JudikaturJustiz3Ob198/22x

3Ob198/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. A*, vertreten durch Mag. Boris Knirsch und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Z*verband *, vertreten durch MMag. Christina Toth, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. August 2022, GZ 40 R 150/22p 14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 13. Mai 2022, GZ 10 C 190/22m 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das erstgerichtliche Urteil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 730,97 EUR (hierin enthalten 121,83 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungs und die mit 1.263,91 EUR (hierin enthalten 84,65 EUR USt und 762 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist aufgrund des am 23. Oktober 2007 auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Unterpachtvertrags Unterpächterin einer Parzelle in einer Kleingartenanlage in Wien. Sie ist Mitglied des dortigen Kleingartenvereins, der beklagte Verband ist Unterverpächter.

[2] Die Klägerin errichtete auf der Parzelle ein Kleingartenhaus, das sie als Hauptwohnsitz nutzt. In den letzten Jahren organisierte sie ihre Reisen und Urlaube in der Form, dass sie ihr Kleingartenhaus auf der Internetplattform „H*“ inserierte und zum Tausch anbot. Sie führte seit 2008 schon über 30 Mal einen solchen Haustausch durch.

[3] Auf dieser Internetplattform werden über 450.000 Häuser in 159 Ländern zum Tausch angeboten. Durch Registrierung auf der Plattform und Zahlung eines Mitgliedsbeitrags erhält man Zugang zum Angebot. Der Nutzer kann eine Anzeige für sein eigenes Haus erstellen und nach Häusern an gewünschten Zielorten suchen. Über die Plattform wird entweder der wechselseitige Tausch von Häusern mit anderen Nutzern (nicht unbedingt zum selben Zeitpunkt) oder aber ein Tausch über sogenannte „Guest Points“ organisiert. Jedes Mitglied der Plattform erhält solche „Guest Points“, wenn es andere Mitglieder in seinem Haus aufnimmt. Erhaltene „Guest Points“ können für den Aufenthalt bei einem anderen Mitglied der Plattform verwendet werden, ohne dass ein wechselseitiger Haustausch stattfindet.

[4] Im Unterpachtvertrag vom 23. Oktober 2007 wurde unter anderem Folgendes vereinbart:

5.1. Dem Unterpächter ist es nicht gestattet, Rechte aus dem Unterpachtvertrag an Dritte zu übertragen oder den Pachtgegenstand teilweise oder gänzlich Dritten zu überlassen.

[5] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie berechtigt sei, das Haus auf der von ihr in Unterpacht genommenen Parzelle Dritten über die genannte Ferienwohnungstauschplattform für registrierte Mitglieder als Gäste zur Nutzung – hilfsweise: während ihrer gleichzeitigen Anwesenheit – zur Verfügung zu stellen, sofern sie im Gegenzug kein gesondertes Entgelt beziehe und das Ausmaß der Zurverfügungstellung des Objekts im Einzelnen den Umfang von vier Wochen am Stück und insgesamt den Umfang von zweieinhalb Monaten pro Jahr nicht überschreite.

[6] Der Beklagte wendete, soweit in dritter Instanz noch von Relevanz, insbesondere ein, die Überlassung des Hauses an Mitglieder der Plattform stelle einen Verstoß gegen Punkt 5.1. des Unterpachtvertrags und überdies eine – den Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit e KlGG verwirklichende – erwerbsmäßige Nutzung des Pachtgegenstands dar.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das KlGG sehe anders als etwa § 11 MRG keine Einschränkung der Zulässigkeit eines Untervermiet oder Weitergabeverbots vor. Daher könne auch die nur teilweise Weitergabe des Gebrauchs des Bestandgegenstands außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG vertraglich gänzlich untersagt werden. Mit der Zurverfügungstellung der Kleingartenparzelle an Dritte über die Tauschplattform und der damit verbundenen teilweisen Weitergabe bzw Überlassung an Dritte verstoße die Klägerin gegen Punkt 5.1. des Unterpachtvertrags, und zwar unabhängig davon, ob sie gleichzeitig anwesend sei oder nicht.

[8] Das Berufungsgericht gab infolge Berufung der Klägerin dem (Haupt )Klagebegehren statt. Punkt 5.1. des Bestandvertrags sei einschränkend dahin zu verstehen, dass nicht schon jede Einräumung von Nutzungsrechten am Bestandobjekt, sei es auch nur befristet für die Dauer eines Urlaubs und unabhängig davon, ob die Klägerin gleichzeitig anwesend sei oder nicht, als unzulässige Überlassung zu qualifizieren sei. Der Klägerin könne nicht untersagt werden, Besuche inklusive Übernachtung zu empfangen oder auch Mitbewohner aufzunehmen, ebenso nicht bei vorübergehenden Abwesenheiten mit Rückkehrabsicht (Urlaub, Krankenstand) den Kleingarten unentgeltlich Verwandten oder Bekannten zur Beaufsichtigung und Betreuung anzuvertrauen. Selbst die Entrichtung der mit dem Gebrauch üblicherweise verbundenen Kosten wie etwa Wassergebühren oder Grundsteuer oder bloß der anteiligen Betriebskosten wäre nicht schädlich. Bei der Beurteilung von Zweck und Interessenlage sei auch auf das Kleingartenwesen und das KlGG abzustellen. Nach § 3 Abs 3 KlGG sei die Weiterverpachtung – das heißt die entgeltliche Überlassung – des Kleingartens nicht gestattet. Diese Bestimmung verfolge den Zweck, dass Kleingärten grundsätzlich nur der Deckung des Eigenbedarfs des Kleingärtners und seiner Familienangehörigen oder Erholungszwecken dienen sollten. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ziele aber gerade nicht darauf ab, die Nutzung ihres Kleingartens dauerhaft abzugeben. Der Wohnungstausch über die Plattform sei zwar ein entgeltliches Rechtsgeschäft, das erzielte Entgelt bestehe aber nur in der Möglichkeit, kostengünstig Urlaubsunterkünfte nutzen zu können; gleichzeitig biete die Vorgangsweise aber auch Aufsicht und Betreuung für das Eigenheim durch die eingeladenen Urlaubsgäste. Somit sei die Entgeltlichkeit nicht jene, die Vertrag und Gesetz als verpönt ansehen wollten, nämlich die Verwertung zur Schaffung einer bedeutenden Einnahmequelle, wie etwa einer Zurverfügungstellung über eine reine Verwertungsplattform wie „Airbnb“. Es bestehe in Wahrheit nicht die Gefahr, dass es bei der Nutzung durch anonyme Feriengäste zu größeren (Lärm )Belästigungen und Beschädigungen kommen könnte als bei der Nutzung durch den Berechtigten selbst oder dessen Bekannte und Verwandte, weil die Gäste ebenfalls auf der Plattform registriert sein und auch eigene Unterkünfte zur Verfügung stellen müssten. Auch das zeitliche Ausmaß des Feststellungsbegehrens sei noch im Rahmen eines gewöhnlichen Jahresurlaubs etwa von Lehrkräften oder Pensionisten.

