JudikaturJustiz3Ob135/88

3Ob135/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R*** L***, Leibnitz,

Bahnhofstraße 2, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die verpflichteten Parteien

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Versteigerungsbedingungen nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens über die Feststellung der Versteigerungsbedingungen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestimmte in dem von der betreibenden Partei zur Hereinbringung der Forderung von S 544.044,52 sA geführten Zwangsversteigerungsverfahren den Schätzwert der zu versteigernden Liegenschaften und forderte die betreibende Partei zugleich auf, binnen 14 Tagen nach Zustellung der Aufforderung einen Entwurf der Versteigerungsbedingungen vorzulegen oder in derselben Zeit die Versteigerungsbedingungen zu gerichtlichem Protokoll zu erklären, widrigens das Versteigerungsverfahren eingestellt werde. Die Aufforderung wurde dem Vertreter der betreibenden Partei am 20. Mai 1988 zugestellt. Am 6. Juni 1988 gab die betreibende Partei einen Schriftsatz zur Post, der den Entwurf der Versteigerungsbedingungen und außerdem den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zu dessen Vorlage enthielt. Das Erstgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab, stellte aber die Versteigerungsbedingungen fest. Die Versäumung der Frist hielt es nicht für entscheidend, weil zum Zeitpunkt des Einlangens des Entwurfes der Versteigerungsbedingungen die Exekution noch nicht eingestellt gewesen sei.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses der Verpflichteten diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der betreibenden Partei, dem Versteigerungsverfahren die von ihr vorgelegten Versteigerungsbedingungen zu Grunde zu legen, zurückgewiesen und das Versteigerungsverfahren eingestellt wird. Da die betreibende Partei den Entwurf der Versteigerungsbedingungen erst nach Ablauf der gesetzten Frist vorgelegt habe, könne er nicht mehr berücksichtigt werden. Das Versteigerungsverfahren müsse gemäß § 145 Abs. 1 EO eingestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt. Wenn nicht dem Versteigerungsantrag ein Entwurf der Versteigerungsbedingungen beigelegt wurde, ist dem betreibenden Gläubiger gemäß § 145 Abs. 1 EO sogleich nach Einlangen der Protokolle über die Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft aufzutragen, innerhalb einer bestimmten Frist dem Exekutionsgericht einen solchen Entwurf vorzulegen oder sich über die Versteigerungsbedingungen zu Protokoll zu erklären, widrigens das Versteigerungsverfahren eingestellt würde.

Bei der in dieser Bestimmung geregelten Einstellung handelt es sich um einen Sonderfall der Einstellung des Versteigerungsverfahrens nach § 200 Z 3 EO, die dort für den Fall vorgesehen ist, daß die betreibende Partei vor Beginn der Versteigerung von der Fortsetzung der Exekution absteht (SZ 19/307; JBl. 1954, 360). Der Oberste Gerichtshof hat § 200 Z 3 EO stets erweiternd dahin ausgelegt, daß die Einstellung auch angedroht und verfügt werden kann, wenn die betreibende Partei die für die ordnungsgemäße Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens notwendigen Schritte unterläßt (Vorlage eines Grundbuchsauszugs und Interessentenverzeichnisses): RPflSlgE 1973/53 und SZ 56/142; Erlag eines Kostenvorschusses: SZ 16/63; ZBl. 1937/38 und RPflSlgE 1986/109. Er hat in der Entscheidung 2 Ob 419/54 (teilweise abgedruckt in der MGA EO11 § 200 Z 3 E 4) für den Fall, daß ein Kostenvorschuß nicht fristgerecht erlegt wurde, die Auffassung vertreten, die Fiktion, der betreibenden Gläubiger wolle von der Exekution abstehen, sei nicht mehr berechtigt, wenn der Vorschuß inzwischen erlegt würde. Der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung sind Heller-Berger-Stix (II 1414) gefolgt, und sie wurde in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs RPflSlgE 1986/109 übernommen.

