JudikaturJustiz3Ob592/87

3Ob592/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Anna H***, Hausfrau, Steyrermühl, Arbeiterheimstraße 9 b, 2.) Klaus H***, Beamter, Laakirchen, Glöcklstraße 7, und 3.) Gudrun H***, Hausfrau, Krems, Schrebergasse, alle vertreten durch Dr. Kurt Dallamaßl, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei Eva W***, Hausfrau, Laakirchen, Lärchenweg 36, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung einer Nacherbschaft, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1987, GZ 6 R 63/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 7. Jänner 1987, GZ 3 Cg 230/86-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß die Kläger nach dem Ableben der Beklagten zu gleichen Teilen als fideikommissarische Nacherben zu dem dann noch vorhandenen Nachlaß der am 17. Dezember 1985 verstorbenen Elsa K*** berufen sind.

Das Mehrbegehren festzustellen, daß sie zu dem am Todestag der Erblasserin vorhandenen Nachlaß als Nacherben berufen sind, wird abgewiesen."

Die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 17. Dezember 1985 verstorbene Elsa K*** hinterließ eine letztwillige Anordnung vom 21. September 1984 mit folgendem Wortlaut:

"Ich, Elsa K***, setze hiermit meine Schwester zur Alleinerbin mit folgendem Vorbehalt ein:

Rechtzeitig Vorsorge zu treffen, daß das Erbe nach ihrem Ableben unserer Cousine Anni H***, bzw. ihren Kinder Gudrun und Klaus, zugesprochen wird. Diesen Gedanken habe ich bereits vor Jahren meiner Schwester mitgeteilt und wurde diese Einschränkung von ihr auch akzeptiert.

Im weiteren möchte ich festhalten, daß für meine Schwester im Erdgeschoß meines Hauses eine Garconniere vorgesehen wurde, die sie aus Eigenmitteln finanzierte und daher nicht in die Erbmasse fällt. Dasselbe trifft auch für das Grundstück zu, das sie mitfinanzierte. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß ein Teil des Mobiliars, wie Möbel, Teppiche, Bilder, Handarbeiten, Geschirr etc., von ihr gebracht wurde und daher als ihr Eigentum zu betrachten ist. Dasselbe trifft auch für den Pelzmantel zu, den ich von ihr bekam."

