JudikaturJustiz3Ob126/02d

3Ob126/02d – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 31. Mai 2001 verstorbenen Elisabeth S*****, infolge Revisionsrekurses der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien 2., Friedrich Hillegeist Straße 1, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Jänner 2002, GZ 43 R 596/01t 12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 31. Juli 2001, GZ 3 A 72/01h 6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird die zweitinstanzliche Entscheidung dahin abgeändert, dass der gegen den erstgerichtlichen Beschluss ON 6 erhobene Rekurs der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zurückgewiesen wird.

Text

Begründung:

In der vom Gerichtskommissär unter Beiziehung einer der beiden Töchter der Erblasserin errichteten Todfallsaufnahme (AußStrForm 4) findet sich unter Punkt 17 ("Bezüge") der Eintrag "W. Pension von der PVA der Ang., W Pension von der Deutschen Bundespost, Pflegegeld der Stufe 5" sowie "(obige Stellen) wurden vom Ableben verständigt"; zu Punkt 19 ist festgehalten: "Der Nachlass besteht nach Angaben der erbl. Tochter ... aus:

1. Pensionskonto Nr. ... CA

2. Wiener Verein ... 39.537 (S)

3. Wohnungseinrichtung alt,

abgewohnt und wertlos 0

4. Kleidung und Wäsche, alt und

wertlos 0".

Das Erstgericht überließ mit Beschluss vom 31. 7. 2001 (ON 6) den Nachlass "bestehend aus

a. Pensionskonto bei der CA AG

per Todestag S 11.529,12;

durch nachträgliche Überweisungen infolge nicht mehr gebührender Pensionsanteile, deren Rücküberweisungen sowie Kontoführungsspesen ergibt sich laut Auskunft der kontoführenden Bank ein nachlasszugehöriger

Wert von S 6.266,15

b. Versicherungsrealisat ... S 39.537, -

c. Wohnungseinrichtung, alt

und wertlos 0

d. Kleidung und Wäsche, alt

und wertlos 0

zusammen S 45.803,15"

einer erblasserischen Tochter auf Abschlag ihrer Forderung an bezahlten Begräbnis und Begräbnisnebenkosten von 71.406 S an Zahlungsstatt; weiters bestimmte es die Gebühr des Gerichtskommissärs mit 1.800 S, trug deren Bezahlung der erblasserischen Tochter auf und berechtigte diese zur freien Verfügung über das erbl. Pensionskonto bei der CA AG sowie zur Rückstellung der erbl. Wohnung an die Hausinhabung.

Dieser Beschluss wurde beiden erblasserischen Töchtern (am 3./4. 9. 2001) und dem Gerichtskommissär (am 31. 8. 2001) zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Am 4. 10. 2001 (beim Erstgericht eingelangt am 9. 10. 2001) erstattete die Revisionsrekurswerberin (folgend: PVA) eine Forderungsanmeldung über 9.190 S (um welchen Betrag die Verlassenschaft zufolge eines rückzuzahlenden Pensionsvorausbezugs unter Berücksichtigung eines Pflegegeldguthabens bereichert sei). Darin ersuchte sie um "Aussonderung aus der Verlassenschaft" und Rücküberweisung auf ein genanntes Konto ... unter Angabe der Versicherungsnummer; sollten keine ausreichenden Geldmittel vorhanden bzw das Nachlassverfahren bereits beendet sein, wollen eine "Barwertanfrage (Kontenbewegungen nach dem Ableben) bei der CA AG veranlasst und begünstigte Dritte mit den exakten Bezugs und Adressdaten angeführt werden" (ON 7).

Das Erstgericht übermittelte daraufhin der PVA eine Ausfertigung seines Beschlusses ON 6 und legte den Akt ab.

Diese erhob indessen mit der Behauptung, der Beschluss ON 6 sei bei ihr am 22. 10. 2001 eingelangt, einen Rekurs (Postaufgabe am 31. 10. 2001) mit dem Antrag, das Rekursgericht wolle die erstgerichtliche Entscheidung dahin abändern, dass der erblasserische Nachlass der erblasserischen Tochter ... "gegen Rücküberweisung der nicht mehr gebührenden Pensionsvorauszahlung von 9.190 S (667,86 EUR) an die PVA ..." auf Abschlag ihrer Forderung an bezahlten Begräbnis und Begräbnisnebenkosten von ... an Zahlungsstatt überlassen werde.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Für die Entscheidung des Rekursgerichts sei die Sach und Rechtslage zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung maßgebend. Auf die erst nach Erlassung der angefochtenen Entscheidung angemeldete Forderung habe das Erstgericht nicht Bedacht nehmen können. Auch dem Rekursgericht sei eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses unter Berücksichtigung der später angemeldeten Forderung verwehrt. Dies liege in der Verfahrensgestaltung, die solche Ergebnisse in Kauf nehme, weil von Nachlässen geringen Wertes ausgegangen werde. Keinesfalls sei die Nichtberücksichtigung der Forderung auf einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzuführen. Die Forderung hätte dem Erstgericht nicht evident werden können. Im Interesse der Rechtssicherheit müsse als Zeitpunkt, ab dem eine neue Forderungsanmeldung nicht mehr stattfinden könne, jener der erstinstanzlichen Entscheidung im Verfahren nach § 73 AußStrG angenommen werden. Wäre auch nachher immer noch eine Forderungsanmeldung zulässig, so hätte dies zur Folge, dass "ad infinitum" immer wieder Umverteilungen stattfinden müssten. Die Anmeldungskautelen der Konkursordnung fänden nicht statt, weil der Verfahrenswert solche Gestaltungen nicht trage. Die Gläubigerkonvokation nach § 133 AußStrG, §§ 813 und 815 ABGB scheide schon deshalb aus, weil sie nur über Antrag der Erben oder des Verlassenschaftskurators stattfänden und solche Verfahrenshandlungen hier nicht vorlägen.

