JudikaturJustiz3Ob57/95

3Ob57/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*****, vertreten durch Dr.Christian Slana und Dr.Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wider die verpflichtete Partei R*****, wegen S 15,300.244 sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 8.Mai 1995, GZ 2 R 104/95-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.März 1995, GZ 10 Nc 71/95b-2, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird darin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Auf Grund des für vorläufig vollstreckbar erklärten Vorbehaltsurteils des Landgerichtes München I vom 13.11.1989, Geschäftsnummer 10 HK 0 17360/89, wird der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei zur Sicherung der Forderung von S 15,300.244 samt 7,75 % Zinsen seit 2.Dezember 1987 und der mit S 53.734,20 bestimmten Kosten des Exekutionsantrags (darin S 4.715,70 USt und S 25.440 Barauslagen) bis zur rechtskräftigen Beendigung des Nachverfahrens, das zu dem angeführten Urteil anhängig ist, die Exekution durch Pfändung und Verwahrung der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befindlichen beweglichen Sachen jeder Art und der im § 296 EO angeführten Papiere und Einlagebücher bewilligt.

Als Exekutionsgericht hat das Bezirksgericht Innsbruck einzuschreiten."

Die Rechtsmittelkosten der betreibenden Partei werden mit insgesamt S 107.322,52 (darin S 17.887,08 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei beantragte, ihr gegen die verpflichtete Partei aufgrund eines näher bezeichneten Urteils des Landgerichtes München I zur Sicherung ihrer "vollstreckbaren" Forderung von S 15,300.244 sA gemäß §§ 370 ff EO die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung und Verwahrung aller in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befindlichen Fahrnisse sowie der im § 296 EO genannten indossablen Papiere sowie insbesondere auch durch Kassapfändung zu bewilligen. Ein Zeitraum, für dessen Dauer die Sicherung beantragt wird, ist dem Exekutionsantrag nicht zu entnehmen. Zugleich mit dem Exekutionsantrag wurde eine Ausfertigung des als Exekutionstitel bezeichneten Urteils vorgelegt. Gemäß dem Punkt 3 des Spruchs dieses Urteils ist es vorläufig vollstreckbar und es kann die beklagte (nunmehr verpflichtete) Partei die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in der Höhe von DM 2,240.000 abwenden, wenn nicht die klagende (hier betreibende) Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Punkt 4 wird der beklagten Partei die Ausführung ihrer Rechte für das Nachverfahren vorbehalten.

Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag ab. Die betreibende Partei habe weder eine Gefährdung ihrer Forderung behauptet oder die im Urteil aufgetragene Sicherheit geleistet oder den Zeitraum angeführt, für den die Exekution zur Sicherstellung bewilligt werden solle. Es lägen daher die Voraussetzungen der §§ 370 ff EO und des Art 10 des Vollstreckungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland nicht vor.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses der betreibenden Partei diesen Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Behauptung und Glaubhaftmachung der Gefährdung des Anspruchs sei Voraussetzung für die Bewilligung der Sicherungsexekution gemäß § 370 EO. Dies gelte auch für die Sicherungsexekution aufgrund noch nicht rechtskräftiger Vorbehaltsurteile von Gerichten der Bundesrepublik Deutschland. Andernfalls wäre die Ausnahme, die im Art 10 des mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vollstreckungsabkommens geschaffen wurde, nicht verständlich. Da die betreibende Partei die Gefährdung ihres Anspruchs weder behauptet noch glaubhaft gemacht habe, obwohl dies nur entbehrlich gewesen wäre, wenn sie die im Urteil genannte Sicherheit geleistet hätte, und da sie diese Sicherheitsleistung weder behauptet noch urkundlich nachgewiesen habe, sei der Exekutionsantrag zu Recht abgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Bei dem Exekutionstitel handelt es sich um ein Vorbehaltsurteil, das gemäß § 599 Abs 1 dZPO in einen in den §§ 592 ff dZPO geregelten Urkundenverfahren erlassen wurde. Ein solches Urteil ist gemäß § 599 Abs 3 dZPO für die Rechtsmittel und die Zwangsvollstreckung als Endurteil anzusehen. Gemäß § 708 Z 4 dZPO ist es ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gemäß § 711 dZPO hat das Gericht außerdem auszusprechen, daß der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden kann, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Vorbehaltsurteil ist zwar ein durch die Aufhebung im Nachverfahren (vgl § 600 dZPO) auflösend bedingtes Urteil (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO54 Rz 9 zu § 599; Klein in Alternativkommentar ZPO Rz 4 zu § 600; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO21 Rz 7 zu § 599, Wieczorek in Wieczorek, ZPO2 § 599 C II); dennoch kann bereits Zwangsvollstreckung zur Befriedigung der Forderung des Klägers geführt werden und es sind nicht bloß Sicherungsmaßnahmen gemäß § 720a dZPO möglich (Hoyer in ZfRV 1989, 311). Mit dem Eintritt der formellen ("äußeren") Rechtskraft ist es endgültig vollstreckbar (BGHZ 69, 270 = NJW 1978, 43; Schlosser aaO Rz 5 zu § 599; Wieczorek aaO § 599 C I). Es besteht jedoch die Möglichkeit der Einstellung der Exekution gemäß § 707 dZPO.

