JudikaturJustiz3Ob34/87

3Ob34/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Kurt R***,

2) Katarina A***, beide Gesundheitsberater in Bad Ischl, Enderweg 7, und vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei V*** ZUR B*** DES

U*** W***, Wien, Hofburg-Kongreßzentrum, vertreten

durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Oktober 1986, GZ 3 R 207/86-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 12. Juni 1986, GZ 4 Cg 231/85-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß es in der Hauptsache zu lauten hat:

"1. Die mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 2.4.1985, 4 Cg 265/84-6, bewilligte und vom Bezirksgericht Bad Ischl als Exekutionsgericht zu E 1545/85 durchgeführte Exekution ist unzulässig.

2. Das Mehrbegehren, der Anspruch der beklagten Partei aus der einstweiligen Verfügung des Kreisgerichtes Wels vom 22.11.1984, 4 Cg 265/84-5, sei erloschen, wird abgewiesen."

Die Prozeßkosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 4 Cg 265/84 des Kreisgerichtes Wels begehrte die jetzt beklagte Partei von den jetzigen Klägern unter anderem die Unterlassung der Veranstaltung und/oder Vermittlung von Gesellschaftsfahrten, sowie der Vermittlung und/oder Besorgung von Unterkunft oder Verpflegung für Reisende, solange sie nicht über die dazu erforderliche Gewerbeberechtigung (Konzession) und die vorgeschriebene persönliche und sachliche Kenntnis und Mindestausstattung verfügen.

In diesem Rechtsstreit wurde den jetzigen Klägern mit einstweiliger Verfügung vom 22.November 1984 ein diesem Unterlassungsbegehren entsprechendes Verbot erteilt. Die einstweilige Verfügung wurde bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites 4 Cg 265/84 erlassen.

Nach Erlassung dieser einstweiligen Verfügung bot die jetzt beklagte Partei den jetzigen Klägern an, im Rechtsstreit ewiges Ruhen eintreten zu lassen, wenn diese die einstweilige Verfügung rechtswirksam werden ließen und die gesamten Kosten bezahlten. Diesem Vorschlag stimmten die jetzigen Kläger zu, beide Streitteile ließen die Tagsatzung vom 8.Jänner 1984 unbesucht. Ein Fortsetzungsantrag im ruhenden Rechtsstreit wurde bisher nicht gestellt, die einstweilige Verfügung aber auch nicht aufgehoben. Mit Beschluß vom 2.April 1985 wurde auf Grund dieser einstweiligen Verfügung wider die Kläger auf Grund eines von der beklagten Partei behaupteten Verstoßes durch Aussendung eines "Spezial-Prospekts" (gelb) und eines Prospektes "Gesund-Schlank-Lebensfroh" (grün) die Exekution nach § 355 EO bewilligt und vom Exekutionsgericht zu E 1545/85 des Bezirksgerichtes Bad Ischl eine Geldstrafe verhängt. Gegen diese Exekution wendet sich die Klage "gemäß § 36 EO", womit die Kläger einerseits die Unwirksamkeit des Exekutionstitels wegen des vereinbarten ewigen Ruhens geltend machen und andererseits bestreiten, daß die beiden im Exekutionsverfahren vorgelegten Prospekte einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung darstellten; sie beantragen, die Exekution für unzulässig zu erklären.

Die Kläger brachten dazu vor, sie veranstalteten lediglich Gesundheitswochen und seien dabei auf die Benützung von Hotels und Gasthöfen angewiesen. Sie organisierten keine Urlaubsaufenthalte oder Gesellschaftsreisen, müßten aber dem Publikum bekanntgeben, wo ihre Gesundheitswochen stattfänden. Von den Klägern könne nur ein Betreuungsprogramm angefordert werden. Auskünfte über die Hotels könnten nur bei diesen angefordert werden. Auch Anmeldungen könnten nicht über die Kläger stattfinden. Die Kläger gäben auch keine Preise bekannt. Sie übten also keine verbotene Veranstaltungs- oder Vermittlungstätigkeit aus.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie verwies vor allem auf den Gesamteindruck der Prospekte. Zur behaupteten Unwirksamkeit der einstweiligen Verfügung vertrat sie den Standpunkt, daß nur ein Aufhebungsverfahren, nicht aber der Rechtsweg zulässig sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Die Vorinstanzen gingen über den eingangs wiedergegebenen, nicht strittigen Sachverhalt hinaus im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Für die Erlassung der einstweiligen Verfügung war ein Prospektheft "Ferien vom Ich" (Beilage C) maßgebend, nach welchem man bei den Klägern bestimmte "Urlaubswochen" buchen konnte. Nach Erlassung der einstweiligen Verfügung stellten die Kläger die Aussendung dieses Prospektheftes ein.

