JudikaturJustiz3Ob154/98p

3Ob154/98p – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Bank ***** O*****, wider die beklagte Partei Ralf Ulrich S*****, wegen Zwangsversteigerung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Wohnungsberechtigten Gabriele S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 4.Februar 1998, GZ 22 R 45/98v-42, womit unter anderem der Rekurs der Gabriele S***** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 5. Dezember 1997, GZ 5 E 2236/96d-36, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der betreibenden Partei wurde rechtskräftig die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 1 Mio sA im Rang eines für diese Forderung einverleibten Pfandrechtes (zu CLNr 1a) bewilligt. Auf dieser Liegenschaft ist zu CLNr 6a ein Wohnungsrecht zugunsten der Ehefrau des Verpflichteten einverleibt.

Der mit der Schätzung der Liegenschaft beauftragte Sachverständige schätzte den Verkehrswert der Liegenschaft mit S 2,050.000 und bewertete das Wohnungsrecht der Ehegattin des Verpflichteten mit S 1,190.000. Die Bewertung der Liegenschaft bei Aufrechterhaltung der Belastung unterblieb. Mit Beschluß vom 7.8.1997 (ON 19) gab das Erstgericht den Schätzwert ausschließlich des Zubehörs mit S 2,050.000 bekannt. Innerhalb der verlängerten Äußerungsfrist ersuchte die Wohnungsberechtigte mit der Begründung, ihr Wohnungsrecht beziehe sich auf das ganze Haus, dies im Schätzungsgutachten zu berücksichtigen.

Mit seinem Beschluß vom 5.12.1997 (ON 36) bewertete das Erstgericht (mit Formblatt E 214) die Liegenschaft mit S 2,050.000 und führte im Rahmen seiner Begründung aus, daß bezüglich des Umfanges des Wohnungsrechtes auf den Vertragstext zu verweisen sei.

Den Rekurs der Wohnungsberechtigten mit dem Antrag, ihr Wohnungsrecht um S 290.000 höher festzusetzen, wies das Rekursgericht mit Punkt 2. des angefochtenen Beschlusses zurück. Es sprach insoweit aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, daß nach den von der betreibenden Partei vorgelegten, bisher aber noch nicht genehmigten Versteigerungsbedingungen eine Bewertung des gemäß § 150 Abs 1 EO nur in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden Wohnungsrechtes der Rekurswerberin im Zuge der Festsetzung des Schätzwertes nicht vorzunehmen gewesen sei, weil dieses Wohnungsrecht den Schätzwert der Liegenschaft nicht mindere. Zwar sei das Wohnungsrecht gemäß § 143 Abs 1 EO zu schätzen gewesen, doch habe dessenungeachtet eine Bewertung der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes (von beschränkter Dauer) erst im Verteilungsverfahren - aufgrund des Ergebnisses der Schätzung - zum Zwecke der Berechnung des Deckungskapitals (nach § 225 Abs 2 EO) oder des Entschädigungsbetrages (nach § 227 EO) zu erfolgen (vgl EvBl 1976/198). Eine bindende "Schätzung" des Wertes des Wohnungsrechtes liege daher noch gar nicht vor. Dies sei auch schon deshalb nicht möglich, weil im nunmehrigen Verfahrensstadium der Ersteher noch nicht feststehe. Dieser müsse aber - im Falle der Übernahme des Wohnungsrechtes in Anrechnung auf das Meistbot - als nach §§ 225 bis 227 EO auf das Meistbot gewiesener Berechtigter dem Verfahren beigezogen werden (vgl EvBl 1976/198; EvBl 1965/292).