Die hiefür maßgebenden Erwägungen gelten auch für den Fall des § 145 Abs. 1 EO. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung offensichtlich das Verfahren zum Abschluß bringen, wenn die betreibende Partei die zur Fortsetzung unerläßlichen Versteigerungsbedingungen nicht vorlegt, er wollte aber nicht festlegen, daß die Einstellung eine zwingende Folge des Säumnisses der betreibenden Partei sei. Dafür spricht auch der Wortlaut des Gesetzes, aus dem nur hervorgeht, daß die betreibende Partei auf die Möglichkeit der Einstellung hinzuweisen ist, der aber nicht zu dem Schluß zwingt, daß das Versteigerungsverfahren auf jeden Fall eingestellt werden muß, wenn sie säumig ist. In diesem Punkt unterscheidet sich die anzuwendende Gesetzesstelle etwa vom § 398 Abs. 1 ZPO, weshalb die hiezu ergangene Rechtsprechung (SZ 39/47), wonach ein Versäumungsurteil auch dann zu erlassen ist, wenn die Klagebeantwortung zwar nicht innerhalb der gesetzten Frist, jedoch noch vor der Erlassung des Urteils überreicht wurde, nicht vergleichbar ist.

Dient aber die Regelung des § 145 Abs. 1 EO nur dazu, die ordnungsgemäße Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens zu gewährleisten, so besteht kein Grund, die darin vorgesehene Einstellung noch zu verfügen, wenn die betreibende Partei die notwendige Prozeßhandlung inzwischen, wenn auch verspätet, vorgenommen hat. Das Versteigerungsverfahren ist daher nicht einzustellen, wenn die Versteigerungsbedingungen zwar erst nach Ablauf der gesetzten Frist, jedoch noch vor der Verfügung der Einstellung vorgelegt oder zu Protokoll gegeben werden. Das Rekursgericht hat deshalb zu Unrecht die Einstellung des Versteigerungsverfahrens verfügt.

Die Feststellung der Versteigerungsbedingungen ist allerdings noch nicht möglich: Aus den vorliegenden Grundbuchsabschriften ergibt sich, daß auf einer zu versteigernden Liegenschaft die Anmerkung der Enteignung und auf einer anderen diese Anmerkung und überdies die Anmerkung des Erlages und der Auszahlung der Entschädigung eingetragen ist. Gemäß § 35 Abs. 3 EisbEG, der hier jedenfalls anzuwenden sein dürfte (vgl. § 20 BStG und Art. 13 des Verwaltungsentlastungsgesetzes BGBl. 1925/277), wird der Vollzug der Enteignung dadurch nicht gehindert, daß deren Gegenstand von dem, gegen den die Enteignung eingeleitet worden war, an einen Dritten übergegangen ist. Hat der Verpflichtete auf Grund der Enteignung ein von der Versteigerung betroffenes Grundstück oder einen Teil eines solchen Grundstückes an den Enteigner zu übergeben, so geht diese Verpflichtung daher auch auf einen den Ersteher über, und zwar ohne Anrechnung auf das Meistbot. Es handelt sich nämlich um eine öffentlich-rechtliche Last (SZ 15/161; SZ 34/64).

Gemäß § 146 Z 3 EO haben die Versteigerungsbedingungen die Bezeichnung der Dienstbarkeiten, Ausgedinge und anderen nicht zu den Hypotheken gehörenden Lasten, welche der Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot übernehmen muß, zu enthalten. Zu den Lasten gehören auch die öffentlich-rechtlichen Lasten (Heller-Berger-Stix II 1185; SZ 34/64) und damit die auf Grund eines Enteignungsbescheides bestehende Verpflichtung zur Übergabe eines Grundstücks oder Grundstücksteiles.

Das Erstgericht wird vor der neuen Entscheidung über die Versteigerungsbedingungen demnach zu prüfen haben, inwieweit auf Grund der Enteignungsbescheide, die den angeführten Anmerkungen der Enteignung zugrundeliegen, die Verpflichtung zur Übergabe von Grundstücken oder Grundstücksteilen (noch) besteht, und dies in den Versteigerungsbedingungen anzuführen haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 78 EO iVm § 52 Abs. 1 ZPO.

Rechtssätze
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