Die Erstklägerin ist die im Testament erwähnte Cousine der Erblasserin, der Zweitkläger und die Drittklägerin sind die darin genannten Kinder. Die Beklagte ist die im Testament erwähnte Schwester der Erblasserin. Sie gab die bedingte Erbserklärung ab. Da im Verlassenschaftsverfahren strittig wurde, ob die Kläger im Testament als fideikommissarische Nacherben eingesetzt wurden, verwies sie das Abhandlungsgericht als auf den Rechtsweg und erteilte ihnen eine Frist zur Einbringung der Klage. Die Kläger begehren die Feststellung, daß ihnen "zur ungeteilten Hand auf Grund des Testamentes vom 21. September 1984 das Recht auf Nacherbschaft hinsichtlich der Liegenschaft EZ 537 KG Laakirchen, Gerichtsbezirk Gmunden, mit Ausnahme der in diesem Hause im Erdgeschoße gelegenen Garconniere, eines Teiles des Mobiliars, der Teppiche, Bilder, des Geschirrs und des Pelzmantels und eines Teiles des Grundstückes, sowie den 314/39.996 Anteilen der Liegenschaft Grundbuch 45204 Lustenau, EZ 1324, Bezirksgericht Linz" zustehe. Die Beklagte bestritt, daß die Erblasserin die Kläger als fideikommissarische Nacherben einsetzen wollte und eingesetzt hat. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es kam auf Grund seiner Feststellung, wonach zwischen den Parteien einerseits und der Erblasserin andererseits keine Gespräche über den Inhalt des Testamentes stattfanden, rechtlich zu dem Ergebnis, daß nach dem Wortlaut des Testamentes nicht bloß ein Wunsch oder eine Empfehlung der Erblasserin, sondern eine fideikommissarische Substitution anzunehmen sei. Dies ergebe sich daraus, daß die Erblasserin die Erbeinsetzung unter einem Vorbehalt ausgesprochen habe und in der Folge von einer "Einschränkung" des Erbrechtes der Beklagten ausgegangen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Aus dem Wortlaut des Testamentes ("Vorsorge zu treffen") sei die Aufforderung an die Beklagte abzuleiten, daß der Nachlaß nach ihrem Ableben ungeschmälert den Klägern zukommen solle. Da durch eine letztwillige Verfügung in die Testierfreiheit des Erben nicht eingegriffen werden dürfe und nach § 610 ABGB selbst das Verbot des Erblassers an den Erben, über den Nachlaß zu testieren, als fideikommissarische Substitution zu deuten sei, könne der im Testament enthaltene "Vorbehalt, Vorsorge zu treffen" nicht dahin verstanden werden, daß die Erblasserin der Beklagten bloß die Pflicht auferlegen habe wollen, ein Testament zugunsten der Kläger zu errichten. In der Erklärung der Erblasserin finde sich auch kein Hinweis darauf, daß sie den Klägern nach dem Ableben der Beklagten nur das vermachen habe wollen, was zur Zeit des Todes der Beklagten an Nachlaßgegenstände noch vorhanden sei. Es sei auf Grund des Testamentes daher anzunehmen, daß die Erblasserin eine fideikommissarische Substitution im Sinn des § 608 ABGB angeordnet habe.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder allenfalls die Urteile der Vorinstanzen "wegen sekundärer Verfahrensmängel" aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

In der Revision wird nicht mehr in Zweifel gestellt, daß in dem hier zu prüfenden Testament eine fideikommissarische Substitution zugunsten der Kläger angeordnet wurde. Strittig ist nur mehr, ob es sich um eine solche auf den Überrest handelt.

Da als Quelle für die Feststellung des Inhalts der letztwilligen Verfügung der Erblasserin nur das von ihr errichtete Testament zur Verfügung steht, ist von dessen Wortlaut auszugehen. Die im Testament verwendeten Worte "Vorsorge zu treffen, daß das Erbe .... zugesprochen wird" lassen die Möglichkeit offen, daß die Erblasserin davon ausging, der Nachlaß werde nach dem Tod der von ihr eingesetzten Erbin nicht ohne weiters an die Kläger fallen, sondern daß sie vielmehr annahm, es bedürfe hiefür einer Verfügung der Beklagten, und daß sie ihr das Gebot auferlegen wollte, zugunsten der Kläger auf den Todesfall zu verfügen.

Diese Auslegung verbietet sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht deshalb, weil ein Eingriff in die Testierfreiheit durch Testiergebot oder Testierverbot unmöglich ist (Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu §§ 552, 553 und Rz 1 zu § 610). Gerade § 610 ABGB, auf den das Berufungsgericht hinwies, sieht nämlich für den Fall eines Testierverbotes eine gesetzliche Konversion in eine fideikommissarische Substitution vor (Welser aaO Rz 1 zu § 610; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 200). Auch ein Testiergebot ist zwar als solches ungültig, zumal es auch mit § 564 ABGB in Widerspruch steht. Gemäß dem sinngemäß anzuwendenden § 610 ABGB ist es aber in eine fideikommissarische Substitution zugunsten der zu bedenkenden Personen umzudeuten (Welser aaO Rz 1 zu § 610; Ehrenzweig-Kralik aaO; Koziol-Welser, Grundriß7 II 317). Geht man davon aus, daß die Erblasserin in ihrem Testament der Beklagten ein Testiergebot auferlegen wollte, so ist die dadurch angeordnete fideikommissarische Substitution im Zweifel, also wenn der letztwilligen Anordnung nicht auch eine Beschränkung der Verfügung unter Lebenden zu entnehmen ist, bloß als eine solche auf den Überrest anzusehen; diese Auffassung wird - soweit es überblickt werden kann - nunmehr im Schrifttum und in der Rechtsprechung einheitlich vertreten (Weiß in Klang2 III 382; Welser aaO Rz 2 zu § 610; Ehrenzweig-Kralik aaO, EvBl 1961/38; EvBl 1964/423). Ein eindeutiger Hinweis darauf, daß die Erblasserin die Beklagte auch in der Verfügung unter Lebenden beschränken wollte, ist ihrem Testament aber nicht zu entnehmen.

