JudikaturJustiz3Ob535/95

3Ob535/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, 1082 Wien, Landesgerichtsstraße 11, wider die beklagten Parteien 1. Carmen G*****, geboren 4.Dezember 1955, ***** 2. Mustafa G*****, geboren 11. November 1966, *****raße 4/48, dieser vertreten durch Dr.Kurt Lechner, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen Ehenichtigkeit, infolge Revisionen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29.Dezember 1994, GZ 43 R 3021/94-40, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom (richtig) 18.Jänner 1994, GZ 19 C 63/92w-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluß

gefaßt:

Die Revision der erstbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben; das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der beiden Beklagten wurde am 22.3.1989 in Wien geschlossen. Die Erstbeklagte ist Österreicherin, der Zweitbeklagte türkischer Staatsbürger. Der Zweitbeklagte lebt seit rund sechs Jahren in Österreich. Motiv seiner Heirat war, daß er Arbeiter in Österreich werden kann; er wollte seine schlechte finanzielle Lage in der Türkei durch Arbeit in Österreich verbessern. Im ersten Jahr war er noch auf Urlaub in der Türkei, seit fünf Jahren aber nicht mehr. Vor seiner Einreise nach Österreich hat der Zweitbeklagte in der Türkei eine andere Frau nach religiösem Ritus geheiratet. Mit dieser Frau hat er auch ein Kind. Absicht der Eheschließung mit der Erstbeklagten war nicht die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft; die Erstbeklagte wurde vielmehr für ihre Bereitschaft finanziell entschädigt. Die Ehe wurde nie vollzogen; die Beklagten hatten keine darauf gerichtete Absicht. Der Zweitbeklagte ist alleinstehend und als Arbeiter in einer Kugellagererzeugung beschäftigt. Die Staatsbürgerschaft spielte bei den Überlegungen zur Heirat keine Rolle. Der Zweitbeklagte hat derzeit die Absicht, seine Familie nach Österreich zu holen und vielleicht nach 10 oder 15 Jahren mit allen in die Türkei zurückzukehren, ohne daß er allerdings darüber genaue Pläne hat. Er hat in Österreich eine Tante mütterlicherseits, die schon seit 20 oder 25 Jahren mit ihrer Familie in Österreich lebt, ohne die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen.

Die klagende Staatsanwaltschaft begehrt die Nichtigerklärung der Ehe der beiden Beklagten gemäß § 23 EheG. Die Ehe sei nur deshalb geschlossen worden, um dem Zweitbeklagten die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei von den Beklagten nie beabsichtigt gewesen und sei auch nie erfolgt.

Die Erstbeklagte bestritt das Vorbringen in der Klage nicht und brachte vor, es habe sich um eine reine Geldehe gehandelt, eine Geschlechtsgemeinschaft sei nie aufgenommen worden.

Der Zweitbeklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete ein, § 23 EheG sei nur auf Namens- bzw Staatsbürgerschaftsehen zugeschnitten, die Erlangung einer Arbeits- oder Aufenthaltsbewilligung sei nicht umfaßt. Da der Antrag auf einvernehmliche Scheidung schon 1 1/2 Jahre nach der Eheschließung eingebracht worden sei, sei im Hinblick auf die geltende Gesetzeslage auszuschließen, daß der Zweitbeklagte die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gewollt und beabsichtigt habe.

Das Erstgericht gab der Klage statt und erklärte die Ehe gemäß § 23 EheG für nichtig.