[9] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Wohnungstauschs auf Feriendauer über Vermittlung einer Internetplattform im Fall eines Kleingartens fehle.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt .

[11] 1. Fragen der Vertragsauslegung kommt zwar in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Anderes gilt aber im – hier vorliegenden – Fall einer vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung (vgl RS0112106 [T6]).

[12] 2. Vorauszuschicken ist, dass, wie sich aus Punkt 5.3. des Bestandvertrags ergibt, das von der Klägerin auf eigene Kosten errichtete Kleingartenhaus unabhängig von seiner (hier nicht feststehenden) Bauweise und Errichtungsart rechtlich kein Superädifikat ist, weil es stets auf der Parzelle zu verbleiben hat. Unter den in Punkt 5.1. des Vertrags angesprochenen „Pachtgegenstand“ ist daher nicht bloß die Parzelle, sondern auch das Kleingartenhaus zu subsumieren, das im gegebenen Zusammenhang naturgemäß primäres „Tausch“ Objekt auf der Plattform ist.

[13] 3. Auf die – in den Vorinstanzen noch strittige – Frage des Bestehens eines Feststellungsinteresses der Klägerin kommt die Beklagte in dritter Instanz nicht mehr zurück, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[14] 4. Dem Berufungsgericht ist grundsätzlich dahin zuzustimmen, dass es der Klägerin nicht verwehrt werden kann, Verwandte oder Freunde als Gäste vorübergehend bei sich aufzunehmen oder sie – etwa für den Fall einer urlaubsbedingten Abwesenheit – mit der Betreuung des Gartens zu beauftragen. Dies ergibt sich bereits aus der Zulässigkeit der Nutzung des Pachtgegenstands als Hauptwohnsitz, weil zum Wohnen auch gehört , Gäste empfangen zu dürfen . Überdies normiert § 12 KlGG in seinem Abs 3, dass bestimmte Verhaltensweisen von den Kleingarten besuchenden Personen grundsätzlich dem Kleingärtner selbst als Kündigungsgrund zugerechnet werden, woraus sich ergibt, dass es zulässig ist, im Kleingarten Besuche zu empfangen. Dass (selbstverständlich) insbesondere Familienangehörige und Lebenspartner des Kleingärtners bei der Bewirtschaftung des Kleingartens mitwirken (und auch in einem auf der Parzelle errichteten Haus wohnen) dürfen, lässt sich zwanglos aus dem in § 15 KlGG für den Fall des Todes des Unterpächters normierten Eintrittsrecht des Ehegatten, von Verwandten in gerader Linie oder Wahlkindern des Verstorbenen oder einer (jeder) anderen Person, die an der Bewirtschaftung des Kleingartens in den letzten fünf Jahren maßgeblich mitgewirkt hat, ableiten.

[15] 5. Hingegen ist eine – auf einem auch die Klägerin bindenden Vertrag basierende, also nicht bloß prekaristische – Bereitstellung des Objekts für den Urlaub anderer (fremder) Personen, wie sie die Klägerin in der Vergangenheit regelmäßig praktiziert hat, jedenfalls als „Überlassung“ im Sinn von Punkt 5.1. des Bestandvertrags zu qualifizieren. Dass es sich dabei, wie die Klägerin betont, um keine erwerbsmäßige Nutzung des Kleingartens handle, ist nach dem klaren Wortlaut dieser Vertragsbestimmung ohne Relevanz. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kleingarten gemäß § 1 Abs 1 KlGG der nicht erwerbsmäßigen Nutzung (gemeint: durch den Kleingärtner und seine Familie) oder der Erholung dient; diesem Zweck sind auch die Pachtbeschränkungen des § 3 Abs 1 und 3 KlGG und die Kündigungsgründe des § 12 Abs 2 lit d und 3 KlGG geschuldet. Die Konstruktion der Kleingartennutzung über General- und Unterpachtverträge dient der bekannten persönlichen Struktur dieser Siedlungen, die gegen eine Überlassung an fremde Dritte spricht, wie sie die Klägerin praktiziert und weiter beabsichtigt.

[16] 6. Der im Feststellungsbegehren näher umschriebene Wohnungstausch über die Plattform widerspricht somit Punkt 5.1. des Bestandvertrags. Dabei kommt es, weil auch die teilweise Überlassung nicht gestattet ist, nicht darauf an, ob die Klägerin gleichzeitig mit den Gästen in ihrem Haus anwesend ist oder nicht. Dies führt zur gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.

[17] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.