Für vorläufig vollstreckbare Entscheidungen von Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland, die auf eine Geldleistung lauten, wird im Art 5 Abs 2 des hier für die Vollstreckung maßgebenden, zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vollstreckungsvertrages BGBl 1960/105 bestimmt, daß sie, sofern sie in dem anderen Staat anzuerkennen sind, in diesem Staat nach Maßgabe der Art 6, 8 bis 10 vollstreckt werden. Im Art 10 Abs 1 des Vertrages heißt es hiezu, daß in der Republik Österreich aufgrund der im Art 5 Abs 2 genannten Entscheidungen von Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland nur die Exekution zur Sicherstellung zulässig ist (Satz 1) und daß es einer Glaubhaftmachung der Gefährdung "jedoch" nicht bedarf, wenn der betreibende Gläubiger die in der Entscheidung geforderte Sicherheit geleistet hat (Satz 2).

Gemäß Art 6 des Vertrages richtet sich die Bewilligung der Exekution und die Durchführung der Zwangsvollstreckung, soweit im Vertrag nichts anderes bestimmt wird, nach dem Recht des Staates in dem vollstreckt werden soll. Dies bedeutet, daß die Frage, ob für die Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung die Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht werden muß, vom österreichischen Gericht nach den §§ 370 bis 371a EO zu beurteilen ist (in diesem Sinn auch die Erläuterungen zur RV des Vertrages 38 BlgNR 9. GP; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung II 155). Etwas anderes wird im Vertrag (Art 10 Abs 1 Satz 2) nur für den Fall bestimmt, daß der betreibende Gläubiger die in der Entscheidung geforderte Sicherheit geleistet hat. Diese Regelung kommt hier aber nicht zum Tragen, weil in dem den Exekutionstitel bildenden Vorbehaltsurteil vom betreibenden Gläubiger eine Sicherheitsleistung nicht "gefordert" wurde und gemäß § 708 Z 4 dZPO auch nicht gefordert werden durfte. Art 10 Abs 1 Satz 2 des Vertrages bezieht sich erkennbar auf nicht im § 708 dZPO angeführte Entscheidungen, bei denen gemäß § 709 dZPO die vorläufige Vollstreckbarerklärung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil die im Vorbehaltsurteil genannte Sicherheitsleistung nicht für die vorläufige Vollstreckbarkeit Bedeutung hatte. Es handelt sich dabei nämlich um jenen Betrag, durch dessen Erlag der Gläubiger gemäß § 711 dZPO ungeachtet der Sicherheitsleitung durch den Schuldner aufgrund der für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung die Zwangsvollstreckung erreichen kann. Diese Sicherheitsleistung wird im Urteil aber nicht "gefordert", sondern es wird dem Kläger nur die Möglichkeit hiezu eröffnet, um die nach dem Gesetz vorgesehene Rechtsfolge herbeiführen zu können.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes würde dazu führen, daß die Glaubhaftmachung der Gefährdung des Anspruchs gerade in jenen Fällen erforderlich ist, in denen ein mit § 371 EO vergleichbare Exekutionstitel eines Gerichtes der Bundesrepublik Deutschland vorhanden ist, obwohl ein solcher Titel nach deutschem Recht bevorzugt ist, weil die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht von einer Sicherheitsleistung abhängt, und obwohl auch bei den vergleichbaren Entscheidungen österreichischer Gerichte eine Erleichterung besteht, weil die Gefährdung des Anspruchs nicht glaubhaft gemacht werden muß. Es ist nicht anzunehmen, daß dies dem Willen der Parteien des Vollstreckungsvertrages entspricht. Dem Rekursgericht ist allerdings einzuräumen, daß es nach der dargelegten Rechtsansicht kaum einer Glaubhaftmachung der Gefährdung des Anspruchs bedarf, weil entweder § 371 EO anzuwenden ist oder die Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung gemäß § 9 Abs 1 Z 3 lit b des Vollstreckungsvertrages den Nachweis der Sicherheitsleistung erfordert und daher gemäß Art 10 Abs 1 Satz 2 dieses Vertrages die Gefährdung des Anspruchs nicht glaubhaft gemacht werden muß. Dies allein steht aber der Rechtsansicht des erkennenden Senates nicht entgegen. Überdies bleiben noch Entscheidungen, bei denen gemäß § 708 dZPO eine Sicherheitsleistungsleistung nicht erforderlich ist und die nicht unter § 371 EO fallen, wie vor allem die im § 708 Z 8 dZPO genannten Urteile über Unterhalt oder Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit und die in der Z 11 dieser Bestimmung genannten Urteile mit einem DM 1.500 nicht übersteigenden Gegenstand der Verurteilung. In diesen Fällen muß entweder gemäß § 370 EO die Gefährdung des Anspruchs glaubhaft gemacht oder gemäß § 371a EO eine Sicherheit geleistet werden (Geimer/Schütze, aaO 155 f).