Nach Erkundigung bei der Handelskammer über ihre Rechte beabsichtigten die Kläger in Zusammenarbeit mit einem Hotel in Fieberbrunn und einem Hotel in Pertisau die Veranstaltung von Fitnesswochen und entwarfen mit den Inhabern dieser Hotels einen Werbeprospekt mit der Überschrift "Gesund-Schlank-Lebensfroh durch die gesunden Urlaubswochen mit den K+K Optimisten" (Beilage B). In diesem Prospekt verweisen die beiden Hotels auf bestimmte Sommerurlaube, eine Bergwanderwoche, Langlauf-Entschlackungswochen und Wildkräuter-Entschlackungswochen. Es wird auf die Betreuung durch die Kläger verwiesen, bei denen das spezielle Betreuungsprogramm angefordert werden könne. Die Kosten dieser Betreuung seien im begehrten Pauschalpreis inbegriffen. Neben diesem Prospekt entwarfen die Kläger noch den "Spezial-Prospekt für die gesunden Urlaubswochen mit den K+K Optimisten" (Beilage A), in dem die einzelnen Aktivitäten der Kläger und die Termine der einzelnen Wochen genannt sind. Die Anforderung von Farbprospekten über die Unterkünfte und die Anmeldung hätten bei diesen beiden Hotels zu erfolgen.

Die Kosten des Werbeprospekts Beilage B sollten von den beiden Hotels getragen werden, die Kosten des Prospekts Beilage A übernahmen die Kläger.

Die Versendung der Werbeprospekte Beilage B erfolgte durch die beiden Hotels. Die Kläger nahmen nur etwa 5 Exemplare an sich, um sie an Interessenten zu versenden, welche bereits wegen der angebotenen Gesundheitswochen an sie herangetreten waren. Den Spezialprospekt Beilage A versendeten die Kläger oder verteilten ihn bei Kochkursen oder sonst von ihnen durchgeführten Veranstaltungen. Wenn sich an Fitnesswochen interessierte Personen an die Kläger wandten, wurden sie von diesen jeweils an das betreffende Hotel verwiesen. Die Kläger gaben keine Auskunft über die Zimmer oder die Preise der Urlaubswochen und nahmen auch keine Buchungen entgegen. Zwischen den Klägern und den Hotelunternehmern bestand die Vereinbarung, daß der Pauschalpreis von den Gästen an das Hotel zu bezahlen sei, daß aber die Kläger davon pro Gast zusammen 1.500 S bekämen.

Die Kläger hatten lediglich eine Betreuung der Gäste vorzunehmen. Mit der sonstigen Organisation der Gesundheitswochen hatten sie nichts zu tun, diese erfolgte ausschließlich durch das Hotel.

In zwei von den Klägern herausgegebenen Informationsblättern wiesen die Kläger auf die schon genannten Gesundheitswochen hin, wobei sie wie im Prospekt Beilage B auf die beiden Hotels verwiesen. Das Erstgericht war der Auffassung, daß die Exekution schon wegen des vereinbarten ewigen Ruhens unzulässig sei. Darüber hinaus liege aber auch kein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung vor, weil sich aus den Prospekten der Kläger und der Hotels zweifelsfrei ergebe, daß die Kläger weder als Veranstalter noch als Vermittler von Gesellschaftsfahrten oder als Besorger oder Vermittler von Unterkunft oder Verpflegung von Reisenden aufgetreten seien. Das Berufungsgericht vertrat hingegen die Ansicht, daß das vereinbarte ewige Ruhen an der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung nichts ändere, einen Exekutionsverzicht hätten die Kläger nicht behauptet. Ein Zuwiderhandeln gegen die einstweilige Verfügung stehe aber fest, denn der Begriff des Veranstaltens oder Vermittelns enthalte nicht nur die Summe aller hiefür erforderlichen organisatorischen Maßnahmen, sondern auch deren einzelne Tatbestandsvoraussetzungen. Die Kläger seien zumindest als Mitveranstalter von Urlaubswochen aufgetreten. Eine Anmeldung direkt bei den Klägern werde in den Prospekten nicht ausgeschlossen. In einigen Ankündigungen fehle es auch an einer Angabe der Telefonnummer der beiden Hotels.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist teilweise berechtigt.

Vorausgeschickt sei, daß die Kläger trotz einheitlicher Formulierung des Klagebegehrens in Wahrheit zwei verschiedene Klagebegehren geltend gemacht haben. Einerseits erheben sie Einwendungen im Sinne des § 35 EO mit der Begründung, der betriebene Anspruch sei wegen des vereinbarten ewigen Ruhens erloschen, andererseits behaupten sie, nicht gegen den Exekutionstitel verstoßen zu haben, weshalb die Exekution im Sinne des § 36 EO unzulässig sei.