Das Berufungsgericht traf nach Beweiswiederholung die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und änderte das Urteil des Erstgerichtes infolge Berufung des Zweitbeklagten im klagsabweisenden Sinn ab; es ließ die ordentliche Revision wegen des Vorliegens unterschiedlicher Entscheidungen des Höchstgerichtes zu. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, es könne zwar keinem Zweifel unterliegen, daß das Rechtsinstitut der Ehe im vorliegenden Fall mißbräuchlich und zum Schein verwendet worden sei, damit der Zweitbeklagte die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme in Österreich habe. Allerdings sanktioniere das Ehegesetz nicht alle Fälle mit Nichtigkeit, in denen eine Ehe in der Absicht geschlossen wurde, andere als die Ehezwecke zu verwirklichen. Nach § 23 EheG sei eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen worden sei, der Frau den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll; diese Vorschrift sei geschlechtsneutral zu lesen. Allerdings ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagten mit der mißbräuchlichen Eheschließung andere Zwecke als die Erlangung einer Arbeitsgenehmigung (gekoppelt mit einer Aufenthaltsgenehmigung) verwirklichen wollten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung der Ehe fehlten daher im vorliegenden Fall. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß mit der Erlangung der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung "zumindest die Anwartschaft" auf die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erreicht wurde, weil sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der Wille der Parteien darauf nicht erstreckt habe. Diese zwangsläufige Folge, die prinzipiell ab dem ersten Tag der Einreise eines Ausländers nach Österreich faktisch eintrete, könne im vorliegenden Fall keine Nichtigkeit begründen. Das Berufungsgericht schließe sich daher der Auffassung des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 6 Ob 564/92 an, nach der andere ehefeindliche Absichten als die in den §§ 21 bis 25 EheG genannten nicht zu einer Aufhebung der Ehe wegen Nichtigkeit führen könnten. Alle Fragen, inwieweit hierin ein Indiz für die doch gewollte Staatsbürgerschaft zu erblicken sei, würden im vorliegenden Fall mangels einer Absicht in dieser Richtung nicht auftreten. Die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 577/93 (veröffentlicht in JBl 1995, 55 [abl H.Pichler]) aufgeworfene Frage, inwieweit aus der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung (Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz BGBl 1992/475) eine andere Interpretation möglich sei, könne schon im Hinblick darauf auf sich beruhen, daß die hier zu beurteilende Ehe bereits im März 1989 geschlossen wurde; nach diesem Zeitpunkt eingetretene Rechtsänderungen könnten im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Eheschließung fixierte Sach- und Rechtslage nicht bedeutsam sein. In Ablehnung der Ansicht von Breycha, Über die Nichtigkeit der Arbeitsbewilligungsehe, RZ 1994, 98, führte das Berufungsgericht aus, dem Gesetzgeber könne keinesfalls unterstellt werden, er habe etwa im Zeitraum 1983 bis 1992 tatsächlich vergessen oder nicht berücksichtigen können, daß sog. Befreiungsscheinehen geschlossen werden. Im Gegenteil habe der Gesetzgeber in Kenntnis sämtlicher Problematiken - offenbar bewußt - geschwiegen. Von einer planwidrigen Gesetzeslücke könne daher keine Rede sein. Die Nichtigkeitstatbestände seien im Ehegesetz taxativ aufgezählt. Durch die vom Berufungsgericht abgelehnte Auffassung würde nicht nur eine (in Wahrheit gar nicht bestehende) Lücke gefüllt, sondern in ausdehnender Auslegung ein neuer Typus einer Nichtigkeitsehe geschaffen. Eine Heranziehung der Motive des Gesetzgebers des Jahres 1938 sei weder nachvollziehbar noch begründbar. Durch die Liberalisierung des Arbeitsmarktes für EWR-Staatsbürger (und künftige EU-Staatsbürger) werde auch eine Tendenz des Gesetzgebers kenntlich, Ausländern einen weiteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Darüber hinaus stehe es dem Gesetzgeber jederzeit frei, von ihm tatsächlich als unerwünscht angesehene Rechtsfolgen durch ein einfaches Bundesgesetz zu regulieren. Ein Anlaß für ein regulierendes Eingreifen der Gerichte - noch dazu auf einer in jeder Hinsicht zweifelhaften historischen Grundlage - bestehe in diesem Fall nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstbeklagten ist unzulässig. Gemäß § 28 Abs 1 EheG steht die Klagebefugnis wegen Nichtigkeit der Ehe nach § 23 EheG nur dem Staatsanwalt zu; die Erstbeklagte ist somit durch ein klagsabweisendes Urteil des Berufungsgerichtes nicht beschwert.

