JudikaturJustiz3Ob506/89

3Ob506/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Julius E*** sen., Gesellschafter, 2880 Kirchberg am Wechsel 96, und 2. Ing. Julius E*** jun., Gesellschafter, Außen 100, 2880 Kirchberg am Wechsel, beide vertreten durch Dr. Norbert Kosch ua., Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Ing. Emil E***, Gesellschafter, 2880 Kirchberg am Wechsel 145, vertreten durch Dr. Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterfertigung der Anmeldung zum Handelsregister (Streitwert S 200.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. September 1988, GZ 3 R 46/88-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 3. Dezember 1987, GZ 1 Cg 1020/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 8.096,72 (darin S 736,07 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger und der Beklagte sind die persönlich haftenden Gesellschafter, der Zweitkläger der Kommanditist der im Handelsregister eingetragenen Personenhandelsgesellschaft "Elektrizitäts- und Sägewerk Kirchberg am Wechsel Brüder E***" (KG Wiener Neustadt HRA 263). Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Komplementäre gemeinsam vertretungsberechtigt. Dem Zweitkläger wurde im Gesellschaftsvertrag Kollektivprokura erteilt, für den Widerruf der Prokura wurde als wichtiger Angelegenheit im Gesellschaftsvertrag vom 9. Juli 1968 das Erfordernis der Zustimmung beider persönlich haftender Gesellschafter vereinbart. Der Gesellschaftsvertrag wurde über Auftrag der Gesellschafter vom Rechtsanwalt formuliert. Nach Punkt VI Abs 6 des Vertrages wird dem Kommanditisten Kollektivprokura erteilt. Er zeichnet zusammen mit einem der persönlich haftenden Gesellschafter. Während die Kläger darin nicht eine Absichtserklärung sondern die Erteilung der Prokura erblickten, meinte der Beklagte bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages, die Prokuraerteilung werde erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam, womit er zunächst einverstanden gewesen wäre, bis ab Ende des Jahres 1969 zwischen ihm und dem Zweitkläger Differenzen auftraten und sich der Beklagte weigerte, die Registereingabe zu unterfertigen.

Der Zweitkläger hat sich nie so verhalten, daß auf einen Verzicht auf Prokuraerteilung geschlossen werden könnte. Die Gesellschafter haben auch nie vereinbart, daß die Erteilung der Prokura nicht wirksam werde. Obwohl die Anmeldung zum Handelsregister unterblieben war, trat der Zweitkläger als (kollektiv vertretungsbefugter) Prokurist auf.

Der Beklagte widerrief am 4. November 1987 die Prokurabestellung des Zweitklägers. Der Erstkläger stimmte dem Widerruf der Prokura nicht zu.

Mit der Klage verlangen die Kläger vom Beklagten die Unterfertigung der Registereingabe zur Anmeldung der dem Zweitkläger erteilten Kollektivprokura.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die im Gesellschaftsvertrag festgehaltene Prokuraerteilung sei eine bloße Absichtserklärung, die einvernehmlich aufgehoben wurde. Die Kläger hätten schlüssig auf die Bestellung des Zweitklägers zum Prokuristen verzichtet, dies sei auch nicht notwendig und das Begehren der Kläger sittenwidrig, weil der Zweitkläger wegen seines gesellschaftswidrigen Verhaltens die Vertrauenswürdigkeit verloren habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es verhielt den Beklagten zur Unterfertigung der Registereingabe an das Kreis- als Handelsgericht Wiener Neustadt zu HRA 263 mit dem Inhalt:

"Wir Julius E*** sen. und Ing. Emil E*** haben als Komplementäre der "Elektrizitäts- und Sägewerk Kirchberg am Wechsel Brüder E*** Herrn Ing. Julius E*** jun. das Recht

erteilt, die Gesellschaft als Prokurist auch je in Gemeinschaft mit einem Komplementär zu vertreten."