Der vom Erstgericht gemäß § 144 EO beschlußmäßig festgesetzte Schätzwert solle dazu dienen, im Interesse des Verpflichteten, aber auch im Interesse der in schlechterem Rang befindlichen Gläubiger einer Verschleuderung der Liegenschaft vorzubeugen (MGA EO13 § 144 E 1 und 2 mwN). Werde der Schätzwert aber durch Lasten, die dem Pfand- oder Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers im Rang nachfolgen, nicht gemindert, dann könne im Zuge von dessen Bestimmung auch kein rechtliches Interesse eines nachrangigen Dienstbarkeitsberechtigten ersehen werden, die Bewertung einer bücherlichen Last, die erst im Verteilungsverfahren zum Zweck der Berechnung des Deckungskapitals oder des Entschädigungsbetrages vorzunehmen sei, bereits im Verfahren zur Feststellung des Schätzwertes zu bekämpfen. Die Wohnungsberechtigte könne sich daher durch die Festsetzung des Schätzwertes durch das Erstgericht nicht als beschwert erachten, was zur Zurückweisung ihres Rechtsmittels führen müsse.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil der Frage der Rechtsmittellegitimation bereits im Verfahren zur Feststellung des Schätzwertes von Buchberechtigten, deren Rechte vom Ersteher unter Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind, eine erhebliche rechtliche Bedeutung auch über den Einzelfall hinaus zukomme und soweit ersichtlich eine unmittelbar auf einen solchen Fall übertragbare Judikatur des Höchstgerichtes fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Wohnungsberechtigten, mit dem sie beantragt, sie bereits im Verfahren zur Feststellung des Schätzwertes als Dienstbarkeitsberechtigte rechtlich zu legitimieren; ihre Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes schon in diesem Verfahren mit S 1,480.000 anstatt mit S 1,190.000 zu bewerten und bis zur Entscheidung über diesen Revisionsrekurs die Genehmigung der Versteigerungsbestimmungen zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin vermag keine Gründe anzuführen, die Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsansicht des Rekursgerichtes erwecken könnten. Sie begründet nicht, inwiefern die endgültige Festsetzung des Wertes ihres Wohnungsrechtes erst im Verteilungsverfahren zu ihrer Benachteiligung und zu einer Verschleuderung der Liegenschaft führen könnte. Entgegen der im Revisionsrekurs geäußerten Ansicht kann ja auch nach Auffassung des Rekursgerichtes keine Rede davon sein, daß das bücherlich eingetragene Wohnungsrecht auch im Verteilungsverfahren keine Berücksichtigung mehr finden werde.

Bereits die Stammfassung der EO ordnete (in ihrem § 144 Abs 2 alt) an, daß für den Fall, daß auf der versteigerten Liegenschaft Lasten haften, die auf den Ersteher nicht von Rechts wegen übergehen, eine dreifache Wertermittlung stattzufinden hat. Daran hat sich sachlich auch durch die Neufassung dieser Regelung im nunmehrigen § 143 Abs 1 (und 2) EO idF des Art III LBG BGBl 1992/150 nichts geändert. Demnach hätte richtigerweise im Gutachten auch angegeben werden müssen, welchen Wert die Liegenschaft bei Aufrechterhaltung des Wohnungsrechtes der Ehefrau des Verpflichteten hätte. Dieser Verfahrensmangel (3 Ob 370/97a) wurde aber von der Revisionsrekurswerberin nicht geltend gemacht.

Entgegen ihrer (aus ihrem Rechtsmittelvorbringen zumindest ableitbaren) Ansicht kann auch nicht gesagt werden, daß die genannte dreifache Bewertung auch zu einer ebensolchen Festsetzung der entsprechenden Schätzungswerte durch das Exekutionsgericht führen müßte. Vielmehr ist nach § 144 EO (ebenso bereits der aufgehobene § 30 Abs 1 RSchO) lediglich der Schätzwert durch Beschluß festzusetzen. Keine Bestimmung ordnet ausdrücklich an, daß auch der Kapitalbetrag, der einer auf der Liegenschaft haftenden Last entspricht, gerichtlich bereits in diesem Verfahrensstadium festzusetzen wäre. Solches geht auch nicht aus den Gesetzesmaterialien (Bericht des Permanenzausschusses zu § 148, 1026 Blg AbH 9.Session 27, abgedruckt in Materialien zu den neuen österreichischen Civilprocessgesetzen 33

