JudikaturJustiz3Ob1521/95

3Ob1521/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. März 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GesmbH,***** vertreten durch Dr.Michael Lackner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Josefine H*****, vertreten durch Dr.Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 19.Dezember 1994, GZ 21 R 469/94-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 17.August 1994, GZ 11 C 1134/93-29, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Akten werden dem Bezirksgericht Salzburg mit dem Auftrag zurückgestellt, den Mangel der gesetzlichen Vertretung der beklagten Partei nach Maßgabe des § 6 Abs 2 ZPO zu beseitigen und sodann die Akten wieder vorzulegen.

Text

Begründung:

Im Zuge des am 25.Mai 1993 gerichtshängig gewordenen Kündigungsprozesses wurde Dr.Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in Salzburg, für die Beklagte Josefine H***** mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 14.9.1993, GZ 20 SW 34/93-3, zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs 1 AußStrG bestellt; sein Aufgabenkreis war auf die Vertretung der betroffenen Beklagten im Kündigungsprozeß beschränkt. Mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 25.11.1993, GZ 20 SW 34/93-8, wurde Dr.Herbert Pflanzl zum Sachwalter der Josefine H***** zur Besorgung aller Angelegenheiten gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB bestellt.

Josefine H***** starb am 27.Dezember 1993. Ihr Nachlaß wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 23.9.1994, GZ 20 A 27/94d-8, einem ihrer Söhne an Zahlungs Statt überlassen. Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zur Vertretung der beklagten Verlassenschaft im Kündigungsstreit ist nicht erfolgt.

Im vorliegenden Kündigungsprozeß erhob Dr.Herbert Pflanzl für Josefine H***** zunächst unter Hinweis auf eine erteilte Vollmacht gemäß § 30 Abs 2 ZPO - verspätete - Einwendungen gegen die Aufkündigung. Erst nach Zurückweisung dieser Einwendungen brachte er vor, die Beklagte sei aufgrund ihres Geisteszustandes nicht mehr prozeßfähig, und erwirkte seine - eingangs dargestellte - Bestellung zu ihrem (einstweiligen) Sachwalter.

In der Tagsatzung vom 10.1.1994 berichtigte die klagende Partei mit dem Hinweis darauf, daß Josefine H***** am 27.12.1993 verstorben sei, die Bezeichnung der beklagten Partei auf Verlassenschaft nach Josefine H*****. Sodann wurde im Protokoll "festgehalten", daß der erschienene Beklagtenvertreter Dr.Herbert Pflanzl Sachwalter der Josefine H***** ist (richtig wohl: war), daß die Geschäftszahl des Verlassenschaftsverfahrens und die Fragen, ob ein Testament vorhanden sei bzw wer sich zum Erben erklären werde, derzeit noch offen seien, sowie daß der Beklagtenvertreter einen allfälligen Vertretungswechsel bekanntgeben werde. Nach Erstattung eines Schriftsatzes (ON 18), in welchem sich Dr.Herbert Pflanzl (und Dr.Ägidius Horvatits) auf eine Vollmacht der Verlassenschaft nach Josefine H***** berief, wurde vom Erstgericht zu Beginn der Tagsatzung vom 21.2.1994 (ON 19) "festgehalten", daß die Kanzlei Dr.Pflanzl und Partner nunmehr auch die Verlassenschaft vertritt. Im bisherigen weiteren Verfahren wurde weiterhin von einem derartigen Vollmachtsverhältnis ausgegangen.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der vorliegenden außerordentlichen Revision der klagenden Partei, deren Beantwortung der beklagten Partei freigestellt werden soll, ist der Mangel der gesetzlichen Vertretung der beklagten Verlassenschaft hervorgekommen, welcher von Amts wegen in jeder Lage des Rechtsstreites zu berücksichtigen ist (§ 6 Abs 1 ZPO): Durch den Tod der Josefine H***** ist die Sachwalterschaft und damit ihre gesetzliche Vertretung durch Dr.Herbert Pflanzl gemäß §§ 283 Abs 1, 249 ABGB erloschen (Pichler in Rummel2 Rz 1 zu § 283, Rz 1 zu §§ 249-251; vgl Knell, Kuratoren, 273). Der ruhende Nachlaß nach Josefine H***** wurde daher an ihrer Stelle zur Partei des Rechtsstreites (Fasching, Lehrbuch2 Rz 335). Auch im hier vorliegenden Fall einer "iure-crediti-Einantwortung" nach § 73 AußStrG bleibt der Zustand (die Parteistellung) des ruhenden Nachlasses bestehen; bis zu einer - allenfalls nie erfolgenden - Einantwortung kann daher nur die Verlassenschaft (klagen oder) geklagt werden (EvBl 1993/112 mwN). Obwohl die Verstorbene Josefine H***** im Prozeß durch ihren Sachwalter, einen Rechtsanwalt, vertreten war, wurde doch gemäß § 155 Abs 1 ZPO der Prozeß durch ihren Tod unterbrochen, weil der Sachwalter nicht mit einer freien Prozeßvollmacht gemäß § 31 ZPO ausgestattet war, sondern in seiner Stellung als Sachwalter und gesetzlicher Vertreter - wenn auch als Rechtsanwalt - unter der Aufsicht des Sachwalterschaftsgerichtes mit der Vertretung der Kurandin im Kündigungsprozeß beauftragt war. Er selbst hat aber keinem anderen Rechtsanwalt bzw keiner anderen Person eine Prozeßvollmacht im Sinne der §§ 31 ff ZPO erteilt. Die Berufung der Kanzlei Dris.Herbert Pflanzl und Partner auf eine Vollmacht der Verlassenschaft nach Josefine H***** muß schon deshalb fehlgehen, weil eine derartige Bevollmächtigung dem Abhandlungsakt nicht entnehmbar ist und zur Vertretung einer Verlassenschaft, zu welcher die Erben keine Erbserklärung abgegeben haben, kraft Gesetzes in Fällen wie dem vorliegenden über Antrag des Gläubigers der Erblasserin ein vom Abhandlungsgericht zu bestellender und diesem verantwortlicher Kurator berufen ist (§§ 78, 128 AußStrG; § 811 ABGB; Welser in Rummel2 Rz 27 zu § 810, Rz 1 ff zu § 811).

Die Sanierung dieses Mangels der gesetzlichen Vertretung der beklagten Verlassenschaft wird vom Erstgericht zu veranlassen sein.