JudikaturJustiz3Ob29/15h

3Ob29/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** KG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Brüggl Harasser Partnerschaft (OG) in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Dipl. Ing. E*****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Dr. Sabine Danler Brunner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 28.355,67 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. November 2014, GZ 1 R 133/14i 26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. Juni 2014, GZ 59 Cg 40/13b 22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.610,64 EUR (hierin enthalten 268,44 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1. Die vom Berufungsgericht über Abänderungsantrag des Beklagten nachträglich als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung auf den Quotenschaden auch dann gilt, wenn es wie hier zu keinem Insolvenzverfahren der verpflichteten GmbH kommt, stellt sich im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht:

1.1. Nach den maßgebenden Feststellungen hat der Beklagte als Geschäftsführer jener GmbH, gegen die die Klägerin eine titulierte Forderung von 22.422,38 EUR sA hat, nach Zustellung des das im Vorprozess ergangene erstgerichtliche Urteil bestätigenden Berufungsurteils vom 9. 2. 2012 am 12. 3. 2012 im eigenen Namen mit der durch ihn vertretenen GmbH vereinbart, per 1. 4. 2012 in alle Rechte und Pflichten der GmbH aus einem Arbeitsgemeinschaftsvertrag mit einem Dritten einzutreten. Aufgrund dieses ohne Gegenleistung erfolgten Eintritts des Beklagten verfügte die GmbH über keinen Auftrag und damit auch über keine Erwerbsaussichten mehr, wobei der Beklagte billigend in Kauf nahm, dass die GmbH damit endgültig außerstande sein werde, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Damit hat er die äußere und innere Tatseite der betrügerischen Krida nach § 156 StGB verwirklicht.

1.2. Die Gläubiger einer

GmbH, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, können den oder die

Geschäftsführer der Gesellschaft nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (§§ 1293 ff ABGB) auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, den ihnen die organschaftlichen Vertreter durch schuldhafte Verletzung eines gerade oder auch zum Schutz der

Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetzes zugefügt haben (RIS Justiz RS0023887). Die Kridabestimmungen des StGB sind Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger; vom Schutzzweck dieser Normen werden sämtliche Gläubiger etwa einer GmbH erfasst, und zwar sowohl Altgläubiger, deren Forderungen im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit bereits bestanden und die durch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten geschädigt werden, als auch Neugläubiger, die durch die Begründung der Verbindlichkeit im Stadium der Zahlungsunfähigkeit dadurch geschädigt werden, dass sie keine Gegenleistung erhalten. Schutzzweck des § 156 StGB ist die Wahrung der Gläubigerinteressen ( Schacherreiter in Kletečka/Schauer , ABGB ON1.02 § 1311 Rz 30 und 33 je mwN).

1.3.1. Nach den weiteren Feststellungen machte die GmbH ab dem Jahr 2005 Verluste und wies ab dem Jahr 2008 ein negatives Eigenkapital auf, wobei ihre Aktiva, die in den Jahren 2005 bis 2010 noch jedenfalls mehr als 200.000 EUR ausmachten, im Jahr 2011 auf 77.084,86 EUR (und im Jahr 2012 auf 22.642,32 EUR) sanken. Welche Konkursquote im Fall einer Insolvenz der GmbH erzielt werden könnte und welche Quote erzielbar gewesen wäre, wenn der Beklagte unmittelbar nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, spätestens aber Anfang 2012 also insbesondere anstelle des Abschlusses und der Umsetzung der zu 1.1. dargelegten Vereinbarung Insolvenz angemeldet hätte, konnte nicht festgestellt werden.

1.3.2. Vor diesem Hintergrund wäre der Standpunkt des Revisionswerbers, die Klägerin, deren titulierte Forderung nach ihrem Klagevorbringen aus der mangelhaften Erfüllung eines der GmbH von ihr erteilten Auftrags in den Jahren 2001 und 2002 resultiert, die also unzweifelhaft „Altgläubigerin“ ist, hätte nicht Anspruch auf Ersatz der gesamten titulierten Forderung, sondern nur des „Quotenschadens“, grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, wenngleich es hier nicht um den Quotenschaden im Sinn der Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung wegen Konkursverschleppung (also die Differenz zwischen der tatsächlich erzielten Konkursquote und demjenigen, was der Gläubiger bei pflichtgemäßer Antragstellung erhalten hätte; vgl RIS Justiz RS0023910 [T1]) gehen könnte, sondern vielmehr die tatsächliche Vermögenslage der GmbH jener gegenüberzustellen wäre, die ohne die schädigenden Handlungen des Beklagten iSd § 156 StGB bestanden hätte.

