JudikaturJustiz3Ob291/99m

3Ob291/99m – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Elisabeth E*****, vertreten durch Dr. Rainer Maria Schilhan, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Magdalena H*****, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Aufkündigung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 1999, GZ 39 R 101/99p-34, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. November 1998, GZ 15 C 313/97b (richtig: 15 C 314/97z)-23, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin kündigte neben den beiden klagegegenständlichen Wohnungen top Nr 2 (zur AZ 15 C 314/97z) und top Nr 2a (AZ 15 C 313/97b) auch ein im selben Haus gelegenes Geschäftslokal top Nr 5 (AZ 15 C 312/97f) beim Erstgericht gerichtlich auf. Während dieses die Aufkündigungen betreffend die beiden Wohnungen im vorliegenden Verfahren mit Urteil vom 23. 11. 1998 für rechtswirksam erkannte, hob es die Aufkündigung des Geschäftslokals mit Urteil vom 26. 11. 1998 auf. Das Urteil im gegenständlichen Verfahren wurde an den im Verfahren für die Beklagte auftretenden Rechtsvertreter (wie auch an den Klagevertreter) am 2. 12. 1998 zugestellt, das Urteil im Verfahren betreffend das Geschäftslokal an den - in beiden Verfahren - einschreitenden Klagevertreter am 3. 12. 1998. In der Folge trat die Beklagte an einen von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt, der im vorliegenden Verfahren nicht ihr Prozessvertreter war, mit dem Wunsch heran, eine Vereinbarung über alle gerichtlichen Verfahren anzustreben, nach der ua jede der Parteien auf Erhebung eines Rechtsmittels verzichten sollte. Dieser Rechtsanwalt unterbreitete den Vorschlag der Beklagten dem Klagevertreter (in beiden Verfahren), der ihn nach Rücksprache mit der Klägerin und weiterer Kontaktaufnahme ua mit dem Vertreter des Untermieters einer der beiden aufgekündigten Wohnungen unmittelbar vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, nämlich am 12. 1. 1999, im Zuge eines Telefonats mit dem von der Beklagten bevollmächtigten Rechtsanwalt annahm. Bei diesem Telefonat kamen die beiden Rechtsanwälte ausdrücklich überein, in den beiden Verfahren kein Rechtsmittel zu ergreifen. In der Folge wurde das Vollmachtsverhältnis zwischen diesem Rechtsanwalt und der Beklagten wegen Meinungsverschiedenheiten beendet und sodann am 13. 1. 1999 (am letzten Tag der Berufungsfrist im vorliegenden Verfahren) durch den Prozessvertreter der Beklagten eine Berufung eingebracht.

Die Klägerin brachte in ihrer Berufungsbeantwortung vor, dass die Beklagte durch ihren "seinerzeitigen Rechtsvertreter" im Zuge eines Generalvergleichs gegenüber dem Klagevertreter ausdrücklich auf die Erhebung einer Berufung verzichtet habe.

Das Berufungsgericht wies nach Veranlassung von Erhebungen über dieses Vorbringen die Berufung der Beklagten zurück, weil diese im Sinn des § 472 ZPO - durch einen Rechtsvertreter - gegenüber der Klägerin auf die Erhebung der Berufung gültig verzichtet habe, weshalb diese gemäß § 472 ZPO unzulässig sei.

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Rekurs der Beklagten ist zwar gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelverzicht gemäß § 472 ZPO kann als unbedingte Prozesserklärung in der hiefür vorgesehenen Form dem Gericht gegenüber zu Protokoll oder durch Schriftsatz erklärt werden, aber auch außergerichtlich gegenüber dem Prozessgegner abgegeben werden, muss in diesem Fall aber dem Gericht - wie hier in der Berufungsbeantwortung - bekannt gegeben werden (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 472; Fasching, LB2 Rz 1703 je mwN). Der außergerichtlich erklärte Rechtsmittelverzicht kann von Partei zu Partei, auch durch Einschaltung eines Rechtsvertreters auf einer Seite oder auf beiden Seiten erklärt werden. Da sich eine Partei nicht bloß durch einen Rechtsvertreter vertreten lassen, sondern auch mehrere Rechtsvertreter mit der Wahrung ihrer Rechte betrauen kann, ist nach außen gegenüber dem Gegner jede Erklärung eines bevollmächtigten Rechtsvertreters wirksam.

Hier hat die Beklagte selbst einen Rechtsanwalt, der nicht zugleich ihr Vertreter im vorliegenden Prozess war, damit beauftragt, einen Generalvergleich über alle gerichtlichen Verfahren anzustreben, wonach jede der Parteien auf die Erhebung eines Rechtsmittels verzichten sollte. Damit war aber dieser Rechtsanwalt gegenüber dem Vertragspartner (Prozessgegner) bevollmächtigt, namens der Beklagten auf Rechtsmittel gegen das vorliegende erstgerichtliche Urteil vom 23. 11. 1998 zu verzichten. Einen derartigen Verzicht des Rechtsvertreters der Beklagten gegenüber dem Rechtsvertreter der Klägerin hat das Berufungsgericht auch festgestellt. Die gegen diese Feststellung vorgetragenen Rekursausführungen stellen sich ebenso als unzulässige Bekämpfung der zweitinstanzlichen Beweiswürdigung dar wie der als Verfahrensmangel gerügte Umstand, dass die Beklagte - die beim telefonisch erklärten Rechtsmittelverzicht nicht zugegen war - nicht als Kontrollbeweis zu ihrem Rechtsvertreter vernommen worden wäre (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503 mwN).

Zur prozessualen Wirksamkeit dieses Rechtsmittelverzichts bedurfte es aber weder der Einbindung noch der Zustimmung des Prozessvertreters der Beklagten, sondern nur der prozessordnungsgemäßen Bekanntgabe des außergerichtlichen Rechtsmittelverzichtes an das Gericht. Dies geschah auch im Wege der Berufungsbeantwortung. Zutreffend hat somit das Berufungsgericht die trotz eines Rechtsmittelverzichts der Beklagten erhobene Berufung (ihres Prozessvertreters) gemäß § 472 ZPO zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 40 ZPO.