Die Revision der klagenden Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Nach § 23 Abs 1 EheG ist eine Ehe dann nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Zur Zeit der Formulierung des Gesetzeswortlauts und auch noch zur Zeit der Rezeption des Ehegesetzes in den Rechtsbereich der zweiten Republik war nach dem damals geltenden Staatsbürgerschaftsrecht nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes durch die Frau und nicht auch umgekehrt vorgesehen. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit dem Inkrafttreten der StbG-Novelle 1983 ist die Eheschließung eines inländischen Staatsbürgers mit einer Person, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzt, für deren Staatsbürgerschaftserwerb nicht nur dann Tatbestandsmerkmal, wenn es sich bei dem Fremden um eine Frau handelt ("Ausländerin" in § 4 StbG 1949 oder "eine Fremde" in § 9 StbG 1965), sondern auch dann, wenn der Fremde der männliche Ehepartner ist (der andere "Ehegatte" geschlechtsneutral in § 11a StbG idgF). Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat, trat mit dieser Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes in Ansehung des Nichtigkeitsgrundes nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG nachträglich eine unbeabsichtigte, systemwidrige Lücke auf, welche ungeachtet des § 20 EheG aus dem verfassungsgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot im Sinne der Analogie zu schließen ist (SZ 61/262; 4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10). Die geänderte staatsbürgerschaftsrechtliche Lage hat die Regelung nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG auch nicht deshalb gegenstandslos gemacht, weil nunmehr die Eheschließung nicht mehr kraft Gesetzes (§ 4 StbG 1949) zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führt, noch diese durch Erklärung des Fremden, der einen Inländer geheiratet hat, herbeigeführt wird (§ 9 StbG 1965), sondern nunmehr - bei Vorliegen weiterer gesetzlicher Voraussetzungen - einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (§ 11a StbG 1965 idgF) begründet (SZ 61/262; 4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 23 EheG).

Der Oberste Gerichtshof hat auch schon - in ausdrücklicher Abkehr von JBl 1993, 245 und unter Ablehnung der gegenteiligen Meinung Pichlers (aaO Rz 1; im gleichen Sinn Schwimann in Schwimann, Praxiskommentar Rz 4 zu § 23 EheG; Stormann, ÖStA 1989, 79 f) - dargelegt, daß auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den unbehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe auslange (8 Ob 577/93 = SZ 67/56 [abl H.Pichler in JBl 1995, 56]).

Der 8.Senat hat dazu ausgeführt:

"Gerade die inzwischen eingetretene Rechtsänderung (Novelle vom 4. August 1992, BGBl 1992/475, zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl 1975/218, deren Anlaß die Gleichstellung von Angehörigen österreichischer Staatsbürger mit Angehörigen von EWR-Staatsbürgern war, RV 489 und AB 634 BlgNR 18.GP) zeigt, daß diese Auslegung [in JBl 1993, 245] unzutreffend sein muß. Nach der durch diese Novelle dem § 1 Abs 2 neu angefügten lit l findet dieses Gesetz auf Ausländer, die mit einem Inländer die Ehe geschlossen haben, keine Anwendung. Sie haben daher ab Eheschließung die gleichen Arbeitsmöglichkeiten wie Inländer; für sie ist der Arbeitsmarkt völlig liberalisiert.

Obwohl allgemein bekannt war, daß es immer wieder, und wegen der Beschränkung der Kontingente in vermehrtem Ausmaß, zu Eheschließungen kam, die bloß der Erlangung der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit im Inland dienen, unterließ es der Gesetzgeber, diesem Umstand durch eine ausdrückliche Regelung Rechnung zu tragen, etwa indem er im Ausländerbeschäftigungsgesetz für solche Fälle den Entzug der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit vorgesehen hätte, obwohl er verwandten Problemen im Zusammenhang mit der Änderung persönlicher Verhältnisse (zB Scheidung) in dieser Novelle durchaus Rechnung trug (§ 3 Abs 7, § 14 a Abs 1 und 3 AuslBG idF der Nov.). Dies läßt nur den Schluß zu, daß zwar die Liberalisierung nur echte Ehen betreffen sollte, der Gesetzgeber aber eine ausdrückliche Regelung dieses Problems nicht für nötig hielt, weil er der Meinung war, für Fälle mißbräuchlicher Erschleichung der freien Arbeitsmöglichkeit in Österreich durch Schließung einer Scheinehe ohnedies bereits ausreichend Vorsorge getragen zu haben.