1. Zur Klage nach § 35 EO:

Wenn die Parteien nach Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch eine einverständliche Regelung "eine neue Lage schaffen" (SZ 8/141) oder wenn die gefährdete Partei nach vereinbartem Ruhen des Verfahrens ausdrücklich oder schlüssig auf den ihr durch die einstweilige Verfügung eingeräumten Anspruch verzichtet (SZ 53/111), dann kann dies mit Oppositionsklage geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall behaupten aber die Kläger keinen solchen Verzicht, sondern sie bringen im Gegenteil vor, sie seien damit einverstanden gewesen, daß sie die einstweilige Verfügung rechtswirksam werden ließen. Bei dieser Sachlage führte das vereinbarte Ruhen des Verfahrens aber noch nicht das Erlöschen des in der einstweiligen Verfügung gesicherten Anspruchs herbei.

Welche prozessuale Bedeutung ein außergerichtlich vereinbartes, dem Gericht aber nicht angezeigtes ewiges Ruhen hat, muß nicht untersucht werden. Auch eine allfällige Beendigung des Rechtsstreites 4 Cg 265/84 und damit der Ablauf der Zeit, für welche die einstweilige Verfügung im Sinne des § 391 Abs 1 EO getroffen wurde, würde nämlich die einstweilige Verfügung nicht von selbst und sofort unwirksam machen (EFSlg 46.930 ua), sondern könnte höchstens den Anlaß bilden, beim Exekutionsgericht die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen Zeitablaufs zu beantragen. Soweit die Klage also eine Oppositionsklage ist, wurde das Klagebegehren vom Berufungsgericht mit Recht abgewiesen.

2. Zur Klage nach § 36 EO:

Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Berechtigt ist aber die Rechtsrüge der Kläger.

Soweit den Klägern durch die einstweilige Verfügung vom 22. November 1984 verboten wurde, Gesellschaftsfahrten zu veranstalten oder zu vermitteln, fehlt es schon am Tatbestand der Gesellschaftsfahrt. Eine solche verlangt ua einen geschlossenen, bei Beginn der Fahrt feststehenden Teilnehmerkreis, die Sammlung der Teilnehmer, die Bildung einer Reisegemeinschaft, die Durchführung einer Fahrt, allenfalls die Beistellung eines Reisebegleiters udgl. mehr (vgl. Mache-Kinscher, MGA5 Anm. 6 und 7 zu § 208 GewO). Im vorliegenden Fall sollten aber alle Interessenten selbständig reisen, weder eine Gesellschaft noch eine Fahrt war geplant. Allerdings sind auch die Teilnehmer an Gesundheitswochen, wie sie von den Klägern angeboten wurden, Reisende im Sinne des § 208 Abs 1 GewO, so daß das in der einstweiligen Verfügung enthaltene weitere Verbot zum Tragen kommen kann, Unterkunft oder Verpflegung für (solche) Reisende zu vermitteln oder zu besorgen. Die Kläger haben aber im Gegensatz zu ihrer früheren Vorgangsweise ihre Prospekte jetzt so gestaltet, daß diese nicht mehr den Eindruck erwecken, es würde eine Unterkunft oder Verpflegung dieser Art von den Klägern vermittelt oder besorgt. Während früher die einzelnen Wochen bei den Kläger gebucht werden konnten (Prospekt Beilage C) wird jetzt deutlich gemacht, daß die Kläger ausschließlich für ein von ihnen in einem bestimmten Hotel durchgeführtes Gesundheitsprogramm werben. Es wird darauf hingewiesen, daß die Anforderung von Prospekten für die Hotels oder von Auskünften über den Pauschalpreis und die Anmeldung nur bei diesen Hotels erfolgen können. Richtig ist zwar, daß auf dem Betreuungsprogramm und in einem Informationsblatt der Kläger nur die Anschriften dieser Hotels, nicht aber deren Telefonnummern angeführt sind, wohl aber die Telefonnummern der Kläger. Nach den getroffenen Feststellungen haben aber die Kläger auch telefonisch keine Vermittlungs- oder Auskunftstätigkeit betreffend die Unterkünfte ausgeübt. Bei den Klägern konnte jeweils nur das Betreuungsprogramm angefordert werden. Auf die von den Klägern nach den getroffenen Feststellungen an schon informierte Interessenten verteilten etwa 5 Hotel-Prospekte kommt die beklagte Partei weder in ihrer Berufung noch in der Revisionsbeantwortung zurück.

Es ist daher nicht erkennbar, daß die Kläger auch in der neuen Form ihrer Werbung und Betätigung Unterkünfte für Reisende vermittelten oder besorgten. Daß die Kläger den Eindruck erweckten, sie seien Veranstalter oder Mitveranstalter von Gesundheitswochen, wie dies das Berufungsgericht besonders hervorhebt, ist hingegen nicht entscheidend. Eine Gesundheitswoche ist keine Gesellschaftsfahrt im Sinne der obigen Ausführungen. Nur insoweit wurde aber den Klägern eine (Mit )Veranstaltung verboten. Eine vermittelnde Tätigkeit in bezug auf die Unterkünfte (zB das Erteilen von Auskünften über freie Plätze, Preise usw; vgl. ÖBl 1983, 165) liegt hingegen nicht vor.

Soweit die Klage also eine Impugnationsklage ist, hat ihr das Erstgericht mit Recht stattgegeben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.