JudikaturJustiz3Ob281/97p

3Ob281/97p – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Evelyn J*****, vertreten durch Dr.Klement Achammer und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Reinold M*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14.Juli 1997, GZ 2 R 227/97s-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 11.April 1997, GZ 11 C 55/97x-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Klage, der Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Räumung der im Haus S*****-Gasse 5, R*****, im Erdgeschoß gelegenen Werkstätte sowie zweier zur Werkstätte gehörenden Kellerräumlichkeiten, zu deren Durchsetzung dem Beklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 12.Dezember 1996 die zwangsweise Räumung bewilligt wurde, sei erloschen; in eventu, die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 12.Dezember 1996, AZ 5 E 5741/96h, ausgesprochene Bewilligung der zwangsweisen Räumung der im Erdgeschoß gelegenen Werkstätte sowie von zwei zur Werkstätte gehördenden Kellerräumlichkeiten im Haus S*****-Gasse 5, R*****, sei unzulässig, abgewiesen wird und die klagende Partei schuldig erkannt wird, der beklagten Partei die mit S 8.117,76 (darin enthalten S 1.352,96 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei, die mit S 18.867,84 (darin enthalten S 2.704,64 Umsatzsteuer und S 2.640,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Ehefrau des Harald M***** und bewohnt mit diesem das früher im Eigentum der verstorbenen Hilda M***** stehende Haus S*****-Gasse 5 in R*****. Rechtsnachfolgerin der Hilda M***** auch als Eigentümerin dieses Hauses ist der Beklagte. Im Verfahren 7 C 1299/95f des Erstgerichtes klagte der nunmehrige Beklagte seinen Bruder und dessen damalige Lebensgefährtin und jetztige Gattin, auf Räumung dieses Hauses samt dem nördlich des Wohnhauses errichteten Schuppen und dem die beiden Gebäude umgebenden Garten. Mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 25.6.1996 wurde das Räumungsbegehren gegen den Ehemann der Klägerin zur Gänze abgewiesen, da zwischen ihm und seiner Mutter, der damaligen Liegenschaftseigentümerin, schlüssig ein Leihvertrag (unentgeltliches Wohnungsrecht) bezüglich der gesamten Liegenschaft zustande gekommen sei. In Abänderung des Ersturteils erkannte das Berufungsgericht die nunmehrige Klägerin schuldig, die im Erdgeschoß gelegene Werkstätte sowie zwei Kellerräumlichkeiten binnen 8 Tagen zu räumen und der (damals) klagenden Partei geräumt zu übergeben. Im übrigen wies es das Räumungsbegehren gegenüber der nunmehrigen Klägerin ab. Dazu führte das Berufungsgericht aus, daß die nunmehrige Klägerin, soweit nicht ein selbständiger Rechtstitel bestehe, als Lebensgefährtin des damals Erstbeklagten einen abgeleiteten Mitbenützungsanspruch habe. Ihr eigenes Vertragsverhältnis hinsichtlich der Werkstätte und zweier Kellerräumlichkeiten sei aber aufgelöst worden. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.

Die Klägerin bewohnt nach wie vor mit ihrem Ehemann das gesamte Haus, in dem sich die vom Räumungstitel erfaßten Räumlichkeiten befinden. Sie führt einen Betrieb als Malermeisterin. Für diesen benützt sie eine Werkstätte im Erdgeschoß und zwei im Keller gelegene Räumlichkeiten. Nach Zurückweisung einer außerordentlichen Revision des nunmehrigen Beklagten durch den Obersten Gerichtshof riet der damalige Rechtsvertreter der Klägerin und ihres Gatten, die Werkstätte und Kellerräumlichkeiten kurzfristig zu räumen, er teilte ihnen auch mit, daß sie nach einiger Zeit diese wieder benützen könnten. Aus diesem Grund räumten die Klägerin und ihr Ehemann an einem Wochenende Ende November 1996 die Werkstätte im Erdgeschoß und die beiden Kellerräumlichkeiten soweit aus, als dies die im Eigentum der Klägerin stehenden Gegenstände betraf. Nach etwa einer Woche räumten sie die Sachen wieder in die Werkstätte oder die beiden Kellerräumlichkeiten. Die Klägerin verständigte weder den Beklagten noch dessen Vertreter vom Ausräumen der Werkstätte und der Kellerräumlichkeiten. Dem Beklagten wurde auch kein Schlüssel übergeben.

Das Erstgericht bewilligte dem Beklagten die Räumungsexekution.