f) hervor. Darin wird hervorgehoben, daß es zwar im Laufe des Versteigerungsverfahrens in mehrfacher Beziehung notwendig sei, den Wert der auf der Liegenschaft haftenden Dienstbarkeiten, Ausgedinge und Reallasten zu kennen (was näher ausgeführt wird), es wird aber lediglich als zweckmäßig und im Interesse der Ersparung von neuerlichen Schätzungskosten wünschenswert bezeichnet, daß gleichzeitig mit der Schätzung der Liegenschaft die Erhebung des Inhaltes und Umfanges derartiger Belastungsrechte und ihre Bewertung erfolge. Gerade die zuletzt zitierten Erwägungen sprechen gegen die Ansicht, dem Gesetzgeber sei eine (bindende) Wertfeststellung über diese dinglichen Rechte bereits im Stadium der Schätzung vorgeschwebt. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß an derselben Stelle des Berichtes des Permanenzausschusses davon die Rede ist, daß zwar insbesondere bei der Meistbotsverteilung die Kenntnis des Wertes der Belastungen notwendig sei, daß aber eine Übersicht über diese Belastungen auch dafür erforderlich sei, daß der Pfandgläubiger sich darüber schlüssig werden könne, ob er beantragen solle, daß derlei Rechte von dem Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen seien. Daneben spiele der Wert dieser Rechte auch eine Rolle bei der Schlußfassung über einen Antrag auf Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens.

Das in den zitierten Erwägungen des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses erwähnte Antragsrecht der Pfandgläubiger nach § 163 der RV wurde bei den gemeinsamen Beratungen der Ausschüsse von Herrenhaus und Abgeordnetenhaus im Zusammenhang damit gestrichen, daß nach der Gesetz gewordenen Fassung der EO nach § 150 Abs 1 eben nicht mehr alle Dienstbarkeiten etc, sondern nur noch die vor dem Befriedigungsrechte oder Pfandrechte des betreibenden Gläubigers vorrangigen vom Ersteher zu übernehmen sind. Auch die §§ 156 und 157 der RV (entsprechend §§ 142, 143 des Berichtes des Permanenzausschusses) wurden nicht in der vom Permanenzausschuß genannten Form (Materialien zu den österreichischen Civilproceßgesetzen 123 f) Gesetz. Insbesondere wurde der Einstellungsgrund des § 142 Z 4 idF des Ausschusses durch das Widerspruchsrecht nach § 184 Abs 1 Z 8 EO ersetzt, für welches, da es nur zugunsten von Hypotheken besteht, die Bewertung von Dienstbarkeiten, Reallasten etc unerheblich ist. Nach dem (ebenfalls gegenüber den Vorentwürfen geänderten) § 200 Z 1 EO haben aber gegen den Übernahmsantrag alle auf das Meistbot gewiesenen Personen ein Vetorecht, deren Ansprüche durch den Übernahmspreis nicht unzweifelhaft vollständig gedeckt sind, was wohl bei einem begründeten Einwand gegen die Bewertung eines Wohnungsrechtes im Schätzungsgutachten nicht gesagt werden kann. Demnach erfordern auch die Zwecke des § 200 Z 1 EO keinesfalls eine bindende Festsetzung des Wertes von Dienstbarkeiten, Reallasten etc vor der Versteigerung.

Bereits in dem der E ZBl 1934/99 zugrundeliegende Verfahren hatte das Rekursgericht die Auffassung vertreten, daß bei nicht ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden Rechten für die Zwecke der Versteigerung selbst eine Bewertung nicht erforderlich sei. Lediglich im Meistbotsverteilungsverfahren erfolge dann im Sinne der §§ 225, 226 EO die Feststellung des Deckungskapitals. Bei dessen Ermittlung habe der Richter allerdings die Ergebnisse der Schätzung zu berücksichtigen, ohne daß aber bereits vorher über diese Schätzungsergebnisse eine abschließende Ziffernfeststellung des Gerichtes vorhanden sein müßte. Es sei daher nicht angängig, dem Verteilungsverfahren vorgreifend überhaupt einen Wert für die genannten Rechte festzusetzen.