Es führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dem Zweitkläger sei schon im Gesellschaftsvertrag vom 9. Juli 1968 die Prokura erteilt worden. Im Innenverhältnis seien die Vereinbarungen der Gesellschafter über die Bestellung oder Belassung des Prokuristen wirksam, so daß der vom Beklagten allein erklärte Widerruf infolge der im Gesellschaftsvertrag bedungenen Zustimmung beider Komplementäre unwirksam bleibe. Das Verlangen der Kläger nach Mitwirkung an der bloß deklaratorisch wirkenden Anmeldung zum Handelsregister sei nicht sittenwidrig. Der Beklagte habe sich nicht veranlaßt gesehen, auf die Ausschließung des Kommanditisten aus der Gesellschaft zu dringen. Sein Sittenwidrigkeitseinwand könne nicht zu einer ihm genehmen Vertragsanpassung führen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Rechtsfrage fehle, ob der wenn auch mangels der erforderlichen Zustimmung des zweiten Komplementärs unwirksam die Prokura widerrufende kollektivvertretungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter zur Anmeldung der Prokuraerteilung verhalten werden könne. Das Berufungsgericht vertrat zusammengefaßt die Rechtsansicht, im Innenverhältnis sei jeder einzelne Komplementär zum Widerruf der Prokura befugt, doch könne ein kollektivvertretungsbefugter Gesellschafter allein die Prokura mit Wirkung nach außen nicht wirksam widerrufen, weil dies und die Anmeldung einen Vertretungsakt darstellten. Er könne allerdings von den anderen vertretungsbefugten Gesellschaftern die Abgabe der gleichlautenden Erklärung und die Mitwirkung bei der Registeranmeldung verlangen, dies aber nicht durchsetzen, wenn der Widerruf willkürlich gegen die Gesellschaftsinteressen erklärt wurde. Der Gesellschaftsvertrag könne auch abweichend von der Vorschrift des § 116 Abs 3 HGB den Widerruf der Prokura an einen Mehrheitsbeschluß binden, was wieder nur im Innenverhältnis wirke. Die Zustimmung des Erstklägers zum Widerruf der dem Zweitkläger erteilten Prokura sei hier schon wegen der Kollektivvertretung der Komplementäre erforderlich gewesen. Es könne aber dahingestellt bleiben, ob der Erstkläger zur Zustimmung zum Widerruf der Prokura verpflichtet war, weil die wirksam erteilte Prokura (zunächst) jedenfalls von allen vertretungsbefugten Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sei. Die Weigerung eines Beteiligten zur Mitwirkung könne zur gerichtlichen Erzwingung führen. Die Anmeldungspflicht sei die öffentlich-rechtliche Pflicht aller Gesellschafter, die auch zivilrechtlich dazu verbunden seien und sich dagegen nur wehren könnten, wenn auch die öffentlich-rechtliche Anmeldungspflicht nicht bestehe, etwa bei Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages. Die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung bestehe auch noch, wenn einer der kollektivvertretenden Gesellschafter die Prokura widerrufen, der andere aber dem Widerruf widersprochen habe. Dem Handelsregister solle der gegenwärtige Rechtszustand zu entnehmen sein. Daher sei auch die aufrecht erteilte Prokura noch anzumelden, auch wenn über deren Widerruf Streit bestehe. Andernfalls wäre die rechtswirksam erteilte Prokura im Handelsregister nicht eingetragen, obwohl erst in einem Streit über die widersprechenden Behauptungen der Schädigung oder Wahrung der Interessen der Gesellschaft über die Wirksamkeit des Widerrufs der Prokuraerteilung abgesprochen werden müsse. Ungeachtet der Einwendungen des Beklagten sei er daher zur Anmeldung der erteilten Prokura verpflichtet. Das Verlangen der Kläger sei nicht sittenwidrig, weil es den öffentlichen Interessen an der Vollständigkeit der Eintragungen in das Handelsregister entspreche. Da der Zweitkläger stets als vertretungsbefugter Prokurist aufgetreten sei, könne nicht auf einen Verzicht auf die Anwendung des Punktes VI Abs 6 des Gesellschaftsvertrages geschlossen werden, nur weil die gebotene Anmeldung erst jetzt erfolgen soll. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß beide Kläger den Willen hatten, die dem Zweitkläger im Gesellschaftsvertrag erteilte Prokura zu belassen. Der Zweitkläger sei als Gesellschafter zur Klagsführung legitimiert, das Begehren sei hinreichend bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat tritt der zutreffenden rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen bei, daß der Beklagte als einer der drei Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auch dann zur Mitwirkung an der seit etwa 20 Jahren ausständigen Anmeldung der Erteilung der Prokura an den zweitklagenden Kommanditisten verpflichtet ist und daher ohne Rechtsirrtum zur Unterfertigung der Eingabe (vgl. § 367 Abs 1 EO) verhalten wurde, wenn er sich veranlaßt gesehen hatte, die Erteilung der Prokura zu widerrufen, diese Erklärung aber wegen Fehlens der nach Punkt VI Abs 5 des Gesellschaftsvertrages für die Erteilung und den Widerruf von Prokuren erforderlichen Zustimmung beider persönlich haftenden Gesellschafter und zufolge der gemeinschaftlichen Vertretung der Gesellschaft durch die beiden Komplementäre vorerst der Wirkung nach außen entbehrt und strittig ist, ob der Kläger als zweiter Komplementär zu Recht seine Zustimmung zum Widerruf der Prokura verweigern konnte. Es trifft zwar zu, daß nach dem festgestellten Sachverhalt die an sich vorgesehene Anmeldung, an der der Beklagte unmittelbar nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages und damit erteilter Prokura an den Zweitkläger noch mitgewirkt hätte, viele Jahre versäumt wurde. Daraus ist aber nicht abzuleiten, daß ein Verzicht auf die erteilte Vollmacht vorläge, hat doch der zweitklagende Kommanditist die Gesellschaft als Prokurist tatsächlich vertreten, wozu er sonst ohne vertragliche Regelung nicht berufen wäre (§ 164 und § 170 HGB). Der Kommanditist kann gesellschaftsvertraglich auch zur Vertretung der Gesellschaft als Prokurist ermächtigt werden. Der (einzige) Komplementär kann allerdings selbst mit Wirkung für das Außenverhältnis die Prokura widerrufen, setzt sich allerdings der Klage auf Wiedereinräumung der Prokuristenposition aus, wenn kein wichtiger Grund für den Widerruf vorlag (Koppensteiner in Straube, HGB, Rz 6 zu § 170; EvBl 1970/95 ua.). Hier erlangt der einseitige Widerruf durch den Beklagten aber wegen der gesellschaftsvertraglichen Bindung die Wirkung nach außen erst, wenn der zweite persönlich haftende Gesellschafter seine Zustimmung erteilt hat oder dessen Zustimmung im Rechtswege erzwungen wurde. Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß der Beklagte nicht weiter verpflichtet ist, seiner Anmeldungspflicht nachzukommen, weil er von einem Verzicht auf die öffentlich-rechtliche Pflicht ausgehen konnte. Es ist auch ausdrücklich festgestellt, daß die Vertragsbestimmungen, womit der Zweitkläger zum gemeinsam mit einem Komplementär zur Vertretung befugten Prokuristen bestellt wurde, nicht außer Kraft trat, so daß der Unterstellung des Beklagten der Boden entzogen ist, die Außerkraftsetzung der Prokurabestellung sei der Vertragsnichtigkeit gleichzuhalten.

