JudikaturJustiz3Ob743/51

3Ob743/51 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 1952

Kopf

SZ 25/9

Spruch

Für das Begehren auf Gestattung der Durchführung eines Augenscheines in einem zwischen dem Kläger und einem Dritten anhängigen Prozeß ist der Rechtsweg zulässig.

Entscheidung vom 9. Jänner 1952, 3 Ob 743/51.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Kreisgericht St. Pölten hat in der Rechtssache der klagenden Partei Johann T. gegen Rudolf C. den Antrag des Klägers auf Vornahme eines Lokalaugenscheines im Revier Y. des Stiftes S. mit der Begründung abgewiesen, daß das Stift als Gründeigentümer den Augenschein aus forstwirtschaftlichen Gründen nicht gestatte. Da ein Editionsverfahren nach §§ 308 ff. ZPO. nur bei Urkunden und Auskunftssachen, nicht aber bei Augenscheinsgegenständen vorgesehen sei, könne das Stift S. nur im Klagewege zur Gestattung des Augenscheines verhalten werden.

Nachdem der Kläger die Klage auf Gestattung des Augenscheines gegen das Stift S. eingebracht hatte, wurde vom Oberlandesgericht aus Anlaß eines Rekurses das Verfahren über diese Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig aufgehoben und die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Frage, ob jemand einen gerichtlichen Ortsaugenschein dulden muß, eine rein verfahrensrechtliche sei. Es handle sich daher um keine bürgerliche Rechtssache im Sinne des Art. I EGzZPO.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile Folge und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Leistungsklagen, die in Verfolgung eines privatrechtlichen Interesses eingebracht werden, sind grundsätzlich zulässig, es sei denn, daß auf Grund besonderer Vorschriften der Rechtsweg versagt ist. Die Verpflichtung eines Dritten zur Vorlegung von Urkunden oder Auskunftssachen in einem zwischen anderen Personen geführten Rechtsstreit ist in den §§ 308, 318 ZPO. geregelt. Die Entscheidung hierüber ist daher nach Verfahrensrecht zu treffen, was den Ausschluß des Rechtsweges zur Folge hat. Da aber für Augenscheinssachen - und um solche handelt es sich im vorliegenden Falle aus den im Rekurse der beklagten Partei dargelegten Gründen - eine analoge verfahrensrechtliche Regelung fehlt, ist das Gericht nicht befugt, einen am Verfahren nicht beteiligten Dritten mit Beschluß zur Duldung eines Augenscheines an beweglichen oder unbeweglichen Sachen zu verhalten (ZBl. 1925 Nr. 143). Daher liegt in einem solchen Falle kein Grund vor, Unzulässigkeit des Rechtsweges anzunehmen, zumal sonst überhaupt keine Möglichkeit einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Augenscheines bestunde. Aus diesem Gründe war den Rechtsmitteln Folge zu geben und der angefochtene Beschluß aufzuheben.