Dagegen hatte der Oberste Gerichtshof (offenbar auf Revisionsrekurs der Reallastberechtigten) den einen Schätzwert festsetzenden Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt. Es habe der Pflicht des Gerichtes entsprochen, die im Schätzungsprotokoll vorgenommene Bewertung der Rechte der Buchberechtigten auf den nachträglich als richtig erkannten Betrag abzuändern.

Bereits in seiner E EvBl 1965/292 hat der Oberste Gerichtshof allerdings entschieden, daß im Meistbotsverteilungsverfahren der Ersteher der Liegenschaft sowohl gegen die Zuweisung eines Deckungskapitals für eine Dienstbarkeit als auch gegen die vom Erstgericht bestimmte Höhe dieses Deckungskapitals ein Rekursrecht hat. Daraus folgert nun die nachfolgende E EvBl 1976/198 richtigerweise, daß demnach vor der Versteigerung eine Bewertung eines nach den Versteigerungsbedingungen in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden Ausgedinges vom Richter noch nicht vorzunehmen sei. Diese Bewertung habe gemäß § 225 Abs 1 EO erst im Verteilungsverfahren - aufgrund des Ergebnisses der Schätzung - zum Zweck der Berechnung des Deckungskapitals (§§ 225 f EO) oder des Entschädigungsbetrages (§ 227 EO) zu erfolgen. Die anläßlich der Genehmigung der Versteigerungsbedingungen vorgenommene "Schätzung" des Ausgedinges bzw der aufgrund dieses Rechtes zu erbringenden Leistungen des jeweiligen Liegenschaftseigentümers habe keine gesetzliche Grundlage. Zufolge der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 225 Abs 1 EO könne diese Bewertung keinesfalls vor der Zuschlagserteilung - mit bindender Wirkung für das Verteilungsverfahren - vorgenommen werden, weil in diesem Verfahrensstadium der Ersteher noch gar nicht feststehe, welcher aber als nach §§ 225 bis 227 EO auf das Meistbot gewiesener Berechtigter diesbezüglich dem Verfahren beigezogen werden müsse (vgl Heller-Berger-Stix 1453; EvBl 1965/292).

Der erkennende Senat schließt sich diesen zutreffenden Erwägungen an, die zur Bestätigung der Zurückweisung des Rekurses der Wohnungsberechtigten führen. Auch die in den Materialien dargelegten Zweckmäßigkeitserwägungen sprechen gegen die Verpflichtung des Exekutionsgerichts, zugleich mit der Festsetzung des Schätzwerts der Liegenschaft selbst auch die (ja nicht den Gegenstand der Versteigerung bildenden) Rechte im Sinn des § 143 Abs 1 bindend zu bewerten, noch ehe es zu einem Zuschlag gekommen ist. Einerseits könnte ein derartiger Beschluß schon wegen des Rekursrechts des Erstehers nicht rechtskräftig werden, andererseits führt die Zubilligung eines Antrags- und in der Folge Rechtsmittelrechts der in Frage kommenden dinglich Berechtigten zu einer überflüssigen Verzögerung des Versteigerungsverfahrens. Dadurch würde sich die bereits in den Materialien erkannte Zweckmäßigkeit, der Bewertung der genannten Rechte durch einen Sachverständigen zugleich mit der Schätzung der Liegenschaft selbst, ins Gegenteil verkehren.

Bei - wie im vorliegenden Fall - unter Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden Dienstbarkeiten etc ist eine Bewertung für die Festsetzung des Schätzwertes und des geringsten Gebotes ohne Bedeutung, sodaß auch eine Festsetzung, wie von der Wohnungsberechtigten gewünscht, nicht geeignet wäre, eine allfällige Verschleuderung der Liegenschaft zu verhindern. Sie kann sich daher durch das Unterbleiben dieser Festsetzung - anders wäre es allenfalls bei Einwendungen gegen den Schätzwert selbst - nicht für beschwert erachten.

Das Rekursgericht hat daher zu Recht ihren Rekurs zurückgewiesen.