Gewiß ist aus der gesellschaftsrechtlichen Bindung der Parteien eine gegenseitige Rücksichtnahme und Bedachtnahme auf die Interessen der weiteren Gesellschafter geboten. Eine Sittenwidrigkeit liegt dem Verlangen auf Nachtragung einer Anmeldung, die schon vor 20 Jahren erfolgen hätte sollen, fern. Ob der Beklagte mit Erfolg Ausschließungsgründe durchsetzen kann und deshalb auch den Erstkläger gerichtlich zur Zustimmung zum Widerruf der Prokura verhalten kann, ist in diesem Rechtsstreit nicht abzusprechen. Der Vertragsbestimmung, wonach der Widerruf der Prokura nur mit Zustimmung aller vertretungsbefugten Komplementäre erfolgen kann, kann nicht entgegengesetzt werden, der Beklagte sei daran wegen einer unzumutbaren Einengung seiner Rechtsposition nicht gebunden. Es handelt sich dabei nicht um den Ausschluß des Widerrufsrechtes nach § 52 Abs 1 HGB, sondern um Vorkehrungen, daß wichtige Maßnahmen in der Gesellschaft von den gemeinsam vertretungsbefugten Komplementären auch gemeinsam getragen werden und dem als Kommanditisten Gesellschafterstellung genießenden Zweitkläger die Prokura nicht ohne Vorliegen wichtiger bei objektiver Betrachtung der wahren Interessen der Gesellschaft zu beachtender Gründe entzogen wird.

Als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft steht das Klagerecht auf Mitwirkung an der Anmeldung auch dem Zweitkläger zu. Er ist davon nicht etwa ausgeschlossen, weil Streit über seine Prokurabestellung und deren Widerruf besteht.

Die bisher nicht wirksam widerrufene Prokurabestellung zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden, sind die vertretungsbefugten Gesellschafter verpflichtet. Sie führt, entgegen der offenbar vom Beklagten vertretenen Ansicht, nicht etwa zur Begründung der Rechtsstellung des Prokuristen sondern hat nur deklarative Wirkung (Friedl-Schinko in Straube, HGB, Rz 3 zu § 53). Damit gehen alle weiteren Einwände des Beklagten ins Leere, die aus der Verweigerung der Zustimmung des erstklagenden Mitgesellschafters eine Sittenwidrigkeit, Treuepflichtverletzung oder Beeinträchtigung des Gleichheitsgrundsatzes ableiten. Zur Durchsetzung dieser seiner Ansprüche steht dem Beklagten der Rechtsweg offen.

Das Berufungsgericht hat hingegen ohne Rechtsirrtum erkannt, daß diese Einwände im vorliegenden Rechtsstreit nicht zum Tragen kommen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.