Kommt aber die besondere Regelung des Art 10 Abs 1 Satz 2 des Vertrages nicht zum Tragen, so hat es bei der allgemeinen Regel zu verbleiben, daß sich die Lösung der Frage, ob die Gefährdung des Anspruchs glaubhaft gemacht werden muß, nach den §§ 370 bis 371a EO richtet. Die Gefährdung des Anspruchs muß daher dann nicht glaubhaft gemacht werden, wenn die den Exekutionstitel bildende Entscheidung eines Gerichtes der Bundesrepublik Deutschland mit einer im § 371 oder § 371a EO angeführten Entscheidung vergleichbar ist. Dies trifft hier aber zu, weil das im Urkundenverfahren ergangene Vorbehaltsurteil den im § 1 Z 2 EO angeführten Zahlungsaufträgen, die im Mandatsverfahren erlassen wurden, und damit den im § 371 Z 2 EO genannten Exekutionstiteln gleichzuhalten ist. Voraussetzung für die Erlassung eines Zahlungsauftrags im Mandatsverfahren ist gemäß § 548 ZPO zwar, daß der Anspruch durch qualifizierte Urkunden, vor allem durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, bewiesen wird, während die Urkunden, die im Urkundenverfahren nach den §§ 592 ff dZPO vorzulegen sind, keinen besonderen Formerfordernissen genügen müssen. Dieser Unterschied ist aber ohne Bedeutung, weil im Urkundenverfahren der Bundesrepublik Deutschland der Beklagte die Möglichkeit hat, die Echtheit der Urkunde zu bestreiten, und die Klage gemäß § 597 Abs 2 dZPO als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abzuweisen ist, wenn im Bestreitungsfall die Echtheit der Urkunde nicht bewiesen wird (Schlosser in Stein/Jonas ZPO21 Rz 3 zu § 597). Ein dem Beklagten verurteilendes Vorbehaltsurteil kann daher nur ergehen, wenn die Echtheit der Urkunde unbestritten oder bewiesen ist.

Ist aber § 371 EO anzuwenden, so bedarf es der im § 370 geforderten Glaubhaftmachung der Gefährdung des Anspruchs nicht. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes steht es der Bewilligung der Exekution auch nicht entgegen, daß die betreibende Partei im Exekutionsantrag keinen Zeitraum genannt hat, für den die Exekution bewilligt werden soll. Aus § 375 Abs 2 EO ergibt sich nämlich eindeutig, daß dieser Zeitraum in der Exekutionsbewilligung auch ohne entsprechende Angaben im Exekutionsantrag "durch Hinweisung auf den Umstand, von welchem der Eintritt der Vollstreckbarkeit des Anspruches abhängt", anzugeben ist. Dieser Zeitpunkt wäre nach der Rechtsprechung (EvBl 1968/12; SZ 38/103 ua) der Eintritt der Rechtskraft des Vorbehaltsurteils. Da die betreibende Partei aber in ihrem Rechtsmittelantrag einen für die verpflichtete Partei günstigeren Zeitpunkt, nämlich die rechtskräftige Beendigung des Nachverfahrens, genannt hat, war dieser Zeitpunkt in die Exekutionsbewilligung aufzunehmen.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 74 EO.