JudikaturJustiz3Ob196/14s

3Ob196/14s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der L*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Sachwalterin Dr. H*****, Rechtsanwältin, *****, vertreten durch Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. September 2014, GZ 45 R 253/14k 163, womit infolge Rekurses der Sachwalterin der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 29. April 2014, GZ 2 P 107/07s 148, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtsanwältin Dr. H***** wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. April 2012 (ON 88) gemäß § 268 ABGB zur Sachwalterin der Betroffenen bestellt. Der Kreis der von der Sachwalterin zu besorgenden Angelegenheiten umfasst die „gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Betroffenen im Zusammenhang mit Verfahren gegen ihren Ehemann W*****“. In der Begründung dieses Beschlusses hat das Erstgericht festgehalten, dass die Betroffene am 5. Februar 2008 eine umfassende Vorsorgevollmacht zugunsten von M***** errichtet habe (siehe bei ON 21), der die Betroffene in allen Angelegenheiten sehr gut betreue und vertrete. Im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren gegen den Ehemann der Betroffenen (derzeit Unterhalt, möglicherweise in Zukunft auch Scheidung) sei es aber mangels einschlägigen juristischen Fachwissens des Vorsorgebevollmächtigten zu Problemen gekommen, weshalb es in diesem Kreis von Angelegenheiten gemäß § 268 Abs 3 Z 2 ABGB einer Sachwalterbestellung bedürfe. Die Sachwalterin werde wegen ihrer Erfahrung in Familienrechtssachen bestellt.

Mit Beschluss vom 29. April 2014 (ON 148) wies das Erstgericht den von der Sachwalterin am 5. März 2014 (ON 140) gestellten Antrag ab, sie zu entheben und eine andere geeignete Person zu bestellen, ebenso den Antrag der Betroffenen auf Umbestellung auf M*****. Die von der Sachwalterin als einer der Enthebungsgründe angeführten Anschuldigungen, die eine Kommunikation mit dem Vorsorgebevollmächtigten schwierig machten, resultierten aus dessen Persönlichkeit; es sei nicht zu erwarten, dass er sich gegenüber einer anderen Person als Sachwalter anders verhalten würde. Offensichtlich sei er nicht in der Lage, die Problematik der Sachlage zu erfassen. Aufgrund der Eingebundenheit der Sachwalterin in das Verfahren und ihrer einschlägigen Kenntnisse im Scheidungsrecht erscheine sie besonders geeignet, die Angelegenheiten der Betroffenen wahrzunehmen; dies sei ihr auch trotz der Belastung durch den Vorsorgebevollmächtigten zumutbar.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den Revisionsrekurs im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zu. Angesichts der Maßgeblichkeit des Wohls der Betroffenen und der Stabilität der Betreuungssituation komme eine Umbestellung nur aus besonderen Gründen in Betracht. Das Verhalten des Vorsorgebevollmächtigten sei nicht der Betroffenen selbst zuzurechnen. Nur eine konkrete individuelle sowie extreme berufliche Belastung führe zur Unzumutbarkeit der Sachwalterschaft. Eine altersbezogene Einschränkung der beruflichen Tätigkeit der Sachwalterin als Rechtsanwältin sei nicht konkretisiert worden.

Das Vorbringen der Sachwalterin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Verfahrensbevollmächtigte die Führung der Sachwalterschaft erschwere; dadurch werde das Wohl der Betroffenen gefährdet. Ein Sachwalterverein mit einschlägig geschultem Personal sei besser geeignet, mit dem Vorsorgebevollmächtigten umzugehen. Im gerichtlichen Unterhaltsverfahren der Betroffenen sei nun ein (anderer) Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer bestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

1. Die Beurteilung, ob anstelle des bestellten Sachwalters ein anderer herangezogen werden soll, hat grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS Justiz RS0117813 [T2]). Ebenso wirft die Frage, ob die im Einzelfall vorgetragenen Argumente eines Rechtsanwalts, aus welchen Gründen seiner Ansicht die konkrete Sachwalterschaft unzumutbar ist, gerechtfertigt sind, im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS Justiz RS0123440 [T9]).

Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS Justiz RS0117813). Das „Wohl“ des Betroffenen ist nach der Rechtsprechung nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern es ist auch auf die Befindlichkeit und den psychischen Zustand des Betroffenen abzustellen (3 Ob 75/02d; 8 Ob 43/14b). Allgemein ist eine stabile Betreuungssituation wünschenswert, weshalb es nur aus besonderen Gründen zu einer Sachwalterumbestellung kommen soll (6 Ob 129/12g; 8 Ob 43/14b).

2. Ein ungeachtet dieser Grundsätze vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierender Fehler der angefochtenen Entscheidung liegt nicht vor.

3. Nach § 278 Abs 1 ABGB hat das Gericht die Sachwalterschaft unter anderem dann einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amts nicht zugemutet werden kann oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. Da Rechtsanwälte Sachwalterschaften grundsätzlich übernehmen müssen (§ 274 Abs 2 ABGB; RIS Justiz RS0123440), führt nur eine konkrete individuelle und extreme berufliche Belastung zur Unzumutbarkeit (RIS Justiz RS0123440 [T6]). Behauptungen über eine nicht näher konkretisierte Arbeitsbelastung reichen nicht (3 Ob 19/08b), ebenso wenig das Erreichen des Pensionsalters (5 Ob 70/12y).

4. Es ist durchaus zuzugestehen, dass sich die Führung der Sachwalterschaft angesichts des Verhaltens des Vorsorgebevollmächtigten auch für einen Rechtsanwalt schwierig gestaltet. So wie aber eine schwierige Kommunikation zwischen dem Betroffenen und dem Sachwalter für sich allein nicht die Unzumutbarkeit der Führung der Sachwalterschaft bewirkt (RIS Justiz RS0123572), kann erst recht das Verhalten einer dritten Person nicht zu einer Umbestellung führen. Die schwierige Situation würde sich bei Bestellung einer anderen Person zum Sachwalter nicht ändern, weil der Vorsorgebevollmächtigte laut den Ausführungen des Erstgerichts nicht in der Lage ist, die Problematik der Sachlage zu erkennen. Anschuldigungen, die eine Kommunikation mit dem Vorsorgebevollmächtigten schwierig machen, resultieren aus dessen Persönlichkeitsstruktur.

Die Vorinstanzen haben auf dieser Grundlage in durchaus vertretbarer Weise die Unzumutbarkeit verneint.

5. Da sich die Sachwalterschaft auf die „gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Betroffenen im Zusammenhang mit Verfahren gegen ihren Ehemann“ bezieht, ist es durchaus vertretbar, einen Rechtsanwalt und nicht einen Sachwalterverein mit der Sachwalterschaft zu betrauen. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Umstand, dass mittlerweile im Unterhaltsverfahren ein (anderer) Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer für die Betroffene bestellt wurde, um eine erstmals im Revisionsrekurs vorgebrachte, nicht zu berücksichtigende Neuerung handelt, erfolgte die Bestellung der Sachwalterin nicht nur für den Kreis der Vertretung in einem gerichtlichen Unterhaltsverfahren.

6. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der Revisionsrekurs der Sachwalterin zurückzuweisen.

Rechtssätze
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