Da höchstgerichtliche Judikatur zum Problem der Anmeldungsfrist bei überschuldetem Nachlass fehle, die Lösung dieser Frage indessen über den Einzelfall hinausgehe, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Nachlassgläubigerin ist nur insoweit berechtigt, als er zur Abänderung iS der Zurückweisung ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluss führt.

Jedenfalls dem wie hier als pensionsbezugsauszahlende Stelle vom Verlassenschaftsverfahren bzw vom Todesfall verständigten Gläubiger des Erblassers und damit der Verlassenschaft kommt Parteistellung in einem Abhandlungsverfahren zu, für welches die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 73 AußStrG (unbedeutender überschuldeter Nachlass) vorliegen; er kann dort die ihm in den §§ 811, 812, 815 und 822 ABGB eingeräumten Rechte ausüben (siehe die Entscheidungen zu RIS Justiz RS0006604; RS0006659). Hat er dort seine Forderung angemeldet, wird jedoch der Nachlass ohne seine Einvernahme einem anderen Gläubiger an Zahlungsstatt überlassen, so ist er zur Anfechtung dieses Beschlusses berechtigt (für viele: EFSlg 47.006 mwN). Da in einem Abhandlungsverfahren nach § 73 AußStrG ohne Antrag der "Erben bzw des Verlassenschaftskurators" (wie im vorliegenden Fall) keine förmliche Gläubigerkonvokation gemäß § 133 AußStrG stattfindet, ist für die Nachlassgläubiger der Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts (gemäß § 73 AußStrG) die Zäsur für die Anmeldung ihrer Forderungen und damit für ihre Beteiligtenstellung sowie für die Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Nach dem einleitend dargelegten Inhalt der Todfallsaufnahme war für das Erstgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung (31. 7. 2001) nicht bekannt, dass die vom Todesfall bzw vom Abhandlungsverfahren verständigte Revisionsrekurswerberin gegen die Verlassenschaft offene Forderungen haben könnte, zumal solche im Verfahren nicht angemeldet, sondern vielmehr als "intern" (zwischen der kontoführenden Bank und der Revisionsrekurswerberin) geregelt bezeichnet wurden. Der erstgerichtliche Beschluss vom 31. 7. 2001 erwuchs mangels Anfechtung durch die erbl. Töchter und den Gerichtskommissär unangefochten in Rechtskraft. Die erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses zufolge der Forderungsanmeldung der Revisionsrekurswerberin vorgenommene (offenbar ohnedies nur zu deren Verständigung im Sinn ihrer Bitte "für den Fall der Beendigung des Abhandlungsverfahrens" gedachte) Übermittlung einer Beschlussausfertigung an die Revisionsrekurswerberin, welcher dieser Beschluss mangels Beteiligtenstellung seinerzeit nicht zuzustellen war, konnte nicht bewirken, dass dieser Beschluss gegenüber der anmeldenden Nachlassgläubigerin nicht rechtskräftig wäre und von dieser noch angefochten werden könnte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall im Sachverhalt von dem der Entscheidung 4 Ob 201/99h (= RPflSlgA 1999/8669) zu Grunde gelegenen Sachverhalt. Die Revisionsrekurswerberin fand vielmehr eine derartige Sach und Rechtslage vor, bei welcher sie ihre Forderung entweder gegen die (weiterhin rechtlich existente) Verlassenschaft (3 Ob 119/97i = NZ 1999, 58 mwN) oder aber gegen die erblasserische Tochter, welcher der ua die Verfügungsberechtigung über das erblasserische Pensionskonto umfassende Nachlass auf Abschlag ihrer Forderungen für Begräbnis und Begräbnisnebenkosten an Zahlungsstatt überlassen wurde, geltend machen musste. Da die erstgerichtliche Verfügung auf Übermittlung einer Ausfertigung des mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen - Beschlusses ON 6 an die Revisionsrekurswerberin dieser keine "nachträgliche" Parteistellung und Anfechtungsberechtigung verlieh, hätte das Rekursgericht das Rechtsmittel der nicht verfahrensbeteiligten, verspätet anmeldenden Gläubigerin nicht in der Sache zu behandeln, sondern mangels Parteistellung und Rechtsmittelberechtigung zurückzuweisen gehabt.

Demgemäß ist die zweitinstanzliche Entscheidung wie im Spruch abzuändern.