Zur Begründung ihrer Oppositionsklage brachte die Klägerin vor, sie sei als Lebensgefährtin des Harald M***** aufgrund ihres von diesem abgeleiteten Mitbenützungsanspruch nicht zur Räumung verpflichtet. Der Anspruch auf Räumung sei auch mit Rechtskraft des Berufungsurteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.6.1996 erloschen, weil dieses ausgesprochen habe, daß Harald M***** das gesamte Haus aufgrund eines aufrechten Leihvertrages benütze und auch der Klägerin diesbezüglich ein abgeleiteter Mitbenützungsanspruch zustehe. Lediglich aus Vorsicht habe die Klägerin in Erfüllung des Urteils nach dessen Rechtskraft die im Erdgeschoß gelegenen Werkstätte sowie zwei Kellerräumlichkeiten geräumt. Die Wiederbenützung erfolge mit ausdrücklicher Erlaubnis und Genehmigung des Harald M*****.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Im Oppositionsprozeß sei nicht zu prüfen, ob der Klägerin ein von ihrem Lebensgefährten abgeleitetes Nutzungsrecht zustehe. Maßgeblich sei bloß, daß bisher keine Räumung erfolgt sei. Es seien keine Umstände im Sinne des § 35 EO vorgebracht worden. Bislang sei weder eine Räumung noch die zur Erfüllung des Exekutionstitels ebenso erforderliche Übergabe der geräumten Werkstätte an den Beklagten erfolgt. Auch der Exekutionstitel gehe bereits von der dem damaligen Berufungsgericht bekannten Sachlage aus, daß die Klägerin als Lebensgefährtin des Harald M***** einen abgeleiteten Mitbenützungsanspruch an der Werkstätte habe. Es sei von ihr selbst nicht behauptet worden, ein derartiges Benützungsrecht nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Titelprozeß erlangt zu haben.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zur Auffassung, daß die Klägerin dem Auftrag zur Räumung dadurch nachgekommen sei, daß sie die Werkstätte und die beiden Kellerräumlichkeiten von ihren Gegenständen geräumt habe. In Ausnützung ihres abgeleiteten Mitbenützungsrechtes habe sie die Werkstätte und die Kellerräumlichkeiten im Einverständnis mit ihrem nunmehrigen Ehemann wieder eingeräumt. Dem Auftrag, die Räumlichkeiten dem Kläger geräumt zu übergeben sei die Klägerin allerdings nicht nachgekommen. Das habe sie aber auch nicht dürfen, weil sie dadurch unzulässigerweise in die Rechte des Harald M***** eingegriffen hätte. Durch Übergabe der nur über allgemeine Teile des Hauses zugänglichen Kellerräumlichkeiten hätte sie dem Beklagten ein ihm nicht zustehendes Recht auf Benützung der allgemeinen Teile des Hauses eingeräumt. Da die Klägerin soweit möglich dem Räumungsauftrag nachgekommen sei, sei der Räumungsanspruch erloschen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise dahin Folge, daß es den Anspruch für gehemmt erklärte und das Mehrbegehren, der Anspruch sei erloschen, abwies.

Den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht dahin, daß die Klägerin im Titelverfahren nicht geltend machen habe können, daß ihr ein abgeleiteter Mitbenützungsanspruch zustehe, weil ihr nicht bekannt gewesen sei, daß ihrem damaligen Lebensgefährten ein unentgeltliches Wohnrecht bezüglich der gesamten Liegenschaft zustehe. Daher habe auch das Berufungsgericht auf dieses nicht geltend gemachte Mitbenützungsrecht nicht Bedacht nehmen können. Außerdem sei dieses damals noch nicht zum Tragen gekommen, weil sich die Klägerin auf einen anderen, allerdings nicht mehr bestehenden Rechtstitel berufen habe. Zudem sei die Abweisung des Räumungsbegehrens gegen den Lebensgefährten noch nicht rechtskräftig gewesen. Das abgeleitete Benützungsrecht der Klägerin sei daher eine nach rechtskräftigem Abschluß des Titelprozesses eingetretene anspruchshemmende Tatsache, die zu einer Klagsführung nach § 35 EO berechtige. Von einer materiellen Rechtskraft des Ersturteils und mit seiner Einmaligkeits- und Bindungswirkung könne daher nicht die Rede sein, sodaß die geltend gemachte Nichtigkeit nicht vorliege.

Allerdings sei der Räumungsanspruch (wegen Auflösung des Mietvertrages) nicht erloschen, sondern nur so lange gehemmt, so lange die Klägerin einen abgeleiteten Benützungsanspruch habe. Dieser erlösche erst nach Auflösung der Ehe, ohne daß gleichzeitig eine Lebensgemeinschaft gegründet werde, aber auch nach Beendigung des Leihvertrages aus anderen Gründen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil zur maßgeblichen Bestimmung des § 35 EO eine einheitliche und gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete, auf Abweisung der Oppositionsklage abzielende außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht, worauf er zutreffend hingewiesen hat, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist.

Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Beklagte allerdings mit der Revision gegen die (aus den Gründen ersichtliche) Verwerfung seiner Berufung wegen Nichtigkeit durch das Berufungsgericht wendet, übersieht er, daß dieser Beschluß gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nach einhelliger Rechtsprechung nicht anfechtbar ist (RIS-Justiz RS0043405, insbes. T21).

Was zunächst das von der Klägerin auch noch in ihrer Revisionsbeantwortung ins Treffen geführte Aus- und neuerliche Einräumen der vom Exekutionstitel betroffenen Räumlichkeiten angeht, ist das Berufungsgericht auf die diesbezügliche Argumentation des Erstgerichtes nicht eingegangen. Diese ist auch völlig unhaltbar, weil sich aus den Ausführungen im Ersturteil selbst ergibt, daß die Klägerin ihrer titelmäßigen Verpflichtung, die Räume dem Kläger geräumt zu übergeben, nicht nachgekommen ist. Somit kann von einer Erfüllung des Räumungsanspruches durch die Klägerin keine Rede sein.

Wie sich schon aus dem Gesetzestext unzweifelhaft ableiten läßt, setzt die (erfolgreiche) Erhebung einer Oppositionsklage die Geltendmachung von den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen voraus (ebenso Heller/Berger/Stix 370ff; Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren**2 Rz 345; Holzhammer Zwangsvollstreckungsrecht4 448; Feil EO4 Rz 1 zu § 35; Angst/Jakusch/Pimmer EO MG13 E 21; 180 uva zu § 35). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der des Entstehens des Exekutionstitels beziehungsweise in einem gerichtlichen Verfahren wie im vorliegenden der Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (Heller/Berger/Stix aaO 397ff; Rechberger/Simotta aaO Rz 346; Holzhammer aaO 148 und 155f jeweils mit Nachweisen; EFSlg 57.883). Entscheidend ist, ob die Verwendung der anspruchsvernichtenden Tatsachen objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen unmöglich war. Darauf, ob eine Einwendung im Titelprozeß wegen Unkenntnis nicht vorgebracht wurde, kommt es nicht an (objektive Theorie:

Heller/Berger/Stix; Rechberger/Simotta; Holzhammer jeweils aaO; EFSlg 41.859; E 180 bei Angst/Jakusch/Pimmer aaO).

Aus diesen Grundsätzen läßt sich ohne möglichen Zweifel ableiten, daß eine bloße Rechtsansicht wie jene des Berufungsgerichtes im Titelverfahren betreffend den Lebensgefährten der Klägerin, keine Tatsache im Sinne des § 35 EO darstellt. Die Situation ist hier mit derjenigen eines gerichtlichen Exekutionstitels, der auf einen später aufgehobenen Verwaltungsbescheid beruht (vgl hiezu Heller/Berger/Stix 377ff mN) nicht vergleichbar. Daß das Benützungsrecht des Lebensgefährten erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im Titelprozeß entstanden wäre, wurde von der Klägerin nie behauptet. Dies war auch schon deshalb nicht möglich, weil dieses Recht sonst nicht in dem erst den Räumungstitel schaffenden Urteil des Berufungsgerichtes im Titelprozeß gegenüber dem damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann der Klägerin berücksichtigt hätte werden können. Im Einklang mit den dargelegten Grundsätzen hat auch der Oberste Gerichtshof bereits zweimal einen Oppositionsgrund als gegeben angesehen, als der Ehegatte oder Lebensgefährte einer Verpflichteten nachträglich selbst ein Benützungsrecht an der zu räumenden Wohnung erlangt hat (SZ 23/271 und SZ 27/188). Gerade die Voraussetzung, daß es sich um ein neu entstandenes Benützungsrecht handelt, liegt im vorliegenden Fall nicht vor, weshalb der auf Klagsabweisung abzielenden Revision des Beklagten Folge zu geben war.

Was nach erfolgter Räumung mit den drei Räumen zu geschehen hat, ist im Oppositionsstreit nicht zu klären, zumal über allfällige Rechte des Gatten der Klägerin in diesem Verfahren nicht zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidungen gründen sich jeweils auf § 41 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO.

Die Pauschalgebühr nach TP 3 GGG beträgt bei Oppositionsklagen nur S 1.980,--.

Rechtssätze
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