Ist eine Substitution zweifelhaft ausgedrückt, so ist sie gemäß § 614 ABGB auf eine solche Art auszulegen, wodurch die Freiheit des Erben, über das Eigentum zu verfügen, am mindesten eingeschränkt wird. Hier ist nach dem für die Auslegung des Willens der Erblasserin allein zur Verfügung stehenden Wortlaut des Testamentes zweifelhaft, ob sie die Kläger selbst zu Nacherben einsetzen oder ob sie nur ein Gebot an die von ihr eingesetzten Erbin erlassen wollte, daß diese ihrerseits die Kläger als ihre Erben einsetzen solle. Da in diesem Fall nach dem Gesagten mangels eines eindeutigen gegenteiligen Anhaltspunktes eine Nacherbschaft auf den Überrest anzunehmen wäre, führt die Auslegungsregel des § 614 ABGB hier dazu, daß es den Klägern nur gelungen ist, die Anordnung einer solchen Nacherbschaft zu beweisen.

Dies hat aber entgegen der von der Beklagten in der Revision vertretenen Ansicht nicht die Abweisung des Klagebegehrens zur Folge, weil die Substitution auf den Überrest gegenüber der vollen Substitution weniger und nicht etwas anderes ist. Die Feststellung einer solchen Substitution wird daher vom Klagebegehren umfaßt. Die Kläger übersahen bei der Fassung ihres Begehrens, daß mehrere Erben und damit auch mehrere Nacherben nicht "zur ungeteilten Hand", sondern nur nach Quoten berufen sind. Da sie sich offensichtlich nur im Ausdruck vergriffen haben, kann die unrichtige Fassung des Klagebegehrens aber berichtigt werden. Dabei war gemäß § 555 ABGB anzunehmen, daß sie zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt wurden. Ferner widerspricht das Begehren, ihr Recht für einzelne zum Nachlaß gehörende Gegenstände festzustellen, dem Wesen der Nacherbschaft. Sie hat nämlich ebenso wie die Erbschaft des Vorerben den gesamten Nachlaß oder einen quotenmäßigen Teil des Nachlasses, nicht aber einzelne Sachen zum Gegenstand (§ 535 ABGB). Es kann aber auch hier angenommen werden, daß die Kläger eine ihrem behaupteten Nacherbrecht entsprechende Feststellung erreichen wollten, zumal es sich bei den im Klagebegehren angeführten Sachen um den Großteil des Nachlasses handelt. Aus all dem folgt schließlich noch, daß es überflüssig und unrichtig ist, in der Entscheidung festzustellen, daß einzelne Gegenstände nicht zum Nachlaß gehören. Soweit es sich dabei um physische Teile einer Liegenschaft handelt, steht der begehrten Feststellung auch entgegen, daß solche Teile, vom Stockwerkseigentum abgesehen, keine Sachen im Rechtssinn sind und es deshalb nicht möglich ist, daß daran einer vom Erben verschiedenen Person das Eigentum zusteht und daß sie im Verlassenschaftsverfahren aus dem Nachlaß ausgeschieden werden. Hier muß nicht erörtert werden, welche Bedeutung es nach Eintritt des Nacherbfalles haben wird, daß die Erblasserin die Liegenschaftsteile in ihrem Testament ausdrücklich von ihrem Nachlaß ausnahm.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, bei den Kosten der Rechtsmittelverfahren außerdem auf § 50 ZPO.