Die heutige Gesetzeslage führt dazu, daß der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für einen Ausländer allenfalls nur noch von untergeordnetem Interesse ist:

Die österreichische Staatsbürgerschaft gibt nicht nur politische Rechte, wie zB das Wahlrecht, sie legt den Staatsbürgern auch Pflichten, wie zB die Wehrpflicht auf; sie ermöglicht aber auch den unbeschränkten Aufenthalt und die unbeschränkte Arbeitsmöglichkeit in Österreich. Erstere Rechte sind für "zugereiste Ausländer" erfahrungsgemäß nur von geringem Interesse bzw gar nicht erwünscht, entweder, weil sie mit dem Verlust gleichartiger Rechte im Heimatland verbunden sind oder auch nur deshalb, weil sie auch mit Pflichten (zB Wehrdienst) verbunden sind. Die für solche Ausländer wesentlichen Rechte, nämlich das Recht des unbeschränkten Aufenthalts und der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit in Österreich, erlangen sie nach der nunmehr geltenden Rechtslage bereits mit der Eheschließung.

§ 23 EheG bezweckte, den Mißbrauch der Einrichtung der Ehe zwecks Erwerb des Namens des Mannes oder der Staatsbürgerschaft und der damit verbundenen wesentlichen Rechte zu verhindern. Ursprünglich konnten die Ausländer die für sie wesentlichen Rechte des unbeschränkten Aufenthalts und der unbeschränkten Arbeitsmöglichkeit in Österreich nur über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlangen; dies war für die Frau am leichtesten durch Eheschließung mit einem Inländer möglich; deshalb sanktionierte der Gesetzgeber des EheG die ausschließlich oder überwiegend zu diesem Zweck geschlossene Ehe mit Nichtigkeitssanktion; jetzt ist es möglich, diese Rechte, die früher nur mit der Staatsbürgerschaft verbunden waren, auch ohne deren Erwerb bereits mit der Eheschließung mit einem Inländer zu erreichen, weshalb auch die ausschließlich oder überwiegend nur zu diesem Zweck geschlossenen Ehen mit Nichtigkeitssanktion geahndet werden müssen; andernfalls führte dies dazu, daß § 23 Abs 1 zweiter Fall EheG weitestgehend unanwendbar würde. Dies kann dem Gesetzgeber schon deshalb nicht als Absicht unterstellt werden, hält er doch auch an der Nichtigkeitssanktion der Namensehe (§ 23 Abs 1 erster Fall EheG) fest, obwohl das öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger Scheinehen wesentlich geringer als im vorliegenden Fall ist."

Dieser Auffassung hat sich der 4.Senat (4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10) mit folgenden ergänzenden Überlegungen angeschlossen:

"Dieser Auslegung des § 23 EheG steht § 20 EheG - wonach eine Ehe nur in den Fällen der §§ 21 bis 25 EheG nichtig ist - nicht entgegen. Daß - wie das Berufungsgericht meint - eine erweiternde Interpretation des § 23 EheG zu diesem Auslegungsergebnis führen kann, trifft zwar nicht zu, weil der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (Bydlinski in Rummel ABGB2 Rz 17 zu § 6; Koziol/Welser9 I 21; SZ 57/181) und der "Erwerb der Staatsangehörigkeit" die Erlangung eines bloßen Befreiungsscheines nicht in sich schließt (Breycha, Über die Nichtigkeit der Arbeitsbewilligung, RZ 1994, 98 ff [100]). Sehr wohl ist aber das Füllen einer planwidrigen Gesetzeslücke - insbesondere auch einer solchen, die erst nach Erlassung eines Gesetzes aufgetreten ist (Koziol/Welser aaO 25) - zulässig. Die analoge Anwendung eines Tatbestandes ist nur dann ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist - wie z. B. in § 1 Abs 1 StGB (Eine Strafe .... darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt) -, daß der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestandes erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht; ein solcherart "ausschließender Charakter" eines Rechtssatzes ist allerdings nicht zu vermuten, sondern muß besonders erwiesen werden (Koziol/Welser aaO 26). Aus dem Wortlaut des § 20 EheG ergibt sich dieser Beweis nicht; er macht nur klar, daß die Nichtigkeitsgründe im EheG taxativ aufgezählt sind. Auch eine taxativ gedachte Aufzählung kann aber lückenhaft sein (Bydlinski aaO Rz 2 zu § 7; Breycha aaO; SZ 59/177 = EvBl 1987/9).

