JudikaturJustiz3Ob191/14f

3Ob191/14f – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K***** Ltd, *****, vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. S***** GmbH und 2. H***** P*****, beide vertreten durch Estermann Partner OG Rechtsanwälte in Mattighofen, wegen 2.598.140,63 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 27. August 2014, GZ 6 R 80/14b 28, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mattighofen vom 4. April 2014, GZ 1 E 888/14b 3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Rekursverfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Betreibende beantragte, ihr aufgrund eines näher bezeichneten Schiedsspruchs einer chinesischen Schiedskommission gegen die beiden Verpflichteten zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 2.598.140,63 EUR sA die Fahrnisexekution, die zwangsweise Pfandrechtsbegründung und die Pfändung von Geschäftsanteilen zu bewilligen und den genannten ausländischen Titel für Österreich für vollstreckbar zu erklären.

Das Erstgericht erklärte den Schiedsspruch für Österreich für vollstreckbar und bewilligte die beantragte Exekution.

Das Rekursgericht wies über Rekurs der Verpflichteten sowohl den Antrag auf Vollstreckbarerklärung als auch den Exekutionsantrag ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels zu klärender erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Aufgrund der gemäß § 526 Abs 1 zweiter Satz ZPO iVm § 78 EO veranlassten Erhebungen durch das Erstgericht sei bei den am 1. 6. 2013 versuchten Zustellungen der das Schiedsverfahren einleitenden Schriftstücke die Annahme von den Verpflichteten verweigert worden. Beide Poststücke seien nicht an der Abgabestelle zurückgelassen oder beim zuständigen Postamt hinterlegt, sondern an das Postlageramt in Wals zurückgesendet worden. Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung sei gemäß § 80 Z 2 EO, dass die Ladung oder sonstige verfahrenseinleitende Verfügung der ausländischen Behörde nach den für die Zustellung von Klagen geltenden Vorschriften erfolgt sei. Da die sich aus §§ 17 und 20 ZustG ergebenden Vorschriften hier nicht eingehalten worden seien, mangle es an der in § 80 Z 2 EO normierten Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung anstrebt, ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zutreffend macht die Betreibende geltend, dass das Rekursgericht seiner Entscheidung Feststellungen (Bescheinigungsergebnisse) zugrunde gelegt hat, welche es ohne Beteiligung der Verfahrensparteien und ohne ihnen Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern zugrunde gelegt hat.

Zur Waffengleichheit (Chancengleichheit) und damit zu den Garantien des Art 6 Abs 1 MRK gehört die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Dieses wird nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es genügt, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (stRsp; RIS Justiz RS0074920).

Diese verfahrensrechtlichen Grundsätze hat das Rekursgericht verletzt. Es ließ ohne Beteiligung der Verfahrensparteien die tatsächlichen Umstände der das ausländische Schiedsverfahren einleitenden Zustellungen an die Verpflichteten iSd § 526 Abs 1 zweiter Satz ZPO iVm § 78 EO durch das Erstgericht erheben und legte diese Verfahrensergebnisse seiner Entscheidung zugrunde, ohne den Verfahrensparteien, insbesondere der Betreibenden eine Äußerungsmöglichkeit zu gewähren. Die Übermittlung der Aussageprotokolle nach Beschlussfassung vermochte die Gehörverletzung nicht zu heilen. Damit hat das Rekursgericht den in Art 6 EMRK verankerten Grundsatz der Waffengleichheit beider Parteien verletzt. Dieser Verfahrensfehler macht das Rekursverfahren mangelhaft. Die Rechtssache ist deshalb an das Rekursgericht zurückzuverweisen, das unter Beachtung von Art 6 Abs 1 EMRK neuerlich über den Rekurs zu entscheiden haben wird (vgl 17 Ob 11/10g).

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die vom Rekursgericht zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung herangezogenen Bestimmungen der §§ 79 ff EO gemäß § 86 Abs 1 EO nicht anzuwenden sind, soweit nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der Europäischen Union anderes bestimmt ist. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 86 EO sind daher bei Beurteilung der Vollstreckbarkeit eines chinesischen Schiedsspruchs die Versagungsgründe des Art V des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche maßgebend (3 Ob 122/10b mwN; RIS Justiz RS0075366).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 50 Abs 1 und § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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