1.3.3. Auf diese Frage ist allerdings deshalb nicht einzugehen, weil den Schädiger hier also den Beklagten im Fall einer Schutzgesetzverletzung im Sinn des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Schaden (im vollen Umfang) auch im Fall vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre (RIS Justiz RS0112234 [T14]). Derartiges Vorbringen hat der Beklagte jedoch in erster Instanz ungeachtet der ausdrücklichen Erörterung durch das Erstgericht nicht erstattet.

2. Mit seinen weiteren Revisionsausführungen, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Arbeitskraft des Schuldners oder seiner Arbeitnehmer kein tatbildliches Vermögen iSd § 156 StGB sei, sodass die Rechte der GmbH aus der Mitgliedschaft an der ARGE ebenfalls nicht als Vermögen in diesem Sinn anzusehen seien, weil die ARGE den Gesellschafter zur persönlichen Mitwirkung verpflichte, bringt der Beklagte ebenfalls keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zur Darstellung:

2.1. Richtig ist, dass die Arbeitskraft des Schuldners oder seiner Arbeitnehmer nicht als Vermögen iSd § 156 StGB gilt; das für die Arbeit erzielte Entgelt fällt hingegen unter den Vermögensbegriff dieser Bestimmung ( Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 8 mwN). Nach dem den Vermögensdelikten des StGB generell zugrunde liegenden wirtschaftlichen Vermögensbegriff ist Vermögen die Gesamtheit der wirtschaftlichen Werte einer natürlichen oder juristischen Person und umfasst insbesondere Eigentumsrechte, Pfandrechte, klagbare und unklagbare Forderungen, zu einem konkreten Recht verfestigte Gewinnchancen (etwa bei bevorstehendem Verkauf), Anwartschaftsrechte, Gewinnchancen eines Glücksgeschäfts, wirtschaftlich relevante persönliche Leistungen wie insbesondere Tätigkeiten aus Arbeits- und Werkverträgen; nicht erfasst werden bloße Hoffnungen auf ein günstiges Geschäft, wie etwa bei bloßer Einladung zur Anboterstellung ( Kirchbacher aaO § 146 Rz 61 mwN). Im Sinn dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise kommen als Tatobjekte des § 156 StGB nicht nur körperliche Sachen in Betracht, sondern auch Forderungen und Rechte, die auf exekutivem Weg oder durch Realisierung der Masse verwertbar sind, wie beispielsweise Mietrechte, Ansprüche aus einem Generalvertretungsvertrag, Rechte des Vorbehaltskäufers an einer gegen Eigentumsvorbehalt übergebenen Sache, die angefallene Erbschaft, der Klientenstock eines Wirtschaftstreuhänders sowie rechtlich und tatsächlich verfestigte Gewinnchancen ( Kirchbacher aaO § 156 Rz 7 mwN).

2.2. Ausgehend von den Feststellungen, wonach sich das Auftragsvolumen des Projekts der ARGE (bei vereinbarter Hälfteaufteilung zwischen der GmbH und dem Mitgesellschafter) auf etwa eine Million EUR belief und der Beklagte nach unentgeltlicher Übernahme der Rechte und Pflichten der GmbH gegenüber der ARGE immerhin Einnahmen von 126.500 EUR erzielte, von denen ihm nach Auszahlung von insgesamt 96.587,50 EUR an seine Mitarbeiter ein die Klageforderung übersteigender Betrag von 29.912,50 EUR verblieb, kann nicht zweifelhaft sein, dass die Beteiligung der GmbH an der ARGE eine rechtlich und tatsächlich verfestigte Gewinnchance darstellte, die der Beklagte der GmbH durch sein Handeln entzogen hat.

2.3. Der Zinsenzuspruch durch das Berufungsgericht ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil der Beklagte der Klägerin jenen Betrag (samt Zinsen) zu ersetzen hat, der ihr gegenüber der GmbH zusteht. Die rechnerische Richtigkeit der Klageforderung und damit auch die Höhe der begehrten Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Kapital hat der Beklagte außer Streit gestellt (S 3 des Protokolls ON 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS Justiz RS0035962).

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