als Terrasse decke.

3. Die im Anlassfall zu treffende Entscheidung hängt hier aber nicht von der aufgeworfenen Rechtsfrage ab:

3.1 Nach dem Endbeschluss im Titelverfahren hat der Kläger den Besitz der Beklagten an der Fläche durch die Errichtung der Terrasse gestört. Selbst wenn man sich der Rechtsansicht der Revision anschließt, dass der im Besitzstörungsverfahren erwirkte Rechtsschutz auch bei einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung „ zwischen dem Störer und dem Gestörten “ – also zwischen den Streitteilen – erlöschen könnte, ist für den Kläger nämlich nichts zu gewinnen.

3.2 Der Senat hat im Parallelverfahren zur Exszindierungsklage der KG (3 Ob 4/19p [P 6.–6.3]) die dort von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht gebilligt, dass der Terrassenanbau des Klägers mangels Zustimmung aller Wohnungseigentümer bzw einer substituierenden Entscheidung des Außerstreitrichters einen Eingriff in deren durch § 16 WEG 2002 geschützte Rechte bedeutet (vgl auch RS0083334, 5 Ob 236/11h [Vorversetzen der Wohnungseingangstüren unter Benützung einer Allgemeinfläche]). Die erforderliche Zustimmung kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein nur von der Mehrheit der Wohnungseigentümer gedeckter Mietvertrag dem Kläger die Möglichkeit gibt, an allgemeinen Teilen der Liegenschaft bauliche Veränderungen vorzunehmen, für die sonst die Zustimmung aller Wohnungseigentümer notwendig wäre.

3.3 Der Mietvertrag ist daher schon abstrakt nicht geeignet, im Sinn der Rechtsansicht der Revision die Ergebnisse des Besitzstörungsverfahrens zu „überholen“, weil er eben kein spiegelgleiches Vollrecht liefern kann, wonach dem Kläger die Nutzung der Gartenfläche als Terrasse möglich ist.

3.4 Demgemäß käme der Lösung der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, diese somit für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 60 und § 519 Rz 106). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt also das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (jüngst 2 Ob 40/19z mwN).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.