Bei Einführung des § 23 EhG (und auch noch bei dessen Rezeption in die Rechtsordnung der zweiten Republik) konnte der Gesetzgeber die spätere Entwicklung - nämlich die Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechtes sowie die nunmehrige Regelung von Aufenthalt und Beschäftigung von Ausländern in Österreich - nicht in Betracht ziehen. Der Zweck des Verbotes der Staatsbürgerschaftsehe war - wie schon das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Materialien (DJ 1938, 1105; ebenso Rilk, Das neue Eherecht 166) zutreffend ausgeführt hat - die Verhinderung des Zuzuges von Ausländerinnen auf den inländischen Arbeitsmarkt. Aus demselben rechtspolitischen Zweck muß dann aber heute auch jede Ehe für nichtig erklärt werden, die nur oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen wird, gemäß § 15 Abs 1 Z 2 AuslBG BGBl 1975/218 idgF einen Befreiungsschein zu erlangen, der dem Inhaber die Beschäftigung im Inland ermöglicht (§ 3 Abs 1 leg cit), oder auch leichter eine Aufenthaltsbewilligung § 3 Abs 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz [AufG]) - nach Ablauf eines Jahres ab Eheschließung (§ 3 Abs 2 AufG) - zu bekommen. Hier ist daher eine Gesetzesanalogie zulässig (Breycha aaO), die darin besteht, daß eine bestimmte gesetzliche Regel im Einklang mit ihrer ratio, aber über ihren Wortlaut hinaus, auf den "ähnlichen Fall" erstreckt wird; die Ähnlichkeit besteht gerade in der "Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses" (Bydlinski aaO Rz 4 zu § 7; Koziol/Welser aaO 26; SZ 57/194; SZ 58/139 uva)".

Dieser Ansicht ist auch der 9.Senat (9 Ob 1594/94) gefolgt. Für den

5. Senat bestand in seiner Entscheidung 5 Ob 547/94 = ZfRV 1995/8

keine Veranlassung zur Erörterung der Entscheidung 8 Ob 577/93 = SZ

67/56, weil dort nach den maßgebenden Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes die Eheschließung nur dazu diente, der ausländischen Ehegattin die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen und ihr die Möglichkeit zu geben, in Österreich zu arbeiten.

Auch der erkennende Senat hat keine Veranlassung, von dieser nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abzugehen. Die Überlegung des Berufungsgerichtes, da die hier zu beurteilende Ehe bereits im Jahr 1989 geschlossen wurde, könnten nach diesem Zeitpunkt eingetretene Rechtsänderungen (Novelle zum AusländerbeschäftigungsG BGBl 1992/475) im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Eheschließung fixierte Sach- und Rechtslage nicht bedeutsam sein, ist nicht tragfähig. Das Berufungsgericht verkennt dabei, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 577/93 = SZ 67/56 keineswegs ausgesprochen hat, daß erst die Rechtsänderung durch die AuslBG-Nov BGBl 1992/475 zur Nichtigkeit (nicht nur der sogenannten Staatsbürgerschaftsehe, sondern auch) einer Ehe zwecks Erlangung einer Arbeitsbewilligung geführt hat. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof zur Begründung seiner Ansicht, daß eine solche Ehe gemäß § 23 EheG nichtig ist, auch auf diese Rechtsänderung hingewiesen, aus der sich ergebe, daß der Gesetzgeber der Meinung war, für Fälle mißbräuchlicher Erschleichung der freien Arbeitsmöglichkeit in Österreich durch Schließung einer Scheinehe ohnehin bereits ausreichend Vorsorge getragen zu haben. Für eine Beschränkung dieser Ansicht auf Ehen, die erst nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurden, besteht jedoch kein Anlaß. Demzufolge hat der Oberste Gerichtshof auch bei Beurteilung einer am 2.10.1989 geschlossenen Ehe zu 4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10 die bereits dargelegte nunmehr ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aufrecht erhalten.

Auch die Ausführungen von H.Pichler in der Entscheidungsglosse JBl 1995, 56, bieten keinen Anlaß zu einem Abgehen von der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die in den Entscheidungen 8 Ob 577/93 = SZ 67/56 und 4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10 eingehend begründet wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.